TE Lvwg Erkenntnis 2020/6/29 LVwG-AV-611/001-2020

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Veröffentlicht am 29.06.2020
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Entscheidungsdatum

29.06.2020

Norm

BAO §4 Abs1
BAO §6
BAO §101 Abs1
KanalG NÖ 1977 §2 Abs1
KanalG NÖ 1977 §9
KanalG NÖ 1977 §12 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn A, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, vom 31. März 2020 gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Wiener Neustadt vom 4. März 2020, Zl. ***, mit welchem die Berufung gegen einen Abgabenbescheid des Magistrates der Stadt Wiener Neustadt vom 30. Oktober 2019, Kundennummer ***, betreffend Vorschreibung einer Kanaleinmündungsabgabe für die Liegenschaft ***, ***, abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt worden war, zu Recht erkannt:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

2.   Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.       Sachverhalt:

1.1. Grundsätzliche Feststellungen:

Herr A (in der Folge: Beschwerdeführer) ist zu 370/1700 Anteilen größter Miteigentümer des Grundstückes Nr. *** KG ***, welches die topograhische Anschrift ***, ***, aufweist. Auf dieser Liegenschaft befindet sich ein Wohngebäude, welches mit drei Geschoßen an den öffentlichen Schmutzwasserkanal angeschlossen ist.

1.2. Verwaltungsbehördliches Verfahren:

1.2.1.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wiener Neustadt vom 13. Oktober 2014, Zl. ***, war der C GmbH der Neubau eines Wohnhauses mit 6 Wohneinheitensamt Vordach und Tiefgarage (8 Garagenplätze), Errichtung einer überdeckten Rampe sowie 4 PKW-Abstellplätze im Freien unter Einhaltung bestimmter Auflagen erteilt worden. Unter Punkt 10. findet sich folgende Auflage:

„Die Fäkalien und Abwässer sind auf Eigengrund zu sammeln und mit einem Rohrstrang in das bestehende öffentliche Kanalnetz (noch herzustellender Hauskanalanschluss – ***) einzuleiten.“

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

1.2.2.

Mit Fertigstellungsanzeige vom 7. März 2016 wurde von der C GmbH die Vollendung des vorgenannten Bauvorhabens gemäß § 30 Abs. 1 NÖ Bauordnung unter Anschluss aller notwendigen Unterlagen und Befunde angezeigt.

1.3. Abgabenbehördliches Verfahren:

1.3.1.

Mit Abgabenbescheid des Magistrates der Stadt Wiener Neustadt vom 30. Oktober 2019, Kundennummer ***, wurde dem Beschwerdeführer für die Liegenschaft ***, ***, unter Zugrundelegung einer Berechnungsfläche von 832,28 m² und eines Einheitssatzes von € 19,33 Euro eine Kanaleinmündungsabgabe in Höhe von € 16.087,97 Euro (exkl. USt.) vorgeschrieben. Begründend wurde unter Wiedergabe von § 3 NÖ Kanalgesetz 1977 ausgeführt, dass die Berechnungsfläche wie folgt ermittelt worden sei:

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

Im Bescheid findet sich auf der ersten Seite auch der ausdrückliche Hinweis, dass bei Vorliegen von Miteigentum mit der Zustellung dieser Bescheidausfertigung die Zustellung an alle Miteigentümer als vollzogen (§ 101 Abs. 1 BAO) gilt, wenn kein Zustellungsbevollmächtigter bekanntgegeben wurde. Auf der zweiten Seite des Bescheides findet sich nach der Rechtsmittelbelehrung vor der Fertigung folgender Hinweis:

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

1.3.2.

Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2019 erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesenen Vertreter gegen diesen Abgabenbescheid des Magistrates der Stadt Wiener Neustadt rechtzeitig Berufung und führte begründend im Wesentlichen aus, dass die vorgeschriebene Abgabe von sämtlichen Miteigentümern der Liegenschaft ***, ***, zu entrichten sei. Der angefochtene Bescheid richte sich aber ausschließlich an ihn als einen der Miteigentümer dieser Liegenschaft. Der Bescheid müsse aber eindeutig erkennen lassen, wer Bescheidadressat ist - insbesondere auch im Hinblick auf eine

allfällige Vollstreckung des Bescheides. Daher wären auch sämtliche Miteigentümer der Liegenschaft als Bescheidadressaten zu nennen, da all jenen, die als Bescheidadressat nicht genannt werden, einerseits die Legitimation zur Anfechtung dieses Bescheides fehle und andererseits dieser Bescheid gegen sie

auch nicht vollstreckt werden könne. Die von der Abgabenbehörde gewählte Bescheidfassung und die (dementsprechende) Zustellung habe keine wirksame Zustellung an weitere Abgabenschuldner bewirken können. Daher sei im

gegenständlichen Fall der dem Beschwerdeführer gegenüber erlassene Bescheid mangels Anführung der üblichen Miteigentümer der gegenständlichen Liegenschaft als Bescheidadressaten, nur diesem gegenüber erlassen worden und sei nur dieser aus dem gegenständlichen Bescheid verpflichtet. Zum einen entfalte der gegenständliche Bescheid gegenüber den übrigen Miteigentümern keine

Rechtswirksamkeit, sondern verpflichte ausschließlich den Beschwerdeführer als

Bescheidadressaten, zum anderen nehme er ihnen auch die Möglichkeit, den genannten Bescheid anzufechten, zumal der angefochtene Abgabenbescheid ihnen gegenüber keine Rechtswirksamkeit entwickle und sie nicht in die Rechtsposition eines Beschwerdeführers bringe.

1.3.3.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. März 2020, Zl. ***, wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Begründend wird nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften ausgeführt, dass die Liegenschaft ***, ***, laut Grundbuch im Miteigentum folgender Personen stehe:

1.       G, (rund 22% Anteil),

2.       D (rund 21% Anteil),

3.       E (rund 17% Anteil),

4.       F (rund 17% Anteil),

5.       A (rund 11 % Anteil),

6.       H (rund 6% Anteil)

7.       I (rund 6% Anteil).

Am 30. Oktober 2019 sei der Abgabenbescheid, Kundennummer: ***, vom Magistrat der Stadt Wiener Neustadt erlassen worden. Unter Hinweis auf § 101 BAO im Bescheid sei die Zustellung an den Beschwerdeführer als Miteigentümer (p.A. ***, ***) erfolgt. Dieser habe den Bescheid am 7. November 2019 übernommen. Der Name und die Adresse des Beschwerdeführers seien in einem Adressfeld zu Beginn des Bescheides ersichtlich. Die weiteren sechs Liegenschaftseigentümer seien in einem Adressfeld am Ende des Bescheides mit Namen und Adressen unter einer Überschrift “Mitbesitzer” aufgelistet. Nach § 9 NÖ Kanalgesetz 1977 schuldeten die Miteigentümer der Liegenschaft, für welche die Verpflichtung zum Anschluss

bestehe, die Kanaleinmündungsabgabe zu ungeteilter Hand. Die Vorschreibung der Kanaleinmündungsabgabe setze die Verwirklichung des Abgabentatbestandes und das Bestehen der Abgabenschuld voraus. Die Abgabenschuld sei im konkreten Falle mit dem Einlangen der Fertigstellungsanzeige der Bauführung bei der Baubehörde am 30. März 2016 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt seien die im Bescheid angeführten sieben Personen (Mit-)Eigentümer der Liegenschaft und somit unzweifelhaft Abgabenpflichtige nach § 9 erster Satz NÖ Kanalgesetz 1977 gewesen. Die Berechnungsgrundlagen und die Berechnung seien ebenso unbestritten. Programm- bzw. formularbedingt sei ein Adressfeld zu Beginn und ein weiteres Adressfeld am Ende vor der Unterschrift des Behördenorganes platziert worden. Das Adressfeld am Beginn des Bescheides enthalte jenen Bescheidadressaten, dem unter Anwendung der Zustellungsfiktion des § 101 BAO, auf die im Bescheid rechtskonform hingewiesen werde, der Bescheid auch physisch tatsächlich zugestellt werde bzw. im konkreten Fall auch worden sei. Das weitere Adressfeld am Ende des Bescheides enthalte die Liste der Adressen der sechs

weiteren gesamtschuldnerisch haftenden (solidarhaftenden) Miteigentümer. Beide Adressfelder im Bescheid zählten zum Spruch. Wenn nun eine Überschrift „Mitbesitzer“ im Adressfeld am Ende des Bescheides anstelle von „Miteigentümer“ verwendet werde, stehe diese juristisch falsch verwendete Bezeichnung in der

Überschrift der Wirksamkeit des Bescheides jedoch nicht im Wege.

1.4. Beschwerdevorbringen:

Mit Schreiben vom 31. März 2020 erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und begründete diese im Wesentlichen damit, dass für die Bescheidqualität auch die Nennung des Bescheidadressaten unverzichtbar sei. Soll ein Bescheid an mehrere Personen gerichtet sein und mehrere Personen erfassen, sei es erforderlich, dass deren Nennung im normativen Teil des Bescheides aufscheine. Das Adressfeld habe daher im „Bescheidkopf“ aufzuscheinen und nicht im Ende des Bescheides nach der Rechtmittelbelehrung. Dem Adressfeld des angefochtenen Bescheides komme daher schon aus diesem Grunde ein Merkmal der den Bescheidadressaten ersetzenden Funktion nicht zu. Im Ergebnis belaste der angefochtene Bescheid ausschließlich den Beschwerdeführer, da er nur diesem gegenüber erlassen worden sei und nur dieser aus dem gegenständlichen Bescheid verpflichtet sei. Der angefochtene Bescheid könne daher nur gegen den Beschwerdeführer vollstreckt werden und entlasse sozusagen die übrigen Liegenschaftseigentümer mangels Rechtswirksamkeit aus ihrer Haftung und nehme ihnen auch die Legitimation zur Anfechtung des Bescheides.

1.5. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt der Stadt Wiener Neustadt wurden dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich am 28. Mai 2020 zur Entscheidung vorgelegt.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den bezughabenden Akt der Stadt Wiener Neustadt und durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch.

1.6. Beweiswürdigung:

Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit dieses den Feststellungen (Punkt 1.1.) nicht entgegentritt.

2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung - BAO:

§ 1. ( 1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

§ 6. (1) Personen, die nach Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, sind Gesamtschuldner (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB.).

(2) Personen, die gemeinsam zu einer Abgabe heranzuziehen sind, sind ebenfalls Gesamtschuldner; dies gilt insbesondere auch für die Gesellschafter (Mitglieder) einer nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähigen Personenvereinigung (Personengemeinschaft) hinsichtlich jener Abgaben, für die diese Personenvereinigung (Personengemeinschaft) als solche abgabepflichtig ist.

§ 101. (1) Ist eine schriftliche Ausfertigung an mehrere Personen gerichtet, die dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden oder die gemeinsam zu einer Abgabe heranzuziehen sind, und haben diese der Abgabenbehörde keinen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten bekanntgegeben, so gilt mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an eine dieser Personen die Zustellung an alle als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird.

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

2.2. NÖ Kanalgesetz 1977:

§ 1a. Im Sinne dieses Gesetzes gelten als:

1. bebaute Fläche: Die bebaute Fläche ist diejenige Grundrissfläche, die von der lotrechten Projektion oberirdischer baulicher Anlagen begrenzt wird. Unberücksichtigt bleiben: bauliche Anlagen, welche die Geländeoberfläche nicht oder nicht wesentlich überragen, nicht konstruktiv bedingte Außenwandvorsprünge, nicht konstruktiv bedingte, nachträglich an bestehende Außenwände ab dem 1. Jänner 2009 angebrachte Wärmeschutzverkleidungen, untergeordnete Bauteile.

[…]

6. Geschoßfläche: die sich aus den äußersten Begrenzungen jedes Geschosses ergebende Fläche. […]

7. Gebäudeteil: ein Gebäudeteil ist ein vom übrigen Gebäude durch eine bis zu seiner obersten Decke durchgehende Wand getrennter Teil mit einer Nutzung als Garage, als gewerblicher oder industrieller Lager- oder Ausstellungsraum oder mit einer Nutzung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke. Räume innerhalb eines Gebäudeteils gelten auch dann als eigener Gebäudeteil, wenn bis zur obersten Decke durchgehende Wände nicht vorhanden sind.

§ 2. (1) Für den möglichen Anschluss an die öffentliche Kanalanlage ist eine Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten.

§ 3. (1) Die Höhe der Kanaleinmündungsabgabe ergibt sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche (Abs. 2) mit dem Einheitssatz (Abs. 3).

(2) Die Berechnungsfläche wird in der Weise ermittelt, dass die Hälfte der bebauten Fläche mit der um 1 erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoße multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unbebauten Fläche vermehrt wird. Nicht angeschlossene Gebäude oder Gebäudeteile zählen zur unbebauten Fläche. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlussverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre.

(3) Der Einheitssatz (Abs. 1) ist vom Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung (§ 6) festzusetzen; er darf 5 v.H. jenes Betrages nicht übersteigen, der unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt des Gemeinderatsbeschlusses für die gesamte Kanalanlage einschließlich der Nebenanlagen erforderlichen Baukosten auf den laufenden Meter der Kanalanlage durchschnittlich entfällt. Die vom Gemeinderat der Ermittlung des Einheitssatzes zugrunde gelegten Baukosten sowie die Gesamtlänge des Kanalnetzes sind in die Kanalabgabenordnung aufzunehmen.

§ 9. Die Kanalerrichtungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr sind unabhängig von der tatsächlichen Benützung der öffentlichen Kanalanlage von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten, für dessen Liegenschaft die Verpflichtung zum Anschluß besteht oder der Anschluß bewilligt wurde. Die Fäkalienabfuhrgebühren sind von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten, dessen Liegenschaft gemäß § 7 Abs. 2 in den Abfuhrbereich einbezogen wird. Sind Liegenschaftseigentümer und Eigentümer des Bauwerkes oder Bauwerber verschiedene Personen, so sind die Kanalerrichtungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr oder Fäkalienabfuhrgebühren vom Eigentümer des Bauwerkes oder Bauwerber zu entrichten.

§ 12. (1) Die Abgabenschuld für die Kanaleinmündungsabgabe (Sonderabgabe, Ergänzungsabgabe) entsteht

a) im Falle der Neuerrichtung eines Kanals in dem Zeitpunkt, in dem der Anschluß der anschlußpflichtigen Liegenschaft an den Kanal möglich ist;

b) im Falle einer Bauführung mit dem Einlangen der Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung bei der Behörde bzw.

c) wenn eine solche nicht erforderlich ist, mit der Fertigstellung des Vorhabens oder mit dem Eintritt der Änderung.

2.3. Kanalangabenordnung der Stadt Wiener Neustadt idF vom 14. Dezember 2015:

Einheitssatz für die Berechnung der Kanaleinmündungsabgabe und der Ergänzungsabgabe

§ 1. (1) Der Einheitssatz für die Berechnung der Kanaleinmündungsabgabe und der Ergänzungsabgabe für den Anschluss an den öffentlichen Mischwasserkanal wird gemäß § 3 Abs. 3 des NÖ Kanalgesetzes 1977 mit 3 v.H. der auf den laufenden Meter der Kanalanlage entfallenden durchschnittlichen Baukosten, d.i. mit € 19,33 festgesetzt. Der Ermittlung des Einheitssatzes wird eine Baukostensumme von € 120.508.583,- und eine Gesamtlänge des Mischwasserkanalnetzes von 187.038 Ifm zugrunde gelegt.

2.4. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:

         1.       Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;

         2.       Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;

         3.       Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.

(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen. 3. Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

3.1.1. Grundsätzliches:

Zunächst ist auszuführen, dass gemäß § 1 BAO auf alle sei seit 1. Jänner 2010 anhängigen Verfahren der Gemeinden als Verfahrensregime anzuwenden ist (vgl. AbgVRefG, BGBl. I 2009/20).

Weiters ist der Umstand unstrittig, dass das auf der streitgegenständlichen Liegenschaft errichtete Objekt mit drei Geschoßen an den Ortskanal angeschlossen ist.

Ebenso ist die der Abgabenvorschreibung zugrunde gelegte Berechnungsfläche unstrittig.

Das Beschwerdevorbringen lässt sich (allein) auf die Frage reduzieren, ob der im Instanzenzug bekämpfte Bescheid nur gegenüber dem Beschwerdeführer als Miteigentümer erlassen (und zugestellt) wurde oder ob der Bescheid iSd § 101 BAO auch gegenüber den anderen Miteigentümern Rechtswirkung entfaltet hat.

3.1.2.

Nach § 4 Abs. 1 der von den Verwaltungsbehörden (und dem erkennenden Gericht) anzuwendenden BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Angesichts der Komplexität der Sachlage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse folgt, dass dieses bereits mit Verwirklichung eines gesetzlich normierten Abgabentatbestandes entsteht. Der Abgabenbescheid ist seinen wesentlichen Merkmalen nach lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH 94/17/0419). Daraus ergibt sich, dass die Abgabenbehörde die Abgabe festzusetzen hat, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht der Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, ist die Abgabenfestsetzung zulässig, sobald die Abgabenschuld entstanden ist.

3.1.3.

Hinsichtlich der Kanaleinmündungsabgabe ergibt sich der Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld aus § 12 Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 als lex specialis zu § 4 Abs. 1 BAO. Die Abgabenschuld ist dabei nach der Rechtslage im Entstehungszeitpunkt der Schuld zu beurteilen (vgl. VwGH 90/17/0126 und VwGH 95/17/0452).

Im Falle einer Bauführung entsteht die Abgabenschuld gemäß § 12 Abs. 1 lit. b NÖ Kanalgesetz 1977 mit dem Einlangen der Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung bei der Behörde. Schon aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 lit. b NÖ Kanalgesetz 1977 ergibt sich dabei, dass, neben der Möglichkeit des Kanalanschlusses, das Vorliegen einer Anschlusspflicht hinsichtlich der betreffenden Liegenschaft eine weitere Tatbestandsvoraussetzung des Entstehens der Abgabenschuld ist. Die Anschlusspflicht ist gemäß § 17 NÖ Kanalgesetz 1977 zu beurteilen. § 12 Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 ist nicht alleinige Rechtsgrundlage für die Abgabenfestsetzung, sondern in Verbindung mit den §§ 2 und 9 NÖ Kanalgesetz 1977 anzuwenden. Gemäß § 2 Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 entsteht der Abgabenanspruch, der notwendige Voraussetzung für die Abgabenfestsetzung ist, wenn der Anschluss an die öffentliche Kanalanlage möglich ist.

Dazu tritt, dass nach § 9 NÖ Kanalgesetz 1977 die Kanalerrichtungsabgabe von dem Liegenschaftseigentümer zu entrichten ist, für dessen Liegenschaft die Verpflichtung zum Anschluss besteht oder der Anschluss bewilligt wurde (vgl. VwGH 2011/17/0023).

3.1.4.

Begriffsnotwendige Voraussetzung für die Abgabenfestsetzung ist daher, dass für die Liegenschaft des Verpflichteten eine Anschlussbewilligung oder eine durch individuellen Rechtsakt begründete Anschlussverpflichtung besteht (vgl. VwGH 94/17/0419 und VwGH 95/17/0452). Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wiener Neustadt vom 13. Oktober 2014, ZL. ***, ist der der Anschluss der streitgegenständlichen Liegenschaft an den öffentlichen Schmutzwasserkanal aufgetragen worden (vgl. Auflagepunkte 10 ff.). Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen, sodass die Abgabenschuld gemäß § 12 Abs. 1 lit. b NÖ Kanalgesetz 1977 zu dem Zeitpunkt entstanden ist, in dem im Falle einer Bauführung die Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung bei der Behörde eingelangt ist, somit am 7. März 2016. Die Abgabenvorschreibung ist vor diesem Hintergrund dem Grunde nach nicht zu beanstanden.

3.1.5.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Festsetzung einer Abgabe nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften jene Sach- und Rechtslage maßgeblich, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes gegolten hat (vgl. VwGH 2005/17/0055 und VwGH 2005/17/0168). Diesbezüglich ist somit festzuhalten, dass die Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde rechtsrichtig die Kanalabgabenordnung in der ab 14. Dezember 2015 geltenden Fassung der Vorschreibung zugrunde gelegt haben.

3.1.6.

Wenn der Beschwerdeführer meint, dass ihn als Miteigentümer die Zahlungsverpflichtung nur zu einem Teil treffe, so übersieht er, dass er gemäß § 9 NÖ Kanalgesetz 1977 iVm § 6 BAO als Gesamtschuldner anzusehen ist. Gibt es mehrere Abgabenschuldner, so bilden diese gemäß § 6 BAO eine Gesamtschuldnerschaft. Welche Abgabenschuldner in welchem Umfang in Anspruch genommen werden, liegt dabei im Ermessen der Abgabenbehörde (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO³ § 6 Anm. 3; vgl. VwGH 2008/17/0115 und VwGH 2002/17/0355).

Die Auswahl der zur Leistung der Abgabenschuld heranzuziehenden Gesamtschuldner, die Belastung der einzelnen mit der Gesamtschuld oder nur einem Teil davon, die Bestimmung des Zeitpunktes und der Reihenfolge der Heranziehung der einzelnen Gesamtschuldner liegt im Ermessen der Behörde. Ermessen des Abgabengläubigers eines Gesamtschuldverhältnisses bedeutet das Recht der Ausnützung jener Gläubigerschritte, die dazu führen, den Abgabenanspruch zeitgerecht, sicher, auf einfachstem Weg unter Umgehung von Erschwernissen und unter Vermeidung von Gefährdungen hereinzubringen. Würden nun dadurch, dass auf die besonderen Umstände des Schuldverhältnisses und der Schuldnerbeziehungen Rücksicht genommen wird, Gläubigerinteressen nicht beeinträchtigt, dann erschiene es nicht ermessensgerecht (damit nicht iSd Gesetzes), würde sich die Abgabenbehörde über die besonderen Gegebenheiten des Gesamtschuldverhältnisses hinwegsetzen. Vor allem die Regelungen im Innenverhältnis dürfen nicht unberücksichtigt bleiben. Wenn bei gleichen Gläubigerchancen und Gläubigerrisken, wenn bei so und so gesicherter Gläubigerposition mehrere Lösungsmöglichkeiten bestehen und ohne Beeinträchtigung der berechtigterweise zu wahrenden Gläubigerinteressen vertreten werden können, dann wäre es ermessensfehlerhaft, würde bei Geltendmachung des Anspruches, bei Auswahl der Schuldner und bei Festlegung des Ausmaßes ihrer Heranziehung nicht auf das Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern Bedacht genommen werden (vgl. VwGH 2013/16/0028).

3.1.7.

Der Bescheidadressat, also die Person, an die der Bescheid ergeht, ist im Spruch des Bescheides namentlich zu nennen, wobei eine Nennung im Adressfeld ebenfalls reicht (vgl. Ritz, BAO5, § 93 Tz 6, unter Hinweis auf hg. Rechtsprechung; vgl. Ra 2014/15/0023). Der Bescheidadressat muss aus dem Bescheid zumindest erkennbar sein. Ist die Erledigung an mehrere Personen gerichtet, setzt dies ihre Nennung im normativen Teil des Bescheides voraus (vgl. VwGH 92/17/0270 und VwGH 2002/17/0241). Wenn der Beschwerdeführer nun meint, dass die Nennung der weiteren Miteigentümer und somit Bescheidadressaten nur im Adressfeld vor dem Spruch erfolgen darf, so ist ihm zu entgegnen, dass der VwGH es als ausreichend angesehen hat, wenn in Bescheiden erster Instanz alle Miteigentümer auf Grund der den Bescheiden angeschlossenen Listen namentlich genannt werden. Die Zustellung erfolgte dabei an eine Person aus der Baurechtsgemeinschaft mit dem Hinweis auf § 82 Abs. 1 Tir. LAO (entspricht nunmehr § 101 BAO), sodass mit der Zustellung des Bescheides an die eine Person der Baurechtsgemeinschaft die Zustellung des Bescheides auch an die übrigen beschwerdeführenden Parteien bewirkt war und der Bescheid somit an alle beschwerdeführenden Parteien wirksam ergangen ist (vgl. VwGH 2002/17/0241).

Voraussetzung für eine Wirksamkeit der Erledigung ist neben der gesetzmäßigen Bezeichnung des Bescheidadressaten auch die Zustellung an den Adressaten bzw. an einen der Adressaten im Lichte der Bestimmung des § 101 BAO (vgl. VwGH 2010/15/0029, mwN).

Es erscheint zur Wahrung des rechtlichen Gehörs ausreichend, die Zustellvorschriften so auszugestalten, dass die Kenntnisnahme vom zuzustellenden Schriftstück durch den Adressaten wahrscheinlich ist. Diese Wahrscheinlichkeit ist aber bei Zustellung an einen Miteigentümer in Ansehung der übrigen Miteigentümer bei typisierender Betrachtung gegeben (vgl. VwGH 2001/17/0212).

Nach der materiell-rechtlichen Vorschrift des § 9 NÖ Kanalgesetz trifft die eine Einheit darstellende Abgabenleistung schlechthin die Eigentümer (von bereits bebauten Grundstücken). Damit schulden Miteigentümer derartiger Grundstücke diesselbe abgabenrechtliche Leistung und sind deshalb Mitschuldner zur ungeteilten Hand. Das NÖ Kanalgesetz 1977 bietet keinen Anhaltspunkt dafür, die Kanaleinmündungsabgabe jedem Miteigentümer lediglich hinsichtlich seines Miteigentumsanteils vorzuschreiben. Kann daher eine einheitliche Abgabenfestsetzung erfolgen, ist es nicht rechtswidrig, wenn die Abgabenbehörde im Grunde des § 101 BAO eine einzige Bescheidausfertigung an einen der Gesamtschuldner mit Wirkung für alle namentlich genannten Abgabenschuldner erlässt (vgl. VwGH 87/17/0374 zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 82 Abs. 1 der Tiroler LAO 1984).

§ 101 Abs. 1 BAO stellt eine gesetzliche Fiktion der Zustellung eines einheitlichen Abgabenbescheides an alle Personen auf, an die der Bescheid gerichtet ist, die auch durch den Nachweis, dass einzelne dieser Personen vom Schriftstück keine Kenntnis erlangt haben, nicht entkräftet werden kann (vgl. VwGH 1467/68).

3.1.8.

Auch sonst war der angefochtene Bescheid des Stadtsenates der Stadt Wiener Neustadt vom 4. März 2020 unter dem Aspekt der Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

3.1.9.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer im Rahmen seiner Beschwerde nicht beantragt und ist aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Finanzrecht; Kanaleinmündungsabgabe; Abgabenbescheid; Bescheidadressat; Miteigentümer; Gesamtschuldner; Solidarhaftung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.611.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.08.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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