TE Bvwg Beschluss 2019/7/25 L529 1258384-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.07.2019
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Entscheidungsdatum

25.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L529 1258384-3/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2019, Zl. XXXX :

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrenshergang

1. Der BF stellte am 10.08.2004 im Bundesgebiet einen Asylantrag, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.02.2055 gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und Abs. 2 Asylgesetz 1997 negativ entschieden wurde. Die dagegen erhobene Berufung (Beschwerde) wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 15.07.2009, Zl. D8 258384-6/2008/26E, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als die Ausweisung zielstaatsbezogen formuliert wurde.

2. Mit Bescheid der BPD Wien vom 12.03.2007 wurde gegen den BF gemäß § 63 Abs. 1 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der BF war u.a. wegen Diebstahlsdelikten zweimal zu einer 12-monatigen Haftstrafe verurteilt worden. Eine Haftentlassung erfolgte am 27.11.2009 und befand sich der BF mit seiner Lebensgefährtin in einem Rückehrprogramm der Caritas. Am 10.02.2010 teilte der BF mit, dass er sich mit seiner Lebensgefährtin in Georgien befinde.

3. Am 08.10.2012 wurde von Organen der LPD Wien festgestellt, dass sich die Lebensgefährtin des BF unrechtmäßig in Österreich aufhielt. Eine weitere männliche Person, die sich in der betreffenden Wohnung offenbar aufgehalten hatte, war geflüchtet.

4. Gemäß einem spanischen Meldeschein war der BF in der Zeit zwischen 18.12.2012 und 17.02.2015 in Spanien/Barcelona gemeldet.

5. Am 18.05.2014 wurde der BF wegen Diebstahlsdelikten inhaftiert und anschließend über ihn die Untersuchungshaft verhängt. Mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 15.10.2014, Zl.: 43 Hv 38/14k, wurde über den BF wegen §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2, 130 vierter Fall, 15 und 224a StGB eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verhängt. Das Oberlandesgericht Wien gab einer dagegen erhobenen Berufung keine Folge.

6. Der BF wurde am 20.06.2017 von einem Organ des BFA zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes sowie die Erlangung eines Heimreisezertifikates niederschriftlich einvernommen. In der Einvernahme gab er an, dass ein Termin für die Eheschließung mit seiner Lebensgefährtin für 07.08.2017 bestehe, die gemeinsame Tochter befinde sich bei seiner Mutter in Georgien. Die Lebensgefährtin wolle die Tochter aber jetzt nach Österreich holen.

7. Der BF wurde am 18.02.2018 aus der Haft entlassen.

8. Mit Ladungsbescheid vom 10.04.2019 wurde der BF zum BFA für 22.05.2019 geladen.

9. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Wien, wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt II.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebenden Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm § 53 Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).

10. Mit Schriftsatz vom 09.07.2019, eingebracht per Telefax, erhob der BF Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid.

Die Beschwerde führt aus, dass gegen den BF zu Unrecht ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen wurde. Der BF weise ein schützenswertes Privat- und Familienleben hier auf und hätte bei Abwägung der betroffenen Interessen eine Rückehrentscheidung dauerhaft für unzulässig erklärt werden müssen. Bei der für ein Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose sei das Gesamtverhalten des BF in Betracht zu ziehen gewesen und komme es auf das den Taten zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und die Schwere der Handlungen und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an.

Abschießend wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen sowie dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilen, in eventu die angeordnete Rückehrentscheidung aufheben und festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, das fünfjährige Einreiseverbot aufheben, in eventu verkürzen, in eventu den Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverweisen.

11. Die gegenständliche Beschwerde und die zugehörigen Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) - einlangend in der Außenstelle Linz am 19.07.2019 - vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Das BFA ermittelte ab der Einvernahme des BF am 20.06.2017 bloß ansatzweise bzw. sind die gesetzten Ermittlungsschritte völlig ungeeignet oder nicht vorhanden.

II.1.2. Zielführende Ermittlungen zum Familienleben des BF und zu seinem Privatleben sind aus den vorliegenden Verwaltungsakten nicht erkennbar.

II.1.3. Die Ermittlungen zu den den Verurteilungen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen durch das BFA sind mangelhaft. Das BFA führte unzureichende Ermittlungen zu den den Verurteilungen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen.

II.1.4. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht nicht fest; das Ermittlungsverfahren ist grob mangelhaft. Eine Sanierung binnen Wochenfrist ist nicht durchführbar.

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Zum hier relevanten Verfahrensgang im Detail:

Mit Schreiben vom 17.11.2016 teilte das BFA dem Landesgericht für Strafsachen mit, dass gegen den BF - dort eine Haftstrafe verbüßend - beabsichtigt sei, ein Einreiseverbot zu erlassen.

Mit Schreiben vom 24.05.2017 wurde dem BF mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot zu erlassen und der BF gleichzeitig aufgefordert, eine Stellungnehme einzubringen.

Mit Schreiben vom 05.06.2017 erstattete der BF eine solche Stellungnahme. Er teilte mit, dass er sich von 12.2012 bis April 2014 in Spanien aufgehalten habe. Nunmehr halte er sich seit April 2014 im Bundesgebiet auf. Er habe hier eine Lebensgefährtin, mit der er 17 Jahre ein gemeinsames Leben führe, diese habe eine Rot-Weiß-Rot-Plus Karte und wohne seit 2006 in Österreich.

Der BF sei aktuell vollzeitbeschäftigt, er lege eine Kopie des Arbeitgebers ("CARLA NORD" - Erzdiözese Wien) vor (AS 492, 493, 496).

Am 20.06.2017 wurde der BF von einem Organ des BFA niederschriftlich einvernommen. Er gab dabei an, dass er Ende März - Anfang April 2014 aus Spanien kommend hier eingereist sei. In Österreich lebe seine Lebensgefährtin und ihre Familie. Die Lebensgefährtin sei gerade in Georgien und beabsichtige, die gemeinsame Tochter nach Österreich zu bringen. Eine Eheschließung mit der Lebensgefährtin sei am 07.08.2017 beabsichtigt. Derzeit verfüge er über ein Einkommen von ? 625.

Die nächsten relevanten Verfahrensschritte sind 2 Aktenvermerke vom 22.03.2019 und vom 04.04.2017, womit unverzügliche Bearbeitung (es bestehe Berichtspflicht) und ehestmögliche Bescheiderlassung angeordnet wurde, bzw. der Bescheid sofort zu erlassen sei (trotz Parteiengehör v. 2017) (vgl. A 608, 609).

Mit Ladungsbescheid vom 10.04.2019 wurde der BF zum BFA für 22.05.2019 geladen. Eine Einvernahme fand nicht statt.

Mit 06.06.2019 wurde gegenständlicher Bescheid erlassen (Aktseiten 621 bis 641). Auf den Seiten 3 und 4 dieses Bescheides wurde ein Scann der Stellungnahme des BF vom 05.06.2017 eingefügt.

ie Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde.

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und der Beschwerde.

II.2.2. Der BF wurde zum Gegenstand des Verfahrens letztmalig am 20.06.2017 niederschriftlich befragt.

Zur unterbliebenen Einvernahme am 22.05.2019 findet sich auf Aktenseite 668 ein Aktenvermerkt, datiert mit 22.05.2019, mit folgendem Wortlaut:

- Der Fremde kommt ladungsgemäß zur Behörde und gibt an, keine EV durchführen zu wollen, da er keine Rechtfertigungsgründe zum Sachverhalt angeben kann

- Der Fremde ist verheiratet, jedoch gibt es keine verfahrensrelevanten Bindungen iSd Art. 8 EMRK, die gegen die Erlassung eines RK + EV sprächen

- Bitte um Bescheiderlassung

Paraphe

Darunter befindet sich ein weiterer Aktenvermerk - ohne Datum und Paraphe

Bescheid nur für Österreich nach Rücksprache, da Partei in EV....(unleserlich)...aufgrund ....(unleserlich)...m Frau u. Kind.

Weder die Ehefrau, noch die gemeinsame Tochter wurden niederschriftlich einvernommen.

Es wurden keine Feststellungen getroffen, während welcher Zeiträume die Ehefrau in Österreich legal aufhältig war und ob es Unterbrechungszeiträume gibt (besonders in den Jahren 2010 - 2012). Für den BF fehlen ebenfalls die entsprechenden Daten, wann er hier aufhältig war, wo er sich in den Jahren 2010 bis 2012 aufhielt, für welche Zeiten ein gemeinsames Familienleben mit seiner nunmehrigen Ehefrau bestand [Aufenthalt bei Freunden nach der Einreise 2014, Haftzeiten, Freigang, Fußfessel, Zeiten einer Trennung (vgl. AS 554)]. Zur gemeinsamen Tochter fehlen ebenso Feststellungen, ab wann ein gemeinsames Familienleben bestand.

Im angefochtenen Bescheid ist dazu angeführt, dass der BF verheiratet sei und für eine Tochter (17 Jahre) sorgepflichtig sei. Es bestehe keine soziale Integration, da sich der BF erst seit kurzer Zeit im Bundesgeiet aufhalte, er habe sich erst vor Kurzem in seiner Heimat befunden. Woher die Information stammt, der BF habe sich erst vor Kurzem in seiner Heimat aufgehalten, ist unklar, geht aus dem Akteninhalt doch lediglich hervor, dass der BF am 08.02.2010 telefonisch mitgeteilt habe, dass er ausgereist sei und sich gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin in XXXX /Georgien befinde. Gesichert dokumentiert ist die Ausreise des BF und seiner Lebensgefährtin Ende 2009 Anfang 2010 aber nicht.

Der BF hält sich auch nicht erst seit kurzer Zeit, sondern zumindest seit Frühjahr 2014 (jedenfalls) wieder im Bundesgebiet auf.

Es erfolgte auch keine Auseinandersetzung mit den Beschäftigungsverhältnissen des BF und den im Verfahren diesbezüglich vorgelegten Dokumenten wie auch den vorgelegten Kursbesuchsbestätigungen und zu seinen Sprachkenntnissen.

Fazit: Die Ermittlungen des BFA zum Privat- und Familienleben des BF sind unzureichend und nicht mehr aktuell.

II.2.3. Die Ermittlungen zu den den Verurteilungen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen durch das BFA sind mangelhaft.

Zwar führte das BFA aus, dass es bei der Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose nicht bloß auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Vorliegens der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen ankomme, sondern auf das diesen zugrundeliegenden Fehlverhalten, die Art und die Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild, umgesetzt wurde das aber nicht. Das Urteil hinsichtlich der letzten Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten liegt zwar im Akt auf, mit wesentlichen Passagen setze sich das BFA aber nicht auseinander. Es fehlen jedenfalls Ausführungen zur Schuld des BF, den Erschwerungs- und Milderungsgründen und den konkreten Tathandlungen. Auch lässt sich aus dem vorliegenden Bescheid nicht ersehen, von welchem Persönlichkeitsbild die belangte Behörde ausgeht. Hier wäre auch ein Rückgriff auf die Tathandlung anlässlich der ersten Verurteilung im Jahr 2007 - konkret das Handeln des BF gegenüber den ihn festnehmenden Polizeibeamten - zulässig und notwendig gewesen.

Es fehlen auch Ermittlungen zum behaupteten Aufenthalt in Spanien in der Zeit zwischen 2012 und 2014 - konkret, ob der BF dort (oder anderswo) in dieser Zeit straffällig wurde. Der BF war eigenen Angaben zufolge im April 2014 nach Österreich eingereist, schon am 18.05.2014 wurde er wegen Diebstahlsdelikten festgenommen und über ihn die Untersuchungshaft verhängt. Solche Ermittlungen sind daher geradezu indiziert.

Es fehlen auch belastbare Fakten zur Identität des BF. Wenn das BF im angefochtene Bescheid ausführt, der BF habe als Tourist mit einem biometrischen Reisepass für 90 von 180 Tagen einreisen dürfen, so fehlt insoweit eine Kopie eines solchen Passes in den Verwaltungsakten. Den Akten ist auch zu entnehmen, dass das BFA die Erlangung eines Heimreisezertifikates betrieb. Zudem trat der BF unter Aliasidentitäten auf (vgl. Urteil des LG Wiener Neustadt, AS 509). Die Ermittlungen zur Identität sind daher unzureichend.

Zudem fehlen entsprechende Feststellungen zum rechtmäßigen Aufenthalt des BF. Wenn das BF ausführt, der BF habe rechtmäßig einreisen dürfen, so fehlt insoweit eine Auseinandersetzung mit dem bis 25.03.2015 bestehenden Rückehrverbot (AS 632).

II.2.4. Nach langer Untätigkeit wurde eine rasche Entscheidung gefordert und auch umgesetzt. Der Akt liest sich so, als sei er zwischenzeitlich in Verstoß geraten. Siehe dazu AV v. 04.04.2019 auf AS 608 - ein Bescheid ist sofort zu erlassen (trotz Parteiengehör v. 2017).

Infolge von wechselnden Zuständigkeiten kam es bei der Erlassung des Bescheides offenbar zu Missverständnissen.

Der Vorlagebericht vom 10.07.2019 weicht in entscheidenden Punkten von der tatsächlichen Entscheidung ab. Gemäß Vorlagebericht wäre das Einreiseverbot nur für das Gebiet der Bundesrepublik ausgesprochen worden, damit dem BF die Möglichkeit geschaffen werde, eine räumliche Nähe im benachbarten Ausland zu schaffen - davon ist im angefochtenen Bescheid nichts zu finden.

Es findet sich aber ein AV (ohne Datum und ohne Unterschrift), dass der Bescheid [Anm: wohl Einreiseverbot] - nach Rücksprache - nur für Österreich zu erlassen sei (vgl. AS 668).

Im Vorlagebericht ist weiter vermerkt, dass seitens der Behörde auch die genannte berufliche Integration des BFD genauestens überprüft worden sei, wobei nach Einsicht in den aktuellen Sozialversicherungsauszug des BF kein positives Bild über das berufliche Verhalten des BF abgebildet werden konnte. Ein Sozialversicherungsdatenauszug vor der Bescheiderlassung ist den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen, dagegen ist ein solcher - datiert mit 10.07.2019 - auf AS 664 einliegend. Der Vorlagebericht vom 10.07.2019 findet sich nachfolgend auf den Aktenseiten 669 bis 673.

Was im Vorlagebericht mit der Wendung "Bezüglich der beruflichen Integration wurden die eingeholten Informationen gewertet, wobei in der Gesamtsicht betrachtet eine nur als verfahrensrelevant zu wertende berufliche Integration festzustellen war" ausgesagt werden sollte, bleibt unklar.

Mit dem Vorlagebericht wurde abschließend beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Offenbar ist das BFA von der Mangelhaftigkeit des erlassenen Bescheides überzeugt und beantragt daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung - zur Sanierung der Mängel.

Der Antrag auf Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung bleibt auch hier unklar - sollte der BF zur einer Verhandlung nach möglicher Abschiebung aus Georgien zu einer Verhandlung zurückgeholt werden?

Aus dieser Vorgangsweise [Anordnung, den Bescheid sofort zu erlassen - trotz Parteiengehör im Jahr 2017 (AS 608), Beantragung einer mündlichen Verhandlung - offenbar zu Sanierung der Mängel] ist die Annahme gerechtfertigt, das das BFA damit die notwendigen erheblichen Ermittlungsschritte auf das BVwG überwälzen beabsichtigte.

Bestätigt wird das durch den fragestellenden handschriftlichen Vermerk eines Bearbeiters auf AS 619 (Hat er nun geheiratet? Status der Gattin, Kind schon in Österreich), der dokumentiert, dass auch für das BFA selbst wesentliche Fragen offen sind, sowie den Formulierungen im Vorlagebericht (siehe oben).

II.3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

II.3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

II.3.2. Zur Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG

Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0167: "Tatsachenbereich") (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG).

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar und soll von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden.

Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher im Lichte der oa. Ausführungen insbesondere dann in Betracht kommen,

- wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,

- wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder

- bloß ansatzweise ermittelt hat.

- Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Ergänzend zu obigen Ausführungen ist aber auch die jüngste Judikatur des EuGH zu erwähnen, der in seinem Urteil vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452 sich ua. mit der Frage, ob nationale Bestimmungen, welche dem Verwaltungsgericht die amtswegige Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts (anstelle der Behörde) - bei entsprechender Untätigkeit der Behörde - der in der europarechtlichen Judikatur geforderten Objektivität bzw. Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Gerichts entgegenstehen.

Nach seiner Ansicht können die Gerichte nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C 390/12, EU:C:2014:281) diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben.

Der EuGH führte weiter aus, dass die Art. 49 und 56 AEUV, wie sie insbesondere im Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C 390/12, EU:C:2014:281), ausgelegt wurden, im Licht des Art. 47 der Charta dahin zu interpretieren sind, dass sie einer nationalen Verfahrensregelung, nach der in Verwaltungsverfahren das Gericht, bei der Prüfung des maßgeblichen Sachverhalts die Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache von Amts wegen zu ermitteln hat, nicht entgegenstehen, sofern diese Regelung nicht zur Folge hat, dass das Gericht an die Stelle der zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zu treten hat, denen es obliegt, die Beweise vorzulegen, die erforderlich sind, damit das Gericht eine entsprechende Prüfung durchführen kann. Hinsichtlich des Rechts nach Art. 47 Abs. 2 der Charta auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht umfasst der Begriff der "Unabhängigkeit", die der Aufgabe des Richters innewohnt, nämlich zwei Aspekte. Der erste, externe, Aspekt setzt voraus, dass die Stelle vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteilens ihrer Mitglieder im Hinblick auf die ihnen unterbreiteten Rechtsstreite gefährden könnten (Urteil vom 9. Oktober 2014, TDC, C-222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der zweite, interne, Aspekt steht mit dem Begriff der "Unparteilichkeit" in Zusammenhang und bezieht sich darauf, dass hinsichtlich der Parteien des Rechtsstreits und ihren jeweiligen Interessen an dessen Gegenstand ein gleicher Abstand gewahrt wird. Dieser Aspekt verlangt, dass Sachlichkeit obwaltet und neben der strikten Anwendung der Rechtsnormen keinerlei Interesse am Ausgang des Rechtsstreits besteht (Urteil vom 9. Oktober 2014, TDC, C-222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Was das Zusammenspiel zwischen der den nationalen Gerichten nach dem nationalen Recht obliegenden Pflicht, in den bei ihnen anhängigen Rechtssachen den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, und dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281), anbelangt, ist in den Rn. 50 bis 52 des vorliegenden Urteils darauf hingewiesen worden, dass die nationalen Gerichte nach dem Unionsrecht eine Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen eine restriktive Regelung erlassen worden ist und durchgeführt wird, auf der Grundlage der Beweise vornehmen müssen, die die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats vorgelegt haben.

Diese Gerichte können nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie - wie die Generalanwältin in den Nrn. 51 bis 56 und 68 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat - nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281), diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben.

Die Ausführungen des EuGH beziehen sich zwar auf ein Verwaltungsstrafverfahren, sie sind nach ho. Ansicht in ihren sich daraus ergebenden Grundsätzen zu der Rolle des Verwaltungsgerichtes im Verhältnis zu jener der ermittelnden Behörde jedoch auch im gegenständlichen Fall anwendbar.

Im Lichte einer GRC-konformen Interpretation der verfassungsrechtlichen Bestimmungen, wonach das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden hat, finden diese demnach jedenfalls dort ihre Grenze, wenn das Gericht an die Stelle der zuständigen belangten Behörde zu treten hätte, der es eigentlich obliegt, dem Gericht die Beweise, iSd Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts, vorzulegen. Wird diese Grenze überschritten, ist das Gericht ermächtigt - wenn nicht sogar iS obiger, vom EuGH aufgezeigter Grundsätze verpflichtet - eine kassatorische Entscheidung iSd § 28 Abs. 3 VwGVG zu treffen.

II.3.3. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG im gegenständlichen Fall:

II.3.3.1. Das BFA ermittelte ab der Einvernahme des BF am 20.06.2017 bloß ansatzweise bzw. sind die gesetzten Ermittlungsschritte völlig ungeeignet oder nicht vorhanden. Zielführende Ermittlungen zum Familienleben des BF und zu seinem Privatleben sind aus den vorliegenden Verwaltungsakten nicht erkennbar. Die Ermittlungen zu den den Verurteilungen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen durch das BFA sind mangelhaft. Das BFA führte unzureichende Ermittlungen zu den den Verurteilungen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht nicht fest; das Ermittlungsverfahren ist grob mangelhaft. Eine Sanierung binnen Wochenfrist ist nicht durchführbar. Im Detail ist dazu auf die obigen Ausführungen zu II.2. zu verweisen.

II.3.3.2. Das BFA traf ohne Einvernahme des BF bzw. der Ehegattin oder der gemeinsamen Tochter rudimentäre Feststellungen zum Privat- und Familienleben des BF. Ohne aber diese Einvernahmen erweisen sich diese Feststellungen und Annahmen zum Teil als Spekulation.

Der AV vom 22.05.2019 kann die Einvernahme nicht ersetzen und ist die Darstellung insoweit verkürzt. Zum einen folgt eine Einvernahme grundsätzlich einem Frage - Antwortschema und ergibt sich daraus dann ein Ergebnis, zum anderen hätte die Aussage niederschriftlich dokumentiert werden müssen. Die Aussage, der Fremde ist verheiratet, jedoch gibt es keine verfahrensrelevanten Bindungen iSd Art. 8 EMRK, die gegen die Erlassung eines RK + EV sprächen, ist zugleich Feststellung, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung und offenbar Zusammenfassung eines Gespräches, von dem unklar ist, in welcher Sprache es geführt wurde. Das geht aus dem Aktenvermerk nicht hervor. Der Aktenvermerk kann daher notwendige Ermittlungen nicht ersetzen oder die Behörde von der Ermittlungspflicht befreien.

Das BFA traf, wie dargelegt, in Bezug auf das dem BF zur Last gelegte und den Grund für die Erlassung des Einreiseverbotes bildende Fehlverhalten nur unzureichende Feststellungen. Eine derartige "Kurzdarstellung" von Verurteilungen reicht allerdings für eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose nicht aus. Vielmehr wären konkrete Feststellungen zu den einzelnen Straftaten des BF erforderlich gewesen (vgl. VwGH v. 24.01.2019, RA 2018/21/0234-6). Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der anzustellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. etwa VwGH 19.5.2015, Ra 2014/21/0057, mwN, oder VwGH 15.3.2018, Ra 2018/21/0007, Rn. 6).

II.3.3.3. Nach § 39 Abs. 2 hat die Behörde das Ermittlungsverfahren amtswegig zu führen. Pflicht der Behörde wäre es daher gewesen, den gegenständlich relevanten Sachverhalt von sich aus zu ermitteln. Dazu verfügt die Behörde (auch) über eingreifende Mittel, die allerdings nicht in Betracht gezogen wurden.

Das gegenständliche Vorgehen der belangten Behörde führt aber dazu, dass nahezu das gesamte Ermittlungsverfahren auf die Beschwerdeinstanz übergewälzt bzw. delegiert würde.

II.3.3.4. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass Bescheide iSd § 58 AVG zu begründen sind. Im Sinne des § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen, sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 20.03.2014, 2012/08/0024, und 21.12.2010, 2007/05/0231, beide mwH) erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben (VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076).

II.3.3.5. Im vorliegenden Fall wurde der maßgebliche Sachverhalt dermaßen qualifiziert mangelhaft ermittelt, dass von einem gänzlichen Ausbleiben der zur Entscheidungsfindung notwendigen Ermittlungen über weite Strecken iSd Erk. d. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 gesprochen werden muss. Daran anknüpfend ist auch nach derzeitigem Stand nicht zu beurteilen, ob das BFA überhaupt rechtlich die richtigen Schlüsse gezogen hat. Das BVwG hätte hier nicht bloß Ergänzungen dazu vorzunehmen, sondern wäre vielmehr die erste Instanz, welche diese Ermittlungen vollinhaltlich vornimmt und kann erst nach dieser eine Beurteilung der Rechtsfrage stattfinden. Das ho. Gericht hätte iSd Urteils des EuGH vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452 somit in einem wesentlichen Teil des Ermittlungsverfahrens "an die Stelle" der zuständigen belangten Behörde zu treten, der es eigentlich obliegt, dem Gericht die Beweise iSd Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts vorzulegen.

Trotz der Einrichtung von Außenstellen des BVwG ist auszuführen, dass aufgrund des organisatorischen Aufbaues des BVwG und des BFA eine Weiterführung des Verfahrens durch das BVwG im Sinne des § 28 Abs. 2 u 3 VwGVG nicht mit einer Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist bzw. zu keiner wesentlichen Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens führt. So ergäbe sich etwa für das BVwG, dass die gegenständlichen Ermittlungen nur im Zuge einer Verhandlung durchgeführt werden könnten, dies zudem in einem Mehrparteienverfahren. Schon daraus ergibt sich ein wesentlicher Mehraufwand gegenüber einem Verfahren vor dem Bundesamt in einem Einparteienverfahren. Das Bundesamt verfügt auch hinsichtlich der Anzahl von Entscheidern über wesentlich höhere personelle Ressourcen als das BVwG.

Eine vorweg per se angenommene Verlängerung des Verfahrens durch die Zurückverweisung und eine nochmalige Beschwerdeerhebung wäre rein spekulativ, zumal die Statistiken zeigen, dass nicht gegen jegliche Entscheidung des BFA Beschwerde erhoben wird. Insbesondere, wenn nunmehr ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und darauf basierend eine nachvollziehbare Beweiswürdigung und rechtsrichtige Beurteilung des Antrages vorgenommen wird, kann den Erfahrungen nach von einer höheren Akzeptanz durch die Partei ausgegangen werden.

II.3.3.6. Das Vorgehen der belangten Behörde - Durchführung marginaler Ermittlungsschritte und dann die rasche Bescheiderlassung unter gleichzeitigem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde (nach langer Untätigkeit!) - kann nur so interpretiert werden, dass damit nicht unerhebliche Ermittlungsschritte auf die Beschwerdeinstanz übergewälzt werden sollten. Angesichts der mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde de facto verbundenen verkürzten einwöchigen Entscheidungsfrist bleibt in erster Linie nur die Behebung und Zurückverweisung als Sanierungsmöglichkeit.

Warum die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nunmehr erforderlich ist - zuvor aber offenbar nicht (Haftentlassung im Februar 2018!) - bleibt im angefochtenen Bescheid begründungslos.

Das BFA wird daher im fortgesetzten Verfahren die oben aufgelisteten fehlenden Ermittlungen durchzuführen haben.

II.3.4. Von diesen Überlegungen ausgehend, ist daher im gegenständlichen Fall das dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren spruchgemäß an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Dass gegebenenfalls die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, ist angesichts des Mehrparteienverfahrens beim BVwG nicht erkennbar.

II.4. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der angefochtene Bescheid zu beheben war.

II.5. Angesichts dieser Entscheidung binnen Wochenfrist sowie der gänzlichen Behebung des angefochtenen Bescheides erübrigen sich weitere Ausführungen zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ermittlungsmangel Ermittlungspflicht Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Feststellungen mangelnde Sachverhaltsfeststellung Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L529.1258384.3.00

Im RIS seit

18.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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