TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/11 96/07/0241

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.09.1997
beobachten
merken

Index

E3L E15103030;
E3R E15103030;
40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

31975L0442 Abfallrahmen-RL Anh1;
31975L0442 Abfallrahmen-RL Anh2 B R1;
31975L0442 Abfallrahmen-RL Art1 lita;
31975L0442 Abfallrahmen-RL Art1 litf;
31993R0259 Abfälle-VerbringungsV Art2 litk;
AVG §37;
AVG §52;
AWG 1990 §2 Abs1 Z1;
AWG 1990 §2 Abs2 Z2;
AWG 1990 §2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Rose, über die Beschwerde der Ciba-Geigy Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Schönherr Barfuss Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. Oktober 1996, Zl. MA 22 - 2102/96, betreffend Feststellung der Abfalleigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 23. Juli 1996 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab, dessen Spruch wie folgt gelautet hatte:

"Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 und Abs. 2 i.V.m. § 37 Abs. 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG), BGBl. Nr. 325/1990 i.d.F. BGBl. Nr. 155/1994 wird von Amts wegen festgestellt, daß es sich bei dem Entwickler DY 950 Solvent, welcher sich derzeit in

vier Containern im Zollager der Spedition ... befindet und

welcher für die (Beschwerdeführerin) bestimmt ist, um gefährlichen Abfall im Sinne des § 2 Abs. 5 AWG handelt."

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde zunächst aus, daß auf Grund der durchgeführten Erhebungen und des mit diesen Erhebungen übereinstimmenden Tatsachenvorbringens der Beschwerdeführerin folgender Sachverhalt feststehe:

Die Beschwerdeführerin liefere an Kunden im Ausland einen Entwickler für die Printplattenproduktion unter einem bestimmten Handelsnamen. Dieser Entwickler, ein lösemittelhältiger Stoff, werde bei der Produktion von Printplatten verunreinigt. Bei einem Verunreinigungsgrad von ca. 3 % bis 7 % werde der Entwickler von den ausländischen Kunden an die Beschwerdeführerin zur Destillation zurückgestellt. Bei der Destillation würden Wasser, Füllstoffe und Lackpartikel entfernt. Der Destillationsvorgang selbst erfolge durch ein von der Beschwerdeführerin ausgewähltes, näher bezeichnetes Dienstleistungsunternehmen. Der destillierte Entwickler werde den Kunden zur weiteren Verwendung wieder zurückgestellt. Eine Sendung von vier Containern dieses Entwicklers sei von einem ungarischen Unternehmen durch einen Transporteur nach Österreich befördert worden. Empfänger sollte die Beschwerdeführerin sein. Die Sendung befinde sich bis auf weiteres im Zollager der Spedition. Da das Hauptzollamt Wien Bedenken gehabt habe, daß der gegenständliche Entwickler eine Einfuhrbewilligung gemäß § 34 Abs. 1 AWG bedürfe, habe der Magistrat der Stadt Wien den bekämpften Feststellungsbescheid erlassen und diesen Bescheid im wesentlichen mit einer entsprechenden Weisung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie begründet.

Nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides sodann in rechtlicher Hinsicht weiter aus:

Auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung sei davon auszugehen, daß der gegenständliche Entwickler im Produktionsprozeß jeweils so lange bestimmungsgemäß verwendet werde, als dies wirtschaftlich vertretbar sei. Erst wenn die Wirksamkeit des Entwicklers durch Verunreinigungen so weit gemindert sei, daß ein weiterer Einsatz nicht mehr sinnvoll bzw. ein wirtschaftlicher Einsatz nicht mehr möglich sei, werde der Entwickler einer Destillation bzw. Aufbereitung zugeführt werden. Sobald ein bestimmungsgemäßer Einsatz des Entwicklers auf Grund von Verunreinigungen nicht mehr möglich sei, sei davon auszugehen, daß sich der Inhaber (Verwender) des Entwicklers dessen entledigen wolle und auch entledigen müsse, falls eine Destillation des Entwicklers im unmittelbaren Bereich der Betriebsstätte nicht möglich sei. Würde eine Destillation des Entwicklers im unmittelbaren Bereich der Betriebsstätte des Verwenders des Entwicklers erfolgen, wäre gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 AWG dessen Erfassung und Behandlung als Abfall nicht im öffentlichen Interesse geboten. Dies sei jedoch hier nicht der Fall, weil der Entwickler aus dem Ausland an die Beschwerdeführerin zurückgestellt und in Österreich destillativ aufbereitet werden müsse, um wieder bestimmungsgemäß einsetzbar zu sein. Ein derart verunreinigter Entwickler sei jedenfalls nicht mehr bestimmungsgemäß verwendbar; er müsse auf Grund der Tatsache, daß er in einem Ausmaß verunreinigt sei, daß er seinem eigentlichen Verwendungszweck nicht mehr zugeführt werden könne, einer Aufbereitung zugeführt werden. Es bestehe daher die Entledigungsabsicht hinsichtlich des verunreinigten Entwicklers und nicht nur hinsichtlich der "Schmutzkomponente" in dieser Sache, welche ja erst durch die destillative Aufbereitung bei einem anderen Betrieb vom Lösemittel getrennt werden könne. Der Sinn jedes Regenerations- bzw. Recyclierungsprozesses sei es, daß aus verunreinigten bzw. nicht mehr brauchbaren Materialien wieder Rohstoffe bzw. Produkte gewonnen würden. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, eine Entledigungsabsicht bestünde nur hinsichtlich der "Schmutzkomponente", liefe darauf hinaus, immer nur einen Teil von zur Recyclierung bestimmten Materialien (nämlich die zu entfernenden Verunreinigungen) als Abfall im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes anzusehen. Eine solche Betrachtungsweise widerspreche der gesetzlichen Abfalldefinition. Der von der Beschwerdeführerin angestellte Vergleich mit der Reinigung von Kleidungsstücken könne an dieser Beurteilung nichts ändern, weil ein Destillations- bzw. Regenerationsprozeß von Lösemitteln mit dem Reinigen von Kleidungsstücken in einer Putzerei nicht verglichen werden könne. Folgte man diesen Ausführungen der Beschwerdeführerin, dann wären sämtliche Regenerationsprozesse keine Abfallbehandlung im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes. Die Regeneration von Lösemitteln werde aus objektiv nachvollziehbaren Kriterien erforderlich, während die Reinigung von Kleidungsstücken in der Putzerei nicht zwangsweise vorgenommen werden müsse, weil auch verschmutzte Kleidung grundsätzlich bestimmungsgemäß verwendbar sei. Ein gebrauchter verunreinigter Entwickler sei als solcher jedoch nach Erreichung eines gewissen Verunreinigungsgrades nicht mehr wirtschaftlich einsetzbar, sodaß dem Verwender keine andere Wahl bleibe, als diesen Entwickler einer Regeneration bzw. Aufbereitung zuführen zu lassen. Es liege damit beim Verwender des zu destillierenden Entwicklers eine Entledigungsabsicht vor, sodaß die Abfalleigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG (subjektiver Abfallbegriff) als erfüllt anzusehen sei.

Zur Begründung der Abfalleigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 AWG genüge das alternative Vorliegen des subjektiven oder des objektiven Abfallbegriffes. Es sei bei dem gegenständlichen Entwickler aber auch der objektive Abfallbegriff im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG erfüllt. Durch den Entwickler könnten zweifellos Gefährdungen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG herbeigeführt werden, die seine Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich machten. Fraglich sei lediglich, ob die Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 2 AWG zur Anwendung gelangen könne, wonach eine geordnete Erfassung und Behandlung im öffentlichen Interesse nicht geboten sei, weil der Entwickler in einer nach allgemeiner Verkehrsaufassung für ihn bestimmungsgemäßen Verwendung stehe. Nun müsse aber die Destillation des Entwicklers deswegen erfolgen, weil er in der verunreinigten Form nicht mehr bestimmungsgemäß eingesetzt werden könne bzw. sein Wirkungsgrad durch die vorhandenen Verunreinigungen jedenfalls derart beeinträchtigt sei, daß sich sein Einsatz ohne vorangehende Destillation nicht mehr lohne. Es würde eine derartige Destillation schon aus rein wirtschaftlichen Überlegungen erst dann erfolgen, wenn der Entwickler ohne diese Destillation tatsächlich nicht mehr verwendbar sei. Könne der Entwickler aber ohne vorhergehende Destillation nicht mehr eingesetzt werden, dann könne auch nicht davon gesprochen werden, daß er in einer für ihn bestimmungsgemäßen Verwendung stehe. Der von der Beschwerdeführerin dazu angestellte Vergleich mit einer Hose, die nicht getragen werde, und einem Auto, das nicht gefahren werde, treffe nicht zu. Solche Dinge stünden bis zu ihrer tatsächlichen Entledigung in bestimmungsgemäßer Verwendung. Im vorliegenden Fall sei eher der Vergleich mit einem Auto mit Totalschaden oder mit einer Hose, die auf Grund von Beschädigungen nicht mehr tragbar sei, angebracht. Diese stünden jedenfalls nicht mehr in für sie bestimmungsgemäßer Verwendung.

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Festsetzung gefährlicher Abfälle, BGBl. Nr. 49/1991, sei die ÖNORM S 2101 "überwachungsbedürftige Sonderabfälle", ausgegeben am 1. Dezember 1983, für verbindlich erklärt worden. Der gegenständliche Entwickler sei der Schlüsselnummer 55 370 der ÖNORM S 2101 oder der Schlüsselnummer 59 305 dieser ÖNORM zuzuordnen. Es handle sich daher um gefährlichen Abfall im Sinne des § 2 Abs. 5 AWG. Dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin zum Basler Übereinkommen sei entgegenzuhalten, daß gemäß Art. 2 Z. 1 dieses Übereinkommens als Abfälle Stoffe oder Gegenstände anzusehen seien, die entsorgt würden, zur Entsorgung bestimmt seien oder auf Grund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften entsorgt werden müßten. Gemäß Art. 2 Z. 4 des Basler Übereinkommens bedeute Entsorgung jedes in Anlage IV dieses Übereinkommens angeführte Verfahren. Gemäß dieser Anlage IV Abschnitt B Punkt R 2 sei unter Entsorgung im Sinne des Basler Übereinkommens auch die Rückgewinnung/Regenerierung von Lösemitteln zu verstehen. Die destillative Entfernung von Verunreinigungen aus dem gegenständlichen Entwickler sei als solche Rückgewinnung bzw. Regenerierung zu sehen, da diese destillative Aufbereitung eine Voraussetzung dafür sei, daß der Entwickler wieder einer bestimmungsgemäßen Verwendung zugeführt werden könne. Somit sei die Destillation des Entwicklers ein Entsorgungsverfahren im Sinne des Basler Übereinkommens. Das Basler Übereinkommen sei für Österreich völkerrechtlich verbindlich und die Einstufung des Entwicklers als "Nichtabfall" stünde daher nicht in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung begehrt, sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf als verletzt anzusehen, daß die in Rede stehende Sache nicht als Abfall und erst recht nicht als gefährlicher Abfall im Sinne des AWG beurteilt werde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Beschwerdeführerin hat repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bestreitet die Abfalleigenschaft der betroffenen Sache, indem sie geltend macht, daß sich weder der Entledigungswille ihres ausländischen Geschäftspartners noch der Umstand aus dem von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt entnehmen lasse, daß diese Sache nicht mehr in bestimmungsgemäßer Verwendung stehe. Daß von der Sache Gefährdungen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG ausgingen, sei eine im angefochtenen Bescheid zudem nicht näher begründete Beurteilung. Der Beschwerdeführerin ist darin beizupflichten, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht geeignet ist, die Beurteilung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 AWG für die in Rede stehende Sache tauglich zu stützen.

Abfälle im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes sind gemäß § 2 Abs. 1 AWG bewegliche Sachen,

1.

deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat, oder

2.

deren Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten ist.

Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall nach § 1 Abs. 3 AWG erforderlich, wenn andernfalls

1.

die Gesundheit des Menschen gefährdet und unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2.

Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen verursacht werden können,

3.

die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

4.

Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

5.

Geräusche und Lärm in übermäßigem Ausmaß verursacht werden können,

6.

das Auftreten und die Vermehrung von schädlichen Tieren und Pflanzen sowie von Krankheitserregern begünstigt werden,

7.

die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann,

8.

Orts- und Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt werden können.

Nach § 2 Abs. 2 AWG ist eine geordnete Erfassung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes jedenfalls so lange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten,

1.

als eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder

2.

solange sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht, oder

3.

solange die Sache nach dem Ende ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung im unmittelbaren Bereich des Haushaltes bzw. der Betriebsstätte auf eine zulässige Weise verwendet oder verwertet wird.

