TE Vwgh Beschluss 2020/7/15 Ro 2019/11/0008

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Veröffentlicht am 15.07.2020
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Index

L94058 Ärztekammer Vorarlberg
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal

Norm

ÄrzteG 1998 §102 Abs3
ASVG §258 Abs4
B-VG Art133 Abs4
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Vlbg §27 Abs3
VwGG §25a Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs1a

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Vorarlberg in Dornbirn, vertreten durch Längle Fussenegger Singer Rechtsanwälte Partnerschaft in 6850 Dornbirn, Lustenauerstraße 64, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 12. Februar 2019, Zl. LVwG-403-2/2018-R16, betreffend Witwenversorgung (mitbeteiligte Partei: Mag. L E in B, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Reichsstraße 7), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis erkannte das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg der Mitbeteiligten - in Abänderung des Bescheides des nunmehrigen Revisionswerbers vom 14. Mai 2018 - gemäß § 27 Abs. 3 und 4 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Vorarlberg (im Folgenden: Satzung) die Witwenversorgung ab 1. August 2017 in einer näher bestimmten Höhe zu und sprach gemäß § 25a VwGG aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichthof zulässig sei.

2        Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die zwischen der Mitbeteiligten und Dr. S E, einem Mitglied des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Vorarlberg, bestehende Ehe mit Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom 14. Juni 2002 rechtskräftig geschieden und gemäß § 61 Abs. 3 EheG ausgesprochen worden sei, dass das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe Dr. S E treffe. Die Mitbeteiligte sei im Zeitpunkt der Scheidung 50 Jahre alt gewesen. Die Ehe habe 26 Jahre gedauert.

3        Anlässlich der Ehescheidung sei zwischen der Mitbeteiligten und Dr. S E am 14. Juni 2002 vor dem Bezirksgericht Dornbirn ein prätorischer Unterhaltsvergleich abgeschlossen worden, der im angefochtenen Erkenntnis mit seinem Wortlaut wiedergegeben ist.

4        Mit Bescheid des Revisionswerbers vom 11. Dezember 2009 sei Dr. S E ab 1. Dezember 2009 eine frühzeitige Altersversorgung in der Höhe von monatlich 2.467,04 Euro brutto gewährt worden. Die Mitbeteiligte habe ab Oktober 2010 eine Alterspension nach ASVG in der Höhe von 2.311,62 Euro brutto (1.738,01 Euro netto) bezogen. Bis zum Zeitpunkt des Pensionsantrittes habe die Mitbeteiligte einen monatlichen Unterhalt in der Höhe von 116 Euro erhalten. Mit Schreiben vom 10. Jänner 2011 habe die Mitbeteiligte Dr. S E aufgrund ihrer Pensionierung aufgefordert, den Unterhalt entsprechend dem Unterhaltsvergleich anzupassen.

5        Mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 6. Dezember 2013 sei Dr. S E ab 1. Dezember 2013 eine Alterspension in Höhe von 3.020,92 Euro brutto (2.192,08 Euro netto) gewährt worden.

6        Ab Jänner 2017 habe Dr. S E - neben der frühzeitigen Altersversorgung des Wohlfahrtsfonds - von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft eine Alterspension in der Höhe von 3.134,02 Euro brutto (2.451,03 Euro netto) bezogen. Die frühzeitige Altersversorgung des Wohlfahrtsfonds habe ab Jänner 2017 2.404,92 Euro brutto betragen. Die Alterspension der Mitbeteiligten habe ab 1. Jänner 2017 2.547,36 Euro brutto (1.952,25 Euro netto) betragen.

7        Am 29. Mai 2017 sei Dr. S E verstorben. Zum Zeitpunkt seines Ablebens sei er mit H E verheiratet gewesen. Die Mitbeteiligte habe zu diesem Zeitpunkt keine Unterhaltszahlungen vom Verstorbenen erhalten und habe sich nicht in einer Lebensgemeinschaft befunden.

8        Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, Voraussetzung des Anspruchs des geschiedenen Ehegatten auf Witwenversorgung sei das Vorliegen eines der in § 27 Abs. 3 Satzung angeführten Unterhaltstitels und das aufrechte Bestehen des titulierten Unterhaltsanspruches im Todeszeitpunkt. Es komme nicht auf die Höhe des tatsächlich geleisteten Unterhalts, sondern nur auf den titulierten Unterhaltsanspruch an. Nach Pkt. 4. des Unterhaltsvergleichs habe im Fall der Pensionierung des Dr. S E eine den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Unterhaltsanpassung zu erfolgen, wobei bei Dr. S E die Pensionseinkünfte aus dem Wohlfahrtsfonds und der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft und bei der Mitbeteiligten die Pensionseinkünfte nach dem ASVG zu berücksichtigen seien. Der verstorbene Dr. S E habe ab 1. Dezember 2009 die frühzeitige Altersversorgung des Wohlfahrtsfonds in der Höhe von 2.467,04 Euro brutto bezogen. Die Mitbeteiligte habe ab Oktober 2010 eine Alterspension in der Höhe von 2.311,62 Euro brutto bezogen. Ab Oktober 2010 sei daher Pkt. 4. des Unterhaltsvergleiches zur Anwendung gekommen. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes betrage der Unterhaltsanspruch des schuldlos Geschiedenen grundsätzlich 40 % des gemeinsamen Einkommens abzüglich des eigenen Einkommens, wenn keine weiteren Sorgepflichten bestünden. Zum Zeitpunkt der Pensionierung der Mitbeteiligten im Oktober 2010 habe ihr Unterhaltsanspruch gegen Dr. S E auf Grund ihres Einkommens geruht. Das Ruhen des Unterhaltsanspruches führe jedoch nicht zur Vernichtung des Titels, sondern wirke nur bis zur Änderung der Verhältnisse, die zum Ruhen geführt hätten. Der verstorbene Dr. S E habe ab 1. Dezember 2013 zusätzlich zur frühzeitigen Altersversorgung des Wohlfahrtsfonds eine Alterspension aus der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft bezogen. Daher sei zumindest ab diesem Zeitpunkt die seit Oktober 2010 ruhende Unterhaltsverpflichtung wieder aufgelebt. Zum Zeitpunkt des Todes des Dr. S E habe folglich ein materiell aufrechter titulierter Unterhaltsanspruch der Mitbeteiligten gegenüber dem Verstorbenen bestanden. Irrelevant sei, ob der Verstorbene tatsächlich Unterhaltszahlungen geleistet habe.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (ordentliche) Revision, die vom Verwaltungsgericht unter Anschluss der Verfahrensakten und der Revisionsbeantwortung der Mitbeteiligten vorgelegt wurde.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

13       Die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses geltende Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Vorarlberg lautet auszugsweise:

„§ 27 Witwen- bzw. Witwerversorgung

(1) Nach dem Tode eines Kammerangehörigen oder Empfängers einer (frühzeitigen) Alters- oder Invaliditätsversorgung ist dessen Witwe (Witwer), die (der) mit ihm (ihr) im Zeitpunkt des Todes in aufrechter Ehe gelebt hat, die Witwen-(Witwer-)versorgung zu gewähren.

...

(3) Witwen-(Witwer-)versorgung gebührt, sofern nicht ein Ausschließungsgrund nach Abs 2 vorliegt, auf Antrag auch dem Gatten, dessen Ehe mit dem Mitglied für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist, wenn ihm das Mitglied zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) aufgrund eines gerichtlichen Urteils, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer durch Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte. Dieser Unterhaltsanspruch muss bereits zum Zeitpunkt der Auflösung der Ehe entstanden sein.

... Die vierzehnmal jährlich auszuzahlende Witwen-(Witwer-)versorgung darf in der Jahressumme die Unterhaltsleistung nicht übersteigen, auf die der frühere Ehegatte gegen das verstorbene Mitglied an seinem Sterbetag Anspruch gehabt hat. Dies gilt nicht, wenn

1.   das auf Scheidung lautende Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs 3 Ehegesetz, dRGBl.1938 I S 807 enthält,

2.   die Ehe mindestens 15 Jahre gedauert hat, und

3.   der frühere Ehegatte im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsurteils das 40. Lebensjahr vollendet hat.

...

(4) Die Witwen-(Witwer-)versorgung und die Versorgung des oder der früheren Ehegatten dürfen zusammen den in Abs 6 festgelegten Anspruch nicht übersteigen. Die Versorgung der gemäß Abs 1 bis 3 Anspruchsberechtigten ist nach Köpfen zu teilen und ist pro Anspruchsberechtigtem(r) endgültig. Ist kein(e) anspruchsberechtigte(r) Witwe(r) vorhanden, dann ist die Versorgung des (der) früheren Ehegatten so zu bemessen, als ob der Kammerangehörige eine(n) anspruchsberechtigte(n) Witwe(r) hinterlassen hätte.

(5) Im Falle der Wiederverehelichung erlischt der Anspruch auf Witwen-(Witwer-)versorgung.

(6) Die Witwen-(Witwer-)versorgung beträgt 66,66 % (zwei Drittel) der Grund- und Ergänzungsleistung sowie 60 % der Zusatzleistung in der (frühzeitigen) Altersversorgung, die dem Verstorbenen im Zeitpunkt seines Ablebens gebührt hat, oder in der Invaliditätsversorgung, die dem Verstorbenen im Zeitpunkt seines Ablebens gebührt hat oder gebührt hätte.

...“

14       Ein Revisionswerber hat nach ständiger hg. Rechtsprechung auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Dies ist so zu verstehen, dass eine ordentliche Revision zurückzuweisen ist, wenn die in der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs des Verwaltungsgerichts vertretene Auffassung über das Vorliegen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG, von deren Lösung die Entscheidung über die Revision abhänge, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt wird und in der ordentlichen Revision unter Zulässigkeitserwägungen keine andere Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung konkret dargelegt wird (vgl. VwGH 25.2.2020, Ro 2018/11/0012 bis 0025, mwN).

15       Das Verwaltungsgericht begründet die Zulassung der Revision damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „im konkreten Fall“ fehle.

16       Die Revision bringt zur Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob eine dem Grunde nach bestehende Unterhaltsverpflichtung für die Begründung des Anspruches auf eine Witwenversorgung gemäß § 102 Abs. 3 ÄrzteG 1998 ausreiche oder ob dafür ein qualifizierter Unterhaltstitel im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur vergleichbaren Rechtslage nach § 258 Abs. 4 ASVG erforderlich sei (Verweis auf RS0085196).

17       Weder in der Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts noch in der vorliegenden Revision wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt:

18       Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 28. Juni 2005, 2004/11/0011, für die Auslegung des (mit § 102 Abs. 3 ÄrzteG 1998 im Wesentlichen übereinstimmenden) § 27 Abs. 3 Satzung dem zur inhaltlich vergleichbaren Rechtslage nach § 258 Abs. 4 ASVG ergangenen Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 28. Juni 2001, 10 ObS 169/01b, angeschlossen, wonach Voraussetzung für einen Anspruch der geschiedenen Ehefrau auf Witwenpension nicht nur ist, dass die Unterhaltsverpflichtung des Versicherten im Zeitpunkt seines Todes auf Grund eines der taxativ aufgezählten Rechtstitel dem Grunde nach feststeht, sondern aus diesem Rechtstitel auch die Anspruchshöhe bestimmt oder zumindest ohne weiteren Verfahrensaufwand bestimmbar sein muss.

19       Es besteht daher bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu genau jener Rechtsfrage, die in der Revision für ihre Zulässigkeit vorgebracht wird.

20       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. Juli 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019110008.J00

Im RIS seit

03.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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