TE Bvwg Beschluss 2020/5/20 W195 2231108-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.05.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.05.2020

Norm

AVG §6
B-VG Art133 Abs4
COVID-19-Maßnahmengesetz §1
COVID-19-Maßnahmengesetz §2a Abs1a
COVID-19-Maßnahmengesetz §5
VwGVG §17

Spruch

W195 2231108-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsident Dr. Michael SACHS als Vorsitzenden über die Beschwerde der XXXX , vertretern durch XXXX , gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch beauftragte Organe der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom XXXX beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG an das Landesverwaltungsgericht XXXX weitergeleitet.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

I. Verfahrensgang

Mit Schriftsatz vom 19.05.2020 erhob der Beschwerdeführer (BF) eine Maßnahmenbeschwerde gegen die polizeiliche Sperre der Selbstbedienungswaschanlage in XXXX , welche am 28.03.2020 über Anordnung der Bezirkshauptmannschaft XXXX erfolgte.

Am 01.04.2020 habe der Bezirkshauptmann von XXXX dem Rechtsvertreter der BF telefonisch die Auskunft erteilt, dass die BH auf Anordnung des Bundesministeriums die Sperre der Waschanlage verfügt habe.

Dies sei ein Akt der unmittelbaren behördlichen Befehls- und Zwangsgewalt. Eine derartige Maßnahme, welche sich auf § 1 COVID-19 Maßnahmengesetz stütze, wäre sachlich ungerechtfertigt. Die Verordnung, welche sich auf § 1 COVID-19 Maßnahmengesetz stütze, regle das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zwecke des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen, um die Verbreitung von COVID-19 zu verhindern. Die gegenständliche Waschanlage würde nicht darunterfallen, die Sperre sei ungerechtfertigt gewesen.

Da sich die Betretungsverbote im Sinne des § 2 COVID-19 MaßnahmenG an die Bevölkerung richten würden, wäre eine Sperre ebenfalls nicht erforderlich gewesen.

Die weiteren Ausführungen in der Beschwerde sind für die gegenständliche Entscheidung nicht tragend.

Der BF beantragte abschließend, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 24 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen möge und die gegenständliche Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 28 Abs 6 VwGVG für rechtswidrig erklären solle sowie dem Rechtsträger der belangten Behörde gemäß § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandsersatzverordnung den Ersatz der entstandenen Verfahrenskosten im gesetzlichen Ausmaß binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen der Rechtsvertreterin der BF gemäß § 19a RAO zuzusprechen.

Da sich die BF jedoch nicht sicher sei, ob das Bundesverwaltungsgericht sich für die gegenständliche Beschwerdesache für zuständig erachte, wurde hilfsweise der Antrag gemäß § 6 AVG gestellt, die gegenständliche Beschwerdesache zur weiteren Behandlung an das Landesverwaltungsgericht für das Bundesland XXXX zu überweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen

Am 28.03.2020 erfolgte eine polizeiliche Sperre der Selbstbedienungswaschanlage XXXX über Anordnung der Bezirkshauptmannschaft XXXX , welche sich offensichtlich auf das COVID-Maßnahmengesetz bezog.

Gegen diese Maßnahme brachte der BF eine Maßnahmenbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein und beantragte diverse Feststellungs- und Kostenersatzbegehren; hilfsweise ersuchte die BF um Weiterleitung der Beschwerde gemäß § 6 AVG an das LVwG XXXX .

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Vorbringen in der Maßnahmenbeschwerde und der beigelegten Kopie einer Fotografie der mit polizeilichen Absperrbändern umfassten Zufahrt zur Selbstbedienungswaschstraße. Offensichtliche Widersprüche, insbesondere zum Vorbringen in der Maßnahmenbeschwerde, traten nicht auf, sodass der Sachverhalt im ausreichenden Maße für eine kompetenzrechtliche Beurteilung ausreichend dargestellt wurde.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Maßgebliche Rechtslage

Allgemeines zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß Art. 129 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) besteht für jedes Land ein Verwaltungsgericht des Landes. Für den Bund bestehen ein als Bundesverwaltungsgericht zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes und ein als Bundesfinanzgericht zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte u.a. über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit (Z 1); gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit (Z 2); wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde (Z 3) oder gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 2 B-VG (Z 4).

Gemäß Art. 132 Abs. 2 B-VG kann jeder gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Die Erhebung einer solchen Maßnahmenbeschwerde ist dann zulässig, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist (vgl. VwGH vom 26.04.2010, 2009/10/0240; VwGH vom 21.10.2010, 2008/01/0028; VwGH vom 31.05.2012, 2010/06/0203). Eine Maßnahmenbeschwerde kann sich demnach nur gegen die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt durch Verwaltungsbehörden oder durch Organe in ihrem Dienste richten (vgl. VwGH vom 14.12.1990, 90/18/0234).

Nach der Judikatur des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Zwangs- und Befehlsgewalt im Wesentlichen ein Verwaltungshandeln, das von einem Verwaltungsorgan in der Hoheitsverwaltung durch Ausübung unmittelbaren Zwanges (Gewalt) oder Erteilung eines Befehls (mit unverzüglichem Befolgungsanspruch) gegen einen individuellen Adressaten gesetzt wird (VfSlg. 7346/1974, 11.935/1988; VwGH vom 28.05.1997, 96/13/0032). Voraussetzung für das Vorliegen eines derartigen Aktes ist, dass einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen wird (vgl. statt vieler VwGH vom 19.09.2006, 2005/06/0018). Ein derartiger Eingriff liegt im Allgemeinen vor, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (VfSlg. 12.791/1991; VwGH vom 23.01.2007, 2005/06/0254). Werden objektiv keine Zwangsmaßnahmen gesetzt oder angedroht oder müssen diese nicht zwangsläufig erwartet werden, handelt es sich um keine Ausübung verwaltungsbehördlicher Zwangs- und Befehlsgewalt (VwGH vom 24.06.1998, 97/01/0239; VwGH vom 16.11.2000, 98/01/0452 oder VwGH vom 06.07.2004, 2003/11/0175).

An dieser Stelle ist festzuhalten, dass das BVwG - soweit sich aus Art. 131 Abs. 3 B-VG nichts anderes ergibt -gemäß Abs. 2 B-VG nur über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennt, sofern es sich dabei um Rechtssachen handelt, in denen die Vollziehung des Bundes unmittelbar von Bundesbehörden besorgt wird.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 6 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in jeder Lage des Verfahrens seine Zuständigkeit zu prüfen und eine etwaige Unzuständigkeit wahrzunehmen (VwGH vom 29.10.2015, Ro 2015/07/0019).

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Im Falle der Zurückweisung hat die Entscheidung gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss zu ergehen.

Gegenständlich wurde eine polizeiliche Absperrung über Anordnung der XXXX in Anwendung des COVID-19 Maßnahmengesetzes behauptet.

Hinsichtlich der Zuständigkeit des BVwG zur Entscheidung über die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde bedeutet dies:

Aufgrund des vorgebrachten Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass als Rechtsgrundlage für das polizeiliche Einschreiten Bestimmungen des COVID-19-MaßnahmenG (BGBl. I 12/2020 idF BGBl. 23/2020) dienten.

§2a Abs. 1a Z. 1 COVID-19-MaßnahmenG räumt den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Befugnis ein, Maßnahmen zur Prävention von Verwaltungsübertretungen zu setzen und diese falls erforderlich auch zwangsweise durchzusetzen.

Gemäß § 5 COVID-19-G ist für die Vollziehung des Gesetzes der Bundesminister für Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz zuständig. Es handelt sich somit um eine Angelegenheit der Vollziehung des Bundes, die von Bundesbehörden besorgt wird.

Das Covid-19-Maßnahmengesetz ist verfassungsrechtlich der Kompetenz Gesundheitswesen zuzuordnen und gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG damit als Angelegenheit zu verstehen, die vom Bund vollzogen wird."

Zutreffend ist zunächst, dass im COVID-19-Maßnahmengesetz angeordnet wird, dass der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz für die Vollziehung dieses Gesetzes zuständig ist. Das COVID-19-MaßnahmenG ist verfassungsrechtlich der Kompetenz Gesundheitswesen zuzuordnen. Es handelt sich demnach gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG um eine Angelegenheit, die in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache ist. Festzuhalten ist allerdings auch, dass sich der Kompetenztatbestand des "Gesundheitswesens" nicht in der Aufzählung des Art. 102 Abs. 2 B-VG finden lässt und zudem auch nicht erkannt werden kann, dass gegenständlich eine Zustimmung der Länder gemäß Abs. 4 vorliegen würde (vgl. hierzu insbesondere VwGH vom 27.02.2019, Ro 2016/04/0048 sowie im Wesentlichen gleichlautend auch VwGH vom 20.03.2018, Ko 2018/03/0001; im Hinblick auf die Einordnung der Landespolizeidirektion siehe auch VwGH vom 17.11.2016, Ro 2016/21/0016). Weiters sieht § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz nicht nur eine Ermächtigung des Bundesministers zur Erlassung einer entsprechenden Verordnung vor, sondern - abhängig vom örtlichen Wirkungsbereich der Verordnung - können auch der Landeshauptmann bzw. die Bezirksverwaltungsbehörde derartige Verordnungen erlassen.

Nur der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle zudem festzuhalten, dass auch der Beschwerdeführer bzw. dessen bevollmächtigter Rechtsvertreter im Beschwerdeschriftsatz zu erkennen gibt, im Hinblick auf die Zuständigkeit des BVwG gewisse Zweifel zu hegen, weshalb hilfsweise der Antrag auf Weiterleitung an das zuständige LVwG gemäß § 6 AVG gestellt wurde.

Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich somit, dass - entgegen den Aussagen in der Maßnahmenbeschwerde - im vorliegenden Fall im Ergebnis keine Angelegenheit vorliegt welche "unmittelbar von Bundesbehörden" im Sinne von Art. 131 Abs. 2 erster Satz B-VG besorgt wird, weshalb gegenständlich auch keine Zuständigkeit des BVwG zur Entscheidung vorliegt. Aus diesen Erwägungen ergibt sich weiters, dass der Rechtszug im vorliegenden Fall somit nicht an das BVwG (einschließlich Außenstellen), sondern gemäß der Art. 131 Abs. 1 B-VG inhärenten Generalklausel an das (örtlich zuständige) LVwG, im konkreten an das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg, zu gehen hat.

Aus diesem Grund war die Maßnahmenbeschwerde gemäß § 6 AVG weiterzuleiten.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Da die vorliegende Beschwerde mittels Beschluss weiterzuleiten war und aus einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, konnte trotz Parteiantrages von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 (2018) § 24 VwGVG, Anm 7, mwN).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im vorliegenden Beschluss findet sich die relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Kompetenzlage Landesverwaltungsgericht Maßnahmenbeschwerde Unzuständigkeit BVwG Weiterleitung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W195.2231108.1.00

Im RIS seit

22.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten