TE Bvwg Beschluss 2020/2/25 W184 2195224-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.02.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.02.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W184 2195224-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.11.2019, Zl. 1101853300/191111575, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 rechtmäßig.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 13.01.2016 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz ein.

Über diesen Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.04.2018 folgende Entscheidung getroffen:

"I. Der Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen.

II. Der Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen.

III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.

IV. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen.

V. Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist.

VI. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 03.07.2019, zugestellt am 05.07.2019, als unbegründet abgewiesen.

Zur Person der beschwerdeführenden Partei stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dieser sei afghanischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an und seine Muttersprache sei Dari. Er sei in der Provinz Ghazni geboren und aufgewachsen, habe zwei Jahre eine Religionsschule und vier Jahre eine allgemeine Schule besucht und nachmittags in dem familieneigenen Lebensmittelgeschäft als Verkäufer gearbeitet. Die Familie besitze ein Haus und ein Grundstück in ihrem Heimatdorf, ein Haus in Kabul und ein Grundstück in Herat. Die Mutter und der 16-jährige Bruder leben bei einem Onkel mütterlicherseits in einem Nachbardorf, die beschwerdeführende Partei stehe in regelmäßigem Kontakt mit den Verwandten. Ein Onkel väterlicherseits lebe in ihrem Heimatdorf. Der Vater sei Ende 2013 unter ungeklärten Umständen verstorben.

Zu den behaupteten Fluchtgründen führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass diese nicht festgestellt werden können, nämlich eine Verfolgungsgefahr erstens aufgrund von Besitzstreitigkeiten mit einem Onkel väterlicherseits, zweitens aufgrund der Tätigkeit des Vaters als Tankwagenfahrer für die Amerikaner und drittens aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und zur schiitischen Glaubensrichtung.

Die beschwerdeführende Partei sei gesund und arbeitsfähig. Er lebe in Österreich von der Grundversorgung und sei nie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er habe ein ÖSD-Zertifikat für das Sprachniveau A1 und A2 erworben und zuletzt einen Deutschkurs für das Niveau B1 - Teil 1 besucht. Er habe auf Basis eines Dienstleistungsschecks Reinigungs- und Gartenarbeiten für 5,- EUR pro Stunde verrichtet, Freiwilligenarbeit geleistet und Freunde in Österreich gewonnen. Weiters habe er eine österreichische Freundin, mit der er nicht zusammenlebe.

Der beschwerdeführenden Partei stehe jedenfalls eine zumutbare innerstaatliche Schutzalternative, etwa in der Stadt Mazar-e Sharif, zur Verfügung.

Weiters wurden in dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ausführliche Länderfeststellungen getroffen.

In der Beweiswürdigung wurde das gesamte Fluchtvorbringen mit ausführlicher Begründung als unglaubwürdig beurteilt.

Nach dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens reiste die beschwerdeführende Partei illegal nach Deutschland weiter und stellte dort neuerlich einen Asylantrag, und nach der Rücküberstellung nach Österreich brachte er schließlich am 31.10.2019 den gegenständlichen Folgeantrag ein.

Bei der Erstbefragung am 31.10.2019 sagte die beschwerdeführende Partei aus, dass seine alten Fluchtgründe aufrecht seien, er möchte nur einiges korrigieren, und zwar sei seine leibliche Mutter verstorben und die zweite Frau seines Vaters habe die beschwerdeführende Partei unmenschlich behandelt. Die Frage nach der Religionszugehörigkeit beantwortet er mit "Islam/Schiit".

Die Einvernahme der beschwerdeführenden Partei durch das Bundesamt am 11.11.2019 gestaltete sich folgendermaßen (gekürzt und teilweise anonymisiert durch das Bundesverwaltungsgericht, L = Leiter der Amtshandlung, A = Asylwerber, V = Vorhalt, RB = Rechtsberater):

"... L: Sind Sie derzeit in ärztlicher Behandlung oder nehmen Sie irgendwelche Medikamente?

A: Nein.

L: Haben Sie in der EU bzw. in Österreich aufhältige Eltern oder Kinder (Blutverwandtschaft oder durch Adoption begründet) bzw. sonstige Verwandte?

A: Ja. Mein Onkel väterlicherseits ist in Norwegen. Sonst habe ich Freunde. Nachgefragt, gebe ich an, in Österreich habe ich niemanden.

L: Leben Sie mit einer Person in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft?

A: Ja, jetzt wohne ich hier im Camp. Früher habe ich bei einer Frau gelebt. Sie war wie meiner Mutter ... Immer gibt sie mir Geld, wenn ich welches brauche, so ca. 100 Euro jedes Mal.

...

L: Haben Sie Kurse oder Ausbildungen absolviert?

A: Ja. A1, A2, B1, einen Hauptschulabschluss.

L: Sind Sie Mitglied in einem Verein oder einer Organisation?

A: Als ich im Kinderheim war, habe ich ein Fitnessstudio besucht.

L: Haben Sie gearbeitet?

A: Ja, bei der Gemeinde habe ich gearbeitet ..., ca. ein Jahr lang.

L: Sie leben derzeit von der Grundversorgung?

A: Ja.

L: Welche Sprachen sprechen Sie?

A: Dari, Deutsch, etwas Paschtu und Englisch.

V: ... Was spricht gegen die aufenthaltsbeendende Maßnahme, über die bereits rechtkräftig abgesprochen worden ist?

A: Wenn ich eine negative Entscheidung bekomme, dann muss ich nach Afghanistan, und dort ist mein Leben in Gefahr. Dort habe ich niemanden. Meine Familie ist in Pakistan seit einem Jahr.

L: Haben sich Ihre Fluchtgründe geändert?

A: Ja, es gibt Änderungen. Damals habe ich gesagt, dass ich Moslem bin. Jetzt bin ich es nicht mehr. Seit sechs Jahren habe ich die Moschee nicht mehr besucht. Deswegen ist mein Leben in Afghanistan in Gefahr.

L: Sie haben angegeben, Ihre Familie sei in Pakistan. Wer genau befindet sich in Pakistan?

A: Mein Vater, meine Stiefmutter und ihre Kinder.

V: Im ersten Asylverfahren ... haben Sie angegeben, dass Ihr Vater im Jahr 2013 getötet worden wäre. Jetzt geben Sie an, dass er sich in Pakistan befinden würde. Wie ist das möglich?

A: Die Leute haben gesagt, dass er verstorben ist. Er ist nach fünf Jahren wieder ... zurückgekehrt. Er hat die ganze Zeit in Pakistan ... gelebt. Vor einem Jahr ist er nachhause zurückgekehrt und hat meine Familie nach Pakistan mitgenommen.

V: Bei der Erstbefragung am 31.10.2019 haben Sie angegeben, dass Sie einiges korrigieren möchten. Ein Teil Ihrer Angaben sei falsch. Ihre leibliche Mutter sei verstorben und ihr Vater hätte ein zweites Mal geheiratet. Ihre Stiefmutter hätte sie unmenschlich behandelt. Warum haben Sie in Bezug auf Ihre Familienverhältnisse falsche Angaben getätigt?

A: Ich wusste nicht, ob sie meine leibliche Mutter ist oder nicht.

L: Wann haben Sie es erfahren?

A: Erst, als ich in Europa war. Ich habe immer gedacht, dass es meine leibliche Mutter ist. Ich habe es erst später erfahren. Meine Großmutter hat mir gesagt, dass sie nicht meine leibliche Mutter ist.

L: Sind Ihre Fluchtgründe, welche Sie im ersten Asylverfahren, angegeben haben, aufrecht?

A: Ja, diese bleiben aufrecht.

L: Wenn Ihr Vater jetzt doch am Leben ist, warum sind die Fluchtgründe nach wie vor aufrecht?

