TE Dok 2020/2/6 42124-DK-2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.02.2020
beobachten
merken

Norm

BDG 1979 §43a
BDG 1979 §45
BDG 1979 §44 Abs1

Schlagworte

sexuelle Belästigung

Text

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat in der durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

N.N. ist schuldig,

1.   er hat während des Nachtdienstes in der PI vor den anwesenden Kollegen über seine Kollegin laut gesagt, dass sie „einen geilen Arsch und eine Hammerfigur“ habe,

2.   er hat während des oben angeführten gemeinsamen Dienstes mit dieser Kollegin vor anderen Kollegen mit der Antennenspitze des Funkgerätes seine Kollegin immer wieder in der Bauchgegend berührt und trotz Aufforderung von dieser Kollegin sein distanzloses Verhalten nicht beendet,

er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 a BDG, § 45 BDG, § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. § 2 der Dienstordnung „Verhalten der Polizeibediensteten“ sowie gegen die Dienstanweisung „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“ i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen,

Über den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Zi 2 BDG eine Geldbuße in der Höhe von € 500,- (in Worten fünfhundert) verhängt.

Hingegen wird der Beamte von den Vorwürfen,

1.   er hat im Dezember bzw. Jänner während eines gemeinsamen Nachtdienstes eine weitere Kollegin ohne Veranlassung distanzlos an der Kleidung der rechten Schulter gepackt und als diese den Beschuldigten mit den Worten, „Na hallo!“ zu Recht wies, habe er seine flache Hand auf ihr Schulterblatt gelegt ohne darauf Bedacht zu nehmen, seine Berührungen zu beenden, und sie auf diese Weise in den Kommandantenraum geführt,

 

2.   er hat im Jänner während eines gemeinsamen Dienstes mit noch einer Kollegin beim ersten Zusammentreffen mit der flachen Hand auf den Oberschenkel geklopft und sie dabei gefragt, „ob alles in Ordnung sei“.

3.   er hat während eines gemeinsamen Dienstes seine Kollegin am Genick gepackt und dabei seine Finger derart fest zusammengedrückt, dass er dadurch ihren Oberkörper nach vorne in die Waagrechte drückte und diese auch dadurch leicht in die Knie gehen musste. In dieser erniedrigenden Position musste diese einige Zeit verweilen und verschüttete dabei ihren Kaffee über ihre Uniform,

4.   er hat während eines gemeinsamen Dienstes seiner Kollegin einen Stoß mit beiden flachen Händen gegen den Brustbereich versetzt, sodass diese mit dem Rücken und dem Hinterkopf gegen den dort befindlichen Aktenschrank stieß – nur weil diese ihm die dienstliche Mitteilung ihrer Zuteilung zu eine randeren Dienststelle überbrachte,

5.   er hat am Tag des „Wiener-Akademiker-Balls“ gemeinsam mit Kollegen Dienst am „StkW“ versehen. In der PI habe er über seine Kollegin einen frauenfeindlichen üblen Scherz gemacht,

er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG, § 43 a BDG, § 45 BDG, § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. § 2 der Dienstordnung „Verhalten der Polizeibediensteten“ sowie gegen die Dienstanweisung „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“; als auch §§ 8a Abs. 2 Z. 1 und 9 des Bundes-Gleichbehandlungsgesetztes i.V.m. § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen,

gemäß § 126 Abs. 2 BDG i.V.m. § 118 Abs. 1 Zi 2 BDG freigesprochen.

 

Dem Beschuldigten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.

BEGRÜNDUNG

Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige der Dienstbehörde sowie den Erhebungen der LPD Wien.

Sachverhalt:

In der Personalabteilung, langte ein Aktenvorgang ein, wonach N.N. im Verdacht steht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben. Laut Bericht seines Vorgesetzten kam es zu mehreren unangebrachten Handlungen durch N-N. gegenüber einer Kollegin.

Da anhand der übermittelten Unterlagen ein gerichtlich strafbarer Tatbestand nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde das Referat Besondere Ermittlungen mit den Erhebungen zu dem Sachverhalt betraut.

Dem Bericht bzw. den Beilagen (Gedankenprotokolle verschiedener Kollegen des N.N.) ) ist zu entnehmen, dass es zu mehreren, für einen Dienstvorgesetzten, unangebrachten Handlungen des N.N. gekommen war.

Durch die eine Kollegin wird in Ihrem Protokoll berichtet, dass sie in einem Nachtdienst an der Kleidung der rechten Schulter gepackt wurde. Nachdem sie N.N. mit den Worten, „Na hallo!“ zu Recht wies, legte er seine flache Hand auf ihr Schulterblatt und ging mit ihr in das Kommandantenzimmer. Von diesem Zeitpunkt beginnend, wollte sie unter Aufsicht des N.N. keinen Dienst mehr versehen und hielt dementsprechenden Abstand zu ihm.

Durch eine weitere Kollegin wird angeführt, dass N.N. ihr beim ersten Zusammentreffen mit der flachen Hand auf den Oberschenkel klopfte und sie dabei fragte, „ob alles in Ordnung sei“. Sie habe diese Handlung für einen dienstführenden Beamten als unangebracht empfunden und es sei ihr in dieser Situation unwohl gewesen. Zu einem weiteren „Vorfall“ sei es nicht gekommen und für sie wäre die Sache auch erledigt gewesen.

Von noch einer anderen Kollegin wurde angeführt, dass sie öfters von N.N. an den Haaren gezogen wurde. Sie sei dadurch nicht verletzt worden, jedoch sei es für sie unangenehm und peinlich gewesen. Vor allem deswegen, weil er das auch vor anderen Kollegen gemacht habe.

Dann ereignete sich jener Vorfall, bei dem sie durch N.N. am Genick gepackt worden war. Zusätzlich drückte er seine Finger festzusammen und drückte ihren Oberkörper nach vorne in die Waagrechte. Sie musste auch leicht in die Knie gehen. Gleichzeitig zog er sie nach vorne und sie musste drei bis vier Meter in dieser für sie erniedrigenden Position gehen. Verletzt sei sie dadurch nicht worden, jedoch war dieser Umstand erniedrigend und peinlich für sie. Die Kollegin hatte sich in dieser Situation hilflos gefühlt und nicht gewusst, wie sie damit umgehen soll. Als er sie nach unten drückte, schüttete sie sich den Kaffee über die Hose, Unterarm, Pullover und Schuhe. Sie habe sich dabei nicht am Unterarm verbrüht und es wurden die Uniformteile nicht beschädigt.

Durch den Umstand, dass N.N. ihr Vorgesetzter gewesen war und sie bereits aus vorherigen Handlungen gewusst habe, dass er es an allen anderen auslässt, wenn sie sich nicht nach seinen Vorstellungen verhalte, habe sie nicht gewusst wie sie mit der für sie prekären Situation umgehen solle.

Es kam einige Zeit später zu einem erneuten Vorfall mit N.N.. Sie habe aufgrund der Zusage zu einer neuen Dienststelle wechseln zu können, und hat auch weitere Kollegen von dem, für sie positiven E-Mail, in Kenntnis gesetzt. Als N.N. von der Zuteilung erfuhr, sei er aus seinem Rollsessel aufgesprungen, habe sich in einem Abstand von ca. 10cm vor sie gestellt und habe ihr einen Stoß mit beiden flachen Händen gegen den Brustbereich versetzt, sodass sie mit dem Rücken und dem Hinterkopf gegen den dort befindlichen Aktenschrank stieß. Blaue Flecken oder Schmerzen habe sie nicht erlitten. Dann habe er sich abrupt von ihr abgewandt und fluchtartig den Raum verlassen. Er sei dann gute zwei Stunden nicht da gewesen und keiner habe gewusst, wo er war.

Es habe dann noch einen dritten gravierenden Vorfall am Tag des „Wiener – Akademiker – Balls“ gegeben. Die Geschädigte sei im Nachtdienst mit N.N. gemeinsam als Funkwagenbesatzung des „StkW“ eingeteilt gewesen. In einer kurzen Unterbrechung der Streifentätigkeit in den Räumlichkeiten der PI habe N.N. über sie einen üblen Scherz gemacht, sodass alle lachten. Sie sei zu diesem Zeitpunkt die einzige anwesende Frau gewesen.

Nach der Rückkehr in die Stamm PI habe N.N. körperliche Nähe zu ihr gesucht und sich ganz nah an sie gestellt, sodass sich ihre beiden Arme berührten. Ein anderer Kollege sei dann über Ersuchen einer weiteren Kollegin in die Stamm PI gekommen. N.N. habe dann vor den Kollegen laut gesagt, dass sie einen „geilen Arsch und eine Hammerfigur“ habe. Er habe dann auch begonnen, mit der Antenne des Handfunkgeräts in ihren Bauch zu stochern.“

Zusätzlich zu Ihrem Gedankenprotokoll sowie der niederschriftlichen Einvernahme im Referat Besondere Ermittlungen wurde über Befragung im Referat PA6 angeführt, dass sie sich als „Betroffene“ im Sinne des § 8a B-GlBG sehe bzw. fühle.

Verantwortung:

 

Durch N.N. wird in seiner via rechtsfreundliche Vertretung, verfassten Stellungnahme angeführt, dass es für ihn eher kleinere Neckereien zur Auflockerung des anstrengenden Dienstbetriebes gewesen waren. Die Vorwürfe der Geschädigten werden in Abrede gestellt bzw. in „abgeschwächter“ Form bestätigt.

Er habe lediglich mit den Haaren der Geschädigten gespielt. Dies sei Teil von Blödeleien gewesen und auch von beiden Seiten geführt worden waren.

Er habe mit der Antenne des Handfunkgerätes den Bauch der Geschädigten berührt, jedoch keinesfalls in verletzender Absicht. Dies sei ebenfalls als kleine Neckerei im Kollegenkreis geschehen.

Gerichtsverfahren:

Zu dem angeführten Vorfall wurden vom Referat Besondere Ermittlungen Erhebungen gepflogen und mittels Abschlussbericht der StA Wien übermittelt.

das Verfahren gegen den im Betreff angeführten EB wegen des Verdachts gem. § 105 (1),

§ 15, § 83 (2) StGB wurde von der StA gem. § 190 Z 2 StPO eingestellt.

Anlastung durch die Dienstbehörde:

N.N. steht im Zusammenhang mit den Vorwürfen seiner unangebrachten Handlungen als Dienstvorgesetzter im Verdacht, gegen § 43 Abs. 1 u. 2 BDG 1979, § 43 a BDG, § 44 Abs. 1 BDG 1979 i.V.m. § 2 der Dienstordnung „Verhalten der Polizeibediensteten“ sowie gegen die Dienstanweisung „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“ verstoßen zu haben. Weiters wird ein Verstoß gegen § 8a Abs. 2 Z. 1 und § 9 des Bundes-Gleichbehandlungsgesetztes erblickt.

Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:

§ 43a BDG: Beamte haben als Vorgesetzte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und als Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter ihren Vorgesetzten sowie einander mit Achtung zu begegnen und zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen. Sie haben im Umgang mit ihren Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Verhaltensweisen oder das Schaffen von Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die deren menschliche Würde verletzen oder dies bezwecken oder sonst diskriminierend sind.

§ 44 (1) BDG: Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und deren Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt, zu befolgen.

§ 45 (1) BDG: Der Vorgesetzte u.a. darauf zu achten, dass seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen. Er hat seine Mitarbeiter dabei anzuleiten, ihnen erforderlichenfalls Weisungen zu erteilen, aufgetretene Fehler und Missstände abzustellen und für die Einhaltung der Dienstzeit zu sorgen.

Zum Schuldspruch zu den Punkten 6 und 7:

Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens einstimmig zu dem Erkenntnis gelangt, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen zu diesen beiden Punkten 6 und 7 schuldhaft begangen hat.

Dienstpflichtverletzung nach § 43 a BDG:

Der Vorwurf lautet dahingehend, dass er über die Kollegin vor anderen Mitarbeitern und auch zu ihr selbst sagte, sie habe „einen geilen Arsch und eine Hammerfigur“. Die Äußerung, die offenbar als Kompliment gemeint war, zeigt das Bild eines verliebten Vorgesetzten, der sich mit dieser Äußerung massiv in seiner Wortwahl vergriffen hat und ein distanzloses Verhalten an den Tag legt. Es fehlt die Achtung und der respektvolle Umgang mit der Mitarbeiterin. Ein derartiges Verhalten ist eines Vorgesetzen unwürdig und absolut unpassend.

Dieses distanzlose und unpassende Verhalten ist auch im Vorwurf des Punkt 7 enthalten, nämlich dass der Beschuldigte seine Kollegin vor den anderen Mitarbeitern mit der Antennenspitze des Funkgerätes sekkierte, indem er sie immer und immer wieder damit in der Bauchgegend anstupste und auch damit nicht aufhörte, als seine Kollegin ihn dazu unmissverständlich aufforderte, er soll mit „dem Blödsinn aufhören“.

Diese oben angeführte Verhalten des Disziplinarbeschuldigten lässt jegliche, von einer Führungskraft zu erwartende Vorbildwirkung vermissen und ist geeignet, einen Verstoß nach § 43 a BDG zu begründen.

Im § 43a BDG wurde normiert, dass sich alle Bediensteten mit Achtung begegnen müssen und zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen haben. Insbesondere sind Verhaltensweisen, welche die menschliche Würde verletzen, zu unterlassen.

Das oben angeführte Verhalten hat definitiv die menschliche Würde der Kollegin verletzt, dies wird zum einen dadurch begründet, dass die Aussage „geiler Arsch und Hammerfigur“ und das Herumhantieren mit der Antennenspitze des Funkgeräts in der Bauchgegend des Gegenüber vor anderen Kollegen geschah, wodurch jeder Durchschnittsmensch nach der allgemeinen Lebenserfahrung peinlich berührt wird und zum anderen bestätigte die geschädigte Kollegin durch ihre zeugenschaftliche Aussage, dass dieses Verhalten und die Äußerung entwürdigend waren.

Zum Zeitpunkt dieses Verhaltens fehlte dem Beschuldigten jegliches Unrechts-und Verantwortungsbewusstsein.

Wie der VwGH und das BVwG schon mehrfach entschieden haben, umfasst der Anwendungsbereich des § 43 Abs. 2 BDG auch sexuelle Belästigungen im Sinne des B-GlBG (VwGH 27.10.1999, 97/09/0105). Im Erkenntnis der DOK vom 25.04.1985, GZ 35/16-DOK/84 wurde die Verwendung unsittlicher Redewendungen – sogar, wenn dieses Geschehen von den betroffenen Frauen nicht als Eingriff in ihre Intimsphäre empfunden wird - als disziplinär relevant angesehen. Die Berufungskommission hat im Erkenntnis vom 12.5.1999 aus § 43 Abs. 2 BDG eine allgemeine Anstandsverpflichtung abgeleitet, die selbst bei einer allfälligen Einwilligung, der von solchen Handlungen betroffenen Bediensteten, Geltung hat.

Dies bedeutet nichts anderes, als dass auch eine Dienstpflichtverletzung vorliegen würde, selbst wenn die Kollegin die unpassende Äußerung „geiler Arsch und Hammerfigur“ goutiert hätte.

Der Disziplinarbeschuldigte selbst entschuldigte sich während der mündlichen Verhandlung bei den drei betroffenen Kolleginnen für sein Verhalten und gab an, dass er sein Verhalten sehr bedaure. Er wollte niemanden verletzen oder herabwürdigen wollte. Die Berührungen bei der einen Kollegin an der Schulter und bei der anderen Kollegin am Oberschenkel waren ihm nicht mehr erinnerlich, weil dies offenbar für ihn nur kameradschaftlicher Körperkontakt war.

Für diese beiden Kolleginnen war die Angelegenheit ohnehin laut ihren Angaben bereits erledigt. P. hat den Vorgesetzten unverzüglich zurechtgewiesen und S. hat dem „Oberschenkelklopfer“ in weiterer Folge keine weitere Bedeutung beigemessen, da es bei beiden Kolleginnen zu keinen weiteren Vorfällen mehr gekommen ist.

Lediglich die Geschädigte legte bei der Entschuldigung des Beschuldigten eine für den Senat nicht nachvollziehbare Haltung an den Tag – sie reagierte nämlich überhaupt nicht. Weder hat sie den Beschuldigten angesehen, noch hat sie durch irgendeine Äußerung die Entschuldigung abgelehnt oder angenommen.

Der Kommunikationswissenschaftler und Psychologe Paul Watzlawick stellte fest, dass „man nicht nicht kommunizieren kann“.

Die unbewusste nonverbale Kommunikation, ihre plötzlich verkrampfte aufrechte Haltung und ihr starrer Blick auf den Senat zeigte das Trotzverhalten einer Pubertierenden und nicht das Verhalten einer 27jährigen ausgebildeten Exekutivbeamtin, die auch in Konfliktsituationen lösungsorientiert handeln muss können.

Dienstpflichtverletzungen nach § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. der Dienstanweisung „Verhalten der Polizeibediensteten“ und „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“:

Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen. Das bedeutet, dass er sowohl die vom Bundesministerium für Inneres verlautbarten Erlässe, sowie auch die schriftlichen Befehle der zuständigen Landespolizeidirektion und schriftliche oder mündliche Befehle/Dienstaufträge seiner Vorgesetzten zu befolgen hat. Gerade die Befolgung von Weisungen ist in einer Sicherheitsbehörde Voraussetzung dafür, eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Erfüllung der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben zu garantieren. Wie auch die Disziplinaroberkommission (bis 13.12.2013) wiederholt entschieden hat, zählen Verletzungen der Dienstpflicht nach § 44 Abs. 1 BDG zu den schwerwiegenden Verfehlungen gegen die grundlegendsten Pflichten im Rahmen eines jeden Beamtendienstverhältnisses und ist die Befolgung von dienstlichen Anordnungen für den ordnungsgemäßen sowie effizienten Ablauf des Dienstes von essentieller Bedeutung (57/8-DOK/08 vom 11.11.2008).

Der Disziplinarbeschuldigte hat gegen die oben angeführten Dienstanweisungen der Landespolizeidirektion verstoßen, indem er nicht zu tolerierende Verhaltensweisen gegenüber seiner Kollegin an den Tag gelegt hat.

Zu den Freisprüchen (Anlastungen Punkt 1-5):

Das Beweisverfahren hat ergeben, dass der Disziplinarbeschuldigte von den weiteren gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu den Punkten 1 – 5 iSd § 118 Abs 1 Ziffer 2 BDG freizusprechen war.

Die Anlastungen zu den Punkten 1 und 2 betraf die unbedachten Berührungen der Kolleginnen.

P. führte an, dass sie das – für sie unpassende - Anfassen an der Schulter in der Sekunde abstellte. Es wäre eine einmalige Situation gewesen und ist auch nicht mehr vorgekommen. Nachdem sie den Beschuldigten zurechtgewiesen hatte, wäre die Sache für sie bereits wieder erledigt gewesen.

S. hat laut eigenen Angaben nur im ersten Moment dem – auch für sie für einen Vorgesetzten unpassenden - Schenkelklopfen Bedeutung beigemessen und das Verhalten als eigenartig beschrieben. Da es nur einmalig vorgekommen ist und sie in weiterer Folge ein sehr gutes dienstliches Arbeitsverhältnis zu ihrem Vorgesetzten hatte, war auch für sie diese einmalige Angelegenheit erledigt.

Der Disziplinarbeschuldigte entschuldigte sich sowohl bei beiden Kolleginnen für sein Fehlverhalten, dass ihm leider in den besagten Momenten nicht aufgefallen ist. Beide Kolleginnen nahmen die Entschuldigung an.

Hinsichtlich der Anlastungen zu den Punkten 3-5 (am Genick packen, Stoß gegen die Brust und frauenfeindliche Witze) beruhten die angeführten Anlastungen ausschließlich auf den Aussagen der Geschädigten und wurden diese vom Disziplinarbeschuldigten in der Form bestritten. Auch im Zuge der mündlichen Verhandlung konnte nicht mit der notwendigen Sicherheit – zweifelfrei – festgestellt werden, dass sich die Vorhalte tatsächlich so ereignet haben. Zudem konnte der frauenfeindliche Witz über die Geschädigte nicht verifiziert werden, da offenbar alle zu diesem Zeitpunkt anwesenden Kollegen derbe Witze erzählten, auch die Betroffene, auf Kosten des Beschuldigten.

Im Zuge der Befragung führte die Gesschädigte durchaus glaubwürdig und nachvollziehbar an, dass sie sich die oben angeführten Verhaltensweisen des Beschuldigten ohnehin nicht gefallen ließ, da sie durchaus in der Lage wäre sich zu wehren und nicht „auf den Mund gefallen ist“. Sie habe insofern reagiert, indem sie den Beschuldigten - der aber auch ihr Vorgesetzter war - entweder als „Trottel“ oder „Idiot“ beschimpfte und mit ihrem Fuß gegen sein Knie oder Schienbein getreten hätte. Nach den jeweiligen „körperlichen Attacken“ und ihren Beschimpfungen wäre für sie die Angelegenheit erledigt gewesen.

Sie selbst hätte niemals Anzeige erstattet, da für sie nach dem Wechsel in das LVT alles erledigt gewesen wäre.

Auffällig war insgesamt, dass die Hauptbelastungszeugin mittels WhatsApp Nachrichten nicht mit aller Klarheit die Avancen zu beenden versuchte, sondern im Gegenteil, alles unternommen wurde, um das Interesse am Köcheln zu lassen. Sie kontaktierte ihn von sich aus und schrieb sehr freundschaftlich verbunden, wie etwas zu Silvester, indem sie „an guadn Rutsch wünschte, denn wennsd so liab schlafst kann i di ned aufweckn.“ Und ersuchte sie ihn, mit ihr am Funkwagen zu fahren, obwohl es angeblich an diesem Tag zu einer körperlichen Attacke gekommen ist.

Daraus ist für den Senat nur die eine logische Conclusio zulässig, nämlich dass die „erniedrigenden Behandlungen“ des Beschuldigten für die Zeugin tatsächlich nicht so schlimm waren, da nach der allgemeinen Lebenserfahrung jeder beleidigte, gekränkte und erniedrigte Mensch jeglichen Kontakt zu seinem „Peiniger“ abbrechen bzw. auf das dienstlich Notwendige beschränken würde.

Über Vorhalt, weshalb der Kontakt nicht beendet wurde, führte die Geschädigte als Begründung an, dass sich ihr Verhalten dann negativ auf die Diensteinteilung in der Dienstgruppe ausgewirkt hätte.

Der wahre Grund der Duldung dieser vom Beschuldigten gesetzten Verhaltensweisen ist also darin zu finden, dass sich die Zeugin zum einen geschmeichelt fühlte (siehe ihre WhatsApp Nachricht“ i fühl mi eh geschmeichelt..“) und sich aus diesem „guten Verhältnis zu ihrem Vorgesetzten“ Vorteile erwartete, die sich tatsächlich dadurch ergaben, dass sich die Geschädigte und Kollegen ihre Diensteinteilung aussuchen durften, wie etwa Aussuchen des Funkwagenpartners, 1./2. Nummer Ausfahren etc. Dass sie diese Annehmlichkeiten auch genossen haben, wurde durch die Aussage der Geschädigten bestätigt. Sie führte sogar noch an, dass der Beschuldigte schlecht gelaunt war, wenn sie nicht oder „nicht nett“ mit ihm per WhatsApp kommunizierte.

Da den Ausführungen des Disziplinarbeschuldigten kein Gegenbeweis entgegengehalten werden konnte, musste dieser im Zweifel von den Vorhalten freigesprochen werden.

Letztlich muss auch seitens des Senates mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, dass - wenn alle Beteiligten, und damit werden auch die Vorgesetzten nicht aus der Verantwortung genommen – richtig reagiert hätten, es vorerst eine Mediation gegeben hätte.

Diese Vorgangsweise wurde bereits durch eine Empfehlung der Kommission vom 27.11.1991 zum Schutz der Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz zu GZ 92/131/EWG, Amtsblatt Nr. L 049 vom 24.02.1992 (europäisches Antidiskriminierungsrecht) angeführt. Demnach wird empfohlen, zunächst eine informelle Ausräumung des Problems zu versuchen.

In einigen Fällen kann es sein, dass die betroffene Person selbst das Gespräch mit der sie belästigenden Person führt und diesem unmissverständlich klar macht, dass dieses Verhalten beleidigend ist.

Es kann aber durchaus der Fall sein, dass eine Vertrauensperson herangezogen wird, die ein informelles Gespräch herbeiführt.

Erst wenn die Belästigung andauert und fortgesetzt wird, dann sollte der formelle Beschwerdeweg eingeschlagen werden.

Diese Vorgangsweise wurde vernachlässigt und zeigte sich in der mündlichen Verhandlung im Zuge der Schilderung des Sachverhaltes durch die Zeugen, dass niemand der Anwesenden ein Interesse hatte, Disziplinaranzeige zu erstatten, da die Angelegenheit für jeden einzelnen bereits erledigt gewesen ist.

Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild über den Beamten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaß eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4, 102 ff und das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).

Als mildernd konnte die disziplinarrechtliche Unbescholtenheit, das Teilgeständnis, die aktuelle gute Dienstbeschreibung, der persönliche Eindruck, den der Senat gewonnen hat und die Entschuldigung gegenüber den Betroffenen in der mündlichen Verhandlung gewertet werden.

Als erschwerend waren zwei Dienstpflichtverletzungen sowie die Vorbildwirkung als Vorgesetzter zu werten.

Der erkennende Senat hatte daher – ausgehend von der spezial- und generalpräventiven Notwendigkeit der Verhängung einer Geldbuße nach § 92 Abs 1 Ziffer 2 BDG – unter Berücksichtigung der Milderungsgründe die innerhalb des gewählten Strafrahmens niedrigste mögliche Strafe zu wählen.

Durch diese Sanktion – die freilich im untersten Bereich des gewählten Strafrahmens liegt – wird generalpräventiv klargestellt, dass an das Verhalten von Polizeibeamten hohe Ansprüche gestellt werden und wird gleichzeitig klargestellt, dass derartige Dienstpflichtverletzungen nicht bagatellisiert werden.

Insgesamt liegt nach Ansicht des Senates somit eine mittelgradige Verletzung der Dienstpflichten vor, die - wie beschrieben - in spezialpräventiver Hinsicht als auch nach generalpräventiven Aspekten eine angemessene Sanktion nach sich ziehen musste.

Mit dem Diensteid und dem Gelöbnis bei Übernahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis unterstellte sich der Disziplinarbeschuldigte freiwillig dem Regelwerk des BDG. Dass er durch sein Verhalten Dienstpflichten verletzte und dieses Verhalten Sanktionen nach sich ziehen würde, musste diesem somit bewusst sein. Sollte es zu einem Wiederholungsfall kommen, muss der Beamte mit einer deutlich strengeren Bestrafung rechnen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

18.09.2020
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten