TE OGH 2020/9/10 12Os65/20f

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Veröffentlicht am 10.09.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat am 10. September 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Weinhandl in der Strafsache gegen Fabian L***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 6. Februar 2020, GZ 34 Hv 136/19s-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Stani, des Angeklagten Fabian L*****, der Verteidigerin Mag. Augendoppler sowie seiner gesetzlichen Vertreter zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Nichtvornahme der Subsumtion der vom Schuldspruch 1./ umfassten Tat als Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

Fabian L***** hat durch die vom Schuldspruch 1./ umfasste Tat auch das Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB begangen.

Er wird hiefür sowie für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs zur Last liegende Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (idF vor BGBl I 105/2019) und das Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB sowie des § 5 Z 4 JGG nach § 201 Abs 1 StGB (idF vor BGBl I 105/2019) zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ***** geborene (somit zur Tatzeit jugendliche) Fabian L***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1./) und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe im Ausmaß von acht Monaten verurteilt.

Danach hat er am 19. Juni 2019 in H***** die am ***** geborene, sohin unmündige L***** W*****

1./ mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er (US 3) ihre Hose und ihre Unterhose hinunterzog, ihre Beine hochhob und diese trotz Gegenwehr festhielt, während er seinen Finger in ihre Vagina einführte;

2./ im Anschluss an die unter 1./ angeführte Tat durch die sinngemäße Äußerung, wenn sie jemandem von dem Vorfall erzähle, werde er sie schlagen, sohin durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper, zur Unterlassung einer entsprechenden Sachverhaltsschilderung zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die sich gegen die Nichtvornahme der Subsumtion der vom Schuldspruch 1./ umfassten Tat auch als Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB wendet. Ihr kommt – wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt – Berechtigung zu.

Das Erstgericht trifft zum Schuldspruch 1./ – frei von Begründungs- oder Verfahrensmängeln und ohne dabei erheblichen Bedenken zu begegnen (RIS-Justiz RS0114638 [insb T2]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 415) – Feststellungen, die eine taugliche Subsumtionsbasis sowohl für den Tatbestand der Vergewaltigung (§ 201 Abs 1 StGB) als auch für jenen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen (§ 206 Abs 1 StGB) darstellen (US 3 f).

Das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und das Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB stehen im Verhältnis echter Idealkonkurrenz (vgl RIS-Justiz RS0095615; Philipp in WK2 StGB § 201 Rz 50 und § 206 Rz 32).

Ausgehend davon macht die Beschwerdeführerin (wie bereits in der schriftlichen Urteilsausfertigung klargestellt [vgl US 6 f]) zutreffend einen Subsumtionsfehler (Z 10) geltend (vgl RIS-Justiz RS0099947 [T4]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 647), weil das Schöffengericht den zu 1./ festgestellten Sachverhalt rechtsirrig nur dem Tatbestand des § 201 Abs 1 StGB unterstellt hat.

Es war daher – nach Einräumung einer Frist zu diesbezüglichem Vorbringen im Sinn des § 281 Abs 1 Z 2 bis 5a StPO (vgl erneut RIS-Justiz RS0114638 [insb T2]) – in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und wegen der vom Schuldspruch 1./ umfassten Tat ein Schuldspruch (auch) nach § 206 Abs 1 StGB zu fällen.

Dies hatte die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge.

Bei der Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof das Zusammentreffen zweier Verbrechen und eines Vergehens (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) und das geringe Alter des zur Tatzeit siebenjährigen Opfers (vgl RIS-Justiz RS0090958 [insb T4]) erschwerend. Mildernd waren der bis zur Tat ordentliche Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB), das umfassende und reumütige Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB), der Umstand, dass es zu 3./ beim Versuch geblieben ist (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB) und die teilweise Schadensgutmachung (§ 34 Abs 1 Z 14 StGB).

Bei einem Strafrahmen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe (§ 201 Abs 1 StGB idF vor BGBl I 105/2019 iVm § 5 Z 4 JGG) erachtete der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten als tat- und schuldangemessen.

Da der Angeklagte einen bisher ordentlichen Lebenswandel aufweist, ist davon auszugehen, dass die Androhung der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren genügen werde, Fabian L***** von weiterer Delinquenz abzuhalten (§ 43 Abs 1 StGB idF vor BGBl I 105/2019).

Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E129211

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00065.20F.0910.000

Im RIS seit

06.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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