Soweit die Beschwerdeführerin der belangten Behörde vorwirft, keine Feststellungen über eine Entledigungsabsicht ihres ausländischen Vertragspartners bezüglich der betroffenen Sache getroffen zu haben, ist die Beschwerdeführerin darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid im Rahmen der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ohnehin vom Gegenteil einer solchen Entledigungsabsicht insoferne ausgeht, als die belangte Behörde im Tatsachenbereich den von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Sachverhalt des Inhaltes ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, daß der Entwickler bei Erreichen eines bestimmten Verunreinigungsgrades vom ausländischen Kunden an die Beschwerdeführerin zur Destillation übermittelt und von dieser dem Kunden nach Destillation zur weiteren Verwendung wieder zurückgestellt wird. Daß ein solcher Sachverhalt es nicht erlaubt, von einer Absicht des ausländischen Verwenders der Sache zu sprechen, sich ihrer im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG zu entledigen, liegt auf der Hand. Der behördlichen Argumentation zum Vorliegen des subjektiven Abfallbegriffes im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG liegt der Versuch zugrunde, den Begriff der Entledigung von der betroffenen Sache auf einen bestimmten Zustand dieser Sache, nämlich seine Verunreinigung auszudehnen, wie dies die Beschwerdeführerin zutreffend erkennt. Dieser behördliche Argumentationsversuch muß aber am Gesetzestext scheitern, der als Tatbestandsvoraussetzung des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG die beabsichtigte oder erfolgte Preisgabe der Sache als solcher und nicht auch schon ihre bloße Übergabe an einen anderen zum Zwecke von Reparatur oder Reinigung gegen anschließende Rückgabe statuiert. Ist die belangte Behörde im Beschwerdefall sachverhaltsmäßig davon ausgegangen, daß der Entwickler nach seiner Verunreinigung vom ausländischen Kunden an die Beschwerdeführerin lediglich zur Destillation übermittelt und ihm nach Destillation wieder zurückgestellt wird, dann erlaubt ein solcher Sachverhalt die von der belangten Behörde gefundene rechtliche Beurteilung einer Entledigungsabsicht des ausländischen Unternehmens nicht. Anderes könnte gelten, wenn der Bearbeitungsvorgang, zu dessen Durchführung die Sache dem Hersteller übermittelt wird, einem Verwertungsprozeß gleichzuhalten wäre, mit welchem eine unbrauchbar gewordene Sache durch einen substanzverändernden Vorgang zu einer anderen, für den gleichen oder einen anderen Zweck brauchbaren Sache umgestaltet würde. Von einem solchen Sachverhalt kann aber ausgehend von den Feststellungen des angefochtenen Bescheides über den Inhalt des Destillationsvorganges im Beschwerdefall nicht gesprochen werden.

Entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretenen Auffassung kann der in den Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Bescheides beschriebene Arbeitsvorgang auch im Lichte des Gemeinschaftsrechtes nicht als Verwertungsverfahren angesehen werden. Art. 2 der Verordnung des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der EG vom 1. Februar 1993, 93/259 EWG, verweist in lit. k zur Bestimmung des Begriffes "Verwertung" auf Art. 1 lit. f der Richtlinie über Abfälle vom 15. Juli 1975, 75/442/EWG. In der verwiesenen Vorschrift werden unter "Verwertung" alle im Anhang II B aufgeführten Verfahren verstanden. Im Anhang II B der genannten Richtlinie ist unter R 1 die "Rückgewinnung/Regenerierung von Lösemitteln" angeführt. Daß aber die Destillation eines Stoffes, der nicht selbst ein Lösemittel ist, sondern nur Lösemittel enthält, mit der Wirkung, daß bei diesem Vorgang Wasser, Füllstoffe und Lackpartikel entfernt werden, als "Rückgewinnung/Regenerierung von Lösemitteln" zu beurteilen wäre, setzte jedenfalls sachverständig fundiert getroffene Sachverhaltsfeststellungen über die Beschaffenheit des festgestellten Destillationsprozesses voraus, welche im angefochtenen Bescheid fehlen. Ohne solche Feststellungen aber ließ sich der Destillationsvorgang im Unternehmen der Beschwerdeführerin nicht als Verwertung im Sinne der erwähnten Vorschriften des Gemeinschaftsrechtes beurteilen, die es erlaubt hätten, aus den angestellten Erwägungen in der Übergabe des Stoffes an die Beschwerdeführerin zur Destillation einen Akt der Entledigung der Sache mit dem Ziel der Gewinnung einer neuen Sache zu erblicken. Aus diesem Grund kann auf der Basis der im angefochtenen Bescheid getroffenen Sachverhaltsfeststellungen auch nicht vom Vorliegen einer Entledigung im Sinne der Begriffsbestimmung des Art. 1 lit. a der Richtlinie über Abfälle, 75/442/EWG, gesprochen werden.

Auch die für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des objektiven Abfallbegriffes im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gegebene Begründung trägt ihren Standpunkt nicht. Der Beschwerdeführerin ist schon darin beizupflichten, daß die im angefochtenen Bescheid getroffene Aussage, durch den gegenständlichen Entwickler könnten "zweifellos Gefährdungen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG herbeigeführt werden", die seine Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich machten, das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung des § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG bloß unterstellt, ohne es zu begründen. Weshalb welche der in § 1 Abs. 3 AWG genannten Nachteile die Erfassung und Behandlung der Sache als Abfall im öffentlichen Interesse gebieten sollten, bedürfte fachkundig untermauerter und im einzelnen nachvollziehbar dargelegter Erläuterungen. Diese konnten auch durch die Einstufung der Sache als gefährlicher Abfall nach § 2 Abs. 5 AWG im Beschwerdefall nicht tauglich ersetzt werden, weil auch die dafür von der belangten Behörde gegebene Begründung insoferne unzureichend ist, als sie sich zum einen nicht festlegt, welcher Schlüsselnummer der in der Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Festsetzung gefährlicher Abfälle, BGBl. Nr. 49/1991, als verbindlich erklärten ÖNORM S 2101, ausgegeben am 1. Dezember 1983, die betroffene Sache zuzuordnen sei, und zum anderen es an einer sachverständig untermauerten Begründung einer solchen Zuordnung im angefochtenen Bescheid ebenso fehlt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1996, 96/07/0013).

Es überzeugt aber auch jene Begründung des angefochtenen Bescheides nicht, mit welcher die belangte Behörde dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren, die Sache stehe in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung noch für sie bestimmungsgemäßen Verwendung (§ 2 Abs. 2 Z. 2 AWG), entgegengetreten ist. Die Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 2 AWG verweist auf die allgemeine Verkehrsauffassung. Daß eine Sache, die zur Reparatur oder zur Reinigung gegeben wird, allein deswegen nicht mehr in einer für sie bestimmungsgemäßen Verwendung stünde, ist eine Anschauung, die der allgemeinen Verkehrsauffassung so nicht entspricht.

Sachverhaltsfeststellungen, welche die Annahme erlaubten, daß der Bearbeitungsvorgang, zu dessen Durchführung die Sache der Beschwerdeführerin vom ausländischen Unternehmer übermittelt worden war, über einen einer bloßen Reinigung der Sache vergleichbaren Prozeß hinausgegangen wären, können dem angefochtenen Bescheid aber, wie bereits an früherer Stelle ausgeführt, nicht entnommen werden. Ist auch beim Anstellen von Vergleichen zwischen der chemisch-physikalischen Bearbeitung eines Produktionsmittels mit vertrauten Vorgängen aus dem Alltagsleben zur Vermeidung von Irreführungen grundsätzlich Zurückhaltung geboten, so muß der Beschwerdeführerin dennoch im Ergebnis darin beigepflichtet werden, daß der im angefochtenen Bescheid festgestellte Sachverhalt über den an der betroffenen Sache durchgeführten Vorgang der Übergabe eines Kleidungsstückes in die Putzerei zur Reinigung eher gleicht als der Übergabe eines Fahrzeuges mit Totalschaden zur Verschrottung.

Ausgehend von der Abfallbegriffsbestimmung des Art. 1 lit. a der erwähnten Richtlinie über Abfälle, 75/442/EWG, auf welche auch Art. 2 lit. a der Verordnung des Rates der Europäischen Gemeinschaften, 93/259/EWG, verweist, ist auch aus den Normen des Gemeinschaftsrechtes für die Bejahung des objektiven Abfallbegriffes der betroffenen Sache auf der Basis der im angefochtenen Bescheid getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nichts zu gewinnen. Nach Art. 1 lit. a der Richtlinie über Abfälle, 75/442/EWG, sind unter "Abfall" alle Stoffe und Gegenstände zu verstehen, die unter die im Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muß. Die Kommission erstellt nach dem Verfahren des Art. 18 spätestens zum 1. April 1993 ein Verzeichnis der unter die Abfallgruppen im Anhang I fallenden Abfälle. Dieses Verzeichnis wird regelmäßig überprüft und erforderlichenfalls nach demselben Verfahren überarbeitet. Kraft welchen rechtlichen Zwanges sich der ausländische Unternehmer der der Beschwerdeführerin übermittelten Sache hätte entledigen müssen, wird im angefochtenen Bescheid ebensowenig aufgezeigt wie auch nicht dargestellt wird, welcher Position des von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften mit Entscheidung vom 20. Dezember 1993, 94/3/EG, aufgestellten Abfallverzeichnisses gemäß Art. 1 lit. a der Richtlinie 75/442/EWG die betroffene Sache zuzuordnen sein soll. Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift auf die im Anhang I der Richtlinie 75/442/EWG angeführten Abfallgruppen, im besonderen auf die Abfallgruppe Q 7 "unverwendbar gewordene Stoffe

(z.B. kontaminierte Säuren, Lösungsmittel, Härtesalze usw.)" verweist, ist dieser Verweis zum einen durch die Entscheidung der Kommission vom 20. Dezember 1993, 94/3/EG, überholt und zum anderen auch deswegen nicht geeignet, den im angefochtenen Bescheid eingenommenen Standpunkt zu tragen, weil es an einer fachkundig untermauerten Begründung dafür fehlt, weshalb der hier in Rede stehende Stoff der angeführten Abfallgruppe zuzuordnen sei. Daß den in Anlage I angeführten Abfallgruppen selbständige normative Bedeutung im übrigen nicht zukommen kann, folgt schon aus der Anführung der Abfallgruppe Q 16, welche "Stoffe oder Produkte aller Art" erwähnt, "die nicht einer der oben erwähnten Gruppen angehören".

Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf das Basler Übereinkommen verweist, ist zum einen nicht zu erkennen, auf welcher Rechtsgrundlage sich im Beschwerdefall eine unmittelbare Anwendbarkeit der Bestimmungen dieses nach dem Inhalt des Beschlusses des Nationalrates, BGBl. 1993/229, im Sinne des Art. 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllenden Staatsvertrages ergeben sollte. Zum anderen würde auch eine unmittelbare Anwendbarkeit der Bestimmungen dieses Übereinkommens im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis führen können:

Die Abfalleigenschaft der hier in Rede stehenden Sache wäre nach den Bestimmungen des Basler Übereinkommens (Art. 2 Z. 1 in Verbindung mit Art. 2 Z. 4) davon abhängig, daß der Prozeß, dem der Entwickler im Inland unterzogen werden soll, dem Entsorgungsbegriff des genannten Übereinkommens zu unterstellen wäre. Der von der belangten Behörde getroffene Hinweis auf Abschnitt B Punkt R 2 der in Art. 2 Z. 4 des Basler Übereinkommens verwiesenen Anlage IV könnte den angefochtenen Bescheid aber nicht tragen, weil als "Entsorgung" in dieser Norm ebenso wie in Anhang II B R 1 der schon erwähnten Richtlinie 75/442/EWG die "Rückgewinnung/Regenerierung von Lösemitteln" angeführt ist. Daß die Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Bescheides eine Beurteilung des hier vorliegenden Bearbeitungsvorganges als "Rückgewinnung/Regenerierung von Lösemitteln" aber nicht zulassen, wurde bereits an früherer Stelle dargelegt.

Auf der Basis der im angefochtenen Bescheid getroffenen Sachverhaltsfeststellungen erweist sich der angefochtene Bescheid somit schon deswegen als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, weil die belangte Behörde den ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt in der Beurteilung der in Rede stehenden Sache als Abfall im Sinne des § 2 Abs. 1 AWG auch unter Einbeziehung der Normen des Gemeinschaftsrechtes unzutreffend beurteilt hat. Diese Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geht seiner Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, welche darin begründet ist, daß die belangte Behörde die Beurteilung der beim Hauptzollamt Wien zurückgehaltenen Sache als gefährlichen Abfall im Sinne des § 2 Abs. 5 AWG in der an früherer Stelle aufgezeigten Weise zudem unzureichend begründet hat.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Für die zusätzlich zum angefochtenen Bescheid der Beschwerdeschrift angeschlossene Beilage war mangels deren Erforderlichkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebührenersatz nicht zuzuerkennen.

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996070241.X00

Im RIS seit

22.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

18.11.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten