TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/26 I414 2198024-1

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Veröffentlicht am 26.06.2020
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Entscheidungsdatum

26.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a
StGB §125
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I414 2198024-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.04.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.06.2020, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis VIII. als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IX. wird teilweise Folge gegeben und die Dauer des Einreiseverbotes auf fünf Jahr herabgesetzt.
B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (kurz BF) reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 14.03.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung am selben Tag gab er zusammengefasst an, dass er XXXX heißen würde und dies ein häufiger Name von Sunniten sei. Deshalb sei er von der schiitischen Regierung im Irak verfolgt und unterdrückt worden. Zweimal sei er grundlos festgenommen worden. Einmal für 75 Tage und ein weiteres Mal für 175 Tage. Er sei dabei gefoltert und geschlagen worden. Von den erlittenen Stromschlägen hätte er bis heute häufig Kopfschmerzen. Die schiitischen Milizen, welche mit der Regierung kooperieren würden, hätten seinen Onkel umgebracht und er habe daher aus Angst um sein Leben den Irak verlassen.

Mit 07.11.2017 wurde gegen den BF Anklage wegen § 27 Abs 3 SMG sowie § 28a SMG von der Staatsanwaltschaft Linz erhoben.

Mit Verfahrensanordnung vom 01.12.2017 wurde dem BF mitgeteilt, dass er sein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 AsylG verloren hat.

Am 15.01.2018 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als belangte Behörde / BFA bezeichnet) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er befragt nach seinen Fluchtgründen zusammengefasst an, dass er Angst um sein Leben hätte. Er hätte Angst vor der Miliz Asaeb Ahl Al Haq und wegen seines Namens. Persönlich sei er nie bedroht worden. Er wisse jedoch, dass viele Leute umgebracht worden seien und er lebte deshalb in ständiger Angst. Er hätte so ein Gefühl, dass er bald an der Reihe sei. Er hätte in einem schiitischen Bezirk gelebt. Die Milizen hätten viele Leute ermordet, die XXXX hießen. Zudem gebe es keine Zukunft für ihn im Irak.

Mit Urteil vom 07.02.2018 wurde der BF wegen §§ 28a Abs 1 5. Fall, 28a Abs 2 Z 2, 28a Abs 4 Z 3 SMG, § 12 3. Fall StGB, §§ 28 Abs 1, 28 Abs 3 SMG, §§ 27 Abs 1 Z 1 1. Fall, 27 Abs 1 Z 1 2. Fall, 27 Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt.

Mit gegenständlich bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom 27.04.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 14.03.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.) sowie der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt VII.). Es wurde festgestellt, dass der BF sein Aufenthaltsrecht mit 01.08.2017 verloren hat (Spruchpunkt VIII.). Zudem wurde ein Einreiseverbot in der Dauer von 8 Jahren erlassen (Spruchpunkt IX.).

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs 2 AVG vom 30.04.2018 wurde dem BF gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Mit fristgerecht eingebrachtem Beschwerdeschriftsatz erhob der BF durch seine rechtsfreundliche Vertretung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (kurz BVwG) und beantragte gleichzeitig die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Beschwerde und bezughabender Verwaltungsakt wurden am 08.06.2018 dem BVwG vorgelegt.

Mit der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.09.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung L524 abgenommen und der Gerichtsabteilung I420 neu zugeteilt.

Mit der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 04.06.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I420 abgenommen und der Gerichtsabteilung I414 neu zugewiesen.

Mit Schriftsatz vom 17.10.2019 wurde die Anklageerhebung wegen § 125 StGB vom 14.10.2019 durch das BFA nachgereicht.

Die für den 07.04.2020 anberaumte Verhandlung musste aufgrund der COVID-19 Pandemie abberaumt werden.

Mit Urteil des BG Mattighofen vom 05.02.2020 wurde der BF wegen des Vergehens nach § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Wochen verurteilt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wurde der Vollzug unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

Am 29.05.2020 langten weitere Unterlagen des BF ein.

Die für den 05.06.2020 anberaumte Verhandlung wurde ohne Beisein des BF begonnen und festgehalten, dass der BF am selben Tag beim Grenzübertritt nach Deutschland von der deutschen Polizei angehalten wurde und ein zeitnahes Erscheinen daher nicht mehr wahrscheinlich wäre. Die Verhandlung wurde auf den 15.06.2020 vertagt.

Das BVwG führte am 15.06.2020 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die arabische Sprache, des BF und seiner Rechtsvertretung eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Gemeinsam mit der Ladung war dem BF das aktuelle Länderinformationsblatt zum Irak übermittelt worden. Dabei wurde der BF über die Gründe für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat und über seine privaten persönlichen Verhältnisse einvernommen. Zudem wurde die Lebensgefährtin des BF als Zeugin einvernommen. In der Verhandlung wurde dem BF eine Frist von drei Tagen zur Nachreichung medizinischer Unterlagen eingeräumt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der im Verfahrensgang dargestellte Sachverhalt wird als erwiesen festgestellt. Zudem werden nachfolgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers

Der volljährige BF ist ledig, kinderlos und Staatsangehöriger des Irak, er bekennt sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben und gehört der Volksgruppe der Araber an.

Die Identität des BF steht fest.

Der BF stammt aus Bagdad, ist dort geboren und aufgewachsen.

Der BF leidet an einer Schilddrüsenunterfunktion, jedoch an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung - er ist arbeitsfähig.

Der BF hat im Irak die Grundschule und Mitteschule besucht. Er verfügt über Arbeitserfahrung als Maler und als Hilfsarbeiters.

Der BF verließ den Irak legal mit dem Auto von Bagdad in die Türkei und verblieb dort etwa ein Jahr und zwei Monate. Sodann gelangte er in weiterer Folge nach Griechenland. Im Anschluss hat sich der BF mit Hilfe von Schleppern nach Österreich begeben, wo er am 14.03.2015 verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der BF hält sich seit spätestens 14.03.2015 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig in Österreich ein, ist seither Asylwerber und verfügt über keinen Aufenthaltstitel.

Der BF ist nicht erwerbstätig und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Die Eltern des BF sowie eine Schwester und zwei Brüder leben in Bagdad.

Der BF führt eine Beziehung zu einer deutschen Staatsbürgerin. Es konnte nicht festgestellt werden, dass diese schwanger vom BF ist.

Der BF weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf. Der BF hat keine Deutschprüfung absolviert.

Der BF ist mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten und liegen zwei rechtskräftige Verurteilungen vor und war der BF in Haft.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 07.02.2018, Zl. 21 Hv 40/17s, wegen das Verbrechen des Suchtgifthandels nach den §§ 28a Abs 1 5. Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG, 12 3. Fall StGB, die Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 und Abs 3 SMG und die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 1. Und 2. Fall, Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 30 (dreißig) Monaten verurteilt.

Im Zuge der Verurteilung wurde der BF für schuldig gesprochen von zumindest Anfang 2016 bis 01.08.2017 in Linz und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer Grenzmenge das 25- fache übersteigenden Menge teils als Beitragstäter nach § 12 3. Fall StGB anderen überlassen, wobei er die Straftat nach § 28a Abs 1 SMG als Mitglied einer kriminellen Vereinigung beging, indem er

1) im Zeitraum von etwa Frühjahr 2016 bis 01.08.2017 teils gemeinsam mit mehreren Mittätern eine insgesamt nicht näher bekannte, die Grenzmenge jedoch vielfach übersteigende Menge Cannabiskraut und Ecstasy-Tabletten bei zumindest 10 Beschaffungsfahrten (meist je 1 Kilogramm Cannabiskraut sowie ca. 1.000 Stück Ecstasy-Tabletten) mit dem Zug von Wien nach Linz zur Überlassung an Subverteiler transportierte;

2) bis Februar 2017 eine insgesamt nicht näher bekannte Menge Cannabiskraut von zwei Personen zum Verkauf bezog, als er in Leonding wohnte;

3) im Zeitraum von etwa Anfang März 2017 bis 22.05.2017 in bewusstem und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter deren Wohnung in Traun als Suchtgiftbunker zur Verfügung stellte, in die ein Mittäter zumindest 2 bis 3 Mal pro Monat zumindest jeweils 1 Kilogramm Cannabiskraut zum gewinnbringenden Verkauf brachte, Abnehmer suchte und zum Suchtgiftverkauf in die Wohnung brachte;

4) im Zeitraum von etwa Frühjahr 2016 bis 01.08.2017 selbst Cannabiskraut und Ecstasy-Tabletten verkaufte, und zwar an bekannte und zahlreiche unbekannte Abnehmer

4.1) ab Ende 2016 bis 07.04.2017 bei Teilverkäufen insgesamt 70 bis 80 Gramm Cannabiskraut zum Grammpreis von € 10,-- gewinnbringend an R. M. Z.;

4.2) im Zeitraum von ca. Februar 2017 bis Ende April 2017 bei Teilverkäufen zu je 2 Gramm insgesamt 8 bis 10 Gramm Cannabiskraut zum Grammpreis von € 7,50 bis € 10,-- sowie geringe Mengen Cannabiskraut unentgeltlich an N. B.;

4.3) im Zeitraum von April 2016 bis Anfang 2017 eine insgesamt unbekannte Menge Cannabiskraut unentgeltlich und bei Teilverkäufen ca. 20 Gramm Cannabiskraut zum Grammpreis von € 8,-- an N. H.;

4.4) Mitte Juli 2017 40 Stück Ecstasy-Tabletten an unbekannte Abnehmer und am 12.07.2017 2 1/2 Stück Ecstasy- Tabletten an A. K. M.;

4.5) Anfang 2017 2 Stück Ecstasy-Tabletten zum Stückpreis von € 20,-- sowie ca. 14 Gramm Cannabiskraut zum Gesamtpreis von € 7,50 an den minderjährigen M. M.;

4.6) im Zeitraum von etwa Anfang 2017 bis Sommer 2017 eine nicht näher bekannte Menge an Ecstasy-Tabletten zum Stückpreis von € 10,-- bis € 30,-- und Cannabiskraut an D. O. und an den minderjährigen N. P.;

4.7) im Zeitraum von Anfang 2017 bis Mitte 2017 über einen Zeitraum von etwa einem halben Jahr wöchentlich 2 bis 3 Stück, einmal 8 bis 9 Stück Ecstasy-Tabletten sowie eine unbekannte Menge Cannabiskraut an den minderjährigen B. D.;

4.8) im Herbst 2016 8 Gramm Cannabiskraut zum Grammpreis von € 7,50 sowie im Zeitraum von Frühjahr 2016 bis Ende 2016 insgesamt 20 Gramm Cannabiskraut unentgeltlich an N. E.;

4.9) im Zeitraum von etwa Sommer 2016 bis April 2017 10 Stück Ecstasy-Tabletten zum Stückpreis von € 10,-- teils über Dritte sowie eine unbekannte Menge Cannabiskraut zum Grammpreis von € 10,-- an P. M.;

4.10) Ende 2016/Anfang 2017 2 Gramm Cannabiskraut zum Gesamtpreis von € 5,-- an A. A.;

4.11) im Zeitraum von etwa Jänner 2017 bis 01.08.2017 wiederholt Cannabiskraut an die minderjährige M. K.;

4.12) etwa im April/Mai 2017 eine geringe Menge Cannabiskraut zum Konsum unentgeltlich an A. A.;

5) in bewusstem und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erworben und bis zus Sicherstellung am 22.05.2017 besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, wobei er die Straftat nach § 28 Abs 1 SMG als Mitglied einer kriminellen Vereinigung beging, und zwar 913,6 Gramm Cannabiskraut, das er von A. A. zum Zweck des Weiterverkaufs übernommen und in seiner Wohnung in Traun zum weiteren gewinnbringenden Verkauf gelagert hatten;

6) im Zeitraum von etwa 2016 bis Mitte/Ende Juli 2017 ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar Cannabiskraut und Ecstasy-Tabletten bis zum Eigenkonsum sowie ca. 2 Gramm Cannabiskraut bis zur polizeilichen Sicherstellung am 19.05.2017 und 1,9 Gramm Cannabiskraut bis zur polizeilichen Sicherstellung am 19.06.2017.

Der BF schloss sich mit weiteren Asylwerbern im Jahr 2016 zu einer kriminellen Vereinigung zusammen, deren Tätigkeit auf den Handel mit Suchtgiften ausgerichtet war und die mit weiteren Personen in Wien kooperierte. Das diesbezügliche Vorhaben war von allen daran Beteiligten auf möglichst lange Zeit ausgerichtet, es sollte daher jedenfalls mehrere Monate – und auch wenn möglich, noch länger – umfassen. Die Zusammenarbeit war arbeitsteilig organisiert, jeder in der Gruppe hatte eigene Aufgaben zu erledigen.

Der BF setzte die Tathandlung im vollen Bewusstsein, dadurch vorschriftswidrig die genannten Suchtgifte – wobei den bzw. Handelnden bewusst war, dass der Umgang mit diesen Substanzen in Österreich strafbar ist – in einer die Grenzmenge 25-fach übersteigenden Menge anderen zu überlassen. Der BF hielt es von Beginn der Überlassung von Suchtgift an andere an ernstlich für möglich und fand sich billigend damit ab, durch die wiederkehrende Inverkehrsetzung von, wenn auch nicht im Einzelnen die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmengen, aber in Summe die Grenzmenge 25-fach übersteigenden Suchtgiftmengen anderen zu überlassen. Er hielt es von Beginn seines Tuns an zumindest ernstlich für möglich und fand sich billigend damit ab, dass er durch wiederholte Überlassung und dem daraus resultierenden Additionseffekt von sich allein die Grenzmenge im Einzelnen nicht erreichenden Suchtgiftmittelmengen in Summe die Grenzmenge in einer dieselbe 25-fach übersteigenden Menge weitergab bzw. anderen überließ. Der BF hielt es ernstlich für möglich und fand sich billigend damit ab, dass das in seiner Wohnung gelagerte und damit in dessen Besitz befindliche Cannabiskraut Suchtgift darstellte, dessen Menge die Grenzmenge mehrfach überstieg, wobei er wusste, dass dessen Besitz ebenso wie das geplante Inverkehrsetzen verboten war. Bei sämtlichen Tathandlungen, die er im vollen Bewusstsein setzte, nahm er deren Verwirklichung auch billigend in Kauf. Der BF hielt es auch zumindest ernstlich für möglich und fand sich billigend damit ab, dass er die beschriebenen Tathandlungen im Rahmen bzw. als Mitglied der oben dar- bzw. festgestellten kriminellen Vereinigung beging.

Beim BF konnte mildernd die teilweise geständige Verantwortung, die Unbescholtenheit und die Sicherstellung von Suchtgiften gewertet werden, erschwerend wurde das Zusammentreffen der angeführten Verbrechen und Vergehen, die Tatbegehung bei anhängigem Verfahren, die mehrfache Qualifikation der Verbrechen bzw. die Vergehen sowie das auf weit überwiegend auf Gewinn gerichtete Tatverhalten gewertet werden.

Der BF befand sich vom 01.07.2017 bis 29.03.2019 in Haft.

Der BF wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Mattighofen vom 05.02.2020, Zl. 1 U 113/19v – 20, wegen das Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 (sechs) Wochen verurteilt.

Im Zuge der Verurteilung wurde der BF für schuldig befunden am 23.07.2019 in XXXX eine fremde Sache beschädigt, indem er die Glasscheibe eines Fensters mit einem Stein eingeschlagen hat, wodurch ein Schaden in Höhe von EUR 300,-- zum Nachteil des Österreichischen Roten Kreuzes entstanden ist.

Der BF war zum Tatzeitpunkt wohl betrunken. Es gibt aber keine Umstände die darauf hinweisen würden, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gewusst hätte, was er tut. Der BF hat es bei der gegenständlichen Tathandlung zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich auch damit abgefunden, dass er durch den Steinwurf die Scheibe einschlagen bzw. zerstören wird.

Bei der Strafzumessung war als mildernd kein Umstand zu werten. Im Hinblick auf die Vorstrafe u.a. wegen § 28 SMG (Freiheitsstrafe von 30 Monate) bedarf es neuerlich der Verhängung einer Freiheitsstrafe, um dem BF klar zu machen, dass Sachwerte in Österreich nicht grundlos zerstört werden dürfen.

Es wird festgestellt, dass der BF die besagten Straftaten begangen und die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat.

1.1.    Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers

Der BF wird in seinem Herkunftsstaat weder aus Gründen seiner politischen oder religiösen Einstellung noch wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, Rasse oder Nationalität verfolgt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder dass er im Falle einer Rückkehr in seinem Herkunftsstaat einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der BF in seinem Herkunftsstaat vor der Ausreise einer Bedrohung durch schiitischen Milizen oder die Regierung aufgrund seines Vornamens oder seiner Religionszugehörigkeit ausgesetzt gewesen wäre.

Zudem konnte nicht festgestellt werden, dass der BF von seiner Familie oder seinem Stamm verfolgt wird.

Aus den Länderinformationen ergibt sich nichts, was eine Rückkehr eines Fremden in der Lage des BF automatisch im Widerspruch zu Art 2 oder Art 3 EMRK erschienen lässt. Eine in den Irak zurückkehrende Person, bei der keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

1.2.    Zu den Feststellungen zur Lage im Irak

Politische Lage

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018) und es wurde ein neues politisches System im Irak eingeführt (Fanack 2.9.2019). Gemäß der Verfassung vom 15.10.2005 ist der Irak ein islamischer, demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.1.2019; vgl. GIZ 1.2020a; Fanack 2.9.2019), der aus 18 Gouvernements (muhafaz?t) besteht (Fanack 2.9.2019). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Kurdische Region im Irak (KRI) ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaymaniyah. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung (Kurdistan Regional Government, KRG), verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 2.9.2019). Beherrschende Themenblöcke der irakischen Innenpolitik sind Sicherheit, Wiederaufbau und Grundversorgung, Korruptionsbekämpfung und Ressourcenverteilung, die systemisch miteinander verknüpft sind (GIZ 1.2020a).

An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuww?b, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat) für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und kann einmal wiedergewählt werden. Er genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt, mit denen er den Präsidialrat bildet, welcher einstimmige Entscheidungen trifft (Fanack 2.9.2019).

Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (Fanack 2.9.2019; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik und ist auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).

Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 2.9.2019). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 28.2.2020; vgl. GIZ 1.2020a). Neun Sitze werden den Minderheiten zur Verfügung gestellt, die festgeschriebene Mindest-Frauenquote im Parlament liegt bei 25% (GIZ 1.2020a).

Nach einem ethnisch-konfessionellen System (Muhasasa) teilen sich die drei größten Bevölkerungsgruppen des Irak - Schiiten, Sunniten und Kurden - die Macht durch die Verteilung der Ämter des Präsidenten, des Premierministers und des Parlamentspräsidenten (AW 4.12.2019). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018). Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.1.2019).

Am 12.5.2018 fanden im Irak Parlamentswahlen statt, die fünfte landesweite Wahl seit der Absetzung Saddam Husseins im Jahr 2003. Die Wahl war durch eine historisch niedrige Wahlbeteiligung und Betrugsvorwürfe gekennzeichnet, wobei es weniger Sicherheitsvorfälle gab als bei den Wahlen in den Vorjahren (ISW 24.5.2018). Aufgrund von Wahlbetrugsvorwürfen trat das Parlament erst Anfang September zusammen (ZO 2.10.2018).

Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih von Patriotischen Union Kurdistans (PUK) zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018; vgl. ZO 2.10.2018; KAS 5.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (DW 2.10.2018). Nach langen Verhandlungsprozessen und zahlreichen Protesten wurden im Juni 2019 die letzten und sicherheitsrelevanten Ressorts Innere, Justiz und Verteidigung besetzt (GIZ 1.2020a).

Im November 2019 trat Premierminister Adel Abdul Mahdi als Folge der seit dem 1.10.2019 anhaltenden Massenproteste gegen die Korruption, den sinkenden Lebensstandard und den ausländischen Einfluss im Land, insbesondere durch den Iran, aber auch durch die Vereinigten Staaten (RFE/RL 24.12.2019; vgl. RFE/RL 6.2.2020). Präsident Barham Salih ernannte am 1.2.2020 Muhammad Tawfiq Allawi zum neuen Premierminister (RFE/RL 6.2.2020). Dieser scheiterte mit der Regierungsbildung und verkündete seinen Rücktritt (Standard 2.3.2020; vgl. Reuters 1.3.2020). Am 17.3.2020 wurde der als sekulär geltende Adnan al-Zurfi, ehemaliger Gouverneur von Najaf als neuer Premierminister designiert (Reuters 17.3.2020).

Im Dezember 2019 hat das irakische Parlament eine der Schlüsselforderung der Demonstranten umgesetzt und einem neuen Wahlgesetz zugestimmt (RFE/RL 24.12.2019; vgl. NYT 24.12.2019). Das neue Wahlgesetz sieht vor, dass zukünftig für Einzelpersonen statt für Parteienlisten gestimmt werden soll. Hierzu soll der Irak in Wahlbezirke eingeteilt werden. Unklar ist jedoch für diese Einteilung, wie viele Menschen in den jeweiligen Gebieten leben, da es seit über 20 Jahren keinen Zensus gegeben hat (NYT 24.12.2019).

Die nächsten Wahlen im Irak sind die Provinzwahlen am 20.4.2020, wobei es sich um die zweite Verschiebung des ursprünglichen Wahltermins vom 22.12.2018 handelt. Es ist unklar, ob die Wahl in allen Gouvernements des Irak stattfinden wird, insbesondere in jenen, die noch mit der Rückkehr von IDPs und dem Wiederaufbau der Infrastruktur zu kämpfen haben. Die irakischen Provinzwahlen umfassen nicht die Gouvernements Erbil, Sulaymaniyah, Duhok und Halabja, die alle Teil der KRI sind, die von ihrer eigenen Wahlkommission festgelegte Provinz- und Kommunalwahlen durchführt (Kurdistan24 17.6.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

- Al Jazeera (15.9.2018): Deadlock broken as Iraqi parliament elects speaker, https://www.aljazeera.com/news/2018/09/deadlock-broken-iraqi-parliament-elects-speaker-180915115434675.html, Zugriff 13.3.2020

- AW - Arab Weekly, The (4.12.2019): Confessional politics ensured Iran’s colonisation of Iraq, https://thearabweekly.com/confessional-politics-ensured-irans-colonisation-iraq, Zugriff 13.3.2020

- CIA - Central Intelligence Agency (28.2.2020): The World Factbook – Iraq, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iz.html, Zugriff 13.3.2020

- DW - Deutsche Welle (2.10.2018): Iraqi parliament elects Kurdish moderate Barham Salih as new president, https://www.dw.com/en/iraqi-parliament-elects-kurdish-moderate-barham-salih-as-new-president/a-45733912, Zugriff 13.3.2020

- Fanack (2.9.2019): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and-politics-of-iraq/, Zugriff 13.3.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 13.3.2020

- ISW - Institute for the Study of War (24.5.2018): Breaking Down Iraq's Election Results, http://www.understandingwar.org/backgrounder/breaking-down-iraqs-election-results, Zugriff 13.3.2020

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (5.10.2018): Politische Weichenstellungen in Bagdad und Wahlen in der Autonomen Region Kurdistan, https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=e646d401-329d-97e0-6217-69f08dbc782a&groupId=252038, Zugriff 13.3.2020

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30.pdf?180501131459, Zugriff 13.3.2020

- Kurdistan24 (17.6.2019): Iraq's electoral commission postpones local elections until April 2020, https://www.kurdistan24.net/en/news/80728bf3-eb95-4e76-a30f-345cf9a48d3c, Zugriff 13.3.2020

- NYT - The New York Times (24.12.2019): Iraq’s New Election Law Draws Much Criticism and Few Cheers, https://www.nytimes.com/2019/12/24/world/middleeast/iraq-election-law.html, Zugriff 13.3.2020

- Reuters (17.3.2020): Little-known ex-governor Zurfi named as new Iraqi prime minister-designate, https://www.reuters.com/article/us-iraq-pm-designate/iraqi-president-salih-names-adnan-al-zurfi-as-new-prime-minister-designate-state-tv-says-idUSKBN21419J?il=0, Zugriff 17.3.2020

- Reuters (1.3.2020): Iraq's Allawi withdraws his candidacy for prime minister post: tweet, https://www.reuters.com/article/us-iraq-politics-primeminister/iraqs-allawi-withdraws-his-candidacy-for-prime-minister-post-tweet-idUSKBN20O2AD, Zugriff 13.3.2020

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (6.2.2020): Iraqi Protesters Clash With Sadr Backers In Deadly Najaf Standoff, https://www.ecoi.net/en/document/2024704.html, Zugriff 13.3.2020

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (24.12.2019): Iraqi Parliament Approves New Election Law, https://www.ecoi.net/de/dokument/2021836.html, Zugriff 13.3.2020

- RoI - Republic of Iraq (15.10.2005): Constitution of the Republic of Iraq, http://www.refworld.org/docid/454f50804.html, Zugriff 13.3.2020

- Standard, Der (2.3.2020): Designierter irakischer Premier Allawi bei Regierungsbildung gescheitert, https://www.derstandard.at/story/2000115222708/designierter-irakischer-premier-allawi-bei-regierungsbildung-gescheitert, Zugriff 13.3.2020

- ZO - Zeit Online (2.10.2018): Irak hat neuen Präsidenten gewählt, https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-10/barham-salih-irak-praesident-wahl, Zugriff 13.3.2020

Sicherheitslage

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen, territorialen Sieg über den Islamischen Staat (IS) (Reuters 9.12.2017; vgl. AI 26.2.2019). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem verbessert (FH 4.3.2020). Ende 2018 befanden sich die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) in der nominellen Kontrolle über alle vom IS befreiten Gebiete (USDOS 1.11.2019).

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.1.2019).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.1.2019). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (FIS 6.2.2018). Die Zahl der Entführungen gegen Lösegeld zugunsten extremistischer Gruppen wie dem IS oder krimineller Banden ist zwischenzeitlich zurückgegangen (Diyaruna 5.2.2019), aber UNAMI berichtet, dass seit Beginn der Massenproteste vom 1.10.2019 fast täglich Demonstranten in Bagdad und im gesamten Süden des Irak verschwunden sind. Die Entführer werden als „Milizionäre“, „bewaffnete Organisationen“ und „Kriminelle“ bezeichnet (New Arab 12.12.2019).

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den USA stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 2.10.2019a). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungskräfte (PMF) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019b; vgl. Reuters 30.9.2019). Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US-amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro-iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019b; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019).

Als Reaktion auf die Ermordung des stellvertretenden Leiters der PMF-Kommission, Abu Mahdi Al-Muhandis, sowie des Kommandeurs der Quds-Einheiten des Korps der Islamischen Revolutionsgarden des Iran, Generalmajor Qassem Soleimani, durch einen Drohnenangriff der USA am 3.1.2020 (Al Monitor 23.2.2020; vgl. MEMO 21.2.2020; Joel Wing 15.1.2020) wurden mehrere US-Stützpunkte durch den Iran und PMF-Milizen mit Raketen und Mörsern beschossen (Joel Wing 15.1.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019a): Mid-Year Update: Ten Conflicts to Worry About in 2019, https://www.acleddata.com/2019/08/07/mid-year-update-ten-conflicts-to-worry-about-in-2019/, Zugriff 13.3.2020

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019b): Regional Overview – Middle East 2 October 2019, https://www.acleddata.com/2019/10/02/regional-overview-middle-east-2-october-2019/, Zugriff 13.3.2020

- AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iraq [MDE 14/9901/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003674/MDE1499012019ENGLISH.pdf, Zugriff 13.3.2020

- Al Jazeera (24.9.2019): Two rockets 'hit' near US embassy in Baghdad's Green Zone, https://www.aljazeera.com/news/2019/09/rockets-hit-embassy-baghdad-green-zone-190924052551906.html, Zugriff 13.3.2020

- Al Jazeera (25.8.2019): Iraq paramilitary: Israel behind drone attack near Syria border, https://www.aljazeera.com/news/2019/08/iraq-paramilitary-israel-drone-attack-syria-border-190825184711737.html, Zugriff 13.3.2020

- Al Monitor (23.2.2020): Iran struggles to regain control of post-Soleimani PMU, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/02/iraq-iran-soleimani-pmu.html, Zugriff 13.3.2020

- Diyaruna (5.2.2019): Baghdad sees steep decline in kidnappings, https://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/02/05/feature-02, Zugriff 13.3.2020

- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020, Zugriff 13.3.2020

- FIS - Finnish Immigration Service (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in Iraq variable but improving, https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq_variable_but_improving/10061710, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (15.1.2020): Pro-Iran Hashd Continue Attacks Upon US Interests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/pro-iran-hashd-continue-attacks-upon-us.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020

- MEMO - Middle East Monitor (21.1.2020): Iraq’s PMF appoints new deputy head as successor to Al-Muhandis, https://www.middleeastmonitor.com/20200221-iraqs-pmf-appoints-new-deputy-head-as-successor-to-al-muhandis/, Zugriff 13.3.2020

- New Arab, The (12.12.2019): 'We are not safe': UN urges accountability over spate of kidnappings, assassinations in Iraq, https://www.alaraby.co.uk/english/news/2019/12/11/un-urges-accountability-over-spate-of-iraq-kidnappings-assassinations, Zugriff 13.3.2020

- Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victory-over-islamic-state-idUSKBN1E30B9, Zugriff 13.3.2020

- Reuters (30.9.2019): Iraqi PM says Israel is responsible for attacks on Iraqi militias: Al Jazeera, https://www.reuters.com/article/us-iraq-security/iraqi-pm-says-israel-is-responsible-for-attacks-on-iraqi-militias-al-jazeera-idUSKBN1WF1E5, Zugriff 13.3.2020

- USDOS - US Department of State (1.11.2019): Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 1 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2019162.html, Zugriff 13.3.2020

Islamischer Staat (IS)

Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) durch den damaligen Premierminister al-Abadi im Dezember 2017 (USCIRF 4.2019; vgl Reuters 9.12.2017) hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019) und kehrte zu Untergrund-Taktiken zurück (USDOS 1.11.2019; vgl. BBC 23.12.2019; FH 4.3.2020). Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen (Portal 9.10.2019) und einen neuerlichen Machtzuwachs im Norden des Landes (PGN 11.1.2020).

Der IS unterhält ein Netz von Zellen, die sich auf die Gouvernements Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala konzentrieren, während seine Taktik IED-Angriffe auf Sicherheitspersonal, Brandstiftung auf landwirtschaftlichen Flächen und Erpressung von Einheimischen umfasst (Garda 3.3.2020). Der IS führt in vielen Landesteilen weiterhin kleinere bewaffnete Operationen, Attentate und Angriffe mit improvisierten Sprengkörpern (IED) durch (USCIRF 4.2019). Er stellt trotz seines Gebietsverlustes weiterhin eine Bedrohung für Sicherheitskräfte und Zivilisten, einschließlich Kinder, dar (UN General Assembly 30.7.2019). Er ist nach wie vor der Hauptverantwortliche für Übergriffe und Gräueltaten im Irak, insbesondere in den Gouvernements Anbar, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din (USDOS 11.3.2020; vgl. UN General Assembly 30.7.2019). Im Jahr 2019 war der IS insbesondere in abgelegenem, schwer zugänglichem Gelände aktiv, hauptsächlich in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie in den Hamrin-Bergen, die sich über die Gouvernements Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala erstrecken (ACLED 2.10.2019a). Er ist nach wie vor dabei sich zu reorganisieren und versucht seine Kader und Führung zu erhalten (Joel Wing 16.10.2019).

Der IS setzt weiterhin auf Gewaltakte gegen Regierungziele sowie regierungstreue zivile Ziele, wie Polizisten, Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter (ACLED 2.10.2019a; vgl. USDOS 1.11.2019), dies unter Einsatz von improvisierten Sprengkörpern (IEDs) und Schusswaffen sowie mittels gezielten Morden (USDOS 1.11.2019), sowie Brandstiftung. Die Übergriffe sollen Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung untergraben und soziale Spannungen verschärfen (ACLED 2.10.2019a).

Insbesondere in den beiden Gouvernements Diyala und Kirkuk scheint der IS im Vergleich zum Rest des Landes mit relativ hohem Tempo sein Fundament wieder aufzubauen, wobei er die lokale Verwaltung und die Sicherheitskräfte durch eine hohe Abfolge von Angriffen herausfordert (Joel Wing 16.10.2019). Der IS ist fast vollständig in ländliche und gebirgige Regionen zurückgedrängt, in denen es wenig Regierungspräsenz gibt, und wo er de facto die Kontrolle über einige Gebiete insbesondere im Süden von Kirkuk und im zentralen und nordöstlichen Diyala aufgebaut hat (Joel Wing 3.2.2020).

Im Mai 2019 hat der IS im gesamten Mittelirak landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand gesetzt, mit dem Zweck die Bauernschaft einzuschüchtern und Steuern einzuheben, bzw. um die Bauern zu vertreiben und ihre Dörfer als Stützpunkte nutzen zu können. Das geschah bei insgesamt 33 Bauernhöfen - einer in Bagdad, neun in Diyala, 13 in Kirkuk und je fünf in Ninewa und Salah ad-Din - wobei es gleichzeitig auch Brände wegen der heißen Jahreszeit und infolge lokaler Streitigkeiten gab (Joel Wing 5.6.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Am 23.5.2019 bekannte sich der Islamische Staat (IS) in seiner Zeitung Al-Nabla zu den Brandstiftungen. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour (BAMF 27.5.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Im Jänner 2020 hat der IS eine Büffelherde in Baquba im Distrikt Khanaqin in Diyala abgeschlachtet, um eine Stadt einzuschüchtern (Joel Wing 3.2.2020; vgl. NINA 17.1.2020).

Mit Beginn der Massenproteste im Oktober 2019 stellte der IS seine Operation weitgehend ein, wie er es stets während Demonstrationen getan hat, trat aber mit dem Nachlassen der Proteste wieder in den Konflikt ein (Joel Wing 6.1.2020).

Quellen:

- Anadolu Agency (13.12.2019): Death toll in Iraq from suspected terror blasts hits 15, https://www.aa.com.tr/en/middle-east/death-toll-in-iraq-from-suspected-terror-blasts-hits-15/1672348, Zugriff 13.3.2020

- BasNews (16.1.2020): Car Bomb Hits Iraqi Army Convoy, Kills Two, http://www.basnews.com/index.php/en/news/iraq/574768, Zugriff 13.3.2020

- Crisis Group (14.12.2018): Reviving UN Mediation on Iraq’s Disputed Internal Boundaries, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/iraq/194-reviving-un-mediation-iraqs-disputed-internal-boundaries, Zugriff 13.3.2020

- ISW - Institute for the Study of War (19.4.2019): ISIS Resurgence Update - April 2019, https://iswresearch.blogspot.com/2019/04/isis-resurgence-update-april-16-2019.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (5.3.2020): Violence Largely Unchanged In Iraq In February 2020, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/03/violence-largely-unchanged-in-iraq-in.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (2.12.2019): Islamic State Waits Out The Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/12/islamic-state-waits-out-protests-in-iraq.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (25.11.2019): Islamic State Forcing People Out Of Rural Diyala, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/11/islamic-state-forcing-people-out-of.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (9.9.2019): Islamic State’s New Game Plan In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/09/islamic-states-new-game-plan-in-iraq.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (5.8.2019): Islamic State’s Offensive Could Be Winding Down, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/08/islamic-states-offensive-could-be.html, Zugriff 13.3.2020

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- Kurdistan24 (23.12.2019): Car bomb kills 2 Iraqi soldiers, wounds one in western Anbar, https://www.kurdistan24.net/en/news/649d80f9-2f80-474a-b371-331269bb7792, Zugriff 13.3.2020

- Kurdistan24 (7.8.2019): ISIS increases activity in Iraq's disputed territories, https://www.kurdistan24.net/en/news/16f3d2f2-8395-40b8-94f3-ebbd183f398d, Zugriff 13.3.2020

- NINA - National Iraqi News Agency (29.12.2019): An Officer and /3 / fighters were wounded by a suicide bombing, west of Tharthar Valley, https://ninanews.com/Website/News/Details?key=804671, Zugriff 13.3.2020

- Rudaw (12.12.2019): ISIS militants kill 11 PMF in Saladin attack: security officials, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/121220193, Zugriff 13.3.2020

- Rudaw (3.12.2019): Diyala villagers flee spike in attacks by resurging Islamic State, https://www.rudaw.net/english/kurdistan/03122019, Zugriff 13.3.2020

- Rudaw (31.5.2019): Iraqi Security Forces ignore ISIS attacks on Kakai farmlands, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/31052019, Zugriff 13.3.2020

- USIP - United States Institute of Peace (2011): Iraq‘s Disputed Territories, https://www.files.ethz.ch/isn/128591/PW69.pdf, Zugriff 13.3.2020

- Xinhua (22.12.2019): Iraqi soldier killed, 7 civilians wounded in separate attacks in Iraq, http://www.xinhuanet.com/english/2019-12/22/c_138648985.htm, Zugriff 13.3.2020

Sicherheitsrelevante Vorfälle, Opferzahlen

Vom Irak-Experten Joel Wing wurden im Lauf des Monats November 2019 für den Gesamtirak 55 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 47 Toten und 98 Verletzten verzeichnet, wobei vier Vorfälle, Raketenbeschuss einer Militärbasis und der „Grünen Zone“ in Bagdad (Anm.: ein geschütztes Areal im Zentrum Bagdads, das irakische Regierungsgebäude und internationale Auslandvertretungen beherbergt), pro-iranischen Volksmobilisierungskräften (PMF) zugeschrieben werden (Joel Wing 2.12.2019). Im Dezember 2019 waren es 120 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 134 Toten und 133 Verletzten, wobei sechs dieser Vorfälle pro-iranischen Gruppen zugeschrieben werden, die gegen US-Militärlager oder gegen die Grüne Zone gerichtet waren (Joel Wing 6.1.2020). Im Jänner 2020 wurden 91 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 53 Toten und 139 Verletzten verzeichnet, wobei zwölf Vorfälle, Raketen- und Mörserbeschuss, pro-iranischen PMF, bzw. dem Iran zugeschrieben werden, während der Islamische Staat (IS) für die übrigen 79 verantwortlich gemacht wird (Joel Wing 3.2.2020). Im Febraur 2020 waren es 85 Vorfälle, von denen drei auf pro-iranischen PMF zurückzuführen sind (Joel Wing 5.3.2020).

Der Rückgang an Vorfällen mit IS-Bezug Ende 2019 wird mit den Anti-Regierungsprotesten in Zusammenhang gesehen, da der IS bereits in den vorangegangenen Jahren seine Angriffe während solcher Proteste reduziert hat. Schließlich verstärkte der IS seine Angriffe wieder (Joel Wing 3.2.2020).

Quellen:

- ACCORD (26.2.2020): Irak, 4. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), https://www.ecoi.net/en/file/local/2025321/2018q4Iraq_de.pdf, Zugriff 13.3.2020

- IBC - Iraq Bodycount (2.2020): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (5.3.2020): Violence Largely Unchanged In Iraq In February 2020, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/03/violence-largely-unchanged-in-iraq-in.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019,https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (2.12.2019): Islamic State Waits Out The Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/12/islamic-state-waits-out-protests-in-iraq.html, Zugriff 13.3.2020

Sicherheitslage in Bagdad

Das Gouvernement Bagdad ist das kleinste und am dichtesten bevölkerte Gouvernement des Irak mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit des Gouvernements wird sowohl vom „Baghdad Operations Command“ kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst bezieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).

Entscheidend für das Verständnis der Sicherheitslage Bagdads und der umliegenden Gebiete sind sechs mehrheitlich sunnitische Regionen (Latifiya, Taji, al-Mushahada, al-Tarmia, Arab Jibor und al-Mada'in), die die Hauptstadt von Norden, Westen und Südwesten umgeben und den sogenannten „Bagdader Gürtel“ (Baghdad Belts) bilden (Al Monitor 11.3.2016). Der Bagdader Gürtel besteht aus Wohn-, Agrar- und Industriegebieten sowie einem Netz aus Straßen, Wasserwegen und anderen Verbindungslinien, die in einem Umkreis von etwa 30 bis 50 km um die Stadt Bagdad liegen und die Hauptstadt mit dem Rest des Irak verbinden. Der Bagdader Gürtel umfasst, beginnend im Norden und im Uhrzeigersinn die Städte: Taji, Tarmiyah, Baqubah, Buhriz, Besmaja und Nahrwan, Salman Pak, Mahmudiyah, Sadr al-Yusufiyah, Fallujah und Karmah und wird in die Quadranten Nordosten, Südosten, Südwesten und Nordwesten unterteilt (ISW 2008).

Fast alle Aktivitäten des Islamischen Staate (IS) im Gouvernement Bagdad betreffen die Peripherie der Hauptstadt, den „Bagdader Gürtel“ im äußeren Norden, Süden und Westen (Joel Wing 5.8.2019; vgl. Joel Wing 16.10.2019; Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 5.3.2020), doch der IS versucht seine Aktivitäten in Bagdad wieder zu erhöhen (Joel Wing 5.8.2019). Die Bestrebungen des IS, wieder in der Hauptstadt Fuß zu fassen, sind Ende 2019 im Zuge der Massenproteste ins Stocken geraten, scheinen aber mittlerweile wieder aufgenommen zu werden (Joel Wing 3.2.2020; vgl. Joel Wing 5.3.2020).

Dabei wurden am 7.und 16.9.2019 jeweils fünf Vorfälle mit „Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen“ (IEDs) in der Stadt Bagdad selbst verzeichnet (Joel Wing 16.10.2019). Seit November 2019 setzt der IS Motorrad-Bomben in Bagdad ein. Zuletzt detonierten am 8. und am 22.2.2020 jeweils fünf IEDs in der Stadt Bagdad (Joel Wing 5.3.2020).

Für den Zeitraum von November 2019 bis Jänner 2020 wurden im Gouvernement Bagdad 60 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 42 Toten und 61 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 2.12.2019; vgl. Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 3.2.2020), im Februar 2020 waren es 25 Vorfälle mit zehn Toten und 35 Verletzten (Joel Wing 5.3.2020). Die meisten dieser sicherheitsrelevanten Vorfälle werden dem IS zugeordnet, jedoch wurden im Dezember 2019 drei dieser Vorfälle pro-iranischen Milizen der Volksmobilisierungskräfte (PMF) zugeschrieben, ebenso wie neun Vorfälle im Jänner 2020 und ein weiterer im Februar (Joel Wing 6.1.2020; vgl Joel Wing 5.3.2020)

Die Ermordung des iranischen Generals Suleimani und des stellvertretenden Kommandeurs der PMF, Abu Muhandis, durch die USA führte unter anderem in der Stadt Bagdad zu einer Reihe von Vergeltungsschlägen durch pro-iranische PMF-Einheiten. Es wurden neun Raketen und Mörserangriffe verzeichnet, die beispielsweise gegen die Grüne Zone und die darin befindliche US-Botschaft sowie das Militärlager Camp Taji gerichtet waren (Joel Wing 3.2.2020).

Seit 1.10.2019 kommt es in mehreren Gouvernements, darunter auch in Bagdad, zu teils gewalttätigen Demonstrationen.

Quellen:

- Al Monitor (11.3.2016): The rise of Islamic State sleeper cells in Baghdad, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2016/03/iraq-baghdad-belts-harbor-islamic-state.html, Zugriff 13.3.2020

- ISW - Institute for the Study of War (2008): Baghdad Belts, http://www.understandingwar.org/region/baghdad-belts, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (5.3.2020): Violence Largely Unchanged In Iraq In February 2020, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/03/violence-largely-unchanged-in-iraq-in.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (2.12.2019): Islamic State Waits Out The Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/12/islamic-state-waits-out-protests-in-iraq.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020

- Joel Wing, Musings on Iraq (5.8.2019): Islamic State’s Offensive Could Be Winding Down, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/08/islamic-states-offensive-could-be.html, Zugriff 13.3.2020

- OFPRA - Office Français de Protection des Réfugiés et Apatrides (10.11.2017): The Security situation in Baghdad Governorate, https://www.ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/39_irq_security_situation_in_baghdad.pdf, Zugriff 13.3.2020

Sicherheitskräfte und Milizen

Im Mai 2003, nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein, d

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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