A: Ja, mein Vater war ja verschwunden. Die Leute haben gesagt, dass er bei einem Anschlag ums Leben kam.

L: Die von Ihnen angegebenen Grundstücksprobleme sollten nicht mehr aufrecht sein, wenn Ihr Vater doch nicht getötet wurde.

A: Die Fluchtgründe existieren nicht mehr, aber ich habe in Afghanistan niemanden mehr.

L: Sie haben zuvor angegeben, dass Sie kein Moslem mehr seien. Was meinen Sie damit?

A: Seit sechs Jahren besuche ich die Moschee nicht mehr. Ich bete und faste nicht mehr. Ich werde auch nie mehr fasten.

L: Warum?

A: Die Religion, der Islam, ist nicht richtig.

L: Wann haben Sie das festgestellt?

A: Seitdem ich in Europa bin.

L: Haben Sie diese Angaben im ersten Asylverfahren gemacht?

A: Nein, ich habe gesagt, dass ich Moslem bin.

L: Wenn Sie bereits seit sechs Jahren keine Moschee mehr besuchen, nicht mehr beten und fasten, warum haben Sie das nicht im ersten Asylverfahren angegeben?

A: Ich habe Angst, dass mir jemand Probleme macht, wenn ich keine Religion mehr habe. Deshalb habe ich nichts gesagt.

L. Wer sollte Ihnen Probleme machen?

A: Zum Beispiel die anderen, die eine Religion haben.

L: Hatten Sie die letzten Jahre aufgrund dessen irgendwelche Probleme?

A: In Europa nicht.

L: Wo dann?

A: In Afghanistan werde ich Probleme haben. Ohne Religion werde ich dort gesteinigt.

L: Wurden Sie religiös erzogen?

A: Ja.

L: Haben Sie in Afghanistan den Islam und seine Riten vollzogen?

A: Ja.

L: Was war der ausschlaggebende Grund, dass Sie sich vom Islam abwenden?

A: Die Moslems sind immer hinter Krieg und Streit. Im Namen der Religion töten sie Menschen und rauben sie. Die Schiiten sagen, dass die Sunniten Ungläubige sind. Die Sunniten sagen, dass die Schiiten Ungläubige sind. Das heißt, die Religion ist nicht richtig.

L: Das haben Sie erst in Österreich festgestellt?

A: Ja.

L: Wann haben Sie das festgestellt?

A: Im Laufe der Zeit.

L: Was befürchten Sie im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland?

A: Weil ich ungläubig bin, werde ich von den Mullahs gesteinigt.

L: Seit wann bestehen Ihre Rückkehrbefürchtungen?

A: Seitdem ich eine negative Entscheidung erhalten habe und ich nach Afghanistan zurückkehren muss.

V: Warum haben Sie in der Erstbefragung am 31.10.2019 nicht angegeben, dass Sie Moslem/Schiit seien bzw. haben Sie diesbezüglich keine Angaben gemacht?

A: Weil ich Angst hatte.

L: Warum haben Sie vor der Behörde, bei der Sie um Schutz ansuchen, Angst?

A: Damals war ich mir nicht sicher, ob der Islam richtig oder falsch ist. Erst später ... hatte ich es festgestellt.

L: Wiederholung des obigen Vorhaltes.

A: Sie haben gefragt, ob ich Moslem bin. Ich habe ja gesagt. Ich wollte darüber nicht sprechen.

L: Warum wollten Sie darüber nicht sprechen?

A: Weil die Polizisten mich schlecht behandelt haben. Ich wollte, dass es schnell vorbei ist und ich weggehe.

L: Haben Sie noch Angehörige in der Heimat?

A: Meine Oma ist noch am Leben. Sie ist in Pakistan. Mein Onkel, der mir geholfen hat, lebt derzeit im Iran. Nur mein Onkel väterlicherseits, mit dem wir Probleme haben, lebt noch in der Heimat.

L: Haben Sie Kontakt zu den angegebenen Angehörigen?

A: Ja.

...

RB: Kennen Sie irgendwelche westlichen Werte und haben Sie diese angenommen?

A: Ich habe hier gelernt, dass die Menschlichkeit das Wichtigste ist. Zum Beispiel Frau ..., sie ist Christin. Ich habe immer gedacht, dass die Christen schlechte Menschen sind. In Afghanistan wurde uns das immer beigebracht. Aber erst später habe ich es verstanden, dass die Frau ... ein guter Mensch ist. Es gibt viele solche guten Menschen hier.

RB: Haben Sie irgendwelche westlichen Gewohnheiten angenommen?

A: Es hat sich alles verändert bei mir. Ich kann nicht mehr so leben, wie ich in Afghanistan gelebt habe. In Afghanistan durfte ich nur bei meinem Onkel im Geschäft arbeiten. Nachmittags habe ich die Schule besucht. Nach der Schule habe ich wieder gearbeitet bis 21 Uhr. Jeden Tag dasselbe. Jetzt lebe ich hier. Ich bin jetzt volljährig seit einem Jahr. Ich habe hier Deutschkurse besucht, Fußball gespielt, Fitness betrieben, Freunde besucht. Es gibt hier immer wieder Feste. Ich kann da teilnehmen und mich amüsieren. Als ich in Afghanistan war, konnte ich nichts feiern. Ich musste immer arbeiten. Sogar auch zum "Eid-Fest" musste ich arbeiten. Mein Onkel war nicht im Geschäft.

...

L: Es wird nun der mündliche Bescheid gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG verkündet.

...

Spruch

Der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG wird gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben.

Begründung

A) Verfahrensgang

Sie haben am 13.01.2016 erstmals beim Bundesamt einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, welcher mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.04.2018 ... gemäß § 3 und § 8 AsylG 2005 abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurden die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan festgestellt und Sie aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde Ihnen nicht erteilt. Eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise wurde Ihnen gewährt.

Sie brachten gegen diese Entscheidung eine Beschwerde ein, welche vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 03.07.2019, W276 2195224-1/8E, abgewiesen wurde. Der Bescheid erwuchs mit 05.07.2019 in Rechtskraft.

Den ersten Antrag auf internationalen Schutz begründeten Sie im Wesentlichen wie folgt (Auszug aus der Einvernahme vom 13.01.2016):

In Afghanistan wollte, nachdem mein Vater vor ca. drei Jahren gestorben ist, ein Onkel väterlicherseits unsere Grundstücke haben. Dieser Onkel hat mich und meine Familie aus unserem Haus hinausgeworfen, und aus diesem Grund hat mich ein Onkel mütterlicherseits hierhergeschickt. Ich möchte auch meine Mutter und meinen Bruder hierherholen.

Sowohl bei der Erstbefragung am 31.10.2019 als auch bei der heutigen Einvernahme stützen Sie sich jeweils auf dieselben Gründe, welche Sie bereits im Vorverfahren angegeben haben. Des Weiteren stützen Sie sich auf Gründe, welche bereits zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Erstverfahrens bestanden haben, Sie jedoch nicht genannt haben.

B) Beweismittel

...

C) Feststellungen

Die Behörde gelangt daher zu folgenden Feststellungen:

Zu Ihrer Person:

Ihre Identität steht nicht fest.

Bis zur Bescheiderlassung ergaben sich weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit noch ergab sich eine schwere psychische Störung, die bei einer Abschiebung nach Afghanistan eine unzumutbare Verschlechterung Ihres Gesundheitszustandes bewirken würde. Hinweise auf das Vorliegen von psychischen Störungen oder einer schweren körperlichen Krankheit haben sich im Verfahren und bis zur Bescheiderlassung nicht ergeben.

Es existieren unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine Umstände, welche einer Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.

Sie verfügen über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Gegen Sie besteht seit 05.07.2019 eine rechtskräftige Ausweisung.

Zu den Gründen für Ihre Anträge auf internationalen Schutz sowie zur voraussichtlichen Entscheidung im nunmehrigen Verfahren:

Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hat sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert. Sie haben im gegenständlichen Verfahren keinen Sachverhalt vorgebracht, welcher nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens, Verfahrenszahl 160064947, entstanden ist. Sie stützten Ihre Rückkehrbefürchtungen auf keinen neuen Sachverhalt, welcher nach Rechtskraft neu entstanden wäre. Sie geben im Verfahren zunächst nach wie vor die gleichen Fluchtgründe an, welche bereits im Erstverfahren, VZ: 160064947, als nicht glaubhaft erachtet wurden. Des Weiteren stützten Sie sich im gegenständlichen Verfahren auf einen Sachverhalt, nämlich dass Sie kein Moslem mehr seien, welcher im Erstverfahren bereits bestanden hat, Sie diesen jedoch nicht angegeben haben. Ihr neuer Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Zur Gefährdungssituation bei einer Abschiebung:

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände konnte nicht festgestellt werden, dass Ihre Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Unter Beachtung sämtlicher bekannter Tatsachen kann kein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 3 und Art. 8 EMRK erkannt werden.

Zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat:

Zu Afghanistan werden die im Akt ersichtlichen Feststellungen getroffen. Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom 29.06.2018 - letzte Kurzinformation vom 04.06.2019. Die Lage in Ihrem Herkunftsstaat ist seit der Entscheidung über Ihren vorherigen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert.

Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hat sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert. Ihr neuer Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

D) Beweiswürdigung

Die von der Behörde getroffenen Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

Diese wurden den vorliegenden Akteninhalten entnommen und wurden von Ihnen in der nunmehrigen Einvernahme nicht abgeändert bzw. als falsch aufgezeigt.

Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen haben sich im Verfahren keine Hinweise ergeben, dass Sie an einer schweren körperlichen Krankheit oder an einer schweren psychischen Störung leiden.

Betreffend die Gründe für die voraussichtliche Entscheidung:

Im gegenständlichen Verfahren brachten Sie vor, dass Ihre Gründe aus dem vorrangehenden Asylverfahren nach wie vor aufrecht wären. Sie stützen sich im gegenständlichen Verfahren auf einen Sachverhalt, welchen Sie bereits im Erstverfahren, VZ:160064947, angegeben haben.

Bei Ihrer heutigen Einvernahme stützten Sie sich zunächst auf Ihr Vorbringen im Erstverfahren und haben zunächst angegeben, dass diese nach wie vor aufrecht seien. Nach Vorhalt geben Sie wiederum an, dass diese nicht mehr bestehen würden. Des Weiteren geben Sie zu Ihren Familienverhältnissen widersprüchliche Angaben an.

Zum einen beziehen Sie sich im gegenständlichen Verfahrensgang nach wie vor auf Rückkehrhindernisse, welche bereits im Kern in Ihrem Vorverfahren zur Sprache gebracht wurden. Es wird angemerkt, dass Ihr Vorbringen im Erstverfahren, VZ: 160064947, nicht glaubhaft war und eine asylrelevante Verfolgungsgefahr nicht festgestellt werden konnte (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.07.2019, Zl. W276 2195224-1/8E). Dies zieht sich im gegenständlichen Verfahren fort.

Ihre nun neu vorgebrachten Gründe, dass Sie kein Moslem seien, weisen keinen glaubhaften Kern auf. Insbesondere haben Sie die Angaben im ersten Asylverfahren nicht getätigt. Es handelt sich hierbei um keinen Sachverhalt, welcher nach Rechtskraft neu entstanden wäre. Auch bei der Erstbefragung am 31.10.2019 haben sie diesbezüglich keine Angaben getätigt. Sie haben nach wie vor angegeben, Moslem/Schiit zu sein. Wenn Sie die Befürchtung haben, in Ihrer Heimat aufgrund der Ungläubigkeit von den Mullahs gesteinigt zu werden, ist nicht nachvollziehbar, warum Sie diesen Sachverhalt nicht bereits früher angeben.

Es ist darauf hinzuweisen, dass sich Ihre jetzigen Fluchtgründe bzw. Ihre Rückkehrbefürchtung auf keinen Sachverhalt stützen, welche nach Rechtskraft des Asylverfahrens, Zl. 160064947, neu entstanden wäre. Die nun vorgebrachten Rückkehrbefürchtungen waren für Sie auch bereits vor Abschluss des ersten Asylverfahrens bekannt, jedoch haben Sie diese wissentlich nicht vorgebracht.

Wenn Sie im gegenständlichen Verfahren angeben, dass Sie bisher aus Angst wegen der Möglichkeit, dass Ihnen jemand Probleme machen würde, wenn Sie keine Religion mehr haben, geschwiegen haben, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Sie während Ihres Erstverfahrens mehrfach über die Wichtigkeit von wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben belehrt wurden. Zudem wäre Ihnen auch im Beschwerdeverfahren die Möglichkeit offen gestanden, über die nunmehr behaupteten Umstände, von den Bedrohungen und der daraus resultierenden Rückkehrbefürchtung Ihrer Person zu berichten.

Sie bedienen sich im gegenständlichen Verfahren eines gesteigerten Vorbringens, nachdem Sie nun einen Sachverhalt behaupten, welchen Sie im Erstverfahren bzw. auch bei der Erstbefragung zum gegenständlichen Verfahren nicht vorgebracht haben. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass es jeder Lebenserfahrung widerspricht, dass ein durchschnittlich sorgfältiger Asylwerber eine tatsächlich bestehende Verfolgung wider besseres Wissen verschweigt, da man von einer Person, welche tatsächlich im Herkunftsstaat Verfolgung erfahren hätte bzw. solche befürchten würde, erwarten müsste, dass sie ein derartig wichtiges Faktum nicht dermaßen leichtfertig in jenem Staat verschweigt, von dem sie sich Schutz erwartet.

Die vorgebrachten Gründe, warum es Ihnen nun nicht mehr möglich wäre, in Ihr Herkunftsland zurückzukehren, sind somit nicht geeignet, eine neue inhaltliche Entscheidung der Behörde zu bewirken, und es kann darin kein neuer, entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden, da sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat.

Zusammenfassend und für die gegenständlichen Verfahren als entscheidend ist somit festzuhalten, dass Ihrem Vorbringen kein nach Rechtskraft des Erstverfahrens entstandener und entscheidungsrelevant geänderter oder neuer Sachverhalt zu entnehmen ist, sodass voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrags erfolgen wird.

Was die weiteren und gemäß § 8 AsylG 2005 berücksichtigungswürdigen Aspekte betrifft, ist anzumerken, dass sich im gegenständlichen Verfahren ebenso kein Hinweis auf einen seit Rechtskraft Ihres Erstverfahrens entscheidungsrelevant geänderten Sachverhalt ergeben hat, weder im Hinblick auf Ihre persönliche Situation noch im Hinblick auf die allgemeine Lage in Ihrem Heimatland.

Betreffend die Feststellungen zur Gefährdungssituation:

Die Lage in Ihrem Herkunftsstaat ist seit der Entscheidung über Ihren vorherigen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hat sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert. Aufgrund der Feststellungen zur Lage in Ihrem Herkunftsland in Verbindung mit Ihrem Vorbringen droht Ihnen keine Verletzung, wie in § 12a Abs. 2 Z 3 beschrieben. Ihr neuer Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Betreffend die Feststellungen über Ihr Privat- und Familienleben:

Diese wurden aufgrund Ihrer nicht anzuzweifelnden Angaben getroffen.

Betreffend die Lage in Ihrem Herkunftsstaat:

Die Feststellungen ergeben sich aus den unbedenklichen, objektiven Zusammenstellungen und Auskünften der österreichischen Staatendokumentation.

Zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan wird ergänzend festgestellt, dass sich die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat auf die zitierten Quellen stützen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesamt kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Die Städte Kabul, Mazar-e Sharif und Herat können - im Vergleich zu anderen Provinzen - nicht als derart unsicher qualifiziert werden, dass es einem Antragssteller von vornherein verunmöglicht würde, dorthin zurückzugelangen. Es besteht des Weiteren die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe.

E) Rechtliche Beurteilung

..."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 13.01.2016 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz ein, welcher vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 03.07.2019, zugestellt am 05.07.2019, rechtskräftig als unbegründet abgewiesen wurde.

Nach dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens begab sich die beschwerdeführende Partei illegal nach Deutschland und stellte dort neuerlich einen Asylantrag, und nach der Überstellung nach Österreich brachte er schließlich den gegenständlichen Folgeantrag ein.

Im gegenständlichen zweiten Asylverfahren wurden Fluchtgründe vorgebracht, die bereits im letzten inhaltlichen Verfahren als unglaubwürdig gewertet wurden bzw. die keinen glaubwürdigen Kern enthalten bzw. die bereits zum Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses des letzten inhaltlichen Asylverfahrens bestanden haben.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Lage in Afghanistan ist seit dem 05.07.2019 nicht eingetreten. Nach wie vor besteht eine zumutbare innerstaatliche Schutzalternative in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Scharif insbesondere für alleinstehende erwachsene Männer.

Die beschwerdeführende Partei hat weiterhin kein schützenswertes Privat- und Familienleben im Bundesgebiet. Er hält sich seit vier Jahren in Österreich auf, erwarb ein ÖSD-Zertifikat für das Sprachniveau A1 und A2 und einen Hauptschulabschluss und lebt von der Grundversorgung.

Der Folgeantrag wird voraussichtlich zurückzuweisen sein.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus den Akten des Bundesamtes und des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid ist schlüssig und zutreffend, nämlich dass der zuletzt, wenn auch nur unsubstanziiert und floskelhaft, neu vorgebrachte Fluchtgrund des Abfalls vom Islam keinen glaubhaften Kern enthält. Denn noch bei der Erstbefragung im zweiten Asylverfahren am 31.10.2019 gab die beschwerdeführende Partei an, er sei Moslem/Schiit. Wenn nun die beschwerdeführende Partei tatsächlich die Befürchtung hätte, in der Heimat aufgrund seiner "Ungläubigkeit" von den Mullahs gesteinigt zu werden, ist es nicht nachvollziehbar, warum er diesen Sachverhalt nicht bereits früher angegeben hat. Auch die Behauptung, dass die beschwerdeführende Partei in seinen Asylverfahren in Österreich bisher aus Angst geschwiegen habe, widerspricht jeder Lebenserfahrung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 53/2019 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§ 12a (1) ...

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

...

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden.

§ 22

...

(10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

§ 22 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 53/2019 lautet:

§ 22 (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem der faktische Abschiebeschutz aufgehoben wird, ist daher gemäß § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 zunächst, dass gegen den Asylwerber bereits eine aufrechte aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht:

Im vorliegenden Fall liegt gegen die beschwerdeführende Partei eine aufrechte Rückkehrentscheidung vor.

Voraussetzung für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist nach § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 weiters die Prognose, dass der Asylantrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung (z. B. VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344; 25.04.2007, 2004/20/0100; 30.6.2005, 2005/18/0197) soll § 68 Abs. 1 AVG in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage) verhindern. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt. Dabei kommt es allein auf den normativen Inhalt des bescheidmäßigen Abspruches des rechtskräftig gewordenen Vorbescheides an.

Bei der Prüfung, ob eine relevante Sachverhaltsänderung behauptet wird, ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum "glaubhaften Kern" maßgeblich. Danach kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtliche Relevanz zukäme. Die Behörde hat sich mit der behaupteten Sachverhaltsänderung bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit der (neuerlichen) Antragstellung insoweit auseinanderzusetzen, als von ihr - gegebenenfalls auf der Grundlage eines durchzuführenden Ermittlungsverfahrens - festzustellen ist, ob die neu vorgebrachten Tatsachen zumindest einen (glaubhaften) Kern aufweisen, dem für die Entscheidung Relevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen.

Aus § 69 Abs. 1 AVG ergibt sich, dass eine neue Sachentscheidung nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern auch im Falle desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln ausgeschlossen ist, die bereits vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, aber erst nachträglich hervorgekommen sind. Demnach sind aber auch Bescheide, die - auf einer unvollständigen Sachverhaltsbasis ergangen - in Rechtskraft erwachsen sind, verbindlich und nur im Rahmen des § 69 Abs. 1 AVG einer Korrektur zugänglich. Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des über den ersten Antrag absprechenden Bescheides entgegen.

Im vorliegenden Verfahren teilt das Bundesverwaltungsgericht die Ansicht der belangten Behörde, dass der gegenständliche zweite Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird: Denn das Vorbringen zu diesem zweiten Antrag enthält keinen glaubhaften asylrelevanten Kern.

Anhaltspunkte für eine Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf allgemein bekannte Tatsachen, die von Amts wegen zu berücksichtigen wären, liegen auch nach Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichtes unter Berücksichtigung seines Amtswissens derzeit nicht vor, zumal sich die allgemeine Situation in Afghanistan in Bezug auf die Person der beschwerdeführenden Partei nicht wesentlich geändert hat.

Insbesondere steht die bereits im ersten Asylverfahren festgestellte zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative weiterhin zur Verfügung (vgl. VwGH 05.12.2018, Ra 2018/20/0125; 18.10.2018, Ra 2018/19/0277; 10.09.2018, Ra 2018/19/0312). Auch die aktuellen Richtlinien der EASO schließen keineswegs für alle Afghanen eine interne Schutzalternative landesweit aus. Es wird vielmehr eine Einzelfallprüfung empfohlen und ausdrücklich festgehalten, dass die Städte Kabul, Herat und Mazar-e Scharif über funktionierende Flughäfen mit Inlands- und Auslandsflugverbindungen verfügen; das Ausmaß willkürlicher Gewalt in diesen Städten erreiche nicht ein derart hohes Niveau, dass wesentliche Gründe für die Annahme vorlägen, wonach ein Zivilist - bloß aufgrund seiner Anwesenheit - ein tatsächliches Risiko zu gewärtigen hätte, ernsthaften Schaden zu nehmen. Zusammenfassend wurde eine innerstaatliche Schutzalternative in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Scharif für einzelne Personengruppen, insbesondere für alleinstehende erwachsene Männer und verheiratete kinderlose Paare, welche sonst über keinerlei Merkmale der Schutzbedürftigkeit verfügen, für durchaus zumutbar gehalten, selbst wenn die Betroffenen dort über keinerlei Unterstützungsnetzwerk verfügen. Bei Ehepaaren mit Kindern wurde die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative vom Vorhandensein eines Unterstützungsnetzwerkes in dem betreffenden Landesteil abhängig gemacht (EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018, S. 99-108; zur Relevanz von EASO-Berichten vgl. Art. 10 Abs. 3 lit. b Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU und Art. 8 Abs. 2 Statusrichtlinie 2011/95/EU).

Schließlich ist gemäß § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 Voraussetzung für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutz, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für den Asylwerber keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Auch bei diesen Tatbestandsvoraussetzungen, die bereits im ersten Asylverfahren ausführlich geprüft wurden, trat keine wesentliche Änderung ein.

Da somit die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen, ist der dazu mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 11.11.2019 rechtmäßig.

Eine mündliche Verhandlung hatte gemäß § 22 Abs. 1 zweiter Satz BFA-VG zu entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung entschiedene Sache faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag glaubhafter Kern

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W184.2195224.2.00

Im RIS seit

22.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten