TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/25 W156 2171015-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.2020
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Entscheidungsdatum

25.06.2020

Norm

ASVG §67 Abs10
ASVG §83
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §14

Spruch

W156 2171015-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!


Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX XXXX , vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Wirtschaftstreuhänder in 1220 Wien, gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse, vom 10.03.2017, Zl. XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 27.04.2017, Zl. XXXX ., zu Recht erkannt:

A.) I. Die Beschwerdevorentscheidung vom 27.04.2017 wird behoben.

II. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem Bescheid vom 10.03.2017 sprach die Wiener Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse (kurz ÖGK) aus, dass Herr XXXX (kurz BF) als Geschäftsführer der Beitragskontoinhaberin XXXX GmbH (kurz Primärschuldnerin) der ÖGK gemäß § 67 Abs. 10 iVm § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge samt Nebengebühren aus den Vorschreibungen für die Zeiträume April 2013 bis Dezember 2014 in Höhe von € 5.915,15 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, dies seien ab 10.03.2017 3,38 % p. a. aus € 4.545,14, schulde. Der BF sei verpflichtet, diesen Betrag binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheids bei sonstigen Zwangsfolgen an die ÖGK zu bezahlen.

Begründend führte die ÖGK nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen aus, über die Primärschuldnerin sei am 29.04.2016 die Insolvenz eröffnet worden und am 31.12.2016 gemäß § 123a IO aufgehoben worden. Die Primärschuldnerin schulde die im Spruch genannten Beiträge samt Verzugszinsen, sämtliche Einbringungsmaßnahmen seien erfolglos geblieben.

Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen haften die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen für die von diesen zu entrichtenden Beiträgen insoweit, als die zu Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht hereingebracht werden konnten.

2. Mit Schreiben vom 10.04.2017, einlangend am 18.04.2017, erhob der BF Beschwerde gegen den Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht.

Darin führte der BF aus, er bestreite das Vorleigen einer schuldhaften Pflichtverletzung.

Abschließend beantragte der BF, das BVwG möge der Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Folge gegeben und den Haftungsbescheid ersatzlos aufheben.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 27.04.2017 wies die ÖGK die Beschwerde als verspätet zurück.

4. Mit Schreiben vom 05.05.2017 beantragte der BF die Vorlage der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht (wohl gemeint Bundesverwaltungsgericht) zur Entscheidung. Im wesentliche wurde ausgeführt, dass die Beschwerde bereits zwei Tag vor Fristende zur Post gegeben worden sie und wurde zum Beweis eine Kopie des Postaufgabebuches mit Poststempel vom 10.04.2017 beigelegt. Weiter wird ausgeführt, dass das Instrument der Beschwerdevorentscheidung die falsche Erledigungsform gewesen sei, es hätte die Beschwerde mit Zurückweisungsbescheid erledigt werden müssen.

5. Mit Schreiben vom 14.09.2019 wurde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung übermittelt und der Gerichtsabteilung W263 zur Entscheidung zugewiesen.

6. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde das Verfahren der Gerichtsabteilung W156 zur Erledigung zugewiesen.

7. Mit Schreiben vom 06.04.2020 erging im Rahmen des Parteiengehörs die Aufforderung bis zum 15.05.2020 nachzuweisen, dass den BF kein Verschulden an der nicht rechtzeitigen Entrichtung der ausständigen Beiträge treffe.

8. Mit Schreiben vom 28.05.2020 wurde das Bedauern über das ungenützte Verstreichen der gesetzten Frist bis 15.05.2020 ausgesprochen und die kurzfristige Vorbehaltsbeantwortung in Aussicht gestellt.

9. Bis zum Entscheidungsdatum ist keine Stellungnahme eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerde wurde am 10.04.2017 zur Post gegeben.

1.2. Der BF war im Zeitraum vom 29.06.2011 bis zum 28.01.2015 handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin.

1.3. Mit Beschluss des HG Wien vom 29.04.2016 wurde das Insolvenzverfahren über die Primärschuldnerin eröffnet und mit Beschluss vom 31.10.2016 mangels Kostendeckung aufgehoben.

1.4. Im Rahmen einer GPLA wurden für den Prüfzeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2014 Meldeverstöße betreffend 12 Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen festgestellt.

1.5. Seitens der Primärschuldnerin wurden die nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge für die Monate April 2013 bis Dezember 2014 nicht entrichtet. Für diesen Zeitraum haften Beiträge laut Rückstandsausweis vom 10.03.2017 in Höhe von € 4.545,14 zuzüglich Verzugszinsen aus.

1.5. Der BF hat im gesamten Verfahren trotz ausdrücklicher Aufforderungen der ÖGK und des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Beweise dahingehend vorgelegt, dass ihn keine schuldhafte Verletzung der ihm als Vertreter auferlegten Pflichten trifft.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der ÖGK.

2.2. Die unter Punkt 1.1. getroffene Feststellung ergibt sich aus der Kopie des Postaufgabebuches, aus der hervorgeht, dass gegenständliche Beschwerde am 10.04.2017 zur Post gegeben wurde und dies durch den Aufgabestempel des Postamtes 1220 Wien belegt ist. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes ist demnach die fristgerechte Aufgabe der Beschwerde ausreichend dokumentiert.

2.3. Die Geschäftsführertätigkeit ergibt sich aus dem dem Akt erliegenden Firmenbuchauszug.

2.4. Die Feststellungen zur Insolvenz ergeben sich aus dem Auszug aus der Ediktsdatei und sind darüber hinaus unbestritten.

2.5. Die Feststellungen zu den Meldeverstößen ergeben sich aus dem dem Akt erliegende Prüfbericht zur GPLA und wurden nicht bestritten.

2.6 Was die unter Punkt 1.5. getroffene Feststellung anbelangt, dass seitens der Primärschuldnerin Sozialversicherungsbeiträge für die Monate April 2013 bis Dezember 2014 nicht entrichtet wurden und für diesen Zeitraum Beiträge laut Rückstandsausweis vom 10.03.2017 in Höhe von € 4.545,14 zuzüglich Verzugszinsen aushaften, so ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des VwGH zu verweisen, wonach ein Rückstandsausweis eine öffentliche Urkunde ist und nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld, begründet; die gegenständliche Aufschlüsselung entsprach zudem den Vorgaben des § 64 Abs 2 ASVG, wonach der rückständige Betrag, die Art des Rückstands samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren anzuführen sind (vgl. VwGH vom 12.1.2016, Zl. Ra 2014/08/0028).

Zudem wurde die Höhe der aushaftenden Beiträge durch den BF nicht bestritten und ist am vorliegenden Rückstandsausweis somit nicht zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A.I.) Behebung der Beschwerdevorentscheidung:

Die verfahrensrelevante Bestimmung der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides vom 10.3.2017 lautet: „Dieser Bescheid kann binnen vier Wochen ab dem Tag der Zustellung gemäß § 414 ASVG iVm. § 7 VwGVG durch Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.“

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Der Bescheid der ÖGK wurde durch Hinterlegung nachweislich am 15.03.2017 zugestellt. Die Beschwerdefrist hat somit am 15.03.2017 zu laufen begonnen. Somit ergibt sich, dass die vierwöchige Frist am 12.04.2017 geendet hat. Die Beschwerde, datiert mit 10.04.2017, wurde am 10.04.2017, 11:48 Uhr, somit fristgerecht zur Post gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 25.04.2018, Geschäftszahl Ra 2017/09/0033, klargestellt, dass, ist die Beschwerde zulässig, sie mit der Beschwerdevorentscheidung aber zurückgewiesen wurde, so hat das Verwaltungsgericht inhaltlich über die Beschwerde zu erkennen (und den Ausgangsbescheid zu bestätigen, zu beheben oder abzuändern), wobei seine Entscheidung an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt, ohne dass diese explizit behoben werden muss.

Die Beschwerdevorentscheidung war somit zu beheben und hat das Bundesverwaltungsgericht in der Sache zu entscheiden.

Zu A.II.) Abweisung der Beschwerde

3.1. Materiellrechtliche Grundlagen

§ 58 Abs 5 ASVG lautet:

(5) Die VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen (§ 80 BAO) haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

§ 67 Abs 10 ASVG lautet:

(10) Die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

3.2. Im konkreten Fall bedeutet dies:

Als ehemaliger Geschäftsführer der Primärschuldnerin ist der BF nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens – womit die Uneinbringlichkeit der Forderung bei der Primärschuldnerin vorliegt - zweifellos haftender Vertreter im Sinne der §§ 67 Abs 10 und 58 Abs 5 ASVG (siehe etwa zum Kreis der haftenden Personen Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm, [2015], Rz 92 ff zu § 67 ASVG). Konkret war der BF in der Zeit vom 29.06.2011 bis zum 28.01.2015 Geschäftsführer der Primärschuldnerin, sodass eine Haftung für die verfahrensgegenständlichen Beiträge von April 2014 bis Dezember 2015 dem Grunde nach jedenfalls zu bejahen ist.

Die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG setzt die Uneinbringlichkeit der Beiträge, die Stellung des Haftenden als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters und dessen Verschulden an der Pflichtverletzung, deren Ursächlichkeit für die Uneinbringlichkeit sowie den Rechtswidrigkeitszusammenhang voraus (VwGH 11.04.2018, GZ Ra 2015/08/0038).

Es obliegt dem Meldepflichtigen im Zuge der Gewährung des Parteiengehörs darzutun, dass er entweder die Verpflichtung zur Meldung im Sinn des § 35 Abs. 3 ASVG an Dritte übertragen hat oder aus welchen sonstigen Gründen ihn kein Verschulden an der Unterlassung der Meldung trifft (vgl. VwGH 14.9.2005, 2004/08/0104; 27.11.2014, 2012/08/0216 Ra 2017/08/0012, VwGH vom 20.06.2018, GZ Ra 2017/08/0012).

Einer kausale schuldhafte Pflichtverletzung ist schon dann anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe anzugeben vermag, dass ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war. Es ist also seine Sache, die Gründe darzulegen und entsprechende Beweisanbote zu erstatten, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls seine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs: vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Juni 1999, 99/08/0075). Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast auch nicht überspannt oder so aufgefasst werden, dass die Behörde - bzw. hier das Verwaltungsgericht - von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. April 1994, 93/08/0232; uva) (VwGH vom 12.01.2016, GZ Ra 2014/08/0028)

3.3.3. Auf den gegenständlichen Fall bezogen bedeutet dies:

Die Haftung des Geschäftsführers nach § 67 Abs. 10 ASVG ist ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genügt) verletzt hat.

Gemäß § 67 Abs 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnerin für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten, nicht eingebracht werden können.

Zu den Geschäftsführern auferlegten Pflichten zählen die gemäß § 111 ASVG iVm § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich sanktionierten Melde- und Auskunftspflichten und die Verpflichtung zur Abfuhr von einbehaltenen Dienstnehmerbeiträgen (VwGH 12.12.2000, 98/08/0101).

Der BF war im maßgeblichen Zeitraum April 2013 bis Dezember 2014 Geschäftsführer der Primärschuldnerin.

Es kann ihn somit grundsätzliche eine Haftung nach § 67 Abs 10 ASVG treffen. Es ist daher zu prüfen ob die weiteren Voraussetzungen für eine Haftung des BFs nach § 67 Abs 10 ASVG vorliegen.

Vorauszuschicken ist, dass primäre Haftungsvoraussetzung die Uneinbringlichkeit der Forderung bei der Primärschuldnerin ist. Nach § 67 Abs 10 ASVG kann ein (potentiell) Haftungspflichtiger jedenfalls so lange nicht in Anspruch genommen werden, als ein Ausfall beim Beitragsschuldner als Primärschuldner noch nicht angenommen werden kann.

Die Beiträge sind bei der Primärschuldnerin im vorliegenden Fall nicht einbringlich. Die Uneinbringlichkeit ist anzunehmen, wenn im Laufe eines Insolvenzverfahrens feststeht, dass die Beiträge nicht bzw. nicht in einem eine ziffernmäßig bestimmten Quote übersteigenden Teilbetrag befriedigt werden können (VwGH vom 29.03.2000, Zl. 95/08/0140). Das Insolvenzverfahren wurde infolge Kostendeckung aufgehoben. Daher ist das Tatbestandsmerkmal der Uneinbringlichkeit der aushaftenden Beiträge jedenfalls gegeben.

Weitere Voraussetzung für die Haftung gemäß § 67 Abs 10 ASVG ist neben der Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Beitragsschuldnerin auch deren ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe nach und die Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters für die Uneinbringlichkeit.

Die aushaftende Beitragsschuld aus Meldepflichtverletzungen beläuft sich im konkreten Fall auf € 4.545,14 zuzüglich Zinsen ab dem 10.03.2017 und ist somit ziffernmäßig der Höhe nach von der ÖGK bestimmt worden.

Zudem ist die Meldepflichtverletzung auch kausal für die Uneinbringlichkeit der Beiträge, da sich im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte ergaben, dass bereits eine Uneinbringlichkeit zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge gegeben war. Die Insolvenzeröffnung erfolgte vielmehr erst nach der bereits eingetretenen Fälligkeit der Beiträge.

Im gegenständlichen Fall wurde im Rahmen einer GPLA-Prüfung festgestellt, dass die sozialversicherungsrechtlichen Pflichten verletzt wurden, weil Meldeverstöße begangen wurden. Die Höhe der Nachverrechnung wurde nicht in Frage gestellt.

Ferner ist zu prüfen, ob die Nichtmeldung der Sozialversicherungsbeiträge rechtswidrig war bzw ob der BF als Vertreter seiner gesetzlichen Verpflichtung, nämlich für die rechtzeitige Meldung zu sorgen, rechtswidrig nicht nachgekommen ist.

Diese Frage ist ebenfalls zu bejahen.

Der BF war als Geschäftsführer der Primärschuldnerin zur Meldung an die belangte Behörde verpflichtet (§ 58 Abs 5 ASVG), kam aber seiner Verpflichtung nicht nach. Die Pflicht, die gebührenden Entgelte festzustellen und an die belangte Behörde zu melden, liegt im Grundwissen eines vertretungsbefugten Geschäftsführers einer GmbH. Es liegt daher ein Meldeverstoß iSd § 111 ASVG vor.

Ungeachtet der grundsätzlichen amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde trifft den BF, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt hat, - über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus - die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist.

Diese besondere Behauptungslast und Beweislast darf einerseits nicht überspannt, andererseits nicht so aufgefasst werden, dass die Behörde jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Hat der Geschäftsführer nicht nur ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete, sachbezogene Behauptungen aufgestellt, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich sind, so hat ihn die Behörde vorerst zu einer solchen Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die ihr - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - die Beurteilung ermöglichen, ob der Geschäftsführer gegen die ihm obliegende Pflichten verstoßen hat und ob und in welchem Ausmaß ihn deshalb eine Haftung trifft. Kommt der haftungspflichtige Geschäftsführer dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zur eben angeführten Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist. Konsequenterweise haftet der Geschäftsführer dann für die (von der Haftung betroffenen) Beitragsschuldigkeiten zur Gänze.“ (VwGH vom 12.10.2017, Zl. Ra 2017/08/0070).

Entscheidungswesentlich ist fallgegenständlich, dass der BF trotz mehrfacher Aufforderung keinerlei Beweismittel in Vorlage brachte, die die Beurteilung ermöglichen, ob er als Geschäftsführer gegen die ihm auferlegten Pflichten verstoßen hat und ob und in welchem Ausmaß ihn deshalb eine Haftung trifft. So forderte die ÖGK den BF mit Schreiben vom 15.11.2016 auf, alle Tatsachen vorzubringen, die seiner Ansicht nach gegen eine Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG sprechen.

Dieser Aufforderung kam der BF trotz 2-monatiger Fristverlängerung nicht nach. In seiner Beschwerde bestritt der BF sodann lediglich, dass ihm eine schuldhafte Pflichtverletzung zur Last gelegt werden könne, ohne dies näher zu konkretisieren.

Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde der BF neuerlich aufgefordert, nachzuweisen, aus welchem Grund ihn kein Verschulden an der nicht rechtzeitigen Entrichtung der ausständigen Beiträge zur Sozialversicherung treffe.

Dieser Aufforderung kam der BF ebenfalls nicht nach. Erst zwei Wochen nach Fristende brachte der BF vor, dass Corona-bedingt die Frist verstrichen sei und er kurzfristig die Vorhaltsbeantwortung nachgereicht werde. Trotz vierwöchigen Zuwartens des Bundesverwaltungsgerichtes langte bis zu Entscheidung keine Stellungnahme ein.

Da dem gemäß § 67 Abs. 10 ASVG zur Haftung für Beiträge herangezogenen Geschäftsführer einer GmbH die Unterlassung einer gesetzlichen Meldeverpflichtung vorgeworfen wird, wäre es an ihm gelegen gewesen, Behauptungen über Tatsachen aufzustellen, aus denen er ohne sein Verschulden an der Erfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtungen gehindert gewesen sei vgl. VwGh vom 27.11.2014 , GZ 2012/08/0216)

Da der BF somit keinerlei Beweismittel in Vorlage brachte, haftet er konsequenterweise – wie im bekämpften Bescheid zutreffend ausgesprochen – für die von der Haftung betroffenen Beitragsschuldigkeiten zur Gänze.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass dem BF Seit der Erlassung des angefochtenen Bescheides im März 2017 Zeit zur Verfügung stand, um allfällige Beweismittel vorzulegen – die er ungenützt verstreichen ließ -, wobei er auch im gegenständlichen Beschwerdefahren wiederum keinerlei Beweismittel in Vorlage brachte.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gem. Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im gegenständlichen Fall liegt die Rechtsfrage, mit der sich das BVwG in erster Linie zu befassen hat, in der Auslegung der Pflichtverletzungen des Geschäftsführers einer GmbH. Hierüber existiert eine umfassende und einheitliche Rechtsprechung des VwGH, von welcher nicht abgewichen wird. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S 389 [GRC] entgegenstehen.

Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art. 6 EMRK zu beurteilen. Dessen Garantien werden zum Teil absolut gewährleistet, zum Teil stehen sie unter einem ausdrücklichen (so etwa zur Öffentlichkeit einer Verhandlung) oder einem ungeschriebenen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen (wie etwa das Recht auf Zugang zu Gericht). Dem entspricht es, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung für gerechtfertigt ansieht, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl EGMR 12.11.2002, Döry / S, RN 37). Der Verfassungsgerichtshof hat im Hinblick auf Art. 6 EMRK für Art. 47 GRC festgestellt, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteien im vorangegangenen Verwaltungsverfahren regelmäßig dann unterbleiben könne, wenn durch das Vorbringen vor der Gerichtsinstanz erkennbar werde, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lasse (vgl. VfGH 21.02.2014, B1446/2012; 27.06.2013, B823/2012; 14.03.2012, U466/11; VwGH 24.01.2013, 2012/21/0224; 23.01.2013, 2010/15/0196).

Im gegenständlichen Fall hat der BF in der Beschwerde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, im Schriftsatz vom 28.05.2020 davon aber wieder Abstand genommen.

Gegenständlich kann der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden und kann insbesondere im Hinblick auf die nicht wahrgenommenen Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteien im vorangegangenen Verwaltungsverfahren erkannt werden, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lässt.

Schlagworte

Beschwerdevorentscheidung Beweislast Geschäftsführer Haftung Meldeverstoß Pflichtverletzung Uneinbringlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2171015.1.00

Im RIS seit

07.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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