TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/3 W137 2228787-2

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Veröffentlicht am 03.07.2020
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Entscheidungsdatum

03.07.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77 Abs1

Spruch

W137 2228787-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch Verein LEGAL FOCUS, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.05.2020, Zl. 250048609/200045066, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 77 Abs. 1 FPG iVm § 76 FPG und § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Indiens und stellte nach illegaler Einreise in Österreich erstmals im September 2003 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.10.2003 abgewiesen und wurde diese Entscheidung auch höchstgerichtlich bestätigt. Weitere Anträge auf internationalen Schutz (vom 29.05.2006, 23.02.2007 und 04.03.2009) wurden wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Mit Bescheid einer Landespolizeidirektion vom 14.03.2013 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und ein Einreiseverbot in der Dauer von fünf Jahren für den gesamten Schengenraum erlassen.

Der Beschwerdeführer brachte am 25.05.2014 einen Antrag für eine Duldungskarte ein.

2. Am 14.01.2020 wurde der Beschwerdeführer nach erfolgter Wohnsitzüberprüfung auf Anordnung des Bundesamtes festgenommen, da sich dabei ergab, dass sich der Beschwerdeführer mangels Schlüssel keinen Zugang zur Wohnung verschaffen konnte. Bei der folgenden niederschriftlichen Einvernahme am selben Tag gab der Beschwerdeführer an, er wohne an der Adresse, an der er mit der Polizei am selben Tag gewesen sei. Er zahle Miete, habe keinen Mietvertrag und wisse nur den Vornamen des Vermieters. Seinen Aufenthalt finanziere er durch Schwarzarbeit und verfüge er aktuell über zwei Euro in bar. Familienangehörige habe er nicht in Österreich, jedoch Freunde. Am selben Tag wurde mit Bescheid des Bundesamtes die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

3. Eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 14.01.2020 („Schubhaftbescheid“) wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 26.02.2020, W287 222878-1/16E, abgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlägen. Ein Rechtsmittel wurde dagegen nicht erhoben.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) vom 05.05.2020, 250048609/200045066, wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 77 Abs. 1 und 3 iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG das gelindere Mittel zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Diesbezüglich wurde eine periodische Meldeverpflichtung (ab 07.05.2020) bei einer Polizeiinspektion verfügt. Zudem wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung iVm einem Einreisverbot vorliege, welcher er bisher nicht nachgekommen sei. Er sei zwar gemeldet, habe jedoch nicht dartun können, dass es sich dabei um seinen tatsächlichen Wohnsitz handle, da er weder im Besitz eines Schlüssels gewesen sei noch die Adresse habe nennen können. Auch verfüge er trotz Schwarzarbeit über kaum Barmittel. Eine Heimreise aus eigenen Mittel sei nicht möglich, da mit den vorhandenen Barmittel schon die Bezahlung von Reisedokumenten nicht möglich sei Mangels familiärer oder sonstiger Verankerung in Österreich bestehe ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. In diesem Zusammenhang und damit, dass der Beschwerdeführer alles daran setze, in Österreich zu verbleiben, sei er nicht vertrauenswürdig. Der Sicherungsbedarf sei somit gegeben. Aufgrund der Covid-19 Situation sei die zeitnahe Ausstellung eines Heimreisezertifikates nicht gesichert, weshalb die Anhaltung in Schubhaft nicht mehr verhältnismäßig sei. Anders stelle sich die Situation jedoch hinsichtlich der Anordnung eines gelinderen Mittels dar. In diesem Zusammenhang erweise sich die periodische Meldeverpflichtung bei einer Polizeiinspektion als zielführend. Sollte dieser Verpflichtung nicht nachgekommen werden, sei mit der (neuerlichen) Anordnung der Schubhaft zu rechnen.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag durch persönliche Übergabe zugestellt. Zudem wurde ihm mittels am selben Tag zugestellter Verfahrensanordnung mitgeteilt, er habe sich bei einer konkret bezeichneten Polizeiinspektion jeden Tag beginnend mit 07.05.2020 zwischen 08:00 und 10:00 Uhr zu melden.

5. Mit Schreiben vom 02.06.2020 brachte der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter eine Beschwerde gegen den oben bezeichneten Bescheid vom 05.05.2020 ein. Begründend wird darin im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sich zu keinem Zeitpunkt dem Verfahren entzogen habe und seiner Mitwirkungspflicht trotz gesundheitlicher Hindernisse nachgekommen sei. Von einer Fluchtgefahr sei auch in Zukunft nicht auszugehen, da er unter Mobilitätsproblemen leide, eine Wohnbestätigung habe und seinen Mitwirkungspflichten immer nachgekommen sei. Ein Reisedokument sei bis heute nicht ausgestellt, obwohl dies bereits im Jänner von der Behörde so kommuniziert worden sei. In der Beschwerde wird auf die aktuelle Situation in Indien verwiesen und ausgeführt, dass auf die Pandemiesituation aufgrund des Covid-19 Virus in den Länderinformationen nicht eingegangen werde.

Beantragt werde daher a) eine mündliche Verhandlung durchzuführen; b) die Anordnung des gelinderen Mittels als rechtswidrig zu erklären; c) aufschiebende Wirkung zu gewähren.

5. Am 08.06.2020 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Indien und hat in Österreich mehrfach erfolglos Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Er verfügt in Österreich weder über familiäre noch substanzielle soziale Bindungen. Er ist in Österreich nie einer (legalen) Beschäftigung nachgegangen und verfügt lediglich über geringe finanzielle Mittel. Er verfügt lediglich über eine Meldeadresse, bei welcher es sich jedoch um eine Scheinmeldeadresse handelt, zu welcher er keinen Zugang hat.

Hinsichtlich des Beschwerdeführers liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor. Der genaue Zeitpunkt der Ausstellung eines Heimreisezertifikats ist nicht abschätzbar; die realistische Möglichkeit der Ausstellung ist allerdings gegeben. Die im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2020, W278 2228787-1/16E, festgestellte Fluchtgefahr sowie der entsprechende Sicherungsbedarf bestehen weiterhin.

Der Beschwerdeführer hat weder berufliche, noch familiäre oder soziale Verpflichtungen, die die völlig flexible Gestaltung der Tagesfreizeit einschränken würden. Er ist grundsätzlich gesund und arbeitsfähig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 250048609/200045066 (gelinderes Mittel) sowie den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes (insbesondere auch zu W278 2228787-1). Auch in der Beschwerde wird lediglich die fehlende Fluchtgefahr, also eine rechtliche Wertung, thematisiert – nicht jedoch der ihr zugrunde liegende Sachverhalt.

1.2. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Erkenntnis vom 26.02.2020 eine Fluchtgefahr des Beschwerdeführers festgestellt. Dies begründete es im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine sozialen Anknüpfungspunkte habe und er weder familiär noch sozial oder beruflich in Österreich verankert sei. Durch die Verschleierung seines Aufenthalts habe er seine Abschiebung behindert. Da der Beschwerdeführer über kein gültiges Reisedokument verfüge, sei ihm eine Ausreise aus Österreich aus eigenem nicht legal möglich und es gebreche ihm an finanziellen Mitteln, um seinen Aufenthalt – außer durch Schwarzarbeit – bis zu seiner Abschiebung zu finanzieren. In seinen bisherigen Einvernahmen zur Anordnung der Schubhaft und im Zuge der Vorführung vor die Indische Botschaft, habe der Beschwerdeführer betont, nicht rückkehrwillig zu sein. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nach seiner Freilassung aus der Schubhaft untertauchen werde, um sich weiterhin seiner Abschiebung nach Indien zu entziehen.

1.3. Da sich die Begründung der Fluchtgefahr wesentlich auf das Verhalten des Beschwerdeführers im Jahr 2020 stützte sind die diesbezüglichen Sachverhaltselemente im Juni 2020 genauso von Relevanz, wie sie es im Februar 2020 waren. Diese Sachverhaltselemente werden in der Beschwerde auch nicht bestritten.

1.4. Die Feststellungen zu den fehlenden beruflichen, sozialen und sonstigen Verpflichtungen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der freien Dispositionsfähigkeit hinsichtlich seines Tagesablaufs ergeben sich aus der Aktenlage. Gegenteilige Behauptungen wurden nicht aufgestellt. Aus der unstrittigen Tatsache, dass der Beschwerdeführer vor Anordnung der Schubhaft die Schwarzarbeit ausgeübt hat ergibt sich zweifelsfrei eine grundsätzlich bestehende Gesundheit und Arbeitsfähigkeit.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

Zu Spruchteil A)

2.2. Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

2.3. Im angefochtenen Bescheid wurden – wie schon im Schubhaftbescheid vom Jänner 2020 – die Ziffern 1, 3, 8 und 9 zur Begründung der Schubhaft herangezogen. Es wurde davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer nach wie vor nicht vertrauenswürdig ist. Einbezogen wurde die Covid-19 Situation, weshalb in dieser Zusammenschau die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft verneint und ein gelinderes Mittel angeordnet wurde.

2.4. Es bestehen – wie schon in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.02.2020, W278 2228787-1/16E - keine Zweifel, dass eine Fluchtgefahr und der damit verbundene Sicherungsbedarf unverändert gegeben sind. Festzuhalten ist, dass sich abgesehen von der Covid-19 Situation, aufgrund derer mit einer zeitnahen Ausstellung eines Heimreisezertifikates nicht zu rechnen ist, keine entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderungen seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.03.2020 ergeben haben.

Das angeordnete gelindere Mittel erweist sich überdies auf die konkrete Situation bezogen auch als effektiv und verhältnismäßig. In einer täglichen Meldeverpflichtung – bei einem variablen Rahmen von zwei Stunden am jeweiligen Tag – kann keine nennenswerte Einschränkung der persönlichen Dispositionsfreiheit erkannt werden. Umso weniger, als der Beschwerdeführer ohnehin keiner geregelten Beschäftigung nachgeht oder andere Verpflichtungen (etwa Betreuungspflichten) hat. Soweit mit der Meldeverpflichtung (auch) eine Behinderung der weiteren Ausübung von Schwarzarbeit einhergeht wäre das einerseits dem Beschwerdeführer individuell jedenfalls zumutbar und andererseits sogar ein gesellschaftspolitisch wünschenswerter Nebeneffekt. Überdies erweist sich das konkret angeordnete gelindere Mittel als geradezu ideal um die hier relevante persönliche Greifbarkeit des Beschwerdeführers sicherzustellen. Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, dass er sich zu keinem Zeitpunkt dem Verfahren entzogen habe, bleibt festzuhalten, dass bereits im rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2020 zur Schubhaftanordnung festgehalten wurde, dass der Beschwerdeführer bereits durch die Verschleierung seines Aufenthalts seine Abschiebung behinderte.

3. Aus den dargelegten Gründen erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet und kann das gelindere Mittel somit auch weiterhin angeordnet bleiben.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr gelinderes Mittel Meldepflicht Sicherungsbedarf

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2228787.2.00

Im RIS seit

08.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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