TE Bvwg Beschluss 2020/5/20 W141 2230424-1

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Veröffentlicht am 20.05.2020
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Entscheidungsdatum

20.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
NSchG Art12
NSchG Art7
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W141 2230424-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , VN XXXX , bevollmächtigt vertreten durch RA Mag. Thomas MÖDLAGL, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Wien vom 09.03.2020, betreffend Abweisung des Antrages auf Feststellung von Nachtschwerarbeitszeiten, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 26.09.2018 einen Antrag auf Feststellung von Versicherungszeiten nach dem Nachtschwerarbeitergesetz. Er brachte vor, er stehe in einem vertraglichen Dienstverhältnis zur XXXX und übe eine Tätigkeit als Sanitäter aus. Er arbeite in 24-Stunden Schichten bzw. im Wechseldienst und habe keine geregelten Pausen. Die schwere körperliche und psychisch belastende Arbeit übe er bei jeder Witterung, auch bei besonders belastender Hitzeposition aus. Seine Tätigkeit sei mit jener der Feuerwehr vergleichbar.

2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.03.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung von Nachtschwerarbeitszeiten für seine Tätigkeit als Rettungssanitäter beim Dienstgeber XXXX , für den Zeitraum 01.07.1985 bis aktuell als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zwar Nachtarbeit verrichtet habe, aber keine Nachweise zur Ausübung der Tätigkeit mit Bezug zur Nachtschwerarbeit vorliegend seien.

3. Gegen den Bescheid wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers am 02.04.2020 bei der belangten Behörde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass es keine Einheit des Arbeitsinspektorates gebe, welche für die Berufsrettung zuständig sei. Es hätten von der belangten Behörde jedenfalls Erhebungen durchgeführt werden müssen, um sich Kenntnisse über die vom Beschwerdeführer ausgeübte Tätigkeit zu verschaffen. Der Beschwerdeführer habe bereits im Zuge der Antragstellung darauf verwiesen, dass nicht nur Art. VII Abs. 3 lit 2, sondern auch lit. 7 und 10 zu beachten und prüfe wären. Er habe auch auf die Vergleichbarkeit seiner Tätigkeit mit jener der Feuerwehr hingewiesen. Mit Hinweis auf das Urteil des OGH zu 9 Oba 109/19y brachte der Beschwerdeführer vor, Arbeitnehmer, die keinem Kollektivvertrag unterlägen und die in einem Dienstverhältnis zu einem Land oder Gemeindeverband oder einer Gemeinde stünden, könnten durch Verordnung in den Geltungsbereich des Nachtschwerarbeitergesetzes gestellt werden. Von der Verordnung des Landeshauptmannes von Kärnten seien alle Arbeitnehmer umfasst, welche Nachtschwerarbeit unmittelbar am Patienten leisten würden. Die belangte Behörde habe sich zudem nicht mit dem Vorbringen auseinandergesetzt, dass die Dienstnehmer der Berufsrettung mit jenen der Feuerwehr im Sinne der Arbeitszeit und Anforderungsspektrum vergleichbar seien. Die Bediensteten der Berufsrettung und der Feuerwehr gehören zur selben Risikogemeinschaft und wären daher gleich zu behandeln.

4. Am 20.04.2020 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (entscheidungswesentlicher Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist seit 07.06.1982 bis laufend beim Dienstgeber XXXX , als Rettungssanitäter vollversicherungspflichtig beschäftigt.

Der Beschwerdeführer beantragte am 26.09.2018 die Feststellung der Versicherungszeiten nach Art. VII Abs. 2 NSchG.

Die belangte Behörde hat die notwendigen Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen. Deshalb stand dieser zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde nicht hinreichend fest.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage getroffen werden.

Um den Sachverhalt ordnungsgemäß beurteilen zu können, fehlen erhebliche Ermittlungsschritte. Das erstinstanzlich durchgeführte Beweisverfahren war unvollständig und mangelhaft. In dem angefochtenen Bescheid ist nicht schlüssig nachvollziehbar, wie die belangte Behörde zu dem Schluss gelangt, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen von Nachtschwerarbeit nicht vorliegen.

Die belangte Behörde hat es unterlassen, Feststellungen zur Tätigkeit des Beschwerdeführers zu treffen. Insbesondere hat die belangte Behörde keine Feststellungen über die üblichen Temperaturverläufe in den vom Beschwerdeführer mitbenutzten Rettungsautos und über den vorliegenden Arbeitskalorienverbrauch und die Mindestnachtarbeitszeiten bei der vom Beschwerdeführer ausgeführten Tätigkeit getroffen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin die Österreichische Gesundheitskasse.

Gemäß Art. XII Abs. 1 Nachtschwerarbeitsgesetz (NSchG), BGBl. Nr. 354/1981 idF BGBl. I Nr. 87/2013, gelten Feststellungsverfahren über den Beginn und das Ende der Nachtschwerarbeit als Verwaltungssachen iSd § 409 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG). Gemäß Abs. 2 sind auf derartige Verfahren die Bestimmungen des Siebenten Teiles des ASVG anzuwenden. § 414 ASVG sieht nunmehr vor, dass gegen Bescheide der Versicherungsträger oder des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz oder des Bundesministers für Gesundheit in Verwaltungssachen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden kann.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

In der gegenständlichen Rechtssache obliegt somit die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg. cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit, als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: "Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen."

Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist".

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG sind die Erkenntnisse zu begründen. Für Beschlüsse ergibt sich eine sinngemäße Anwendung aus § 31 Abs. 3 VwGVG.

Zu A):

1. Zurückverweisung der Angelegenheit:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11.).

§ 28 Abs. 3 2. Satz bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Das Bundesverwaltungsgericht sieht keinen Grund zur Annahme, dass sich die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die mit Inkrafttreten der B-VG-Novelle BGBl. I 51/2012 sowie des BVwGG geänderte neue Rechtslage übertragen ließe. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der Funktion der mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 etablierten Verwaltungsgerichte erster Instanz, die nicht an die Stelle der Verwaltungsbehörde treten und deren Aufgaben übernehmen sollen, sondern die Kontrolle der Verwaltung, in Unterordnung unter dem Verwaltungsgerichtshof, sicherzustellen haben. Es liegt daher nicht im Sinne des Gesetzes, dass das Bundesverwaltungsgericht den entscheidungswesentlichen Sachverhalt erstmals ermitteln und beurteilen solle, wodurch es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen könnte. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und - bis auf die eingeschränkte Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - zugleich enden.

Der Beschwerdeführer stellte am 26.09.2018 den Antrag Feststellung von Versicherungszeiten nach dem Nachtschwerarbeitergesetz für seine Tätigkeit als Sanitäter bei der XXXX .

Gemäß Art. VII Abs. 1 NSchG leistet Nachtarbeit im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Arbeitnehmer, der in der Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr mindestens sechs Stunden arbeitet, sofern nicht in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt.

Gemäß Art. VII Abs. 2 NSchG leistet Nachtschwerarbeit ein Arbeitnehmer im Sinne des Abs. 1, der unter einer der folgenden Bedingungen arbeitet:

2. bei den Organismus besonders belastender Hitze. Eine solche liegt bei einem durch Arbeitsvorgänge bei durchschnittlicher Außentemperatur verursachten Klimazustand vor, der einer Belastung durch Arbeit während des überwiegenden Teils der Arbeitszeit bei 30 ºCelsius und 50% relativer Luftfeuchtigkeit bei einer Luftgeschwindigkeit von 0,1 m pro Sekunde wirkungsgleich oder ungünstiger ist;

7. bei Arbeit an Bildschirmarbeitsplätzen (das sind Arbeitsplätze, bei denen das Bildschirmgerät und die Dateneingabetastatur sowie gegebenenfalls ein Informationsträger eine funktionale Einheit bilden), sofern die Arbeit mit dem Bildschirmgerät und die Arbeitszeit an diesem Gerät für die gesamte Tätigkeit bestimmend sind. Sonstige Steuerungseinheiten sind Dateneingabetastaturen gleichgestellt, wenn die Voraussetzungen des ersten Satzes erfüllt sind und die Bedienung dieser Steuerungseinheiten durch die Vielfältigkeit und Menge der je Zeiteinheit zu verarbeitenden Informationen und die Häufigkeit und Dichte aufeinanderfolgender Teilaufgaben oder sonstige Arbeitsbedingungen (zB Störeinflüsse, Beleuchtung) für die dort beschäftigten Arbeitnehmer eine entsprechende Erschwernis darstellen;

10. wenn schwere körperliche Arbeit bei gleichzeitiger besonders belastender Hitzeexposition geleistet wird, wobei der in Z 2 festgelegte belastungsadäquate Grenzwert um 10 vH tiefer anzusetzen ist. Schwere körperliche Arbeit ist gegeben, wenn bei einer achtstündigen Arbeitszeit mindestens 2 000 Arbeitskilokalorien verbraucht werden;

Gemäß Art. VII Abs. 3 NSchG hat der/die Bundesminister/in für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz nach Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer durch Verordnung festzulegen:

1. Kriterien, bei deren Erfüllung die Vergleichbarkeit im Sinne des Abs. 2 Z 2 gegeben ist sowie Zeitpunkt, Art und Weise der Temperaturmessung;

2. Kriterien, bei deren Erfüllung eine Gesundheitsbelastung gemäß Abs. 2 Z 5 gegeben ist;

3. die Konzentrationswerte von Schadstoffen in der Luft am Arbeitsplatz, bei deren Erreichen ein gesundheitsschädliches Einwirken gemäß Abs. 2 Z 8 gegeben ist.

Gemäß Art. VII Abs. 4 NSchG leisten Nachtschwerarbeit auch Arbeitnehmer/innen der Feuerwehr, die in der Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr mindestens sechs Stunden Einsätze oder Arbeitsbereitschaft für Einsätze im Schichtdienst leisten, wenn es sich dabei um die Haupttätigkeit der Arbeitnehmer/innen handelt. Dies gilt abweichend von Abs. 1 auch dann, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt.

Gemäß Art. VII Abs. 5 NSchG haben die zuständigen Krankenversicherungsträger haben auf Antrag des Arbeitgebers, des Arbeitnehmers oder des zuständigen Organs der Arbeitnehmerschaft durch Bescheid im Einzelfall die erschwerenden Arbeitsbedingungen im Sinne des Abs. 2 oder 4, einer Verordnung nach Abs. 3 oder eines Kollektivvertrages gemäß Abs. 6 festzustellen. An einem solchen Verfahren hat der Krankenversicherungsträger das zuständige Arbeitsinspektorat zu beteiligen.

Art. VII Abs. 2 Z 2 NSchG fordert für die Annahme von Nachtschwerarbeit zunächst (Nacht)Arbeit unter einer den Organismus besonders belastenden Hitze. Als Nachtarbeit wird die Zeitspanne zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr festgelegt. Dass der Beschwerdeführer Nachtarbeit leistete, ist unbestritten. Die Kriterien, was als besonders belastende Hitze anzusehen ist, sind in der Z 2 (leg.cit.) festgesetzt. Hinzu kommt das Erfordernis der Belastung während des überwiegenden Teils der Arbeitszeit. Die Kriterien, was schwere körperliche Arbeit bei gleichzeitiger besonders belastender Hitzeexposition darstellt, sind in der Z 10 (leg.cit.) festgesetzt.

Die belangte Behörde hat keine Darstellung der tatsächlich geleisteten Arbeit des Beschwerdeführers innerhalb einer Nachtschicht vorgenommen. Nachdem sich keine Arbeitsschutzeinrichtung für zuständig erklärte, wurden von der belangten Behörde keinerlei Erhebungsschritte zur Überprüfung gesetzt, ob das Erfordernis der "besonders belastenden Hitze" bzw. der "schweren körperlichen Arbeit bei gleichzeitiger besonders belastender Hitzeexposition" oder der "bestimmenden Bildschirmarbeit" erfüllt sei. Dies hätte auch durch eine detaillierte Befragung des Beschwerdeführers sowie der Vorlage detaillierter Arbeitsaufzeichnungen und zusätzlich durch die Einholung eines unbedingt erforderlichen Sachverständigengutachtens eruiert werden können. Zur Beurteilung der Rechtslage muss nachvollziehbar sein, welche üblichen Temperaturverläufe in den vom Beschwerdeführer mitbenützten Rettungsautos vorliegend sind und wie hoch der Arbeitskalorienverbrauch einer achtstündigen Arbeitszeit tatsächlich ist sowie welche Tätigkeiten am Bildschirm vom Beschwerdeführer in der Nachtschicht zu erfüllen sind und ob diese bestimmend für die Tätigkeit sind.

In diesem Zusammenhang wird auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 07.08.2002 (99/08/0101) hingewiesen, in der festgestellt wird, dass bei einer reinen Kontrolltätigkeit, bei der ausschließlich der Bildschirm beobachtet und gegebenenfalls mit vorgegebenen Befehlen korrigierend eingegriffen wird, von einer "Arbeit mit dem Bildschirmgerät" keine Rede sein kann. Die Arbeit mit dem Bildschirmgerät muss - um erschwerend im Sinne des NSchG zu sein - für die gesamte Tätigkeit und den Arbeitsablauf bestimmend sein.

Um die Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides beurteilen zu können, muss die belangte Behörde den Sachverhalt wie ausgeführt ermitteln und vervollständigen, sodass dem Bundesverwaltungsgericht der komplette Sachverhalt vorliegt. Aufgrund der dargestellten Mängel sind die Ermittlungen der belangten Behörde zu ergänzen. Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde den Sachverhalt dahingehend zu vervollständigen, welche Tätigkeiten der Beschwerdeführer in den Nachtschichten tatsächlich ausübt und diese im Sinne des Art. VII Abs. 2 NSchG zu würdigen.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG zur Entscheidung in der Sache sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Der Umfang des notwendigerweise noch durchzuführenden und von der belangten Behörde unterlassenen Ermittlungsverfahrens lässt das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis gelangen, dass dessen Nachholung durch das Bundesverwaltungsgericht ein Unterlaufen des Instanzenzuges bedeuten würde, und daher im vorliegenden Fall nach § 28 Abs. 3 VwGVG vorzugehen ist. Dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst mit einer erheblichen Kostenersparnis iSd § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG verbunden wäre, kann - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten administrativ-manipulativen Aufwandes - nicht gesehen werden.

Da der maßgebliche Sachverhalt im gegenständlichen Fall nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall konnte die Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG entfallen, weil die Beschwerde zurückzuverweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Nachtschwerarbeit Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W141.2230424.1.00

Im RIS seit

14.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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