TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/13 96/07/0004

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Veröffentlicht am 13.11.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
83 Naturschutz Umweltschutz;
89/07 Umweltschutz;

Norm

AWG 1990 §35 Abs2 Z8;
AWG 1990 §35 Abs4 idF 1994/155 ;
Basel Convention Series/SBC 94/005 Mai 1994 Technische Richtlinien ;
Basler Übk Gefährliche Abfälle Art4 Abs2 lite;
Basler Übk Gefährliche Abfälle Art4 Abs4;
Basler Übk Gefährliche Abfälle Art4 Abs8;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde der X-Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. Christian Onz, Rechtsanwalt in Wien III, Salesianergasse 31, gegen den Bescheid des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie vom 12. Oktober 1994, Zl. 08 3542/774-V/4/94-Lo, betreffend Ausfuhrbewilligung gemäß § 35 AWG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 9. April 1993 beantragte die Beschwerdeführerin die Ausfuhrgenehmigung für ca. 20 t Katalysator HR 348 gebraucht zur GCMC in die USA, welche "eine zur Verarbeitung derartiger Abfälle genehmigte Anlage" betreibt (Feststellungen im angefochtenen Bescheid Seite 2). Unbestritten ist, daß der Katalysator im wesentlichen aus einem keramischen Träger (Aluminiumoxyd und Siliziumdioxyd), Molybdänoxyd, Nickeloxyd und Magnetit, Phosphor und Spuren von Vanadium, Arsen, Wolfram, Chrom, Mangan, Titan, Wismut, Zirkon, Schwefel und Kohlenstoff besteht, und daß es sich beim Katalysator um gefährlichen Abfall der Schlüsselnummer 59507 der ÖNORM S 2101 handelt.

Bei der GCMC werden Wertmetalle wie Wolfram und Molybdän mittels eines kombinierten Verfahrens (thermischer und naßchemischer Prozeß) zurückgewonnen. Daneben werden nickel- und kobaltreiche Fraktionen gewonnen, welche der metallverarbeitenden Industrie übergeben werden. Die Katalysatoren werden mit Sodaasche in Brennöfen aufgegeben. Der Keramikteil wird im Mischer abgetrennt, Öl und Katalysatorspuren werden entfernt. Das Waschwasser wird im Kreis geführt. Der Keramikanteil wird der Zementindustrie zugeleitet. Die eigentlichen Katalysatormaterialien werden mit Zuschlagstoffen in einem Brennofen bei 800 bis 1000 Grad gebrannt. Es erfolgt eine Abgasreinigung über E-Filter. SO2-Emissionen stammen aus dem Schwefelgehalt der Katalysatoren. Das aus dem Ofen resultierende Material wird vermahlen und ausgelaugt. Molybdän und Wolfram gehen als Molybdate und Vanadate in Lösung, der Rest wird als Filterkuchen nach entsprechender Entfeuchtung in der Zementindustrie verwendet. Die Molybdän/Vanadium-hältige Lösung wird gereinigt und es wird mit Ammonsalzen Vanadium und Molybdat ausgefällt. Entweichender Ammoniak wird in einem Wäscher zu Ammonchlorid umgesetzt und wieder zur Fällung verwendet. Das anfallende Vanadiumpentoxyd wird granuliert und als Produkt verkauft (Feststellungen Seite 2 und 3 im angefochtenen Bescheid).

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie vom 12. Oktober 1994 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 35 Abs. 2 Z. 8 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG), BGBl. Nr. 325/1990 in der Fassung BGBl. Nr. 155/1994, abgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde - soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich - aus, die Abwässer würden von der GCMC im Einklang mit den nationalen Vorschriften behandelt. Nach Behandlung der Abwässer würden diese in den Dow Chemical A-Kanal und sodann in den Brazos Fluß eingeleitet, der in den Golf von Mexico münde. Aufgrund einer Bewilligung der Texas Water Commission vom 30. Juli 1993 sei GCMC berechtigt, Prozeßabwässer, Kühlwässer und Kanalwässer sowie Regenwässer unter näher angeführten Bedingungen in den Vorfluter einzuleiten. Die Grenzwerte für Ammoniak und für andere Parameter seien im Vergleich mit österreichischen und deutschen Regelungen sehr hoch (es folgt eine Gegenüberstellung der Werte). "Eigenartig" sei der relativ hohe Molybdän- und Vanadiumwert, zumal der Zweck die Rückgewinnung dieser Metalle sei. Die belangte Behörde folgerte daraus:

"Von einer umweltgerechten Abwasserbehandlung kann derzeit nicht ausgegangen werden, da die Abwassereinleitgrenzwerte, insbesondere für die Parameter Ammoniak, Vanadium und Arsen deutlich höher liegen, als jene Werte, die durch eine dem Stand der Technik entsprechende Behandlung erreichbar wären."

Die zum Export beantragten Katalysatoren enthielten gemäß einer seitens der Beschwerdeführerin vorgelegten Analyse die Bestandteile Arsen und Vanadium und seien daher geeignet, die erhöhten diesbezüglichen Einleitwerte mit zu verursachen.

Die Firma GCMC besitze eine Genehmigung der Air Control Texas, in welcher die Maximalemissionsmengen pro Jahr für diverse Anlagen wie Röstöfen, Ammoniumwäscher, Entstaubungseinrichtungen, etc. festgeschrieben seien. Bezüglich der Röstöfen sei (nach näher detaillierten im Bescheid enthaltenen Berechnungen) festzustellen, daß die überschlagsmäßig errechneten Emissionsbegrenzungen (mg/m3) bezogen auf das tatsächliche Abgasvolumen höher lägen als es die TA-Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft - Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BImSchG vom 27. Februar 1986) - bezogen auf Normalbedingungen - vorschreibe. Gemäß der TA-Luft seien bei Röstprozessen von NE-Metallen nach dem Stand der Technik bestimmte Grenzwerte einzuhalten. Die Schwermetallemissionen seien beim Betrieb der Firma GCMC jedoch nicht begrenzt; der abgeschiedene Staub werde in den Prozeß rückgeführt. Bezüglich der Emissionen aus dem Ammoniumwäscher sei von der Firma GCMC das Abgasvolumen näher angeführt worden. Dieses sei für die Berechnung der Emissionen an NOX, HC1 und Staub heranzuziehen. Die TA-Luft kenne keinen speziellen Grenzwert für NH3, allerdings habe das Schweizer Luftreinhaltegesetz einen NH3-Emissionsgrenzwert von 5 mg/m3 festgelegt, welcher von der GCMC um ein Vielfaches (etwa 20-faches) überschritten werde. Die Jahresausstoßmengen für den Molybdänwäscher könnten nicht umgerechnet werden. Dasselbe gelte auch für die Jahresausstoßmengen der anderen Betriebseinheiten, da das Abgasvolumen für diese Betriebseinheiten nicht bekanntgegeben worden sei. Die keramischen Abfälle würden in einer Zementfabrik recycliert. Die tatsächlichen Meßergebnisse bezüglich des Abgasvolumens bei diesem Unternehmen hätten von der belangten Behörde jedoch nicht kontrolliert werden können, da die Meßergebnisse nicht bekanntgegeben worden seien.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, gemäß § 35 Abs. 2 Z. 8 AWG sei u.a. Voraussetzung für die Erteilung einer Ausfuhrbewilligung für Abfälle, daß eine umweltgerechte Behandlung derselben im Einfuhrstaat gesichert erscheine. Diese Gesetzesbestimmung stelle die innerstaatliche Umsetzung des Art. 4 Z. 2 lit. e des Basler Übereinkommens dar, welches am 12. April 1993 in Kraft getreten sei. Zweck dieses Übereinkommens sei es sicherzustellen, daß Exporte von Abfällen zu Anlagen mit niedrigem Umweltschutzstandard nicht mehr zulässig sein sollen. Umweltgerechte Behandlung im Sinne dieses Übereinkommens bedeute, daß alle praktisch durchführbaren Maßnahmen gesetzt werden, die sicherstellen, daß gefährliche Abfälle oder andere Abfälle so behandelt werden, daß der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor den nachteiligen Auswirkungen, die solche Abfälle haben können, gewährleistet ist (Art. 2 Z. 8 des Basler Übereinkommens). Es sei sicherzustellen, daß die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle und anderer Abfälle auf ein Mindestmaß beschränkt werde, das mit der umweltgerechten und wirksamen Behandlung solcher Abfälle vereinbar sei und diese so durchgeführt würden, daß die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor allen nachteiligen Auswirkungen, die dadurch entstehen könnten, geschützt seien (Art. 4 Abs. 2 lit. d des Basler Übereinkommens). Gemäß Art. 4 Abs. 8 Basler Übereinkommen habe jede Vertragspartei zu verlangen, daß gefährliche Abfälle oder andere Abfälle, die ausgeführt werden sollten, im Einfuhrstaat umweltgerecht behandelt werden. Jede Vertragspartei habe demnach geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Ausfuhr gefährlicher Abfälle oder anderer Abfälle nicht zu erlauben, wenn sie Grund zur Annahme habe, daß diese Abfälle nicht umweltgerecht behandelt würden (Art. 4 Abs. 2 lit. e des Basler Übereinkommens). Diese Bestimmungen verpflichteten demnach jenen Staat, in dem die zum Export bestimmten Abfälle anfallen, zu einer Überprüfung der ausländischen Behandlungsanlagen unter dem Aspekt, ob eine umweltgerechte Behandlung der Abfälle gewährleistet sei. Gemäß den technischen Richtlinien, die bei der zweiten Konferenz der Vertragsstaaten durch die Vertragsparteien angenommen worden seien (Basel Convention Series/SBC No 94/005, Mai 1994) sei bei der Beurteilung der Umweltgerechtigkeit der Behandlung der - zum Export bestimmten - gefährlichen Abfälle insbesondere auch der Stand der Technik im Ausfuhrstaat zu berücksichtigen (Hinweis auf den Originaltext von Punkt 9 lit. b dieser Richtlinie). Nationale Regelungen des Exportstaates seien demnach bei der Beurteilung der Umweltgerechtigkeit der Behandlung im Einfuhrstaat heranzuziehen. Betreffend Emissionen in die Abluft würden in Österreich die diesbezüglichen Grenzwerte individuell in Bescheidform für den jeweiligen Betrieb festgesetzt; die im Rahmen der deutschen TA-Luft festgesetzten Grenzwerte würden auch im Zuge österreichischer Genehmigungsverfahren sinngemäß herangezogen. Die im Rahmen der deutschen TA-Luft (und vergleichbarer Vorschriften wie der Schweizer Luftreinhalte-Verordnung) festgesetzten Grenzwerte seien (mangels vergleichbaren allgemein gültigen diesbezüglichen innerstaatlichen Vorschriften) daher als jener Mindeststandard anzusehen, welcher betreffend Emissionen in die Abluft im allgemeinen einzuhalten sei, um von einer umweltgerechten Behandlung ausgehen zu können. Betreffend Abwässer sei als Maßstab die österreichische Allgemeine Abwasseremissionsverordnung, BGBl. Nr. 1991/179, (bzw. auch vergleichbare mitteleuropäische Vorschriften) heranzuziehen. Bei einer wesentlichen Überschreitung der in den genannten Vorschriften festgelegten Grenzwerte sei von einer Beeinträchtigung der Umwelt über ein tolerierbares Ausmaß auszugehen. Die für die GCMC festgesetzten Begrenzungen für Emissionen in die Abluft überschritten die in der TA-Luft vorgeschriebenen Grenzwerte deutlich; der NH3-Emissionsgrenzwert, welcher im Schweizer Luftreinhaltegesetz mit 5 mg/m3 festgesetzt sei, werde durch die GCMC um ein Vielfaches überschritten. Es sei davon auszugehen, daß sich die überschlagsmäßig errechneten Werte betreffend Emissionen in die Luft im Falle einer Umrechnung auf Standardbedingungen keinesfalls erniedrigten. Die von der GCMC einzuhaltenden Abwassergrenzwerte lägen insbesondere betreffend Ammoniak, Vanadium und Arsen um ein Vielfaches über den in Österreich (oder Deutschland) gültigen diesbezüglichen Grenzwerten. Neue Schadstofflimits für die Abwässer würden für die GCMC vermutlich erst im Jahre 1998 festgesetzt werden. Eine Analyse der gegenständlichen Katalysatoren habe ergeben, daß diese u.a. die Bestandteile Arsen und Vanadium enthielten und demnach dazu geeignet seien, die erhöhten diesbezüglichen Einleitwerte mitzuverursachen. Eine Beurteilung, ob die Reststoffbehandlung als umweltgerecht anzusehen sei, sei mangels geeigneter Angaben zur Umrechnung der Emissionen des Zementwerkes in mg/m3 nicht möglich. Mit Schreiben vom 1. Juli 1994 habe die Beschwerdeführerin mitgeteilt, daß weitere Unterlagen über die GCMC nicht zu erwarten seien. Eine umweltgerechte Behandlung der gegenständlichen Abfälle in den USA bei der Firma GCMC sei daher nicht gesichert.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 28. November 1995, B 2540/94-6, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Bewilligung zur Ausfuhr der beschwerdegegenständlichen Abfälle zur Anlage der GCMC verletzt. Die belangte Behörde ginge von einem nicht nachvollziehbaren Stand der Technik aus. Im Basler Übereinkommen werde mit keinem Wort auf einen Stand der Technik Bezug genommen, geschweige denn dieser zu einem Genehmigungskriterium für Abfallexporte unter dem Konventionsregime erhoben. Punkt 9b des allgemein gültigen "framework document" spreche davon, daß die ausländische Entsorgungsanlage über eine behördliche Genehmigung verfügen ("authorized") und nach der technischen Ausstattung und Betriebsweise ("standard of technology") sowie Emissionsüberwachung ("standard of pollution control") geeignet ("adequate") sein müsse. Für die Beurteilung dieser Eignung seien insbesondere ("in particular") der "level of technology" und der "level of pollution control" im Exportstaat heranzuziehen. Die Behörde unterstelle, daß mit "level of technology" der Stand der Technik des Exportstaates, zu verstehen als Summe von Rechtsvorschriften, angesprochen sei. Tatsächlich sei jedoch auf die Ausstattung und Betriebsweise gleichartiger oder ähnlicher Anlagen in Österreich abzustellen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, die Ausstattung und Betriebsweise gleicher oder ähnlicher inländischer Anlagen näher zu beschreiben und sie habe daher die ihr durch Punkt 9b des framework document aufgetragene Rechtsfrage unrichtig gelöst. Dem Argument, daß bei Fehlen einer vergleichbaren inländischen Anlage eine inhaltliche Prüfung des "standard of technology" der ausländischen Behandlungsanlage nicht möglich sei und es daher vom Anlagenbestand des Exportstaates abhänge, ob Abfälle exportiert werden dürften, sei damit zu begegnen, daß bei Fehlen einer gleichartigen oder vergleichbaren inländischen Anlage lediglich ein Prüfungskriterium wegfalle. Ungeachtet des Fehlens eines inländischen "level of technology" sei die ausländische Anlage autonom zu prüfen, wobei das Rahmendokument hier keine näheren Prüfkriterien, insbesondere keine Bezugnahme auf den Stand der Technik vorsehe. Die Grenze der Zulässigkeit der Behandlung bilde aber jedenfalls der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt (so auch die einschlägigen Bestimmungen der Konvention). Es bestehe kein Grund zur Annahme, daß durch die Anlage der GCMC die menschliche Gesundheit oder die Umwelt beeinträchtigt würden und die Anlage sonst nicht in der Lage sei, die Katalysatorabfälle der Beschwerdeführerin ordnungsgemäß zu verwerten. Punkt 9b letzter Halbsatz des Rahmendokuments sei daher im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Bezugnahme auf Rechtsvorschriften finde sich hingegen in lit. a des Punktes 9 des Rahmendokuments, wo auf das Bestehen von Rechtsvorschriften des Importstaates und die entsprechenden Vollzugsmöglichkeiten abgestellt sei. In rechtlicher Hinsicht bleibe es also bei der ausschließlichen Relevanz des Regelungssystems des Importstaates, sodaß diesbezüglich der Judikatur vor dem 12. April 1993 der Boden nicht entzogen sei.

Der Stand der Technik sei von der belangten Behörde darüber hinaus fehlerhaft ermittelt worden. Sowohl die Anwendung der AAEV als auch der TA-Luft als Maßstab für die Annahme des Standes der Technik sei verfehlt. Es sei überhaupt fraglich, ob die verfahrensgegenständlichen Abfälle unter die Basler Konvention fallen.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat den Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung der Ausfuhr von 20 t gefährlichen Abfällen im Grunde des § 35 Abs. 2 Z. 8 AWG deshalb abgewiesen, weil eine umweltgerechte Behandlung dieser Abfälle in den USA bei der GCMC nicht gesichert sei. § 35 Abs. 2 Z. 8 AWG sei die innerstaatliche Umsetzung des Art. 4 Z. 2 lit. e des Basler Übereinkommens. Maßstab für die Beurteilung der Umweltgerechtigkeit der Behandlung der zum Export bestimmten gefährlichen Abfälle sei insbesondere auch der Stand der Technik im Ausfuhrstaat.

Die auf den gegenständlichen Antrag anzuwendenden Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes in der hier maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 155/1994 (AWG) haben folgenden Wortlaut:

"§ 35.

(1) Die Ausfuhr, ausgenommen die Ausfuhr im Zwischenauslandsverkehr im Sinne der zollgesetzlichen Vorschriften von Abfällen oder Altölen im Sinne des Bundesgesetzes bedarf der Bewilligung des Bundesministers für Umwelt.

(2) Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn

...

8. eine umweltgerechte Behandlung der Abfälle oder Altöle im Einfuhrstaat gesichert erscheint.

...

Ausfuhr von Abfällen im Sinne des Basler Übereinkommens

§ 35a.

(1) Für die Ausfuhr von Abfällen gemäß Anlage I und II des Basler Übereinkommens und von gefährlichen Abfällen gemäß § 2 Abs. 5 gelten zusätzlich zu § 35 die folgenden Bestimmungen.

(2) Sofern nicht zwischenstaatliche Vereinbarungen - insbesondere der Ratsbeschluß der OECD vom 30. März 1992 betreffend die Kontrolle grenzüberschreitender Bewegungen von Abfällen, die zur Verwertung bestimmt sind - anderes bestimmen, ist die Ausfuhr von Abfällen verboten

a) in Staaten, die nicht Vertragsparteien des Basler Übereinkommens sind,

b) in Gebiete südlich des 60. Breitengrades südlicher Breite,

c) in Staaten, soweit sie die Einfuhr der betreffenden Abfälle verboten haben.

..."

Zur hier maßgeblichen Rechtslage des § 35 Abs. 2 Z. 8 AWG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 155/1994 hat der Verwaltungsgerichtshof bereits darauf hingewiesen, daß allein aus der novellierten Fassung des § 35 Abs. 4 AWG eine Änderung der Rechtslage zur entscheidenden Frage, ob die Behörde des Exportstaates konkrete Erhebungen über die umweltgerechte Abfallbehandlung im Importstaat pflegen muß, nicht ableitbar ist (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1997, Zl. 95/05/0071). Demnach ist - jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Basler Konvention in Österreich und nach Vorhandensein der von den Konventionsorganen zu erlassenden technischen Richtlinien - § 35 Abs. 2 Z. 8 AWG nicht in dem Sinn zu verstehen, daß er eine eingehende oder eigenständige inhaltliche Prüfung der im Ausland in Aussicht genommenen Abfallbehandlung anordnet, sondern nur als Anordnung der Überprüfung des Vorhandenseins entsprechender - nach Umweltstandards vergleichbarer Umweltrechtsregime des jeweiligen Importlandes erteilter - Berechtigungen zu der in Aussicht genommenen Abfallbehandlung. Bestehen rechtliche Regelungen, die auf eine umweltschonende Behandlung von Abfällen Rücksicht nehmen und verfügt das in Aussicht genommene Importunternehmen über entsprechende Genehmigungen (deren Einhaltung nach dem jeweiligen nationalen Recht überwacht wird), so liegt es nicht im Belieben der österreichischen Behörde, eine Exportgenehmigung im Hinblick auf andere als die im Importland geltenden Regelungen und Standards zu versagen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, Zl. 92/12/0014).

Die belangte Behörde geht wie schon im dem dem

hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1997, Zl. 95/05/0071, zugrunde liegenden Beschwerdefall auch im angefochtenen Bescheid davon aus, daß § 35 Abs. 2 Z. 8 AWG die innerstaatliche Umsetzung des § 4 Z. 2 lit. e des Basler Übereinkommens darstelle. Das Basler Übereinkommen ist nach dem Inhalt des Beschlusses des Nationalrates, BGBl. Nr. 1993/229, ein Staatsvertrag im Sinne des Art. 50 Abs. 2 B-VG und durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 11. September 1997, Zl. 96/07/0241). Es wurde von Österreich am 13. März 1990, also vor Inkrafttreten der Stammfassung des AWG unterzeichnet. Selbst wenn man von einer unmittelbaren Anwendbarkeit der Bestimmungen dieses Übereinkommens ausgehen sollte, erweist sich die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde aus folgenden - schon im hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1997, Zl. 95/05/0071, näher ausgeführten - Gründen als verfehlt.

Die von der belangten Behörde als Grundlage für ihre Rechtsauffassung angewendeten Bestimmungen des Basler Übereinkommens haben folgenden Wortlaut:

"Art. 4

Allgemeine Verpflichtungen

...

(2) Jede Vertragspartei trifft geeignete Maßnahmen, um

...

d) sicherzustellen, daß die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle und anderer Abfälle auf ein Mindestmaß beschränkt wird, das mit der umweltgerechten und wirksamen Behandlung solcher Abfälle vereinbar ist, und die so durchgeführt wird, daß die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor den nachteiligen Auswirkungen, die dadurch entstehen können, geschützt sind;

e) die Ausfuhr gefährlicher Abfälle oder anderer Abfälle in einen Staat oder in eine Gruppe von Staaten, die einer Organisation der wirtschaftlichen und/oder politischen Integration angehören und die Vertragsparteien sind, insbesondere Entwicklungsländer, die durch ihre Rechtsvorschriften alle Einfuhren verboten haben, nicht zu erlauben oder wenn sie Grund zu der Annahme hat, daß die Abfälle im Sinne der von den Vertragsparteien auf ihrer ersten Tagung zu beschließenden Kriterien nicht umweltgerecht behandelt werden;

...

(8) Jede Vertragspartei verlangt, daß gefährliche Abfälle oder andere Abfälle, die ausgeführt werden sollen, im Einfuhrstaat oder anderswo umweltgerecht behandelt werden. Die technischen Richtlinien für die umweltgerechte Behandlung der von diesem Übereinkommen erfaßten Abfälle werden von den Vertragsparteien auf ihrer ersten Tagung beschlossen.

..."

Nach Art. 2 Z. 8 dieses Übereinkommens bedeutet "umweltgerechte Behandlung gefährlicher Abfälle oder anderer Abfälle" alle praktisch durchführbaren Maßnahmen, die sicherstellen, daß gefährliche Abfälle oder andere Abfälle so behandelt werden, daß der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor den nachteiligen Auswirkungen, die solche Abfälle haben können, gewährleistet ist.

Schon in dem bereits mehrfach zitierten hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1997 hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, daß sowohl Art. 4 Abs. 2 lit. e des Basler Übereinkommens als auch dessen Abs. 8 für die Auslegung des Begriffes "umweltgerechte Behandlung" auf technische Richtlinien bzw. Kriterien verweisen, die auf der ersten Tagung beschlossen werden. Wie schon im vorerwähnten Beschwerdefall stützt die belangte Behörde auch im angefochtenen Bescheid das Vorliegen der im Art. 4 Abs. 2 lit. e bzw. Abs. 8 des Basler Übereinkommens erwähnten Kriterien bzw. Richtlinien umweltgerechter Behandlung auf die Basel Convention Series/SBC No 94/005. Dieses Rahmendokument stellt jedoch nicht jene in Art. 4 Abs. 2 lit. e und Abs. 8 des Basler Übereinkommens angesprochenen technischen Richtlinien betreffend die umweltgerechte Behandlung gefährlicher Abfälle dar. Zweck dieses Dokuments war insbesondere die Bereitstellung eines Rahmens für die weitere Erstellung technischer Richtlinien für den der Basler Konvention unterliegenden Abfall (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1997, Zl. 95/05/0071). Daß sich die diesem Dokument angeschlossenen "technical guide lines" betreffend ganz bestimmte gefährliche Abfälle auf den beschwerdegegenständlichen Abfall beziehen, kann vom Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollzogen werden und wird auch von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht näher ausgeführt. Auch im gegenständlichen Fall ist daher § 35 Abs. 2 Z. 8 AWG in der hier maßgeblichen Fassung nach wie vor als Anordnung der Überprüfung des Vorhandenseins entsprechender

-

nach Umweltstandards vergleichbarer Umweltregime des jeweiligen Importlandes erteilter - Berechtigungen zu der in Aussicht genommenen Abfallbehandlung zu verstehen (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 22. Juni 1993, Slg. Nr. 13.466), weil sich durch das Basler Übereinkommen insofern nichts geändert hat, als auch die von der belangten Behörde herangezogenen Bestimmungen auf solche Richtlinien

-

also materienspezifisch internationale Vorschriften - verweisen, die bisher nicht erlassen wurden. Solange sich die Behörde nicht konkret auf derartige Vorschriften berufen kann und soweit in dem betreffenden Importstaat rechtliche Regelungen bestehen, die auf eine umweltschonende Behandlung von Abfällen Rücksicht nehmen, und soweit das in Frage stehende Importunternehmen über eine entsprechende Genehmigung verfügt, deren Einhaltung nach dem jeweiligen nationalen Recht überwacht wird, bleibt es der belangten Behörde weiterhin verwehrt, eine Exportgenehmigung im Hinblick auf andere als die im Importland geltenden Regelungen und Standards zu versagen (siehe hiezu wiederum das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1997, Zl. 95/05/0071). Im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof obliegenden nachprüfenden Kontrolle eines angefochtenen letztinstanzlichen Bescheides einer Verwaltungsbehörde ist grundsätzlich von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides auszugehen. Die den Export verwertbarer Abfälle in Drittstaaten regelnde Verordnung Nr. 259/93 der Europäischen Union war daher vom Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall nicht anzuwenden, weil diese erst am 1. Jänner 1997 in Kraft getreten ist (siehe EU-Beitrittsvertrag, BGBl. Nr. 45/1995, Anhang XV: Liste nach Artikel 151 der Beitrittsakte, VI. Umwelt, Pkt. 5, letzter Satz, und Art. VIII Abs. 8 Z. 2 AWG i.d.F. BGBl. Nr. 434/1996). Da die belangte Behörde dies verkannte und die beantragte Ausfuhr gefährlichen Abfalls deshalb verweigerte, weil der Betrieb der GCMC nicht dem Stand der Technik im Ausfuhrstaat entspricht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Schlagworte

Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996070004.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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