TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/11 I408 2173581-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.03.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

11.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I408 2173588-1/23E

I408 2173577-1/17E

I408 2173569-1/15E

I408 2173581-1/16E

I408 2173575-1/15E

I408 2173573-1/15E

I408 2173586-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerden des XXXX , StA. IRAK, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 11.09.2017, ZI. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.10.2019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2) sind Ehegatten und Eltern der minderjährigen Dritt-, Viert-, Fünft-, Sechst- und Siebtbeschwerdeführer (im Folgenden: BF3, BF4, BF5, BF6 und BF7). BF6 und BF7 wurden in Österreich geboren. Die Beschwerdeführer, irakische Staatsangehörige. BF1, BF2, BF3, BF4 und BF5 stellten unmittelbar nach ihrer Einreise am 12.09.2015 Anträge auf internationalen Schutz, für BF 6 am 23.12.2015 und für BF7 am 14.10.2016. Die Verfahren sind gemäß § 34 AsylG als Familienverfahren zu führen.

2.       Im Verlauf ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13.09.2015 brachten Bf1 und BF2 vor, dass BF1 drei Mal einen Drohbrief von unbekannten Personen erhalten habe. Er solle seine Arbeit kündigen, ansonsten würde man ihn umbringen. Als er am 03.04.2014 mit dem Bus unterwegs war, sei sein Auto gesprengt worden, wovon er Narben davongetragen habe.

3.       Am 22.01.2016 stellten die Beschwerdeführer Anträge auf unterstützte freiwillige Rückkehr, welche sie am 25.01.2016 widerriefen.

4.       In einer niederschriftlichen Einvernahme durch das das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: „BFA“) am 26.04.2017 gab BF1 an, dass er als Fahrer für das Verkehrsministerium tätig gewesen sei und sie für das Verteidigungsministerium sowie die Miliz „ XXXX “ zuständig gewesen seien. Bei einem dieser Transporte im April 2014 sei er durch eine Explosion verletzt worden und habe im Krankenhaus operiert werden müssen. Nach seiner Genesung habe er weiter Transporte durchgeführt. Am 09.01.2015, als er Mitglieder der Miliz „ XXXX “ transportiert habe, sei ein unbekanntes Auto gekommen und man habe ihm in den linken Fuß geschossen, woraufhin er erneut medizinisch behandelt werden musste. Im August 2015 sei er und seine ganze Familie dann durch drei Drohbriefe bedroht worden, woraufhin er sich zur Flucht entschlossen habe.

5.       Mit den verfahrensgegenständlichen Bescheiden vom 11.09.2017 wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen ihnen wurde nicht erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidungen erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.) Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

6.       Gegen diese Bescheide wurde am 03.10.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde erstmals vorgebracht, dass BF4 im Irak Opfer eines Sexualdeliktes geworden sei und BF2 dies BF1 bisher verschwiegen habe.

7.       Am 09.10.2019 erfolgte beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung. In dieser brachte BF1 neuerlich vor, bei einer Rückkehr Angst vor den Mitgliedern der Miliz „ XXXX zu haben. Er habe Drohbriefe, welche allerdings nicht persönlich an ihn adressiert waren, bekommen und man habe ihm mit dem Umbringen seiner Kinder gedroht, wenn er nicht seine Arbeit und die Transporte von Mitgliedern des XXXX , Mitgliedern der Miliz „ XXXX “, Kämpfer der Volksmobilmachnung und der irakischen Armee einstelle. Außerdem sei er 2015 angeschossen worden. BF4 sei im Irak vergewaltigt worden, weswegen ihn die Familie bei einer Rückkehr töten würde, weil dies als Schande angesehen werde. BF2 erklärte noch, dass BF1 erst in Österreich im Zuge einer angedachten freiwilligen Rückkehr von der Vergewaltigung seines Sohnes (BF4) erfahren habe.

8.       Am 16.12.2019 wurde den Beschwerdeführern die Möglichkeit gewährt, zur Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 04.12.2019 zum Thema „Stigmatisierung von Opfern sexuellen Missbrauchs, Tötungen/Steinigungen von missbrauchten Familienmitgliedern“ eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

9.       Mit Stellungnahme vom 10.01.2020 gaben die Beschwerdeführer an, dass sich aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation eindeutig ergebe, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer und die damit einhergehende Befürchtung, dass ihnen bzw. ihrem Sohn (BF4) Verfolgungshandlungen durch den eigenen Stamm aufgrund seiner Vergewaltigung drohen, glaubhaft sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die BF sind Staatsangehörige der Republik Irak. Ihre Identitäten stehen fest.

BF1 ist mit F2 verheiratet, die BF3, BF4, BF5, BF6 und BF7 sind Kinder von BF1 und BF2. Die vorgenannten Kinder, ein Sohn (BF4), geb. XXXX , ein Sohn (BF5), geb. XXXX , eine Tochter (BF6) XXXX , ein Sohn (BF6), geb. XXXX und eine Tochter, geb. XXXX werden von ihrer Mutter vertreten. BF6 und BF7 sind in Österreich geboren.

Die BF stammen aus XXXX , sind schiitisch-muslimischen Glaubens und gehören der Volksgruppe der Araber an.

Die BF sind gesund und arbeitsfähig und leiden an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen.

2018 wurde BF2 eine Halsfistel operativ entfernt. Nach ihren Angaben erfolgten 2019 zwei weitere Operationen und eine ist noch geplant. Beim zwölfjährigen BF3 werden seit 20.09.2019 dessen Probleme am Kniegelenk medizinisch abgeklärt. Beim neunjährigen BF6 und bei der dreijährigen BF7 liegen Sprachentwicklungsstörungen. vor. In diesem Zusammenhang befanden sich beide Kinder Ende August 2019 eineinhalb Wochen in stationärer Behandlung und erhalten regelmäßig logopädische Behandlungen. In diese ist auch die Mutter (BF2) eingebunden, damit die Kinder auch im familiären Umfeld entsprechend unterstützt werden. In allen Fällen handelt sich dabei um keine lebensbedrohlichen Erkrankungen. Logopädische Behandlungsmöglichkeiten stehen auch im Irak zur Verfügung.

BF1 war als Fernbusfahrer beim Verkehrsministerium beschäftigt und hatte Mitglieder der Armee, der XXXX der Miliz „ XXXX “ und Kämpfer der Volksmobilmachung zu transportieren. Er war mit dieser Beschäftigung in der Lage seine Familie zu erhalten. BF2 blieb zu Hause und kümmerte sich um die Kinder. Im Irak verfügen sie über ein Wohnhaus, das nach wie vor in ihrem Eigentum steht und es bestehen familiäre Anknüpfungspunkte. So leben in XXXX der Vater, vier Onkel und eine Tante sowie zahlreiche Cousins von BF1.

BF1 und BF2 weisen in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf. Sie gehen in Österreich keiner Beschäftigung nach und können abgesehen von Deutschkursbesuchen und einigen Bekanntschaften keine nachhaltige Verfestigung vorweisen. Eine Schwester der BF2 lebt ebenfalls in Österreich, zu der aber nur ein lockerer Kontakt besteht.

BF3, BF4 und BF5 gehen in Österreich in die Schule, sprechen dadurch bereits gut Deutsch und haben in ihrem Umfeld Freundschaften geschlossen. BF5 ist zudem Mitglied in einem Fußballverein. BF6 und BF7, die in Österreich geboren sind, besuchen den Kindergarten. Untereinander sprechen die Beschwerdeführer arabisch.

Die BF leben in einer Flüchtlingsunterkunft, beziehen Leistungen der staatlichen Grundversorgung und sind nicht selbsterhaltungsfähig. Sie müssen sich auch In Österreich, wie im Irak bei einer Rückkehr, wirtschaftlich erst eine eigenständige Existenz aufbauen.

Die BF sind strafrechtlich unbescholten. Im Juli 2019 kam es nach einer Auseinandersetzung mit einer syrischen Familie zu einem Strafantrag gegen BF1 und den beiden Beteiligten wegen gegenseitiger Körperverletzung. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung waren nach Angaben von BF1 Bestrebungen ich Richtung einer Diversion im Laufen.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführer:

Die BF waren in ihrem Herkunftsstaat keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch haben sie eine solche, im Falle ihrer Rückkehr zu befürchten.

Vor allem konnte nicht festgestellt werden, dass BF1 aufgrund seiner Tätigkeit als Busfahrer bzw. wegen der Beförderung von Kämpfern persönlich verfolgt oder bedroht wurde.

Die erst in der Beschwerde vom 03.10.2017 vorgebrachte Vergewaltigung von BF6 durch Angehörige einer in der Nachbarschaft lebenden Familie und eine daraus resultierende Verfolgung des Sohnes durch eigene Familien- bzw. Stammesangehörige ist unglaubhaft und verstößt zudem gegen das Neuerungsverbot in Asylverfahren.

1.3. Zur allgemeinen Situation im Irak:

Die Sicherheitslage hat sich seit dem militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 erkennbar verbessert. Aktivitäten von Mitgliedern der IS, schiitischer Milizen oder sunnitische Stammesmilizen richten sich meistens gezielt gegen staatliche Institutionen und können, wie einzelne, gezielte Bombenabschläge nicht ausgeschlossen werden. Die im Länderbericht genannten Zahlen haben sich in den letzten Monaten auf einem Niveau eingependelt, sodass nicht mehr von einer völligen Schutzlosigkeit der betroffenen Bevölkerung ausgegangen werden kann. So wurden im Juli 2019 vom Irak-Experten Joel Wing im Gouvernement Bagdad 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 15 Toten und 27 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden 14 Vorfälle erfasst, mit neun Toten und elf Verwundeten (Joel Wing 9.9.2019) und im September waren es 25 Vorfälle mit zehn Toten und 35 Verwundeten (Joel Wing 16.10.2019).

Auch die wirtschaftliche Situation hat sich in den letzten Jahren zunehmend stabilisiert und wird über nationale und internationale Hilfsprogramme zum Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur gestützt und weiter vorangetrieben.

Die Hälfte der irakischen Bevölkerung ist unter 18 Jahre alt. Kinder waren und sind Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre. Sie sind nach Angaben der Vereinten Nationen in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage betroffen. Sehr viele Kinder und Jugendliche sind durch Gewaltakte gegen sie selbst oder gegen Familienmitglieder stark betroffen (AA 12.2.2018). Laut UNICEF machten Kinder im August 2017 fast die Hälfte der damals drei Millionen durch den Konflikt vertriebenen Iraker aus (USDOS 20.4.2018).

Die Grundschulbildung ist für Kinder, die die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, in den ersten sechs Schuljahren verpflichtend und wird kostenfrei angeboten. Zudem ist das staatliche Bildungssystem in allen Stufen kostenfrei. Laut einer im Jahr 2018 UNICE-Umfrage besuchen in Bagdad 92,2% (93,3% in Zentral-Bagdad und 89,6% in den Randzonen) der Kinder die Grundschule; 92,1% (92,7% in Zentral-Bagdad und 90,6% in den Randzonen) der Buben und 92,2% (93,9% in Zentral-Bagdad und 88,6% in den Randzonen) der Mädchen. Diese Zahlen werden im Wesentlichen auch von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im September 2019 bestätigt.

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt (AA 12.2.2018). Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker, insbesondere in den Ballungsräumen, leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt.

Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD. Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 11.2018).

In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.2.2018). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Die größeren Städte des Iraks verfügen alle über staatliche oder private logopädische Einrichtungen.

Die größte primäre Herausforderung für Rückkehrer bleibt die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Identität der Beschwerdeführer ist den vorgelegten irakischen Reisepässen sowie Personalausweisen und Geburtsurkunden entnommen.

Die Feststellungen zur Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zum Aufenthaltsort im Herkunftsstaat, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, zur Berufserfahrung von BF1 und BF 2 beruhen auf ihren plausiblen Angaben im Laufe des Asylverfahrens und wurden auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

Die Feststellungen zu den bei BF2, BF3, BF4 und BF6 in Österreich behandelten Erkrankungen basieren auf den dazu vorgelegten medizinischen Unterlagen. Zudem haben sich auch aus den kurz durchgeführten Befragungen mit den schulpflichtigen Kindern (BF3, BF 4 und BF 5) zu ihrer Lebenssituation in Österreich und der Erörterung mit den Eltern (BF1, Bf2) in der mündlichen Verhandlung keine schwerwiegenden, gesundheitlichen oder sonstigen Beeinträchtigungen ergeben.

