Entscheidungsdatum
17.06.2020Norm
AlVG §1Spruch
W228 2219983-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Poppenberger sowie Franz KOSKARTI als Beisitzer in der Beschwerdesache von XXXX , SV XXXX , vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 10.05.2019, GZ: XXXX , in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Das Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz (im Folgenden: AMS) hat mit Bescheid vom 10.05.2019, Zl. XXXX , im Spruchpunkt I. die Anträge von Mag. XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) auf Erlassung von Feststellungsbescheiden vom 23.07.2018 sowie vom 10.08.2018 als unzulässig zurückgewiesen. Im Spruchpunkt II. wurden die Säumnisbeschwerdeverfahren aufgrund der Säumnisbeschwerden vom 28.02.2019 sowie vom 26.03.2019 wegen Erreichung des Rechtsschutzzieles (aufgrund der Erledigung durch Spruchpunkt I.) eingestellt.
Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass im gegenständlich relevanten Zeitraum (19.07.2018 bis 07.08.2018) beim AMS kein die Beschwerdeführerin betreffendes Verwaltungsverfahren anhängig gewesen sei und somit die Aufnahme einer Niederschrift bzw. Verhandlungsschrift nicht geboten gewesen sei. Ebenso sei es denkunmöglich gewesen, der Beschwerdeführerin ein Recht auf Parteiengehör einzuräumen, da überhaupt kein solches Verfahren existent gewesen sei. Aus diesen Erwägungen würden sich die verfahrensgegenständlichen Anträge der Beschwerdeführerin auf Erlass von Feststellungsbescheiden als unzulässig erweisen.
Gegen diesen Bescheid hat die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 11.06.2019 fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass der gegenständlich angefochtene Bescheid das Recht der Beschwerdeführerin auf Erlassung eines Feststellungsbescheides verletze. Der Zweck der Meldepflicht nach § 49 AlVG bestehe in der Sicherstellung, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe bestehe. Die Meldung diene daher der Kontrolle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsbezug. Es sei klar hervorzuheben, dass der Vollzug des AlVG eine behördliche Aufgabe darstelle. Spätestens seit dem Zeitpunkt der Antragstellung der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld nach dem AlVG bestehe ein Verwaltungsverfahren, andernfalls diese keine Kontrolltermine wahrnehmen müsste. Es handle sich bei den Kontrollterminen daher um eine Beweisaufnahme im Zuge des Verwaltungsverfahrens vor dem AMS gemäß den Bestimmungen des AlVG. Mit dem Verfahrensgrundsatz des Parteiengehörs sei gemeint, dass es den Parteien ganz allgemein (und nicht nur im Beweisverfahren selbst) iSd § 37 AVG ermöglicht werde, ihre Rechte geltend zu machen. Zudem räume auch § 14 AVG einem Beteiligten das Recht auf Ausstellung einer Niederschrift ein. Eine Nichtausfertigung der Niederschrift beschränke die betroffene Person in ihren Rechten.
Die Beschwerdesache wurde gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 13.06.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 15.01.2020 der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin das Beschwerdevorlageschreiben des AMS übermittelt. Darüber hinaus wurde um Darlegung des rechtlichen Interesses der Beschwerdeführerin an verfahrensgegenständlichen Feststellungsanträgen ersucht.
Am 30.01.2020 langte eine mit 29.01.2020 datierte Stellungnahme der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde ausgeführt, dass Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, gemäß § 8 AVG Beteiligte, somit Parteien, seien. Parteien hätten jedenfalls ein rechtliches Interesse am Ausgang des Verfahrens. Die gegenständlichen Feststellungsanträge seien jedenfalls vom rechtlichen Interesse mitumfasst, da die Beschwerdeführerin durch ihre Feststellungsanträge ihre gesetzlich normierten Rechte wahrnehmen habe wollen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Die Beschwerdeführerin hat am 19.07.2018 anlässlich einer Kontrollmeldung nach § 49 AlVG beim AMS vorgesprochen.
Am 23.07.2018 hat die Beschwerdeführerin beim AMS einen „Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides“ eingebracht und die Feststellung begehrt, „welche sachlichen und gesetzlichen Gründe es dafür gibt, dass ihr als Partei des Verwaltungsverfahrens die gesetzlich vorgesehene Vorlage der Verhandlungsschrift verweigert werden darf“.
Am 07.08.2018 hat die Beschwerdeführerin anlässlich einer Kontrollmeldung nach § 49 AlVG erneut beim AMS vorgesprochen.
Am 10.08.2018 hat die Beschwerdeführerin beim AMS einen „Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides“ eingebracht und die Feststellung begehrt, „welche sachlichen und rechtlichen Gründe vorliegen, aufgrund derer ihr das Parteiengehör und damit das in der Verfassung verankerte Recht auf ein faires Verfahren verweigert werden darf, sowie in welcher Funktion Herr XXXX beim Termin am 07.08.2018 tätig war, ob als Mitarbeiter der Bundesbehörde AMS oder als Mitarbeiter eines privaten Unternehmens“.
Am 28.02.2019 hat die Beschwerdeführerin eine (ihren Antrag vom 23.07.2018 betreffende) Säumnisbeschwerde beim AMS eingebracht. Begründend wurde ausgeführt, dass durch das AMS der von ihr begehrte Bescheid nicht erlassen worden sei und die Beschwerdeführerin durch die Untätigkeit der Behörde in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung verletzt worden sei. Die Verzögerung sei auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen, da diese weder durch ein schuldhaftes Verhalten der Beschwerdeführerin noch durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert gewesen wäre.
Am 26.03.2019 hat die Beschwerdeführerin eine (ihren Antrag vom 10.08.2018 betreffende) Säumnisbeschwerde - mit derselben wie in der Beschwerde vom 28.02.2019 ausgeführten Begründung - beim AMS eingebracht.
Das Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz (im Folgenden: AMS) hat mit Bescheid vom 10.05.2019, Zl. XXXX , im Spruchpunkt I. die Anträge von Mag. XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) auf Erlassung von Feststellungsbescheiden vom 23.07.2018 sowie vom 10.08.2018 als unzulässig zurückgewiesen. Im Spruchpunkt II. wurden die Säumnisbeschwerdeverfahren aufgrund der Säumnisbeschwerden vom 28.02.2019 sowie vom 26.03.2019 wegen Erreichung des Rechtsschutzzieles (aufgrund der Erledigung durch Spruchpunkt I.) eingestellt.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der belangten Behörde.
Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und ist unstrittig. Vorliegend handelt es sich um die Beurteilung einer reinen Rechtsfrage.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin das AMS Wien Esteplatz.
§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung des § 56 Abs. 2 AlVG normiert ist, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören, zu entscheiden ist, liegt im vorliegenden Fall Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.
Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin – wie festgestellt - die Erlassung von Feststellungsbescheiden beantragt.
Ein Feststellungsbescheid dient im Allgemeinen der – verbindlichen – Klarstellung, ob ein strittiges Recht(sverhältnis) besteht oder nicht.
Zum einen dürfen die Behörden dann von Amts wegen einen solchen Feststellungsbescheid erlassen, wenn dieser im öffentlichen Interesse liegt. Zum anderen besteht auch ohne besondere Rechtsgrundlage ein Rechtsanspruch auf Feststellung strittiger Rechts(verhälntisse) auf Antrag einer Person, die ein rechtliches Interesse an einer solchen Feststellung hat (vgl. auch Hengstschläger-Leeb, AVG, § 56 Rz 75ff). Ein hinreichendes Interesse an einer bescheidförmigen Feststellung ist dann anzunehmen, wenn die betreffende Feststellung – im Zeitpunkt der Bescheiderlassung – für die Partei im Einzelfall ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung bzw. Rechtsverfolgung darstellt.
Die Beschwerdeführerin konnte – trotz Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht vom 15.01.2020 – ihr rechtliches Interesse an den verfahrensgegenständlichen Feststellungsanträgen nicht darlegen.
Bei den in den Feststellungsanträgen der Beschwerdeführerin angeführten Fragestellungen, ob es sich um ein Verwaltungsverfahren handle, ob eine Verhandlungsschrift zu erstellen sei, ob Parteiengehör zu gewähren sei oder abschließend, ob eine näher genannte Person als Mitarbeiter einer Bundesbehörde oder eines privaten Unternehmens handle, handelt es sich um abstrakte Rechtsfragen, die nicht von einem subjektiven-öffentlichen Interesse der Beschwerdeführerin gedeckt sind. In der Stellungnahme der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin vom 29.01.2020 wurden keine näheren Ausführungen hinsichtlich des von der Beschwerdeführerin verfolgten subjektiven-öffentlichen Interesses getätigt.
Festzuhalten ist, dass der Feststellungsbescheid bloß einen subsidiären Rechtsbehelf darstellt (vgl. VwGH vom 29.03.1993; Z. 92/10/0039; VwGH vom 27.01.2004, Zl. 2000/10/0062). Es fehlt an einem Feststellungsinteresse, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens „entschieden“, das heißt genau genommen gelöst werden kann. Feststellungsverfahren sind im Verhältnis zu Leistungsverfahren subsidiär und ist im gegenständlichen Fall nicht ersichtlich, welches potentielle subjektive-öffentliche Interesse der Beschwerdeführerin nicht in einem Leistungsverfahren geklärt werden kann. Konkrete negative Folgen, welche sich z.B. auf die Leistung nach AlVG auswirken würden, wurden seitens der Beschwerdeführerin nicht dargelegt.
Soweit die Beschwerde die Entscheidung des VwGH vom 20.12.2005, 2005/12/0157, referenziert, so ist eine Relevanz dieser Entscheidung im konkreten Fall nicht gegeben. Dort ging es um eine Versetzung und eine Einstellung der Verwendungszulage einer Beamtin. Hier geht es um ein Verfahren im Anwendungsbereich der Arbeitslosenversicherung. Dort wurde per Bescheid in die Rechtsposition der Beschwerdeführerin eingegriffen und das Parteiengehör nicht gewahrt. Fallgegenständlich wurde ein Eingriff in die Rechtsposition der Beschwerdeführerin nicht dargetan.
Die belangte Behörde hat daher die Anträge der Beschwerdeführerin auf Erlassung von Feststellungsbescheiden vom 23.07.2018 sowie vom 10.08.2018 als unzulässig zurückgewiesen.
Am 28.02.2019 und am 26.03.2019 hat die Beschwerdeführerin jeweils eine (ihren Antrag vom 23.07.2018 bzw. 23.07.2018 betreffende) Säumnisbeschwerde beim AMS eingebracht.
Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Behörde innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen. Da im gegenständlichen Fall die Bescheiderlassung innerhalb der gesetzlich normierten Frist mit Bescheid vom 10.05.2019 erfolgt ist, hat die belangte Behörde zu Recht die Säumnisbeschwerdeverfahren eingestellt.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Entscheidungsfrist Feststellungsantrag rechtliches Interesse Säumnisbeschwerde ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W228.2219983.1.00Im RIS seit
04.09.2020Zuletzt aktualisiert am
04.09.2020