TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/14 W195 2172322-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.04.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.04.2020

Norm

AVG §35
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §17
VwGVG §28

Spruch

W195 2172322-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael Sachs als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX alias XXXX geboren XXXX StA XXXX (alias XXXX alias XXXX ), vertreten durch XXXX Rechtsanwälte in XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.02.2020 XXXX betreffend Verhängung einer Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 17 sowie 28 VwGVG iVm § 35 AVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (BF), welche sich in der Beschwerde als XXXX geboren XXXX bezeichnet, wendet sich gegen den angeführten Bescheid des BFA vom 18.02.2020.

Mit diesem Bescheid wurde gegen die BF eine Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG in der Höhe von ? 500,- verhängt. Begründend wurde dazu im Sachverhalt detailliert angeführt, welche Verfahren bzw. Verfahrensschritte durch verschiedene Anträge der BF im Zusammenhang mit internationalem Schutz seit der Erstantragstellung am 24.11.2013 durchgeführt wurden:

Sie sei gemeinsam mit ihrer Tochter illegal in das Bundesgebiet eingereist.

Am 24.11.2013 habe die BF beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG gestellt, wobei Sie angab, den Namen " XXXX " zu führen, staatenlos zu sein und dass sie am 05.10.1956 geboren wurde.

Am 25.11.201 sei die Ersteinvernahme von der XXXX erfolgt.

Am 24.05.2016 wäre die BF im BFA im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache XXXX einvernommen worden.

Am 11.07.2017 stellte die Behörde eine Anfrage an die Staatendokumentation. Das Ergebnis langte am 09.08.2017 bei der Behörde ein.

Mit Bescheid des BFA vom 29.08.2017 wurde der Antrag der BF gem. § 3 AsylG abgewiesen, jedoch gem. § 8 AsylG der Status der subsidär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.08.2018 erteilt. Gegen die Abweisung des Asylbegehrens habe die BF Beschwerde erhoben.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.11.2017 wurde der bekämpfte Bescheid behoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

Am 28.05.2018 wurde die BF zur neuerlichen Einvernahme geladen, welche jedoch aufgrund des Ersuchens des Rechtsvertreters abberaumt wurde.

Mit Schriftsatz vom 18.06.2018 wurde seitens der gewillkürten Vertretung der BF für sie und ihre Tochter ein abweichender Name, ein abweichendes Geburtsdatum und eine abweichende Staatsangehörigkeit bekannt gegeben.

Am 20.06.2018 wurde die BF aufgefordert Originaldokumente in Vorlage zu bringen.

Am 01.08.2018 langte ein Antrag auf Verlängerung der subsidiären Schutzberechtigung und eine Kopie von armenischen Reisepässen bei der Behörde ein.

Am 06.09.2018 wurde eine Anfrage an die Staatendokumentation gestellt.

Mit Schreiben vom 06.09.2018 wurde Parteiengehör zur Wiederaufnahme des Verfahrens gewährt.

Am 24.09.2018 langte die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation ein.

Mit Bescheid des BFA vom 27.11.2018 wurde das Asylverfahren vom 24.11.2013 von Amts wegen wiederaufgenommen. Dieser Bescheid erwuchs am 31.12.2018 in Rechtskraft.

Am 07.01.2019 langte der Abschlussbericht der XXXX wegen Verdacht der Urkundenfälschung und Verdacht der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung ein.

Am 12.02.2019 wurde dem rechtlichen Vertreter das Parteiengehör zugestellt.

Mit Schreiben vom 05.03.2019 beantragte der BF-Vertreter eine Fristerstreckung, welche bis 15.03.2019 gewährt wurde.

Am 15.03.2019 langte die Stellungnahme der BF ein.

Am 14.03.2019 langte der Strafantrag der Staatsanwaltschaft XXXX bei der Behörde ein.

Am 18.03.2019 wurde Anklage wegen § 223 StGB und § 228 (1) StGB erhoben.

Am 15.05.2019 langte eine weitere Stellungnahme beim BFA ein.

Am 04.10.2019 wurde nochmals Parteiengehör zum Privat- und Familienleben in Österreich gewährt.

Mit Schreiben vom 16.10.2019 beantragte der Vertreter der BF eine Fristerstreckung für die Stellungnahme.

Am 22.10.2019 langte die Stellungnahme ein.

Mit Bescheid des BFA vom 28.11.2019 XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich § 3 als auch hinsichtlich § 8 AsylG als unbegründet abgewiesen, ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung sowie ein zweijähriges Einreiseverbot erlassen. Der Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt sowie die Frist zur freiwilligen Ausreise versagt.

Gegen diese Entscheidung erhob die BF fristgerecht Beschwerde.

Mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.01.2020, XXXX wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

In der Begründung des vorliegenden Bescheides wurde ausgeführt:

Die BF habe durch Asylantragstellungen unter - nachgewiesener- sowie unbestrittenermaßen - falscher Identität und Nationalität ( XXXX ) einen subsidiären Schutz seit 29.08.2017 erschlichen und somit offensichtlich Asylmissbrauch betrieben.

Nach Bekanntgabe vom 18.06.2018 hinsichtlich der wahren Nationalität erfolgte eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 AVG.

Die Chronologie der Fakten in Verbindung mit den Angaben der BF berechtigten die belangte Behörde zwingend zur Schlussfolgerung, dass die Asylantragstellung ausschließlich dem Zweck der Erlangung sozialer Unterstützungen in Österreich, insbesondere für die begleitende Tochter, dienen sollte, weshalb die Behörde davon ausgehen musste, dass diese Anträge offensichtlich einen Missbrauch des Asylverfahrens darstellen.

Durch dieses rechtsmissbräuchliche prozessuale Verhalten, das sowohl die personellen als auch die finanziellen Ressourcen der belangten Behörde erheblich belasteten, habe die BF als Asylwerberin sowohl eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet als auch Leistungen aus der Grundversorgung (Krankenversicherung) erschlichen. Darüber hinaus sei auch der von der BF verursachte Vermögensschaden auf Seiten des Bundes als Rechtsträger des BFA zu berücksichtigen.

Durch die falschen Angaben und die daraus resultierenden zusätzlichen erforderlichen Ermittlungsschritte beanspruchte die BF erhebliche personelle Ressourcen der erkennenden Behörde.

Nicht zuletzt sei bei einem Verhalten, wie es die BF an den Tag gelegt habe, der schädliche Effekt auf die Verfahrensdauer in den Verfahren über Anträge anderer Asylwerber zu beachten. Ein solches Verhalten müsse sich nämlich mit seiner durch eine langjährige, letztlich jedoch mutwillig erfolgte Inanspruchnahme von Behördenkapazitäten zwangsläufig zu Lasten der Position redlicher Antragsteller auswirken.

Diese Gesichtspunkte seien unter Beachtung der Regelungsintention des § 35 AVG bei der Bemessung der Sanktionshöhe als erschwerend zu werten. Unter Verweis auf eine rechtskräftige Entscheidung des BVwG (BVwG vom 04.12.2019, W 195 2224837-1/3E) sei die verhängte Mutwillenstrafe gerechtfertigt.

Aber auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) handle iSd § 35 AVG mutwillig, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und der Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wende. Darüber hinaus verlange das Gesetz, dass der Mutwille offenbar sei. Dies sei dann anzunehmen, wenn die wider besseres Wissen erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschehe, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar sei. (vgl. VwGH vom 16.02.2012, 2011/01/0271, VwSlg. Nr. 18.337 A/2012, mwN.)

Zu Lasten der BF sei der verursachte Vermögensschaden auf Seiten des Bundes als Rechtsträger des BFA zu berücksichtigen. Durch die Stellung eines grundlosen Asylantrages sowie durch die zur Klärung des tatsächlich vorliegen Sachverhalts erforderlichen Ermittlungsschritte beanspruchte die BF erhebliche personelle Ressourcen der erkennenden Behörde.

Nicht zuletzt sei bei einem derartigen Verhalten der schädliche Effekt auf die Verfahrensdauer in den Verfahren über Anträge anderer Asylwerber zu beachten. Ein solches Verhalten muss sich nämlich mit seiner durch eine langjährige, letztlich jedoch mutwillig erfolgte Inanspruchnahme von Behördenkapazitäten zwangsläufig zu Lasten der Position redlicher Antragsteller auswirken.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde.

Diese, vom rechtsfreundlichen Vertreter der BF eingebrachte Beschwerde begründet sich mit dem Umstand, dass der Spruch des Bescheides "völlig unzureichend" sei, weil nicht hervorgehe, aus welchen Gründen die Verwirklichung des Tatbestandes der Mutwillensstrafe verhängt wurde.

Darüber hinaus habe die belangte Behörde eine antizipierende Beweiswürdigung vorgenommen. Hätte die belangte Behörde die näheren Umstände des Falles berücksichtigt, hätte sie nie eine Mutwillensstrafe verhängen dürfen. Erläuternd dazu wird ausgeführt, dass die BF aus gesundheitlichen Gründen mit ihrer behinderten Tochter aus Armenien geflohen sei und danach in Österreich selbst gesundheitlich beeinträchtigt war. Sie sei zu ihrem Sohn nach Österreich gereist, welcher ebenfalls unter falschen Namen hier lebe, um die Tochter versorgt zu wissen für den Fall, dass der BF etwas zustoßen würde. Nach Angaben in der Beschwerde hätte bei Angabe des Herkunftsstaates XXXX " die BF davon ausgehen konnte, dass (laut Beschwerde): "... ihr und ihrer Tochter das Recht eingeräumt wird in Österreich zu bleiben.".

Auch die "Strafhöhe" mit ? 500,- sei zu hoch bemessen. Die besonderen Umstände des Falles, insbesondere das Motiv der "schwerbehinderten Tochter", sei völlig außer Acht gelassen worden. Es müsse die Strafe tat- und schuldangemessen sein.

Es wurde daher der Antrag gestellt, das Bundesverwaltungsgericht wolle der Beschwerde Folge geben, den angefochtenen Bescheid aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen; in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an die Erstbehörde zurückverweisen; in eventu die Strafe schuld- und tatangemessen herabzusetzen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin stellte unter falscher Identität und Angabe einer falschen Nationalität (staatenlos, in weiterer Folge Aserbaidschan, sodann Armenien) einen Asylantrag in Österreich. Der BF wurde unter diesen Angaben ( XXXX ) vom BFA subsidiärer Schutz gewährt.

Die BF hat ihre (nunmehrige) Identität und Nationalität erst nach Erlangung des subsidiären Schutzes bekannt gegeben, was zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens durch das BFA führte.

Die BF hat vorsätzlich und mutwillig österreichische Behörden und Gerichte durch falsche Angaben, um dadurch eine Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet zu erlangen, behindert und in Anspruch genommen.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen, beinhaltend insbesondere den Bescheid und die diesen zu Grunde liegenden Akteninhalte hinsichtlich der Verhängung der Mutwillensstrafe des BFA vom 18.02.2020 sowie die verfahrensgegenständliche Beschwerde an das BVwG vom 23.03.2020.

Der Sachverhalt ist letztlich unstrittig und im für eine Beurteilung erforderlichen Ausmaß dargetan, weshalb von weiteren Erhebungen abgesehen werden konnte.

Es liegen keine Gründe vor an der Richtigkeit der Ermittlungsergebnisse, insbesondere an dem vom BFA im angefochtenen Bescheid übersichtlich zusammengefassten Sachverhalt, welchem die BF in der Beschwerde nicht entgegentreten ist, Zweifel zu erheben.

Die BF bediente sich über einen längeren Zeitraum in Verwaltungsverfahren einer falschen Identität und einer falschen Nationalität.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

3.1. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

§ 35 AVG lautet:

"Gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann die Behörde eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen."

Die Verhängung der Mutwillensstrafe soll die Behörde vor Behelligung, die Partei aber vor Verschleppung der Sache schützen (VwGH 22.1.1930, 439/29, VwSlg. 15960 A, ebenso 24.3.1997, 95/19/1705, oder 23.3.1999, 97/19/0022).

Bei der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG, handelt es sich wie bei der Ordnungsstrafe nach § 34 AVG, nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um ein Mittel zur Sicherung einer befriedigenden, würdigen und rationellen Handhabung des Verwaltungsverfahrens, sohin um ein Disziplinarmittel. Das Verwaltungsstrafgesetz im Verfahren betreffend die Verhängung von Mutwillensstrafen findet daher grundsätzlich keine Anwendung, mit Ausnahme der in § 36 AVG ausdrücklich vorgesehenen Vorschriften über den Strafvollzug (§§ 53 bis 54d VStG). Daraus folgt, dass weder Bestimmungen über die Strafbemessung, über die Verjährung oder die Sprucherfordernisse hinsichtlich der Umschreibung der Tat, noch die Verjährungsbestimmungen des bürgerlichen Rechtes im Bereich des öffentlichen Rechtes unmittelbar oder analog anwendbar sind. Dahinter steckt auch die verfolgte Absicht des Gesetzgebers das Verwaltungsverfahren zu beschleunigen (vgl. VwGH 4.09.1973, 1665/72, VwSlg. Nr. 8448 A/1973, 30.05.1994, 92/10/0469, VwSlg 14.064 A/1994; 20.05.2009, 2007/07/0119; Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 1 und 6).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt mutwillig im Sinne des § 35 AVG, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseren Wissens erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist (VwGH 18.4.1997, 95/19/1707; 27.5.1999, 97/02/0345; 16.2.2012, 2011/01/0271; vgl. hiezu auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 2).

Der Tatbestand des § 35 AVG kann - außer durch die offenbar mutwillige Inanspruchnahme der Behörde - auch noch dadurch verwirklicht werden, dass in der Absicht, die Angelegenheit zu verschleppen, unrichtige Angaben gemacht werden (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 4).

Strafbar gemäß § 35 AVG ist jede (prozessfähige) "Person", welche die Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen hat (das Anbringen eingebracht) [vgl. VwGH 24.3.1997, 95/19/1705; 18.4.1997, 95/19/1707] oder in Verschleppungsabsicht dieser gegenüber unrichtige Angaben gemacht hat. Dabei kann es sich nur um Menschen handeln, welche an die Behörde herantreten oder auf die sich eine Amtshandlung bezieht, nicht hingegen um Organwalter der den Bescheid erlassenden Behörde.

Mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen ist mit äußerster Vorsicht umzugehen. Ein derartiger Vorwurf ist nur dann am Platz, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibt; die Verhängung einer Mutwillensstrafe kommt demnach lediglich im "Ausnahmefall" in Betracht (vgl. VwGH 29.06.1998, 98/10/0183 VwSlg. 18.337 A/2012; 21.05.2019, Ra 2018/19/0466).

Insgesamt hat die BF eine falsche Identität sowie auch eine falsche Nationalität angegeben.

Die BF beantragte internationalen Schutz unter falschem Namen und Herkunftsstaat vor den österreichischen Behörden und ließ das BFA dadurch im falschen Glauben, dass sie rechtmäßig staatenlos bzw in weiterer Folge Angehörige von Aserbaidschan sei.

Die Voraussetzungen zur Verhängung der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG sind im vorliegenden Fall grundsätzlich gegeben:

Gegenständlich liegt die offenbare Mutwilligkeit des prozessualen Verhaltens der BF darin begründet, dass sie einen falschen Namen und eine falsche Staatsbürgerschaft bzw. die Staatenlosigkeit angab, um die Realität zu verschleiern. Dies hatte für die Behörde zusätzliche aufwändige Recherchen zur Folge.

Damit behelligte die BF mit falschen Angaben zu ihren Anträgen sowohl das Bundesasylamt als auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorsätzlich und mutwillig. Darüber hinaus zeigt - wie die Aufstellung des BFA eindrucksvoll darlegt - die wiederholte, regelmäßige Antragstellung hinsichtlich Verlängerung von Fristen und Verschiebungsanträgen zu Einvernahmen den Versuch der BF, Zeit zu gewinnen und damit das Verfahren zu verzögern.

Die Mutwilligkeit ist darin zu sehen, dass sich die BF im Bewusstsein der Unrichtigkeit mit einem falschen Namen und falschen Herkunftsstaat auswies. Die tatsächliche Grund- und Aussichtslosigkeit bzw. die Zweck- und die Nutzlosigkeit ihrer dergestalt behaupteten Identität war der BF jedenfalls bewusst und die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, war für jedermann erkennbar. Dies manifestiert sich auch in der vom Bundesverwaltungsgericht erfolgten Ablehnung, einer Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA vom 28.11.2019 die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Entgegen der Ansicht der BF in der Beschwerde sei darauf verwiesen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides ausreichend bestimmt ist. Im Verfahren um Verhängung einer Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG geht es - entgegen der Ansicht der rechtsfreundlich vertretenen BF - nicht um ein "Verwaltungsstrafverfahren", sondern um eine Ordnungsstrafe. Die Grundlagen für die Verhängung dieser Ordnungsstrafe ist im Zusammenhang mit der Begründung des Bescheides in mehr als ausreichender Weise dokumentiert und es sind letztlich die multiplen Verstöße der BF gegen ihre Verpflichtung, an einem raschen und geordneten Verwaltungsverfahren mitzuwirken, die die Höhe der Ordnungsstrafe rechtfertigen. Wie der Bescheidbegründung zweifelsfrei entnommen werden kann, handelt es sich gegenständlich nicht nur um das derzeit laufende Verfahren zur Erlangung internationalen Schutzes, sondern um die Verfahren seit 2013, welche penibel in der Bescheidbegründung dargelegt wurden.

Abgesehen von der Mutwilligkeit ihres prozessualen Verhaltens kann der BF darüber hinaus eine Verschleppung des Asylverfahrens bzw. der Durchsetzung des abweisenden Asylbescheides zur Last gelegt werden, da sie ganz offenkundig bezweckte, die Behörden bei der weiteren Bearbeitung der Asylentscheidungen in die Irre zu leiten bzw. weitere Schritte in Gang zu setzen, um eine rasche Entscheidung zu vereiteln.

In Zusammenschau der chronologischen Hergänge bleibt nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung, als die Abschiebung zu verhindern sowie einen illegalen Aufenthalt in Österreich zu prolongieren und kommt gerade in dieser Konstellation die Verhängung der Mutwillensstrafe im "Ausnahmefall" in Betracht. Daran mag auch die zweifelsfrei schwierige Familienkonstellation mit einer behinderten Tochter nichts zu ändern. Die Begründung in der Beschwerde, dass die BF gezwungen gewesen wäre, einen falschen Namen anzugeben, weil ihr Sohn seit längerem unter einem falschen Namen in Österreich weilte, unterstreicht die vorsätzliche und verwerfliche Absicht der BF, gemeinsam mit dem Rest der Familie das österreichische Asylsystem auszunutzen. Dies lässt den erforderlichen Respekt gegenüber der österreichischen Rechtsordnung vermissen.

Vor diesem Hintergrund sind die Voraussetzungen zur Verhängung einer Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG grundsätzlich gegeben, da die BF die Behörde offenbar mutwillig beschäftigte sowie in Absicht der Verfahrensverschleppung bzw. zur Vereitelung der Durchsetzung abweisender Asylbescheide unrichtige Angaben gemacht hat.

Zur Höhe der verhängten Mutwillensstrafe ist auszuführen, dass diese, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen des Höchstbetrages in der Höhe von EUR 726,00, derart zu bemessen ist, dass der Täter von weiterem derartigem Fehlverhalten abgehalten wird (vgl. VwGH 11.11.1998, 98/12/0411; Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 6).

Das BVwG sieht aufgrund der vorsätzlichen, in rechtsmissbräuchlicher Absicht und über einen Zeitraum von mehreren Jahren gesetzten Täuschungshandlungen der BF, keine Veranlassung die vom BFA festgesetzte Strafhöhe zu reduzieren. Die BF lässt den Respekt vor der österreichischen Rechtsordnung vermissen und drückt sich dies auch in der durch Uneinsichtigkeit in der Beschwerde geprägte Argumentation bzw. Begründung aus. Angesichts des Fehlverhaltens kann davon ausgegangen werden, dass vor dem Hintergrund der geforderten präventiven Wirkung der verhängten Mutwillensstrafe, die Höhe der Strafe und das gesetzte Verhalten in entsprechender Relation stehen.

Schließlich ist zu Lasten der BF auch der von ihr verursachte Vermögensschaden auf Seiten des Bundes zu berücksichtigen. Die BF beanspruchte finanzielle als auch personelle Ressourcen der Behörden und Gerichte in einem hohen Ausmaß. Die BF hat die Republik Österreich durch rechtswidrige Anträge bewusst und vorsätzlich geschädigt.

Nicht zuletzt gilt es zu beachten, dass sich die Inanspruchnahme von Behördenkapazitäten durch das mutwillige Verhalten der BF zwangsläufig zu Lasten redlicher Antragsteller auswirkt.

Diese Gesichtspunkte sind unter Beachtung der Regelungsintention des § 35 AVG bei der Bemessung der Höhe der Mutwillensstrafe als erschwerend zu werten. Zusätzlich mildernde Umstände, welche nicht bereits vom BFA bemessen wurden, gehen keine hervor.

In diesem Zusammenhang sei festgestellt, dass es sich gegenständlich nicht um eine Verwaltungsstrafsache handelt, sondern um die Bemessung einer Mutwillensstrafe. Der Antrag, das "Verwaltungsstrafverfahren" einzustellen, geht somit ins Leere.

Aus dem Gesagten konnte auch die Einkommenssituation der BF bei der Bemessung der Strafhöhe nicht weitergehend zu ihren Gunsten berücksichtigt werden. Dazu kommt, dass - nach Maßgabe des § 36 zweiter Satz AVG - § 19 Abs. 2 VStG nicht anwendbar ist. Es liegt auch sonst keine gesetzliche Grundlage vor, die es zwingend erfordern würde, die Einkommens- Vermögens- und Familienverhältnisse in die Strafbemessung einfließen zu lassen (VwGH 20.05.1994, 92/10/0469, VwSlg. 14.064 A/1994).

Zur Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung:

In Bezug darauf, dass nach § 24 Abs. 4 VwGVG das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen kann, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen, konnte im gegenständlichen Fall von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil das Gericht einerseits bereits einen dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalt annehmen konnte, der mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Einklang ist (der Sachverhalt insoweit, soweit relevant, also unstrittig ist) bzw. soweit dem Vorbringen nicht gefolgt wurde, einen Sachverhalt annehmen konnte der von der BF nicht hinreichend substantiiert bestritten wurde.

Die BF hat eine mündliche Verhandlung auch nicht beantragt.

Das Gericht konnte so aufgrund der Akten und des schriftlichen Vorbringens entscheiden, ohne dass dies eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 MRK oder Art. 47 GRC bedeutet hätte; eine Rechtsfrage, die für sich genommen einer Erörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung bedurft hätte, wurde nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 20.03.2014, 2013/07/0146, 17.02.2015, Ra 2015/09/0007).

Aus den Gesetzesmaterialien zur Bestimmung des § 24 VwGVG ergibt sich im Übrigen, dass eine mündliche Verhandlung, soweit sie ausschließlich der Klärung der Rechtsfrage dienen würde, nicht geboten sein soll (vgl. RV 1255 BlgNR 25. GP, 5; auch VwGH 19.09.2017, Ra 2017/01/0276).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung hinsichtlich der Verhängung einer Mutwillensstrafe von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylverfahren Bund Identität Missbrauch Mutwillen Mutwillensstrafe Strafbemessung Täuschung unrichtige Angaben Verfahrensdauer Verfahrensökonomie Vermögensnachteil vorsätzliche Begehung vorsätzliche Täuschung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W195.2172322.3.00

Im RIS seit

15.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten