TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/23 90/17/0126

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Veröffentlicht am 23.05.1990
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Index

L34003 Abgabenordnung Niederösterreich;
L37163 Kanalabgabe Niederösterreich;
L82303 Abwasser Kanalisation Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
KanalG NÖ 1977 §12;
LAO NÖ 1977 §3;
LAO NÖ 1977 §70;
LAO NÖ 1977 §73;

Betreff

W gegen Niederösterreichische Landesregierung vom 7. März 1990, Zl. II/1-BE-201-12/1-89, betreffend Vorschreibung einer Kanaleinmündungsgebühr (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde A)

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1.0. Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Berufungsbescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde A vom 11. Oktober 1989 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde A vom 8. Mai 1989, betreffend Vorschreibung der Kanaleinmündungsabgabe für die in A, X-Zeile 10, gelegene Liegenschaft im Ausmaß von S 113.926,86 zuzüglich 10 % Umsatzsteuer als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer habe die Meinung vertreten, daß nur jene Gebäudeteile als Berechnungsgrundlage für die Kanaleinmündungsabgabe heranzuziehen seien, die an die Kanalisation angeschlossen seien - dies sei lediglich der Straßentrakt mit einer bebauten Fläche von 168 m2 sowie der im Gesetz vorgesehene Anteil der unbebauten Fläche. Entgegen dieser Rechtsauffassung sei die Abgabenbemessung jedoch richtig vorgenommen worden. Die Bestimmung des NÖ Kanalgesetzes 1977, LGBl. 8230-3, wonach nicht angeschlossene Gebäudeteile zur unbebauten Fläche zu rechnen seien, sei Inhalt der 3. Novelle (LGBl. 8230-3) und mit Wirkung vom 6. September 1988 in Kraft getreten. Der Abgabenanspruch für Objekte, für die bereits eine Benützungsbewilligung vorliege, sei gemäß § 12 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 mit Rechtskraft des Bescheides über die Verpflichtung zum Anschluß an die öffentliche Kanalanlage eingetreten. Der Bescheid über die Aufforderung zum Anschluß an die öffentliche Kanalanlage sei am 3. Februar 1988 ergangen und am 19. Februar 1988 rechtskräftig geworden. Da zu diesem Zeitpunkt die 3. Novelle über die Ermittlung der Berechnungsfläche noch nicht in Kraft gewesen sei, sei die Berufung abzuweisen.

Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung.

1.2. Mit Bescheid vom 7. März 1990 gab die Niederösterreichische Landesregierung dieser Vorstellung keine Folge. Nach der Begründung dieses Bescheides sei der Anspruch auf die Kanaleinmündungsabgabe nicht, wie der Beschwerdeführer meine, mit Rechtskraft des Benützungsbewilligungsbescheides für die Hauskanalanlage vom 14. April 1989 entstanden, sondern mit Rechtskraft des Bescheides vom 3. Februar 1988 über die Verpflichtung zum Anschluß der Liegenschaft des Beschwerdeführers an den in der X-Zeile neugelegten Mischwasserkanal, die am 19. Februar 1988 eingetreten sei. Die Abgabe sei daher nach dem NÖ KanalG 1977 in der Fassung vor der 3. Novelle nach § 3 Abs. 2 in der Fassung LGBl. 8230-2 zu bemessen gewesen.

1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der beantragt wird, den angefochtenen Bescheid wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 3 Abs. 2 erster Satz NÖ KanalG 1977 in der Fassung LGBl. 8230-2 wird die Berechnungsfläche in der Weise ermittelt, daß die Hälfte der bebauten Fläche mit der um 1 erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschosse multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unbebauten Fläche verursacht wird. Mit der 3. Novelle, LGBl. 8230-3, wurde unter anderem § 3 Abs. 2 folgendermaßen abgeändert: "Die Berechnungsfläche wird in der Weise ermittelt, daß die Hälfte der bebauten Fläche mit der um 1 erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschosse multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unbebauten Fläche vermehrt wird. Nicht angeschlossene Gebäude oder Gebäudeteile zählen zur unbebauten Fläche." Die 3. Novelle wurde am 6. September 1988 im Landesgesetzblatt kundgemacht und ist nach Ablauf des 6. September 1988 in Kraft getreten

(§ 9 NÖ Verlautbarungsgesetz, LGBl. 0700-2).

Die belangte Behörde hat nun im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt, daß damit der Beginn des zeitlichen Geltungsbereiches der 3. Novelle festgelegt sei. § 3 Abs. 2 leg. cit. in der Fassung der 3. Novelle bezieht sich sohin lediglich auf jene Sachverhalte, die sich nach dem Inkrafttreten der genannten Rechtsvorschrift verwirklicht haben.

2.2. § 12 NÖ KanalG 1977 in der durch die 3. Novelle nicht veränderten Fassung LGBl. 8230-2 trägt die Überschrift "Entstehung der Abgabenschuld, Zahlungstermine" und lautet auszugsweise:

"(1) Ist die Kanaleinmündungsabgabe (Ergänzungsabgabe, Sonderabgabe) anläßlich einer Bauführung zu entrichten, so entsteht die Abgabenschuld mit Eintritt der Rechtskraft der Benützungsbewilligung, wenn aber eine solche nicht erforderlich ist, mit Ablauf des Tages, an dem die Bauführung tatsächlich beendet wurde; in allen anderen Fällen mit der Rechtskraft des Bescheides über die Verpflichtung zum Anschluß (§ 17 Abs. 3) bzw. bei der Ergänzungsabgabe mit dem Eintritt der Änderung.

(2) Die Abgabenschuld für die Kanaleinmündungsabgabe anläßlich einer Umgestaltung oder Ersetzung der Kanalanlage (§ 2 Abs. 2) entsteht mit Ablauf des Monats, das der tatsächlichen Inbetriebnahme der umgestalteten oder ersetzten Kanalanlage folgt, soferne nicht Abs. 1 Anwendung findet.

(3) ..."

§ 17 Abs. 3 erster Satz leg. cit. bestimmt:

"(3) Bei Neulegung eines Hauptkanales der Gemeinde hat der Bürgermeister (Magistrat) den Liegenschaftseigentümern, für die dadurch eine Anschlußpflicht eintritt, rechtzeitig durch Bescheid den Anschluß aufzutragen..."

2.3.1. In der Beschwerde wird ausgeführt, nach § 12 NÖ KanalG 1977 könne die Abgabenschuld an verschiedene Zeitpunkte anknüpfen, nämlich einerseits an den Eintritt der Rechtskraft der Benützungsbewilligung, an den Zeitpunkt der tatsächlichen Beendigung der Bauführung oder an die Rechtskraft des Bescheides über die Anschlußverpflichtung. Dies bedeute, daß in diesen Fällen überhaupt eine Kanaleinmündungsabgabe vorgeschrieben werde, nicht aber daß damit auch bezüglich der Höhe der Abgabe an jene Zeitpunkte angeknüpft werde. Die im § 12 leg. cit. angeführten Termine bedeuteten jene Termine, zu welchen frühestens Kanaleinmündungsabgabe vorgeschrieben werden könne. Die Höhe ergebe sich aus den übrigen gesetzlichen Bestimmungen. Die Abgabenvorschreibung sei nun nach Inkrafttreten der 3. Novelle bescheidmäßig vorgeschrieben worden, ohne die Novellenfassung zu berücksichtigen. Gegen die Auffassung der belangten Behörde über die Anwendbarkeit der formell derogierten Gesetzesfassung bestünden auch verfassungsrechtliche Bedenken.

2.3.2. In der Beschwerde wird die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, der Bescheid vom 3. Februar 1988 über die Verpflichtung zum Anschluß der Liegenschaft des Beschwerdeführers an den neugelegten Mischwasserkanal sei am 19. Februar 1988 in Rechtskraft erwachsen, nicht bestritten.

Hieraus folgt, daß die Abgabenschuld gemäß § 12 Abs. 1 zweiter Halbsatz NÖ KanalG 1977 zu diesem Zeitpunkt entstanden ist. Da die genannte Bestimmung eine ausdrückliche Regelung über die Entstehung der Abgabenschuld enthält, braucht dieser Zeitpunkt nicht im Wege der Generalklausel des § 3

NÖ Abgabenordnung 1977 (NÖ AO 1977), wonach der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschrift die Abgabepflicht knüpft, erschlossen zu werden. Der Beschwerdeführer sei allerdings auf § 3 Abs. 2 NÖ AO 1977 hingewiesen, dem zufolge der Zeitpunkt der Festsetzung und der Fälligkeit einer Abgabe ohne Einfluß auf die Entstehung des Abgabenanspruches ist.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage erweisen sich die Ausführungen in der Beschwerde als unzutreffend. Unrichtig ist im besonderen die Rechtsauffassung, daß die im § 12 angeführten Termine jene Termine bedeuteten, zu welchen frühestens Kanaleinmündungsabgabe vorgeschrieben werden könne, und es für die anzuwendende Rechtslage auf den Zeitpunkt der Abgabenvorschreibung ankomme. Es handelt sich vielmehr um die - für jeden der verschiedenen Abgabentatbestände erfolgte - Festlegung des Zeitpunktes der Entstehung der Abgabenschuld durch den Gesetzgeber. Was nun den Inhalt (die Höhe, die Bemessungsgrundlagen) dieser Abgabenschuld ausmacht, ergibt sich diese nach der im Entstehungszeitpunkt der Schuld bestehenden Rechtslage, soferne nichts anderes, etwa in einer Übergangsvorschrift, bestimmt wird. Letzteres trifft im Beschwerdefall nicht zu.

Daß der Gesetzgeber die neue Regelung der 3. Novelle nicht auf die verwirklichten Abgabentatbestände, in denen noch keine Vorschreibung erfolgt war, erstreckt hat, sondern es bei der Maßgeblichkeit der Rechtslage im Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld bewenden ließ, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

2.4.1. In der Beschwerde wird weiters gerügt, aus dem gemeindebehördlichen Berufungsbescheid ergebe sich nicht, "in welcher Gemeinderatsitzung und ob der Gemeinderat die Entscheidung getroffen hat. Der Hinweis 'für den Gemeinderat:

In Vertretung Vizebürgermeister' erscheint für eine Bescheidlegitimation nicht ausreichend und im Sinne des § 58 AVG."

2.4.2. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist der Hinweis darauf, in welcher Gemeinderatsitzung der Bescheidinhalt beschlossen wurde, kein gesetzliches Bescheiderfordernis im Sinne der §§ 70 und 73 NÖ AO 1977. Die Fertigungsklausel "Für den Gemeinderat: In Vertretung (es folgt der eigenhändige Namenszug) Vizebürgermeister" läßt die bescheiderlassende Behörde unmißverständlich erkennen und schließt den Hinweis in sich, daß der Bescheid auch tatsächlich kollegial beschlossen wurde. Eine konkretisierte Behauptung, daß dies nicht zuträfe, hat der Beschwerdeführer hingegen weder im Vorstellungsverfahren noch in der vorliegenden Beschwerde aufgestellt. Der Beschwerdeführer vermochte somit auch in diesem Punkt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen gemeindeaufsichtsbehördlichen Bescheides darzutun.

2.5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

2.6. Es wird darauf hingewiesen, daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 6. September 1978, Zlen. 1902, 1903/78 = ZfVB 1979/2/513).

Schlagworte

Zurechnung von Bescheiden Intimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990170126.X00

Im RIS seit

23.05.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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