Aus einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 25.07.2018 ist zu entnehmen, dass logopädische Behandlungsmöglichkeiten in den größeren Städten Iraks verfügbar ist und es sowohl staatliche als auch private Einrichtungen gebe. In den öffentlichen Einrichtungen sei eine logopädische Behandlung fast kostenlos. Zudem ist aus dem Arztbrief vom 04.09.2019 zu entnehmen, dass eine sprachliche Förderung auch über das familiäre Umfeld gegeben ist und BF2 dafür auch entsprechende Anleitungen bekommen hat.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse, die Lebensumstände und die Sprachkenntnisse der Beschwerdeführer in Österreich beruhen auf den Aussagen der BF in der mündlichen Verhandlung und den dazu vorgelegten Dokumenten. Aus den Länderfeststellungen lässt sich auch entnehmen, dass für die Kinder ein Schulbesuch bzw. eine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit auch in Herkunftsstaat gegeben ist.

Die Feststellungen zum Bezug der Grundversorgung und der daraus resultierenden fehlenden Selbsterhaltungsfähigkeit ergeben sich aus den Abfragen des Betreuungsinformationssystems und werden auch nicht in Abrede gestellt.

Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführer entspricht der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich. Die Verwicklung des Beschwerdeführers in eine handgreifliche Auseinandersetzung im Asylheim am 31.03.2019 ergibt sich aus dem eingeholten Strafantrag der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 29.07.2019 sowie der Einvernahme BF1 am 07.04.2019 (OZ 14) und dem polizeilichen Abschlussbericht vom 12.05.2019 (OZ 8), die beide mit BF1 in der mündlichen Verhandlung erörtert wurden.

2.3. Zum Vorbringen der Beschwerdeführer:

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Mit der Glaubhaftmachung ist auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das zutreffen der behaupteten Voraussetzung entspricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29. 05 2006, 2005/17/02 52). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektive Sichtweise anzustellen.

Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist v.a. auf folgende Kriterien abzustellen: Zunächst bedarf es einer persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers, die insbesondere dann getrübt sein wird, wenn sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel gestützt ist oder er wichtige Tatsachen verheimlicht respektive bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert. Weiters muss das Vorbringen des Asylwerbers - unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten -genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylbewerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegung mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylbewerber darf sich demgemäß nicht den wesentlichen Aussagen widersprechen.

Bereits die belangte Behörde wertete das Vorbringen von BF1, er bzw. seine Familie sei wegen seiner Tätigkeit als Busfahrer verfolgt als unglaubhaft.

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass das Vorbringen von BF1 zu seiner Verfolgung und den Drohbriefen von Detailarmut und Oberflächlichkeit geprägt ist. So schildert BF1 ein Bedrohungsszenario, dass das Leben seiner ganzen Familie in Gefahr gebracht hätte, lediglich plakativ, ohne nähere Details anzuführen. Er ist aber nicht in der Lage eine aus seiner Arbeit resultierende bzw. auf seine Person gerichtete Verfolgungsgefahr plausible und nachvollziehbare darzulegen.

So sprach er bereits in der Ersteinvernahme von drei Drohbriefen, die er von unbekannten Personen bekommen habe. Er sollte seine Arbeit kündigen, sonst werden sie ihn umbringen. (AS 9)

Aus den von ihm vorgelegten Drohbriefen vom 01.08.2015, 10.08.2015 und 20.08.2015 (AS 175 – AS 185), die alle das IS-Emblem tragen, geht aber aus keinem Wort hervor, dass sich diese gegen ihn persönlich oder seine berufliche Tätigkeit richten. Hinzu kommt, dass BF1 selbst nie von einer Bedrohung durch den IS gesprochen hat, sondern nur die Reaktionen der Gruppe Hashd Al Shabie (wohl gemeint „Al-Haschd asch-Scha?b“) fürchtet (AS 197). Abgesehen von diesen Drohbriefen hat es keinerlei persönliche Bedrohungen gegeben, sodass eine Verbindung zu dieser Gruppe in keiner Weise ersichtlich ist. Unabhängig davon kann weder aus der zeitlichen Reihenfolge der Schreiben noch aus deren Inhalt eine Steigerung oder Konkretisierung dieser Drohungen entnommen werden, die ein fluchtauslösendes Momentum tragen bzw. begründen könnte.

Des Weiteren ist auch die Echtheit der seitens der Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel (Drohbriefe, mehrere Schreiben der Polizei Bagdad und der Milizen, Kündigungsschreiben und Behandlungsprotokolle Krankenhäuser) zu bezweifeln, zumal jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, laut Länderinformationsblatt gegen Bezahlung beschafft werden kann. So ergibt sich aus dem Schreiben der Polizeidirektion Bagdad (AS 145 – AS 147), dass BF1 am 09.01.2015 mit seinem Fahrzeug von einer Miene schwer verletzt wurde, ein Vorfall, der sich laut BF1 aber im April 2014 ereignet haben sollte (AS 194). Im Gegensatz dazu gab er am 26.04.2017 an, dass er am 09.01.2015 bei der Rückfahrt von einem Transport von Mitgliedern der Hashd Al Shabie (wohl gemeint „Al-Haschd asch-Scha?b“ angeschossen wurde (AS 195)

Zudem sah BF1 in beiden Vorfällen keinen Zusammenhang mit den erhaltenen Drohbriefen aus. Diesbezüglich gab BF1 in der mündlichen Verhandlung selbst an: „Dieser Vorfall ist alt. Es gibt keinen Zusammenhang mit den Drohbriefen.“ Auch betreffend den Vorfall mit der Schussverletzung gab der Beschwerdeführer an: „Ob es einen Zusammenhang mit den Drohbriefen gibt, weiß ich nicht.“ (VH-Protokoll S 9).

Betreffend die Drohbriefe widersprechen sich BF1 und BF2 auch in ihren Angaben vor der dem BFA. So gab BF1 in der Einvernahme an, dass er zwei Drohbriefe zu Hause bekommen habe und ein Drohbrief auf der Windschutzscheibe des Transporters deponiert gewesen sei. BF2 erklärte diesbezüglich, dass alle drei Drohbriefe vor der Haustüre gefunden worden seien. Wenn tatsächlich davon ausgegangen würde, dass die Beschwerdeführer aufgrund dieser Drohbriefe den Irak verlassen hätten, dann kann erwartet werden, dass den Beschwerdeführern gerade diese Details wohl in Erinnerung geblieben sein dürften und es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Beschwerdeführer die entsprechenden Details wohl gleichlautend beschreiben müssten.

Was die erstmals in der Beschwerde vorgebrachte Vergewaltigung des BF4 und die Stigmatisierung und Verfolgung durch den Stamm der Beschwerdeführer betrifft, ist anzuführen, dass es zunächst nicht sonderlich plausibel erscheint, wenn die BF dieses, in ihrem Leben prägnante und fluchtauslösende Ereignis erstmals in der Beschwerde vorbringen, zumal sie aus diesem Grund ihre geplante freiwillige Rückkehr am 25.01.2016 widerrufen haben und diesen Umstand in ihrer mündlichen Einnehmen am 26.04.2017, in der BF1 und BF2 zum einen konkret gefragt wurden, warum sie diesen Antrag zurückgezogen haben und zum anderen ausdrücklich auf das Neuerungsverbot hingewiesen wurden, mit keinem Wort erwähnt haben. Gerade in dieser Befragungssituation ist es zu erwarten, dass wenigstens einer der BF, BF1 oder BF2, zumindest diese neue bzw. noch nicht vorgebrachte Bedrohungssituation erwähnt oder zumindest andeutet und sich nicht nur auf die Drohbriefe bzw. die Anschläge, in die BF1 verwickelt war, beschränkt.

Zudem ist es völlig unglaubhaft, dass BF1 von einem derart schwerwiegenden Vorfall, der nach Angaben von BF2 einschneidende Maßnahmen für Täter und Opfer mit sich bringt, nichts erfährt oder mitbekommt, aber jeder in der Familie oder im Stamm davon Kenntnis hat. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass nur das betroffene Kind archaischen Reaktionen seiner Familienmitglieder ausgesetzt ist, die Täter aber davon nicht betroffen sind.

Dabei wird auch nicht verkannt, dass der dazu eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 04.12.2019 zum Thema „Stigmatisierung von Opfern sexuellen Missbrauchs, Tötungen/Steinigungen von missbrauchten Familienmitgliedern“ zu entnehmen ist, dass Opfer von Vergewaltigung tatsächlich von der Gesellschaft und der Familie stigmatisiert, abgelehnt, verstoßen oder gar getötet werden können. In solches Szenario ist aber, wie den vorangestellten Ausführungen zu entnehmen ist, weder nachvollziehbar noch glaubhaft.

Damit geht auch der erkennende Richter in beiden Fällen von einer konstruierten, in dieser Form nicht erlebten Fluchtgeschichte aus. Es ist den BF auch in der mündlichen Verhandlung nicht gelungen ist, dieses Vorbringen glaubhaft darzulegen.

2.4. Zu den Länderfeststellungen:

Die unter Punkt 1.3 getroffenen Feststellungen zur Lage im Irak basieren auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 20.11.2018, samt integrierter Kurzinformation vom 30.10.2019; zu den darin verwendeten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Die sich aus dem Länderinformationsblatt ergebenden Feststellungen finden auch im EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Irak mit Stand Feber 2019 sowie in en UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen mit Stand Mai 2019 ihre Deckung.

Die Beschwerdeführer traten diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert entgegen.

Wenn in der Beschwerde angeführt wird, dass laut Länderinformationsblatt Mitarbeiter der Ministerien regelmäßig Opfer von gezielten Attentaten werden, dann ist dem entgegenzuhalten, dass BF1 letztendlich keine konkrete Verfolgung seiner Person aufgrund seiner Tätigkeit als Fahrer für das Verkehrsministerium glaubhaft machen konnte und beide Attentate auch nicht unmittelbar auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen sind.

Wenn in der Beschwerde auf die besonderen Gefahren für Frauen und Mädchen im Irak sowie auf eine besondere Vulnerabilität für Kinder verwiesen wird, dann verkennt das erkennende Gericht eine diesbezügliche Gefahr nicht, allerdings lässt sich daraus keine konkrete Gefahr für die Kinder (BF3-BF7) ableiten, welche dort in einem funktionierenden familiären Umfeld aufwachsen können.

Aus dem Länderinformationsblatt und einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Zugang zum Bildungssystem im Irak unter konkreter Bezugnahme auf Bagdad vom 11.12.2029 ist zu entnehmen, dass die Grundschulbildung für Kinder im Irak in den ersten sechs Schuljahren verpflichtend ist und kostenfrei angeboten wird. Ebenso ist eine logopädische Betreuung gegeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zum Status von Asylberechtigten (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide):

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie in der Beweiswürdigung dargelegt erweisen sich die von den Beschwerdeführern geschilderte fluchtauslösende Vorfälle als nicht glaubhaft.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund waren die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zum Status von subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide):

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Es kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass generell jeder im Falle einer Rückkehr in den Irak mit existentiellen Nöten konfrontiert ist. Trotz der aktuell schwierigen Situation in Bagdad ist eine Rückkehr dorthin nicht automatisch mit einer Verletzung der in Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte verbunden, zumal dort auch kein Bürgerkrieg mehr herrscht.

Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 200/01/0443 sowie VwGH, 25.05.2016, Ra 2016/19-0036-5). Derartige Umstände wurden von den beiden erwachsenen FB nicht dargelegt, zumal sie gesund und erwerbsfähig sind. BF1 und BF2 sind arbeitsfähig und in Bagdad aufgewachsen. BF1 verfügt über eine mehrjährige Berufserfahrung als Fahrer. Überdies leben nach wie vor Familienangehörige beider Elternteile im Irak, sodass die BF im Falle einer Rückkehr in den Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch mit deren Unterstützung rechnen können. Zudem verfügen sie dort über ein Haus, welches zurzeit leer steht und ihnen wieder als Unterkunft dienen könnte. Dass die BF bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine ausweglose oder lebensbedrohliche Situation geraten, ist aufgrund der Länderfeststellungen und den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung nicht auszugehen.

Die Beschwerden waren daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. der angefochtenen abzuweisen.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III., erster Spruchteil der angefochtenen Bescheide):

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in den Beschwerden auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war den Beschwerdeführern daher nicht zuzuerkennen.

Die Beschwerden waren daher auch hinsichtlich der Spruchpunkte III., erster Spruchteil der angefochtenen Bescheide abzuweisen.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III., zweiter Spruchteil der angefochtenen Bescheide):

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das BFA einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne von Artikel 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (hier: Anordnung zur Außerlandesbringung) ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. grundlegend VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Es besteht ein großes öffentliches Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Das verlangt von Fremden grundsätzlich, dass sie nach negativer Erledigung ihres Antrags auf internationalen Schutz das Bundesgebiet wieder verlassen (vgl. VwGH 26.6.2013, 2013/22/0138).

Dass die BF strafrechtlich unbescholten sind, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (z.B. VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 19.04.2012, 2011/18/0253).

Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. etwa VwGH 10.4.2019, Ra 2019/18/0058, mwN). Liegt - wie im gegenständlichen Fall - eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären (vgl. etwa VwGH 10.4.2019, Ra 2019/18/0049, mwN).

Liegt eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des VwGH regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (vgl. etwa VwGH 10.4.2019 Ra 2019/18/0049, mwN).

Im gegenständlichen Fall verfügen die Beschwerdeführer über ein Familienleben in Österreich. Da alle Familienmitglieder von der aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen sind greift die Entscheidung nicht in das Familienleben ein (EGMR, 9.10.2003, 48321/99, Slivenko gg Lettland; EGMR, 16.6.2005, 60654/00 Sisojeva gg Lettland). Zu der in Österreich lebenden Schwester der BF2 besteht weder ein besonders Naheverhältnis noch ein gemeinsamer Haushalt.

Zu prüfen ist auch ein etwaiger Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführer. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).

BF1 und BF2 reisten im September 2015 gemeinsam mit ihren Kindern in Österreich ein. Sie halten sich damit noch keine fünf Jahre im Bundesgebiet auf und damit nicht derart lange, dass daraus automatisch von einem Überwiegen ihrer privaten Interessen an einem Aufenthalt in Österreich auszugehen wäre.

Eine besondere Aufenthaltsverfestigung wurde weder von BF1 noch von BF2 behauptet. Sie haben zwar Deutschkurse besucht und es ist ein Bemühen am Erlernen der deutschen Sprache erkennbar, Deutschprüfungszeugnisse konnten nicht vorlegt werden und ihre Deutschkenntnisse bewegen sich auf einem bescheidenen Niveau. Ihr persönliches Umfeld ist aufgrund der Unterbringung von Personen mit Migrationshintergrund geprägt und es haben sich in den letzten Jahren nur wenige persönliche Kontakte zu Österreichern sowie zur österreichischen Kultur und Mentalität ergeben. Es ist der Familie auch nicht gelungen, in diesen Jahren die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit zu schaffen und sie ist auch in nächster Zeit zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes auf staatliche Leistungen angewiesen. Auf der anderen Seite sind beide Elternteile mit den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen im Irak vertraut, beherrschen die Sprache des Herkunftslandes und es ist davon auszugehen, dass sie – auch mit Unterstützung der dort lebenden Familienangehörigen – bei einer Rückkehr sich wieder eine Existenz aufbauen werden. Ein Neustart im Irak wird zudem von Österreich bei einer freiwilligen Rückkehr mit einer finanziellen Hilfe unterstützt.

Im Hinblick auf die fünf minderjährigen Dritt- bis Siebtbeschwerdeführer ist gesondert zu prüfen, inwiefern deren Kindeswohl einer Rückkehrentscheidung entgegensteht. Denn soweit Kinder von einer Ausweisung betroffen sind, sind nach der Judikatur des EGMR die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen (Hinweis Urteile des EGMR vom 18. Oktober 2006, Üner gegen die Niederlande, Beschwerde Nr. 46410/99, Randnr. 58, und vom 6. Juli 2010, Neulinger und Shuruk gegen die Schweiz, Beschwerde Nr. 41615/07, Randnr. 146). Maßgebliche Bedeutung hat der EGMR dabei den Fragen beigemessen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter ("adaptable age"; Hinweis Urteile des EGMR vom 31. Juli 2008, Darren Omoregie und andere gegen Norwegen, Beschwerde Nr. 265/07, Randnr. 66, vom 17. Februar 2009, Onur gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 27319/07, Randnr. 60, und vom 24. November 2009, Omojudi gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 1820/08, Randnr. 46; siehe dazu auch das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2007, Zlen. 2006/01/0216 bis 0219) befinden (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070).

Wie sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer im Administrativ- und im Beschwerdeverfahren ergab, war die allgemeine Versorgung von BF3, BF 4 und BF5 bis zu ihrer Ausreise gesichert und kann diese im Falle der Rückkehr der Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer auch weitgehend als gesichert angenommen werden. Diesbezüglich erfolgten auch keinerlei Einwendungen seitens der Beschwerdeführer. Demgegenüber sind die BF6 und BF7 in Österreich geboren. Nichtsdestotrotz sprechen und verstehen die minderjährigen Beschwerdeführer Arabisch. Aufgrund der eher rudimentär ausgeprägten Deutschkenntnisse von BF1 und BF2 sprechen die Kinder – wie sich der erkennende Richter im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst überzeugen konnte – innerhalb der Familie Arabisch. Von einer vollkommenen kulturellen Entwurzelung kann nicht ausgegangen werden, zumal auch nach wie vor die Familienangehörigen von BF1 und BF2 im Irak leben und ein aufrechter Kontakt zu den Verwandten in Bagdad besteht. Die Kinder weisen, wie in der mündlichen Verhandlung festgestellt, in Österreich ein alterstypisches privates Umfeld auf. BF3, BF4 und BF5 besuchen die Schule, BF6 und BF7 den Kindergarten und sprechen dadurch auch ausreichend Deutsch. Eine allfällige sonstige tiefgreifende Verfestigung der minderjährigen Kinder im privaten Umfeld, in der Schule oder Kindergarten oder einer sonstigen Institution oder Verein liegt nicht vor. Dafür, dass den minderjährigen BF im Falle ihrer Rückkehr ein Einstieg in das irakische Bildungssystem verwehrt wäre, gibt es keine Anhaltspunkte. Im Irak gilt bis zur sechsten Schulstufe die Schulpflicht und der Schulbesuch ist kostenlos. Dahingehend ist auch anzumerken, dass die BF noch ein Alter aufweisen, in dem sie durchaus noch anpassungsfähig sind. Es sollte ihnen daher im Falle ihrer Rückkehr möglich sein, sich wieder rasch in die Kultur, Gebräuche und Gewohnheiten ihres Herkunftslandes einzufinden und dass sie sich in ihrer Wohngegend und der Schule einen Freundeskreis und soziale Anknüpfungspunkte aufbauen. In einer Gesamtschau spricht daher das Kindeswohl nicht gegen die Rückkehr der minderjährigen BF in den Irak, zumal auch die vorgebrachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen dort einer entsprechenden medizinischen Behandlung zugeführt werden können.

Vor diesem Hintergrund überwiegen die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet, sodass der damit verbundene Eingriff in ihr Familien- und Privatleben nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes als verhältnismäßig qualifiziert werden kann.

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, überwiegen im vorliegenden Fall die privaten Interessen der BF an einem Verbleib in Österreich.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Artikel 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 kommt daher ebenfalls nicht in Betracht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerden gegen Spruchpunkt II, zweiter Spruchteil der angefochtenen Bescheide abzuweisen.

3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III., dritter Spruchteil der angefochtenen Bescheide):

In den angefochtenen Bescheiden wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in den Irak zulässig ist.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

§ 50 FPG lautet:

(1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09; sowie Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0036 sowie vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3). Dies wurde von den Beschwerdeführern nicht substantiiert dargelegt. Ohne die wirtschaftliche Situation im Irak beschönigen zu wollen, sollte es dem BF1 als gesunden Mann möglich sein, im Falle einer Rückkehr in den Irak seine existentiellen Grundbedürfnisse und die seiner Familie befriedigen zu können. Außerdem verfügen die Beschwerdeführer auch noch über ein Wohnhaus im Irak, wo sie wieder Unterkunft nehmen könnten. Zudem haben sie noch Familienangehörige in Bagdad und verfügen folglich über soziale Kontakte. Es ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage geraten würden.

Aus den tragenden Gründen des vorliegenden Erkenntnisses betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberichtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten ergibt sich ferner, dass gegenständlich auch keine Gründe für eine Unzulässigkeit der Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 50 Abs. 1 und 2 FPG vorliegen. Einer Abschiebung in den Irak steht auch keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegen (§ 50 Abs. 3 FPG).

Die Abschiebung der BF in den Irak ist daher zulässig.

3.6. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide):

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige besondere Umstände vom den BF nicht behauptet und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Abschiebung Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe Bürgerkrieg bürgerkriegsähnliche Situation Familienverfahren Fluchtgründe freiwillige Ausreise Frist Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Interessenabwägung mündliche Verhandlung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I408.2173581.1.01

Im RIS seit

13.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten