TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/10 G308 2215570-1

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Veröffentlicht am 10.04.2020
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Entscheidungsdatum

10.04.2020

Norm

ASVG §410
ASVG §412a
ASVG §412b
ASVG §412c
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13

Spruch

G308 2215570-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX GMBH NfG KG, XXXX, als Rechtsnachfolgerin der XXXX GMBH, vertreten durch den Geschäftsführer und Steuerberater XXXX, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Steiermark, (vormals: Steiermärkische Gebietskrankenkasse) vom 15.01.2019, Zahl: XXXX, wegen Feststellung der Versicherungspflicht und Nachverrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen zu Recht:

A)

I. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Bei der XXXX GMBH Nfg KG (im Folgenden: Beschwerdeführerin oder kurz BF), als Rechtsnachfolgerin der XXXX GMBH (im Folgenden: GmbH) wurde ab 23.05.2018 durch ein Prüfungsorgan des Finanzamtes XXXX eine gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) für den Zeitraum 01.01.2016 bis 31.12.2017 durchgeführt und mit Schlussbesprechung am 04.06.2018 abgeschlossen.

Bereits in der "Besprechungsunterlage" zur Schlussbesprechung vom 04.06.2018 wurde festgehalten, dass nach Ansicht des Prüfers hinsichtlich XXXX (im Folgenden: Mitbeteiligte) wegen ihrer Einbindung in den geschäftlichen Organismus der BF und ihrer Weisungsbindung statt des Werkvertragsverhältnisses tatsächlich ein Dienstverhältnis iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 vorliege.

2. Weder im Zuge der GPLA noch während des nachfolgenden Verfahrens der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Steiermark (vormals: Steiermärkische Gebietskrankenkasse; in der Folge: belangte Behörde), zur Feststellung der Versicherungspflicht der Mitbeteiligten in der Vollversicherung nach ASVG sowie der Arbeitslosenversicherung nach AlVG, die aufgrund der strittigen Tätigkeit bei der BF bereits nach den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG pflichtversichert war, wurde entsprechend der mit Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (SV-ZG), BGBl. I Nr. 125/2017, eingeführten und mit 01.07.2017 in Kraft getretenen Bestimmungen über Verfahren zur Versicherungszuordnung gemäß §§ 412a ff ASVG ein wechselseitiges Verfahren mit der Selbstständigen Sozialversicherung (vormals: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft; im Folgenden: SVS) geführt.

Insbesondere wurde die SVS nicht von dieser Prüfung und deren voraussichtlichen Ergebnis entsprechend § 412b Abs. 1 ASVG verständigt.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.01.2019, Zahl: XXXX, wurde gemäß § 410 Abs. 1 Z 2 iVm § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG 1977 festgestellt, dass die Mitbeteiligte im Zeitraum von 01.01.2016 bis 31.12.2016 aufgrund ihrer Tätigkeit für die BF der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegt. Die entsprechenden Versicherungsmeldungen würden von Amts wegen vorgenommen werden (Spruchpunkt I.). Weiters wurde gemäß § 410 Abs. 1 Z 7 iVm mit §§ 44 Abs. 1 und 49 Abs. 1 ASVG ausgesprochen, dass die BF wegen der im Zuge der bei ihr stattgefundenen gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben festgestellten Meldedifferenzen verpflichtet ist, die in der Beitragsabrechnung vom und im dazugehörigen Prüfbericht jeweils vom 13.06.2018 zur Dienstgeberkontonummer XXXX angeführten allgemeinen Beiträge, Nebenumlagen, Sonderbeiträge, Zuschläge nach den jeweils angeführten Beitragsgrundlagen und für die jeweils näher bezeichneten Zeiten sowie Verzugszinsen im Betrage von insgesamt EUR 15.131,94 nachzuentrichten. Die genannte Beitragsabrechnung und der dazugehörige Prüfbericht jeweils vom 13.06.2018 würden einen integrierenden Bestandteil des Bescheides bilden (Spruchpunkt II.).

Der verfahrensgegenständlich angefochtene Bescheid wurde der BF und der Mitbeteiligten, nicht jedoch der SVS und dem zuständigen Finanzamt zugestellt.

4. Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht mit Schriftsatz ihres Geschäftsführers, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer XXXX (im Folgenden: Geschäftsführer), vom 08.02.2019, bei der belangten Behörde am 13.02.2019 einlangend das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben, die festgesetzten Beitragsnachzahlungen samt Verzugszinsen dem Beitragskonto der BF wieder gutbuchen, der Beschwerde gemäß § 22 VwGVG die aufschiebende Wirkung zuerkennen sowie eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Merkmale eines Dienstverhältnisses gegenständlich nicht vorlägen. Die belangte Behörde habe darüber hinaus ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt und Feststellungen getroffen, die sich aus diesem Ermittlungsverfahren gar nicht hätten ergeben können.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) von der belangten Behörde zur Entscheidung vorgelegt und langten am 06.03.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Die belangte Behörde gab in ihrem Vorlagebericht vom 25.02.2019 den Sachverhalt wieder und wies darauf hin, dass das "inhaltsgleiche Vorverfahren", betreffend dieselbe Rechtsfrage und Mitbeteiligte in einem anderen Verfahrenszeitraum, bereits beim Bundesverwaltungsgericht anhängig sei und eine Verbindung der beiden Verfahren zur gemeinsamen Behandlung oder die Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Vorfahren angeregt werde. Weiters wurde zu den wesentlichen Beschwerdegründen Stellung genommen und dazu seitens der belangten Behörde ausgeführt, dass keine Bindung an bereits vorangegangene GPLA-Prüfungen und deren Prüfungsergebnis für die belangte Behörde bestehe. Entgegen der Ansicht der BF würden die Merkmale eines Dienstverhältnisses jene eines Werkvertrages klar übersteigen. Die Mitbeteiligte sei somit als Dienstnehmerin der BF und nicht mittels Werkvertrages für diese selbstständig Tätige anzusehen.

6. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.03.2019 wurde der BF der Vorlagebericht der belangten Behörde vom 22.02.2019 zum Parteiengehör und zur Stellungnahme binnen einer Frist von drei Wochen übermittelt.

7. Die Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme der BF vom 23.04.2019 langte am 26.04.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

In der Gegenäußerung zum Vorlagebericht wiederholte die BF im Wesentlichen ihre Argumentation in der Beschwerde, führte aber auch weiters aus, dass weder das die GPLA vornehmende Finanzamt noch die belangte Behörde die gesetzlich vorgesehenen Verfahrensbestimmungen gemäß §§ 412a ff ASVG, welche das Verfahren zur Klärung der Versicherungszuordnung zwingend gesetzlich regeln würden, eingehalten hätten. Demnach sei in § 412b ff ASVG geregelt, dass bei Feststellungen im Rahmen einer Prüfung nach § 41a ASVG bzw. § 86 EStG (GPLA), die bei einer nach dem GSVG versicherten Person zu einer rückwirkenden Einstufung einer Person nach dem ASVG führen könnte, die belangte Behörde oder das Finanzamt ohne Aufschub die zuständige SVS darüber zu verständigen habe. In weiterer Folge stünden dieser auch eigene Ermittlungen zu und habe eine einvernehmliche Festlegung durch beide Versicherungsträger (ÖGK und SVS) über die Versicherungszuordnung zu erfolgen. Nur wenn es zu einer einvernehmlichen Zuordnung komme, habe die ÖGK mittels Bescheid zu entscheiden und stehe der SVS dann jedoch ein Beschwerderecht zu.

All diese zwingenden Verfahrensbestimmungen seien zu keiner Zeit eingehalten worden. Schon deswegen sei der Beschwerde stattzugeben. Es werde daher erneut beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I. getroffenen Ausführungen.

Die BF ist die Rechtsnachfolgerin der GmbH, bei welcher im Mai/Juni 2018 für den strittigen Zeitraum von 01.01.2016 bis 31.12.2016 eine GPLA-Prüfung durchgeführt wurde. In weiterer Folge wurde die Umqualifizierung des Werkvertrages der Mitbeteiligten in ein Dienstverhältnis zur BF mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommen.

Dabei wurde weder im Zuge der GPLA noch während des nachfolgenden Verfahrens der belangten Behörde, zur Feststellung der Versicherungspflicht der Mitbeteiligten in der Vollversicherung nach ASVG sowie der Arbeitslosenversicherung nach AlVG, die aufgrund der strittigen Tätigkeit bei der BF bereits nach den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG pflichtversichert war, entsprechend der mit Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (SV-ZG), BGBl. I Nr. 125/2017, eingeführten und mit 01.07.2017 in Kraft getretenen Bestimmungen über Verfahren zur Versicherungszuordnung gemäß §§ 412a ff ASVG ein wechselseitiges Verfahren mit der SVS geführt.

Insbesondere wurde die SVS nicht von dieser Prüfung und deren voraussichtlichen Ergebnis entsprechend § 412b Abs. 1 ASVG verständigt.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde sowie des vorliegenden Gerichtsakts des BVwG.

Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien nicht beanstandeten Aktenlage fest.

Weder aus dem Prüfbericht noch aus der "Besprechungsgrundlage" zur Schlussbesprechung oder dem übrigen Akteninhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes geht in irgendeiner Form hervor, dass seitens des die GPLA durchführenden Finanzamtes und/oder seitens der belangten Behörde ein Verfahren zur Versicherungszuordnung iSd §§ 412a ff ASVG durchgeführt worden wäre.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Anzuwendendes Recht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg. cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit iSd. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

3.2. Zu Spruchteil A):

3.3.1. Zu Spruchpunkt I.): Zurückweisung des Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde:

Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit aufschiebende Wirkung. Auch einem rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Vorlageantrag kommt aufschiebende Wirkung zu, wenn die Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat. Dem gegenständlichen Rechtsmittel kommt daher bereits ex lege aufschiebende Wirkung zu und wurde diese auch seitens der belangten Behörde nicht aberkannt.

In Ermangelung eines Antragsrechts auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war das diesbezügliche Begehren der BF als unzulässig zurückzuweisen.

3.3.2. Zu Spruchpunkt II.): Stattgabe der Beschwerde und Behebung des angefochtenen Bescheides:

Der mit "Verfahren zur Klärung der Versicherungszuordnung" betitelte § 412a ASVG lautet:

"§ 412a. Zur Klärung der Versicherungszuordnung ist ein Verfahren mit wechselseitigen Verständigungspflichten des Krankenversicherungsträgers und der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen durchzuführen. Die Einleitung dieses Verfahrens erfolgt

1. auf Grund einer amtswegigen Sachverhaltsfeststellung (§§ 412b und 412c) oder

2. auf Grund der Anmeldung zur Pflichtversicherung (§ 412d)

a) nach § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG, soweit es sich um Berechtigte zur Ausübung eines freien Gewerbes handelt, die von den Trägern der Krankenversicherung und der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen einvernehmlich bestimmt wurden, oder

b) nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG oder

c) nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG in Verbindung mit Punkt 6 oder 7 der Anlage 2 zum BSVG oder

3. auf Antrag der versicherten Person oder ihres Auftraggebers/ihrer Auftraggeberin (§ 412e)."

Der mit "Versicherungszuordnung auf Grund einer amtswegigen Sachverhaltsfeststellung (Neuzuordnung)" betitelte § 412b ASVG lautet:

"§ 412b. (1) Stellt der Krankenversicherungsträger oder das Finanzamt bei der Prüfung nach § 41a dieses Bundesgesetzes oder nach § 86 EStG 1988 für eine im geprüften Zeitraum nach dem GSVG bzw. nach dem BSVG versicherte Person einen Sachverhalt fest, der zu weiteren Erhebungen über eine rückwirkende Feststellung der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz (Neuzuordnung) Anlass gibt, so hat der Krankenversicherungsträger oder das Finanzamt die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen ohne unnötigen Aufschub von dieser Prüfung zu verständigen. Die Verständigung hat den Namen, die Versicherungsnummer sowie den geprüften Zeitraum und die Art der Tätigkeit zu enthalten.

(2) Erfolgt eine Verständigung nach Abs. 1, so sind die weiteren Ermittlungen vom Krankenversicherungsträger und von der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen im Rahmen ihres jeweiligen Wirkungsbereiches durchzuführen."

Der mit "Bindungswirkung, Bescheidzustellung" betitelte § 412c ASVG lautet:

"§ 412c. (1) Wird nach Abschluss der Prüfungen nach § 412b das Vorliegen einer Pflichtversicherung

1.

nach dem ASVG vom Krankenversicherungsträger und dem Dienstgeber oder

2.

nach dem ASVG oder nach dem GSVG bzw. BSVG vom Krankenversicherungsträger und der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen

bejaht, so sind die Krankenversicherungsträger, die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen und das Finanzamt bei einer späteren Prüfung an diese Beurteilung gebunden (Bindungswirkung).

 

(2) Wird nach Abschluss der Prüfungen nach § 412b vom Krankenversicherungsträger das Vorliegen einer Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz bejaht, während die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen vom Vorliegen einer Pflichtversicherung nach dem GSVG bzw. BSVG ausgeht, so hat der Krankenversicherungsträger die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz mit Bescheid festzustellen. Die Behörden sind an diese Beurteilung gebunden (Bindungswirkung), wenn der Bescheid des Krankenversicherungsträgers rechtskräftig wurde.

(3) Im Bescheid hat sich der Krankenversicherungsträger im Rahmen der rechtlichen Beurteilung mit dem abweichenden Vorbringen der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen auseinander zu setzen.

(4) Bescheide des Krankenversicherungsträgers sind neben der versicherten Person und ihrem Dienstgeber auch der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen sowie dem sachlich und örtlich zuständigen Finanzamt zuzustellen.

(5) Die Bindungswirkung nach den Abs. 1 und 2 gilt nicht, wenn eine Änderung des für die Beurteilung der Pflichtversicherung maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist."

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung hat sich der Krankenversicherungsträger nach dem ASVG mit dem abweichenden Vorbringen der SVS bzw. der Sozialversicherungsanstalt der Bauern auseinander zu setzen. Der Bescheid ist dabei nicht nur der versicherten Person und ihrem Dienstgeber, sondern auch den beteiligten Behörden (SVS, SVB, Krankenversicherungsträger sowie dem sachlich und örtlich zuständigen Finanzamt) zuzustellen (vgl Erläuternde Bemerkungen, 1613 BlgNR XXV. GP, S 1).

Gemäß den Schlussbestimmungen in § 707 Abs. 1 ASVG sind die Bestimmungen der §§ 412a bis 412e ASVG mit 01.07.2017 in Kraft getreten. Dazu ergibt sich aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (1613 BlgNR XXV. GP, S 2), dass sich das neue Verfahren zur Versicherungszuordnung nach den §§ 412a ff ASVG sowie §§ 194b GSVG und § 182a BSVG - entsprechend dem Zweck dieser Normen - auch auf die versicherungsrechtliche Prüfung von Zeiträumen, die vor dem Inkrafttretenszeitpunkt liegen, beziehen.

Fallbezogen ergibt sich daraus:

Die gegenständliche GPLA wurde im Zeitraum Mai/Juni 2018, somit nach Inkrafttreten der Bestimmungen über das zu führende Verfahren bei Sozialversicherungs-Neuzuordnung mit 01.07.2017, durchgeführt und betrifft einen Zeitraum von 01.01.2016 bis 31.12.2017 (strittig ist jedoch der Zeitraum vom 01.01.2016 bis 31.12.2016). Die Bestimmungen über das Verfahren gemäß §§ 412a ff ASVG sind auf den gegenständlichen Fall daher anzuwenden.

Dem Verwaltungsakt kann weder ein nach diesen Bestimmungen durchgeführtes Verfahren über eine Neuzuordnung unter Einbeziehung insbesondere der SVS noch die in § 412c vorgesehene, zwingende Zustellung des gegenständlichen Bescheides an die SVS und das betreffende Finanzamt entnommen werden.

Da die §§ 412a ff ASVG ein konkret von der belangten Behörde gemeinsam mit der SVS bzw. (sofern betroffen) der Sozialversicherungsanstalt der Bauern zwingend durchzuführendes Verfahren betreffen, welches vor Erlassung eines Bescheides wie des gegenständlich angefochtenen zu erfolgen hat, hat die belangte Behörde ein mangelhaftes Verwaltungsverfahren in einer Art und Weise durchgeführt, die vom erkennenden Gericht mangels Zuständigkeit auch nicht nachgeholt werden kann und möglicherweise zu einer anderen sozialversicherungsrechtlichen Zuordnung der Mitbeteiligten geführt hätte, als jene, die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochen wurde. Darüber hinaus wurde der SVS mit der Vorgehensweise der belangten Behörde die Parteistellung verwehrt.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher wegen der Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften als rechtswidrig. Wie bereits ausgeführt kann der Verfahrensmangel auch nicht im Beschwerdestadium vor dem Bundesverwaltungsgericht saniert werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Verhandlung kann gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Der angefochtene Bescheid war bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben. Eine mündliche Verhandlung konnte daher unterbleiben.

Zu Spruchteil B): Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es fehlt zudem an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, welche Auswirkungen die Unterlassung eines Verfahrens gemäß §§ 412a ff ASVG über die sozialversicherungsrechtliche Neuzuordnung auf einen von der Österreichischen Gesundheitskasse dennoch erlassenen Bescheid hat bzw. ob ein solches Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht nachgeholt werden kann bzw. muss. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes handelt es sich beim Verfahren nach §§ 412a ff ASVG um zwingende Verfahrensbestimmungen, deren Zweck es ja gerade ist, in Verfahren der Österreichischen Gesundheitskasse (bzw. des zuständigen Krankenversicherungsträgers) über die sozialversicherungsrechtliche Umqualifizierung von unter anderem bisher nach dem GSVG als selbstständig Erwerbstätige Pflichtversicherten in Dienstnehmer nach dem ASVG möglichst ein Einvernehmen mit der betreffenden Sozialversicherung der Selbstständigen (oder allenfalls der Bauern) herzustellen. Weiters kommen diesen entsprechend der angeführten Bestimmungen auch Parteienrechte zu. Würde eine Nichtdurchführung eines Verfahrens nach den §§ 412a ff ASVG nicht zur Rechtswidrigkeit des erlassenen Bescheides führen, könnte die Österreichische Gesundheitskasse (bzw. der Krankenversicherungsträger) auf die Durchführung eines solchen Verfahrens generell verzichten. Die Bestimmungen wären dadurch ausgehöhlt und würden in der Praxis nicht angewandt werden, was nicht der Intention des Gesetzgebers entsprechen würde.

Schlagworte

GPLA Parteistellung Rechtslage Rechtswidrigkeit Revision zulässig Verfahrensmangel Versicherungspflicht Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G308.2215570.1.00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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