TE Bvwg Beschluss 2019/12/12 L527 2224089-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.2019
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Entscheidungsdatum

12.12.2019

Norm

ABGB §865
AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L527 2224089-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde von Rechtsanwalt XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2019, Zahl XXXX :

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 in Verbindung mit § 31 Abs 1 VwGVG wegen fehlender Parteistellung von Rechtsanwalt XXXX als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der damals minderjährige XXXX (in der Folge: AA), Staatsangehörigkeit Bangladesch, stellte am 23.10.2017 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Beschluss vom 07.02.2018 übertrug das Bezirksgericht XXXX dem Ehemann der Schwester des AA die Obsorge. Diesem Beschluss liegt der XXXX als Geburtsdatum des AA zugrunde.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: [belangte] Behörde) holte ein Sachverständigengutachten ein, demzufolge das "fiktive" Geburtsdatum des AA der XXXX sei. Dies brachte die Behörde sowohl AA bzw. seinem damaligen Obsorgeberechtigten als auch dem Bezirksgericht XXXX zur Kenntnis. Das Bezirksgericht verfügte die Aktualisierung des Geburtsdatums des AA im gerichtlichen Register (Verfahrensautomation Justiz [VJ]), nahm aber keine Änderung oder Berichtigung des Beschlusses vom 07.02.2018 vor.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens stellte die belangte Behörde den Bescheid vom 28.08.2019, Zahl XXXX , dem Obsorgeberechtigten des AA zu. Mit diesem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des AA auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III) und erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV). Die Abschiebung des AA nach Bangladesch sei zulässig (Spruchpunkt V), die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI).

Mit E-Mail vom 25.09.2019 brachte Rechtsanwalt XXXX bei der belangten Behörde eine Beschwerde gegen diesen Bescheid ein, in der er sich auf eine von AA - angeblich - erteilte Vollmacht berief. AA habe Rechtsanwalt XXXX mit seiner Vertretung beauftragt und bevollmächtigt.

Das Bundesverwaltungsgericht forderte den Obsorgeberechtigten des AA dazu auf, nach Möglichkeit unter Anschluss von Nachweisen, schriftlich darzulegen, ob er Rechtsanwalt XXXX zur Vertretung des AA bevollmächtigt habe bzw. ob er eine allfällige Bevollmächtigung von Rechtsanwalt XXXX durch AA nachträglich genehmige. Innerhalb der gesetzten Frist langte beim Bundesverwaltungsgericht keine Stellungnahme ein.

Ferner forderte das Bundesverwaltungsgericht Rechtsanwalt XXXX dazu auf, nach Möglichkeit unter Anschluss von Nachweisen, schriftlich darzulegen, wer ihn wann zur Vertretung des AA bevollmächtigt habe. Rechtsanwalt XXXX erklärte daraufhin, dass ihn AA am 11.09.2019 zur rechtsfreundlichen Vertretung bevollmächtigt habe, und legte eine entsprechende, von AA unterzeichnete, Vollmachtsurkunde vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Mit Beschluss vom 07.02.2018, Zahl XXXX , übertrug das Bezirksgericht XXXX die Obsorge für XXXX (AA), Staatsangehörigkeit Bangladesch, dem Ehemann der Schwester des AA, XXXX , geb. XXXX . Diesem Beschluss liegt als Geburtsdatum des AA der XXXX zugrunde. Der Beschluss ist rechtskräftig, gehört dem Rechtsbestand an und wurde bis zum heutigen Tag weder berichtigt noch anderweitig geändert. Er wurde dem Obsorgeberechtigten zugestellt und ist Rechtsanwalt XXXX bekannt. (AS 155, 591; OZ 3 [Akt des Bezirksgerichts XXXX zur Zahl XXXX ], OZ 7).

1.2. Mit Bescheid vom 28.08.2019, Zahl XXXX , dem Obsorgeberechtigten des AA am 02.09.2019 zugestellt, wies die belangte Behörde den Antrag des AA auf internationalen Schutz vom 23.10.2017 sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III) und erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV). Die Abschiebung des AA nach Bangladesch sei zulässig (Spruchpunkt V), die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI). (AS 509 ff [Bescheid], 575 [Zustellverfügung], 581 [Zustellnachweis]).

1.3. Am 11.09.2019 unterfertigte AA eine umfassende Urkunde (Vollmacht, Honorarvereinbarung, abgeschlossen mit Rechtsanwalt XXXX ), wonach Rechtsanwalt XXXX u. a. bevollmächtigt und ermächtigt werde, AA vor Gerichten und sonstigen Behörden zu vertreten, Rechtsmittel aller Art zu ergreifen und zurückzuziehen sowie Zustellungen aller Art, auch zu eigenen Handen (Postvollmacht) anzunehmen (OZ 6).

1.4. Mit E-Mail vom 25.09.2019 brachte Rechtsanwalt XXXX bei der belangten Behörde eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 28.08.2019, Zahl XXXX , ein, in der er sich auf eine von AA - angeblich - erteilte Vollmacht berief. AA habe Rechtsanwalt XXXX mit seiner Vertretung beauftragt und bevollmächtigt. Im Beschwerdeschriftsatz wird der Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 07.02.2018 ausdrücklich genannt. Dass dieser Beschluss berichtigt oder geändert worden wäre oder nicht mehr dem Rechtsbestand angehören würde, wird im Beschwerdeschriftsatz weder behauptet noch angedeutet. (AS 589 ff, insbesondere AS 589 bis 591)

1.5. Der Obsorgeberechtigte des AA hat Rechtsanwalt XXXX weder vor der Einbringung der Beschwerde zur Vertretung des AA bevollmächtigt noch hat er die Bevollmächtigung von Rechtsanwalt XXXX durch AA nachträglich genehmigt (OZ 5, 6).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen waren ohne Weiteres auf Grundlage des vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegten Akts sowie des Akts des Bundesverwaltungsgerichts zu treffen. Zum Akt des Bundesverwaltungsgerichts zählt auch der Akt des Bezirksgerichts XXXX in der Pflegschaftssache des AA, Zahl XXXX ; vgl. OZ 2, 3, wobei der für die Feststellungen wesentliche Aktenbestandteil der Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 07.02.2018, Zahl XXXX , ist, der dem Obsorgeberechtigten zugestellt wurde, im verwaltungsbehördlichen Akt enthalten (AS 155) und Rechtsanwalt XXXX (wie aus dem Beschwerdeschriftsatz ersichtlich, vgl. AS 591) bekannt ist.

Die jeweiligen Aktenbestandteile sind bei den Feststellungen, soweit möglich, unter Nennung der Aktenseiten (AS), Schriftstücke, Geschäftszahlen oder Ordnungszahlen (OZ) angegeben. Der Sachverhalt ist damit aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.

Zu den Feststellungen unter 1.3. und 1.5. ist hervorzuheben, dass das Bundesverwaltungsgericht den Obsorgeberechtigten des AA mit Mitteilung vom 29.10.2019 zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung aufforderte. Die Mitteilung des Bundesverwaltungsgerichts wurde dem Obsorgeberechtigten am 04.11.2019 zugestellt. Dieser erstattete bis zum Tag der Genehmigung der vorliegenden Entscheidung keine Stellungnahme. Angesichts der Mitteilung von Rechtsanwalt XXXX vom 30.10.2019 (OZ 6) steht außer Frage, dass dieser nicht durch den Obsorgeberechtigten des AA bevollmächtigt wurde und dass dies Rechtsanwalt XXXX auch bekannt und bewusst ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

3.1.

3.1.1. Nach § 9 AVG (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 17 VwGVG anzuwenden) sind Fragen der persönlichen Rechts- und Handlungsfähigkeit von am Verwaltungsverfahren Beteiligten nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist. Gemäß § 10 Abs 1 BFA-VG ist für den Eintritt der Handlungsfähigkeit in Verfahren vor dem Bundesamt, vor den Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG und in einem Verfahren gemäß § 3 Abs 2 Z 1 bis 6 BFA-VG vor dem Bundesverwaltungsgericht ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Fremden österreichisches Recht maßgeblich. Damit handelt es sich insoweit um eine lex specialis zum Internationalen Privatrechts-Gesetz (IPRG); vgl. die ErlRV 952 BlgNR XXII. GP, 42 zur Vorgängerbestimmung § 16 AsylG 2005 aF, und VwGH 28.01.2016, Ra 2015/21/0230.

3.1.2. Gemäß § 865 Abs 1 ABGB (vgl. auch § 24 ABGB) wird die Geschäftsfähigkeit bei Volljährigen vermutet. Volljährig ist, wie im Umkehrschluss aus § 21 Abs 2 ABGB folgt, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat. Nach § 183 Abs 1 ABGB erlischt die Obsorge für das Kind mit dem Eintritt seiner Volljährigkeit.

Minderjährige, also Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 21 Abs 2 ABGB), stehen unter dem besonderen Schutz der Gesetze (§ 21 Abs 1 ABGB). Ein minderjähriges Kind kann ohne ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten (§ 170 Abs 1 ABGB). Gemäß Abs 2 leg cit kann ein Kind nach erreichter Mündigkeit (§ 21 Abs 2 ABGB: Vollendung des 14. Lebensjahrs) jedoch über Sachen, die ihm zur freien Verfügung überlassen worden sind, und über sein Einkommen aus eigenem Erwerb so weit verfügen und sich verpflichten, als dadurch nicht die Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse gefährdet wird. Schließt ein minderjähriges Kind ein Rechtsgeschäft, das von Minderjährigen seines Alters üblicherweise geschlossen wird und eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens betrifft, so wird dieses Rechtsgeschäft gemäß § 170 Abs 3 ABGB, auch wenn die Voraussetzungen des Abs 2 leg cit nicht vorliegen, mit der Erfüllung der das Kind treffenden Pflichten rückwirkend rechtswirksam. Näher dazu etwa Fischer-Czermak in Kletecka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 170 Rz 1 ff (Stand 1.10.2018, rdb.at)

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann in allen Fällen, in denen ein mündiger Minderjähriger oder sonst ein beschränkt Handlungsfähiger befugt ist, im streitigen (vgl. § 2 ZPO) oder außerstreitigen Verfahren ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters einzuschreiten, der von ihm mit ordnungsmäßiger Vollmacht Bevollmächtigte in diesem Verfahren wirksam auftreten, ohne dass der Nachweis der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder des Gerichtes zur Bevollmächtigung erforderlich ist. Die Gültigkeit des Bevollmächtigungsvertrags allerdings hängt, wenn der beschränkt Handlungsfähige dem Bevollmächtigten ein Honorar versprochen hat und dieses Honorar den für die Verpflichtungsfähigkeit des Minderjährigen im § 246 ABGB aF gesteckten Rahmen übersteigt, gemäß § 865 ABGB aF von dieser Einwilligung ab. Wird sie nicht erteilt, hat dies aber nur zur Folge, dass der beschränkt Handlungsfähige nicht zur Zahlung des vereinbarten Honorars und der Bevollmächtigte nicht zur Durchführung der Vertretung verpflichtet ist. An der verfahrensrechtlichen Gültigkeit der dem Bevollmächtigten erteilten Stellvertretungsbefugnis wird dadurch nichts geändert. Vgl. OGH 07.12.1955, 7Ob530/55; RS0005913, RS0005898, RS0049168.

3.1.3. Soweit die Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten im verwaltungsbehördlichen und -gerichtlichen Verfahren nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen sind, wenn also in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen sich aus den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften für die Prozessfähigkeit im verwaltungsbehördlichen und -gerichtlichen Verfahren ergeben. Diese Frage ist, insbesondere im Hinblick auf die beschränkte Geschäftsfähigkeit Minderjähriger, im Einzelnen strittig; vgl. den bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 9 Rz 14 (Stand 1.1.2014, rdb.at) dargestellten Meinungsstand.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs sind Minderjährige grundsätzlich geschäftsunfähig und damit auch prozessunfähig; vgl. z. B. 25.02.2019, Ra 2017/19/0361. Hinsichtlich der Frage der Prozessfähigkeit mündiger Minderjähriger stellen die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, wie Hengstschläger/Leeb, AVG § 9 Rz 14 (Stand 1.1.2014, rdb.at) weiter ausführen, auf § 170 ABGB ab. Demnach seien mündige Minderjährige insoweit prozessfähig, als sich das Verfahren auf ihnen zur freien Verfügung überlassene Sachen bezieht oder ihr Einkommen aus eigenem Erwerb betrifft, also in vermögensrechtlichen Angelegenheiten, ohne dass durch die Kosten des betreffenden Verfahrens die Befriedigung der Lebensbedürfnisse des mündigen Minderjährigen gefährdet werden kann. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs umfasse § 170 Abs 2 ABGB auch jene Einkünfte, die - wie das Karenzurlaubsgeld - bloß mittelbar aus einer eigenen Erwerbstätigkeit des Minderjährigen herrühren, sofern diese Erwerbstätigkeit für die Erzielung der in Rede stehenden Einkünfte unabdingbare Voraussetzung ist.

Personen, die nicht prozessfähig sind, nehmen durch ihren gesetzlichen Vertreter, wozu auch ein gerichtlich bestellter gesetzlicher Vertreter zählt (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 9 Rz 16 [Stand 1.1.2014, rdb.at]), am verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren teil. Der gesetzliche Vertreter hat mit Wirkung für die Partei etwa Anträge einzubringen oder zu genehmigen; Verwaltungsbehörden und -gerichte können Verfahrenshandlungen rechtswirksam nur gegenüber dem gesetzlichen Vertreter setzen; vgl. mwN Hengstschläger/Leeb, AVG § 9 Rz 16 (Stand 1.1.2014, rdb.at).

3.1.4. Gemäß § 10 Abs 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche Personen, die volljährig und handlungsfähig sind und für die in keinem Bereich ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt oder eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung oder Vorsorgevollmacht wirksam ist, durch juristische Personen oder durch eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich gemäß Abs 2 leg cit nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.

Die wirksame Vertretung eines Prozessunfähigen durch einen gewillkürten Vertreter setzt dessen Bestellung durch den gesetzlichen Vertreter (!) voraus. Die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts durch einen Minderjährigen wird allerdings gemäß § 865 ABGB durch die nachträgliche Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter rückwirkend wirksam. Vgl. mwN Hengstschläger/Leeb, AVG § 9 Rz 16 (Stand 1.1.2014, rdb.at) und insbesondere VwGH 27.03.1996, 95/01/0040, sowie auch Fischer-Czermak in Kletecka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 865 Rz 8 (Stand 1.10.2018, rdb.at).

3.1.5. Im Anwendungsbereich des BFA-VG (vgl. § 1 in Verbindung mit § 3 leg cit) bestehen mit § 10 leg cit für die Handlungsfähigkeit eigene Vorschriften, sodass die Vorschriften des bürgerlichen Rechts gemäß § 9 AVG, sofern überhaupt, nur subsidiär zur Anwendung kommen können. Aufgrund des Wortlauts des § 10 BFA-VG, der Systematik der Bestimmung und der Materialien (vgl. die ErlRV 952 BlgNR XXII. GP, 42 f zur Vorgängerbestimmung § 16 AsylG 2005 aF) geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass sich die Handlungsfähigkeit (auch) von mündigen Minderjährigen, unbeschadet weiterer Regelungen in den Verwaltungsvorschriften (z. B. § 12 FPG), grundsätzlich auf die in § 10 BFA-VG genannten (Rechts-)Handlungen beschränkt. So ist ein mündiger Minderjähriger, dessen Interessen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, berechtigt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen und einzubringen (§ 10 Abs 3 Satz 1 BFA-VG). Eine über die in § 10 BFA-VG statuierte Handlungsfähigkeit hinausgehende Handlungsfähigkeit von mündigen minderjährigen Asylwerbern besteht (im Umkehrschluss) nicht. Das bedeutet insbesondere, dass ein mündiger Minderjähriger gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, mit dem u. a. sein Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen wird, nur durch seinen gesetzlichen Vertreter Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erheben kann. Daraus wiederum folgt, dass die wirksame Vertretung eines mündigen Minderjährigen durch einen gewillkürten Vertreter (z. B. Rechtsanwalt) in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren nur möglich ist, wenn der gesetzliche Vertreter den gewillkürten Vertreter bevollmächtigt oder eine seitens des mündigen Minderjährigen (vermeintlich) erfolgte Bevollmächtigung nachträglich genehmigt. Vgl. auch bereits zur Einbringung einer Berufung und Erteilung einer Zustellbevollmächtigung bzw. einer Vollmacht VwGH 25.03.1999, 96/20/0487, 11.09.1996, 96/20/0400: Die vom Verwaltungsgerichtshof in diesen Entscheidungen angewandte Bestimmung des § 13 AsylG 1991 ist mit § 10 BFA-VG zwar nicht ident. Die grundsätzlichen für die Auslegung maßgeblichen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs scheinen aber nach wie vor maßgeblich sowie auf das geltende Recht übertragbar. Daher stützen sie die vom Bundesverwaltungsgericht gegenständlich vertretene Rechtsauffassung.

3.2. Das Bundesverwaltungsgericht übersieht nicht, dass dem Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 07.02.2018, Zahl XXXX , keine (näheren) Ermittlungen zum Geburtsdatum des AA vorangingen. Das Bezirksgericht ging sichtlich ohne Weiteres von den Angaben des AA (vgl. etwa AS 5) aus und legte diese seinem Beschluss zugrunde. Demgegenüber veranlasste die belangte Behörde eine sachverständige Beurteilung des Alters des AA, woraus sich ein so genanntes "fiktives Geburtsdatum" (AS 113) ergab. Das mag die Auffassung begründen, das dem Beschluss des Bezirksgerichts zugrunde gelegte Geburtsdatum sei falsch, während das aus der sachverständigen Beurteilung resultierende "fiktive" Geburtsdatum richtig oder zumindest "eher richtig" sei bzw. eher dem tatsächlichen Geburtsdatum des AA entspreche. Nichtsdestotrotz geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der rechtskräftige, dem Rechtsbestand angehörende und nicht berichtigte oder geänderte Beschluss des Bezirksgerichts nach wie vor (auch) insoweit Bindungswirkung gegenüber (jedenfalls) österreichischen Behörden und Gerichten (vgl. etwa § 38 AVG) entfaltet, als darin der Bestellung des Obsorgeberechtigten ein bestimmtes Geburtsdatum des AA zugrunde gelegt wird. Die Obsorge für AA erlischt also gemäß § 183 in Verbindung mit § 21 Abs 2 ABGB mit Vollendung des 18. Lebensjahres, wofür das im Obsorgebeschluss genannte Geburtsdatum, mag es auch sachlich falsch sein, maßgeblich ist. Diese Rechtsauffassung vertrat bereits der Asylgerichtshof; vgl. etwa mwN AsylGH 22.09.2009, D1 408.817-1/2009/2E, 19.11.2010, C5 415.685-1/2010/3E, 22.03.2012, A9 410.527-1/2009/13E; und wird vom Bundesverwaltungsgericht nach wie vor vertreten; vgl. etwa BVwG 21.12.2017, W270 2176629-1/4E, andere Auffassung hingegen: BVwG 16.03.2018, W251 2181616-1/8E. Der Verfassungsgerichtshof scheint die bereits vom Asylgerichtshof vertretene Auffassung zu teilen; vgl. VfGH 07.03.2012, U1558/11. Diese Auffassung dürfte auch im Einklang mit der Judikatur des Obersten Gerichtshofs stehen; vgl. OGH 07.06.2017, 3Ob101/17z. Schließlich ist für diesen Standpunkt ins Treffen zu führen, dass die gegenteilige Auffassung, also die Annahme einer inzidenten Befugnis, das Alter etwa eines Asylwerbers in behördlichen und gerichtlichen Verfahren individuell, wenn auch auf Grundlage eingehender Ermittlungen, festzustellen, und dies auch abweichend von einem rechtskräftigen und aufrechten Obsorgebeschluss, zu einer beträchtlichen Rechtsunsicherheit führen würde.

3.3. Aus den bisherigen Ausführungen folgt für das gegenständliche Verfahren:

Das zur Beurteilung der Volljährigkeit und damit der Handlungsfähigkeit des AA einzig (rechtlich) relevante Geburtsdatum ist das dem Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 07.02.2018, Zahl XXXX , zugrunde liegende Geburtsdatum, also der XXXX . Von diesem Geburtsdatum ausgehend hat AA am XXXX das 18. Lebensjahr vollendet und wurde damit gemäß § 21 Abs 2 ABGB volljährig. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass er davor, so auch zum Zeitpunkt der vermeintlichen Bevollmächtigung von Rechtsanwalt XXXX und zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, nicht volljährig war. Nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften war AA daher - jedenfalls in Bezug auf die genannten (Rechts-)Handlungen - auch nicht handlungsfähig. AA bedurfte daher für die Bevollmächtigung von Rechtsanwalt XXXX , jedenfalls in Bezug auf die Beschwerdeerhebung an das Bundesverwaltungsgericht und das entsprechende Beschwerdeverfahren, eines Vertreters, also des Obsorgeberechtigten. Der Vollständigkeit halber weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass diese Schlussfolgerung nicht nur dann zutrifft, wenn man die Handlungsfähigkeit von AA nach § 10 BFA-VG bestimmt. Selbst wenn man die Handlungsfähigkeit des AA nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts beurteilte, käme man nach Maßgabe der unter 3.1.3. dargestellten Judikatur zu keinem anderen Ergebnis.

Der Obsorgeberechtigte des AA hat jedoch weder Rechtsanwalt XXXX zum gewillkürten Vertreter bestellt noch hat er dessen (vermeintliche) Bevollmächtigung durch AA innerhalb der gesetzten Frist (OZ 5) nachträglich im Sinne des § 865 ABGB genehmigt. Damit scheidet im Übrigen auch eine nachträgliche einseitige Bestätigung durch den zwischenzeitlich volljährig gewordenen AA aus; vgl. Fischer-Czermak in Kletecka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 865 Rz 8 (Stand 1.10.2018, rdb.at).

Folglich fehlt es Rechtsanwalt XXXX an der zur Vertretung von AA im gegenständlichen Verfahren erforderlichen Bevollmächtigung bzw. wirksamen Bestellung zum Vertreter. Die gegenständliche Beschwerde ist daher - mangels wirksamer Bevollmächtigung von Rechtsanwalt XXXX - nicht AA, sondern Rechtsanwalt XXXX zuzurechnen, weshalb das Bundesverwaltungsgericht den Kopf der Entscheidung/Einleitungssatz entsprechend formuliert hat. Rechtsanwalt XXXX hat allerdings weder im verwaltungsbehördlichen Verfahren zum Antrag des AA auf internationalen Schutz noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur dagegen allenfalls erhobenen Beschwerde Parteistellung; vgl. (§ 17 VwGVG in Verbindung mit) § 8 AVG, § 18 VwGVG: Es ist im Lichte der maßgeblichen Vorschriften, insbesondere des AsylG 2005, FPG und BFA-VG, nicht ersichtlich, dass Rechtsanwalt XXXX vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses an der Sache beteiligt wäre. Wegen fehlender Parteistellung ist die von Rechtsanwalt XXXX eingebrachte Beschwerde somit gemäß § 28 Abs 1 iVm § 31 Abs 1 VwGVG als unzulässig zurückzuweisen; vgl. mit Verweis auf VwGH 08.07.2004, 2004/07/0101, Hengstschläger/Leeb, AVG § 10 Rz 9 (Stand 1.1.2014, rdb.at). Es war daher spruchgemäß (Spruchpunkt A)) zu entscheiden.

3.4. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall - im Einklang mit Art 6 EMRK und Art 47 GRC (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017) § 24 VwGVG K 10 und E 1) - gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, da die Beschwerde zurückzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Rechtslage ist von Vornherein klar bzw. durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, auf die sich die vorliegende Entscheidung stützt, geklärt. Vgl. die zitierte Literatur und Judikatur.

Es war daher spruchgemäß (Spruchpunkt B)) zu entscheiden.

Schlagworte

Asylverfahren Bevollmächtigter minderjähriger Antragsteller Obsorge Parteienvertretung Parteistellung Rechtsanwälte Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L527.2224089.1.00

Im RIS seit

21.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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