TE OGH 2020/7/7 5Ob94/20i

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Veröffentlicht am 07.07.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. S*****, vertreten durch die Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH, Linz, gegen die beklagte Partei B***** AG *****, vertreten durch Dr. Anke Reisch, Rechtsanwältin in Baden, wegen 91.737,71 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 6. April 2020, GZ 4 R 18/20h-62, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat die Grundsätze der Rechtsprechung zu Grundlagen und Grenzen von – sich hier aus dem Vertragsverhältnis des Klägers und der Beklagten als Betreiberin eines zu einer Bergbahn gehörenden gebührenpflichtigen Parkplatzes ergebenden – Schutz- und Sorgfaltspflichten zutreffend dargestellt (vgl nur RIS-Justiz RS0021735). Danach muss der Verkehrssicherungspflichtige den Verkehrsbereich für die befugten Benützer zwar in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand erhalten und diese vor Gefahren schützen. Die Verkehrssicherungspflicht findet ihre Grenze aber in der Erkennbarkeit der Gefahr (RS0023801; RS0023442) sowie in der Zumutbarkeit ihrer Abwehr (RS0023397). Welche Sicherheitsvorkehrungen erforderlich sind, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0111380); damit sind erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO in der Regel nicht verbunden. Eine im Einzelfall vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht vermag der Kläger in seinem außerordentlichen Rechtsmittel nicht aufzuzeigen.

2. Auch im Zusammenhang mit der Streupflicht sind objektive Gesichtspunkte maßgeblich; die Grenze der Streupflicht orientiert sich einerseits an den Verkehrsbedürfnissen, andererseits an der Zumutbarkeit für den Streupflichtigen (RS0023277). Berücksichtigt man, dass der Parkplatz täglich in den frühen Morgenstunden von einem Salzstreuwagen befahren wird und ein Mitarbeiter der Beklagten den Bereich, wo der Kläger später stürzte, zwischen 09:00 Uhr und 09:30 Uhr – als dort noch keine Fahrzeuge geparkt waren – mit mindestens zehn Schaufeln Splitt bestreut hat, weil sich dort eine Eisplatte befand, ist es im Einzelfall nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine haftungsbegründende Sorgfaltspflichtverletzung verneinte, weil der Beklagten eine (neuerliche) Streuung zwischen den später dort abgestellten Fahrzeugen nicht zuzumuten gewesen sei (vgl 1 Ob 115/17v). Warum diese Ansicht unverständlich sein soll, weil das aufgebrachte Streugut wegen der tagsüber herrschenden Temperaturen über dem Gefrierpunkt teilweise einsank, kann nicht nachvollzogen werden, weil bei der aufgebrachten Streugutmenge keineswegs darauf geschlossen werden kann, dass dessen rutschhemmende Wirkung bis zum Eintreffen des Klägers am Parkplatz zwischen 12:00 Uhr und 12:20 Uhr jedenfalls verloren gegangen wäre. Fest steht auch, dass der Kläger mit geschlossenen Schischuhen zwischen den geparkten Autos in Richtung Liftkasse ging, obwohl ihm ein Ausweichen auf die trockenen Fahrwege leicht möglich gewesen wäre, und er dabei das aufgebrachte Streugut auch wahrgenommen hat. Dass auf Eisreste aufgebrachter Splitt keine vollkommene Sicherheit bietet, wie das Berufungsgericht ausführte, ist lebensnah. Er ist aber zumindest geeignet, die Aufmerksamkeit auf eine potenziell gefährliche Stelle zu lenken. Der Umfang und die Intensität von Verkehrssicherungspflichten richtet sich aber auch danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer vorhandene Gefahren selbst erkennen und ihnen begegnen können (RS0023726). Sie kann auch entfallen, wenn sich jeder selbst schützen kann, weil die Gefahr leicht, also ohne genauere Betrachtung erkennbar war (RS0114360).

3. Die vom Halter eines Parkplatzes im Rahmen vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten zu verlangenden Maßnahmen, etwa die Räumung von Schnee und die

Streuung (eis-)glatter Flächen, müssen zumutbar sein (RS0023558). Ausgehend davon bedarf die Auffassung des Berufungsgerichts, die Forderung des Klägers, die Beklagte hätte den von ihr betriebenen Parkplatz zur Gänze eisfrei halten müssen, überspanne die an den Betreiber eines Parkplatzes in einem Schigebiet gestellten Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht, auch keiner Korrektur im Einzelfall. Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang meint, es sei nicht festgestellt worden, dass auf dem Parkplatz in der Nacht Autos abgestellt gewesen seien, und auf die Aussage eines Zeugen verweist, nach der die Beklagte über ein eigenes Fahrzeug zur Schneeräumung verfüge, übersieht er, dass auch daraus nicht abzuleiten ist, die von ihm gewünschte Eisfreiheit sei mit zumutbarem Aufwand herzustellen. Selbst nach dem Einsatz des Räumgeräts verbleiben Flächen, die mit Splitt bearbeitet werden müssen, was an der Unfallstelle ohnedies geschehen ist.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E128985

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00094.20I.0707.000

Im RIS seit

03.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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