TE Bvwg Beschluss 2020/5/7 G304 2168667-2

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Veröffentlicht am 07.05.2020
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Entscheidungsdatum

07.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §57
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

G304 2168667-2/10E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2019, Zl. XXXX, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 19.03.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) auf internationalen Schutz vom 12.12.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener zurückgewiesen (Spruchpunkt I.), dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen, gemäߧ 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt II.), ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), und ausgesprochen, dass dem BF gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 aufgetragen wurde, ab 12.12.2018 in einem bestimmten näher angeführten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt V.)

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Am 15.04.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist irakischer Staatsangehöriger.

1.2. Am 17.10.2015 stellte der BF im Bundesgebiet seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des BFA vom 02.08.2017 wurde dieser Antrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten, als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigen abgewiesen, und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen.

Nach Erhebung einer Beschwerde dagegen wurde diese mit Erkenntnis des BVwG vom 22.08.2018 als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde dem Rechtsvertreter des BF am 24.08.2018 zugestellt.

1.3. Am 12.12.2018 stellte der BF seinen zweiten, den verfahrensgegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz.

1.3.1. Der BF brachte in seiner Erstbefragung, in welcher eine muslimisch-sunnitische Glaubensrichtung des BF festgehalten wurde, vor, die alten Fluchtgründe aus seinem vorherigen Asylverfahren seien noch aufrecht, und fügte hinzu:

"Ich möchte noch ergänzen, dass ich eine sehr schlechte Kopie hatte, wo darauf stand, dass ich 6 Jahre beim Militär im Irak war. Ich kann jetzt eine bessere Kopie besorgen. Es gibt ein Schreiben das beweist, dass ich umgebracht werde, sollte ich in den Irak zurückkehren. Ich habe keine weiteren Gründe für eine Asylantragstellung."

1.3.2. Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 27.12.2018 brachte der BF, aufgefordert, seine Fluchtgründe aus dem Vorverfahren zusammenzufassen, vor:

"Ich war Soldat, ich habe in der Armee gedient, Ich habe beim Geheimdienst gearbeitet, aber als der IS alles übernommen hat, wurde ich auf eine Liste gesetzt. Ich habe für den Nachrichtendienst gearbeitet für die reguläre irakische Armee. Nachdem der IS alles übernommen hat, wussten sie, wer was gemacht hat."

Der BF gab, befragt danach, ob die Fluchtgründe aus seinem vorherigen Asylverfahren noch aufrecht seien, an:

"Ja ich habe noch dieselben Gründe, aber ich habe noch Nachrichten erhalten. Weiters sind alle, die in den Irak zurückgekehrt sind, verschwunden."

Die Frage, ob der BF diesen Grund bereits im Vorverfahren angesprochen und als Fluchtgrund genannt habe, beantwortete der BF mit "Ja".

Befragt, warum er sich nunmehr eine anderslautende Entscheidung erwarte, sei doch im Vorverfahren eine negative Entscheidung ergangen, gab der BF an:

"Genau das was ich vorher gesagt habe. Ich kann alles vorlegen. Ich habe auch Telefonnummern. Einige die in derselben Situation waren wie ich und in den Irak gegangen sind, sind verschwunden. Mir wird genau das gleiche passieren. Ich werde vom Verteidigungsministerium gesucht. Als Schiit werde ich von der Miliz gesucht. Ich werde im Irak getötet."

1.3.3. Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 30.01.2019 brachte der BF, aufgefordert, seine Fluchtgründe aus seinem vorherigen Asylverfahren anzugeben, vor:

"Der IS ist in der Stadt Mosul einmarschiert und ich war zu diesem Zeitpunkt bei der Armee tätig und speziell bei der Nationalgarde des irakischen und amerikanischen Militärs. Ich war in dieser Garde in einer Einheit des Geheimdienstes. Jeder, der bei der irakischen Armee tätig ist, wird vom IS verfolgt und getötet. Wenn derjenige auch noch bei den Amerikanern im Irak arbeitet, wird dieser noch mehr verfolgt und getötet."

Befragt, was im nunmehrigen Asylverfahren nun konkret seine Fluchtgründe seien, gab der BF an:

"Ich habe Beweismittel in Kopie vorgebracht, dass ich gesucht und verhaftet werde von der Miliz (....). Außerdem gelte ich als Fahnenflüchtling, weil ich in meiner Diensteinheit ferngeblieben bin. Nach den geltenden Gesetzen im Irak, gilt derjenige, der bei der irakischen Armee war und seine Einheit unerlaubt verlassen hat, als Verräter. Ich habe die Einheit verlassen als der IS kam. Die Strafe als Verräter ist eine Gefängnisstrafe von 7 Jahren und muss außerdem eine Geldstrafe bezahlen."

Befragt, ob die Beweise, die der BF vorgebracht habe, vom IS oder vom Militär seien, gab der BF an, sie würden von der Miliz Asa¿ib Ahl al Haqq stammen.

Bei den diesbezüglich vom BF vorgelegten Beweisen handelt es sich um Schreiben vom 07.10.2018 und 06.01.2019.

Befragt, woher er diese Beweise habe, gab der BF an:

"Mein Nachbar ist Polizist im Irak, hat mir das geschickt, dass ich gesucht werde und mich zu verhaften, mir das über What¿s App geschickt."

Es wurden Kopien von den vorgelegten Kopien angefertigt und die Originalkopien dem BF retourniert.

Später in der Einvernahme gab der BF an:

"Ich habe eine Kopie vom Militär, wenn man seine Einheit verlässt, eine 7-jährige Gefängnisstrafe droht."

Dieses Schriftstück wurde ebenfalls kopiert und dem Akt beigelegt.

Befragt, was er im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland befürchte, gab der BF an:

"Ich werde verhaftet, weil ich meine Einheit unerlaubt verlassen habe. Ich muss außerdem eine Geldstrafe bezahlen, ich werde namentlich von der Miliz gesucht und bin zu Verhaftung ausgeschrieben."

1.3.4. Angemerkt wird, dass im Zuge des vorherigen Asylverfahrens den Angaben des BF folgend von muslimisch-sunnitischer Glaubensrichtung des BF ausgegangen wurde, im nunmehrigen Asylverfahren in der Niederschrift der Einvernahme des BF vor dem BFA am 27.12.2018 jedoch die Angabe des BF, er sei als "Schiit" von der Miliz gesucht worden, festgehalten wurde.

Diesbezüglich dürfte es sich offenbar um einen auch vom BF bei der Übersetzung nicht wahrgenommenen versehentlichen Schreibfehler in der Niederschrift handeln, wurde doch wie im vorherigen auch im nunmehrigen Asylverfahren sowohl in der Erstbefragung als auch in der Beschwerde gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 19.03.2019 von der muslimisch-sunnitischen Glaubensrichtung des BF ausgegangen.

2. Beweiswürdigung:

Der Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen ergaben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1

B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung des Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.

Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebraucht macht.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).

3.2. Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals zu überprüfen (Hinweis EB E 26.4.1995, 92/07/0197, VwSlg 14248 A/1995); die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (VwGH 08.05.2008, Zl. 2004/06/0227).

3.3. Im gegenständlichen Fall berief sich der BF im nunmehrigen Asylverfahren auf dieselben Gründe wie im vorherigen Verfahren, und legte ergänzend zwei Schreiben bzw. Kopien vom 07.10.2018 und 06.01.2019 vor, die beweisen sollen, dass der BF seitens der schiitischen Miliz Asa¿ib Ahl al Haqq gesucht und verfolgt wird.

Da die im nunmehrigen Asylverfahren vorgelegten Beweismittel vom 07.10.2018 und 06.01.2019 jedenfalls nach Rechtskraft der negativen Beendigung des vorherigen Asylverfahrens entstanden sind, konnte die belangte Behörde im gegenständlichen Fall nicht von entschiedener Sache ausgehen.

Im fortgesetzten Verfahren werden somit bei der Prüfung vor dem Hintergrund entsprechender aktueller Länderberichte, ob das Vorbringen des BF, von der schiitischen Miliz Asa¿ib Ahl al Haqq verfolgt zu werden, glaubhaft ist, diese neu vorgelegten Beweismittel mit zu berücksichtigen sein.

Aufgrund mangelnder Ermittlungen war nicht nur Spruchpunkt I., sondern wegen Wegfalls der Grundlage für die weiteren Spruchpunkte mit Behebung von Spruchpunkt I. auch der weitergehende, somit der gesamte angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das BVwG selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, war nicht erkennbar.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da im gegenständlichen fall bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

aktuelle Länderfeststellungen Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G304.2168667.2.00

Im RIS seit

20.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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