Entscheidungsdatum
23.09.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W123 1439253-2/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2018, Zl. 830477000/181209735, zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG stattgegeben. Die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
II. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 27.09.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 23.09.2021 erteilt wird.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unrechtmäßig und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 14.04.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 16.04.2012 fand die Erstbefragung des Beschwerdeführers vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.
3. Am 24.07.2013 wurde der Beschwerdeführer vom damaligen Bundesasylamt, nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen.
4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.12.2013, Zl. 13 04.770-BAT, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 06.12.2014 erteilt (Spruchpunkt III.). Die Feststellungen lauten auszugsweise:
"Bei Ihnen wurden in Österreich folgende Krankheiten festgestellt: Hepatitis B, erosive Gastroduodenitis (Magenschleimhautentzündung), Posttraumatische Belastungsstörung. Weiters leiden Sie häufig an Schmerzen, da sich in Ihrem Gesichtsschädel mehrere Metallsplitter, sowie im Bereich Ihrer Halswirbelsäule ein größerer Metallsplitter befinden. Die besagten Splitter zogen Sie sich zu, als im Zuge von Kampfhandlungen vor etwa 20 Jahren ein Geschoss in Ihr Wohnhaus einschlug.
[...]
Aufgrund Ihrer medizinischen Behandlungswürdigkeit und weil sich Ihre nächsten Angehörigen mit Ihnen in Österreich befinden ist in Ihrem Fall jedoch für Afghanistan ein Abschiebungshindernis festzustellen."
5. Der Beschwerdeführer beantragte am 27.09.2018 die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.
6. Der Beschwerdeführer wurde am 02.11.2018 erneut vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.
7. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18.12.2018, Zl. 830477000/181209735, wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid vom 09.12.2013 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Der Antrag des Beschwerdeführers vom 18.10.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde als Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 08.01.2019 fristgerecht Beschwerde.
9. Am 04.04.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der der Beschwerdeführer insbesondere vorbrachte, dass er sich in ärztlicher Behandlung befinde und Unterlagen vorlegen könne.
10. Mit Schreiben vom 15.04.2019 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, innerhalb einer Frist von 2 Wochen entsprechende fachärztliche Befunde bzw. Bestätigungen über das Vorliegen von chronischen Krankheiten vorzulegen (siehe OZ 9).
11. Nach Ersuchen um Fristerstreckung legte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 25.06.2019 bzw. 10.07.2019 medizinische Unterlagen vor.
12. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.08.2019 wurden die medizinischen Unterlagen der belangten Behörde zur Wahrung des Parteiengehörs mit der Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme übermittelt. Binnen offener Frist langte keine Stellungnahme der belangten Behörde ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der Beschwerdeführer ist ein afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Der Beschwerdeführer ist in Kabul geboren und aufgewachsen. Der Beschwerdeführer hat die 12. Gymnasialklasse abgeschlossen, war zwei Jahre beim Militär und besaß einen Lebensmittelladen in Kabul. Die Mutter, die Schwester und die Nichte des Beschwerdeführers leben als Asylberechtigte in Österreich. Der Beschwerdeführer steht in regelmäßigem Kontakt zu diesen Familienangehörigen. In Kabul leben eine Tante und ein Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers; der Beschwerdeführer steht mit diesen Familienangehörigen nicht in Kontakt.
Am 21.02.2019 wurden von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, folgende Diagnose beim Beschwerdeführer festgestellt:
Bandscheibenbeschädigung der HWS, C5/C6
deformierende Spondylose. HWS
Depressio
Dem Befund des Instituts XXXX Partner vom 06.06.2019 liegt folgendes Ergebnis zu Grunde:
Osteochondrose und knöchern gedeckte Discusprotrusion im Segment C5/6, zusätzliche Uncovertebralarthrosen.
Rechtsbetonte knöcherne Neuroforamenstenose und Einengung des prämedullären Raumes.
Geringere Osteochondrosen und Uncovertelbralarthrosen auch C4/5 und Degenerationen auch der übrigen Segmente.
Fehlhaltung.
Metallische Fremdkörper (Granatsplitter) wie beschrieben.
Laut Rezeptverordnung von Dr. XXXX vom 25.06.2019 wurden dem Beschwerdeführer folgende Medikamente verschrieben:
SERTRALIN BLU FTBL 50MG
VOLON - A 10MG
XYLONEURAL AMP 5ML
Es kann nicht festgestellt werden, dass die in Kabul lebenden Verwandten des Beschwerdeführers diesen bei einer Rückkehr finanziell unterstützen können.
Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers und der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan konnte nicht festgestellt werden, dass sich die Umstände, die zur Gewährung subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.12.2013 bzw. seit der (letzten) Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wesentlich und nachhaltig verändert haben.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes sowie in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden.
Die Feststellungen zu Identität, Sprachkenntnissen, Herkunft und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich gleichbleibenden und daher glaubhaften Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde und in dem Beschwerdeschriftsatz. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.
Eine Feststellung des Inhalts, dass sich die Umstände, die zur Gewährung subsidiären Schutzes bzw. zur Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA vom 09.12.2013 bzw. seit der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wesentlich und nachhaltig verändert haben, konnte im Lichte eines Vergleichs der individuellen Situation des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung subsidiären Schutzes bzw. der (letzten) rechtskräftigen Verlängerung des subsidiären Schutzes einerseits und zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. der vorliegenden Entscheidung andererseits nicht getroffen werden (vgl. dazu näher die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen). Insbesondere konnte - entgegen den Feststellungen im angefochtenen Bescheid der belangten Behörde - aufgrund der vorgelegten aktuellen medizinischen Unterlagen nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit finanzieller Unterstützung seitens der in Kabul befindlichen Verwandten rechnen könnte, ergibt sich aus dem glaubhaften Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er mit diesen Verwandten in keinerlei Kontakt steht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
3.1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der §§ 8, 9 AsylG 2005 lauten (auszugsweise), wie folgt:
"Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
[...]
(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
[...]"
"Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;
2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder
3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn
1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;
2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder
3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.
In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.
(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen."
3.2. Vorauszuschicken ist, dass sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausdrücklich auf den Aberkennungstatbestand nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 bezog. Die Frage, ob die Aberkennung des Schutzstatus auf den ersten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, dem zufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht vorliegen", oder auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, dem zufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht mehr vorliegen", gestützt wurde, ist anhand der konkretisierenden Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde (S. 105 ff, insb. S. 111 des Bescheides) zu beantworten, wonach die Aberkennung erfolgte, weil "die Gründe, die zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, nicht mehr vorliegen [...]".
Im ersten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 stellt das Gesetz darauf ab, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nie vorgelegen sind. Dieser Tatbestand korrespondiert mit Art. 19 Abs. 3 lit. b der Statusrichtlinie, nach dem eine Aberkennung oder Nichtverlängerung des Status dann erfolgt, wenn eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausschlaggebend war. Zur Frage, ob sich § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005 nur auf den eben genannten "Erschleichungstatbestand" der Statusrichtlinie oder aber auf jede (vom Fremden nicht zu vertretende) Änderung des Kenntnisstandes der Behörde bezieht, vgl. den Beschluss betreffend die Vorlage zur Vorabentscheidung durch den VwGH 14.12.2017, Ra 2016/20/0038.
Im zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, in dem die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, wird auf eine Änderung der Umstände abgestellt, die so wesentlich und nicht nur vorübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Gegenständlich ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides zweifelsfrei, dass es sich um die Anwendung des zweiten Falles des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 handelt, zumal weder Hinweise dafür vorliegen, dass eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen seitens des Beschwerdeführers für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausschlaggebend war, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich der Kenntnisstand der Behörde hinsichtlich eines für die Zuerkennung relevanten Tatsachenumstandes (im Sinne des Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofes) geändert hätte. Vielmehr zog die belangte Behörde offenbar mit Blick auf eine vermeintliche Änderung des Sachverhalts den Tatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 heran.
3.3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.12.2013 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Ihm wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 06.12.2014 erteilt.
Die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten stützte die belangte Behörde darauf, dass aufgrund der beim Beschwerdeführer erforderlichen medikamentösen Behandlungen und aufgrund der diagnostizierten Posttraumatischen Belastungsstörung ein Abschiebungshindernis gegeben sei. Ferner darauf, dass die Posttraumatische Belastungsstörung bei einer Trennung von Mutter, Schwester und Neffen die Gesamtsituation des Beschwerdeführers erschwere.
Im nunmehr angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde insbesondere fest, dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig sei, wobei in der Beweiswürdigung darauf hingewiesen wurde, dass der Beschwerdeführer lediglich Befunde aus dem Jahr 2013 vorgelegt habe.
Die Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig sei, findet in den aktuellen medizinischen Befunden keine Grundlage. Der belangten Behörde wurde im Wege des Parteiengehörs die Möglichkeit eingeräumt, zu den jüngsten Befunden Stellung zu nehmen, jedoch von dieser kein Gebrauch gemacht. Eine wesentliche Änderung (im Sinne einer deutlichen Verbesserung des Gesundheitszustandes), wovon offenbar die belangte Behörde ausgeht, kann somit im Hinblick auf die vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht erkannt werden.
Ferner hat sich gegenüber der Feststellung, dass sich die "nächsten Angehörigen" des Beschwerdeführers mit ihm in Österreich befinden, im Vergleich zur Lage im Zeitpunkt der Gewährung des subsidiären Schutzes nicht geändert. Neu hinzugetreten ist vielmehr der Umstand, dass Mutter, Schwester und Neffe des Beschwerdeführers über den Status der Asylberechtigten verfügen. Der Beschwerdeführer steht auch nach wie vor mit seinen "nächsten Angehörigen" in regelmäßigem Kontakt. Zwar verfügt der Beschwerdeführer insofern über familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan, als ein Onkel und eine Tante mütterlicherseits sich in der Stadt Kabul aufhalten, jedoch konnte der Beschwerdeführer glaubhaft darlegen, dass er mit diesen Verwandten keinen Kontakt pflegt und auch von ihnen keine finanzielle Unterstützung im Falle einer Rückkehr erwarten könnte. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf die familiäre Situation des Beschwerdeführers konnte somit auch nicht erkannt werden.
Im Übrigen wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes zwar keineswegs verkannt, dass sich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz von gesunden, alleinstehenden, erwachsenen, männlichen afghanischen Staatsangehörigen auf Grund der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes seit dem Jahr 2016 geändert hat. Dies kann jedoch nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht dazu führen, dass ohne maßgebliche Änderung der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers von nicht mehr vorliegenden Vorrausetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz iSd § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gesprochen werden kann.
Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 lagen sohin mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderung der maßgeblichen Umstände gegenständlich nicht vor.
3.4. Der Beschwerde war daher stattzugeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.
3.5. Vor diesem Hintergrund ist Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides spruchgemäß dahingehend abzuändern, dass dem Antrag des Beschwerdeführers vom 21.08.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für wiederum zwei Jahre erteilt wird (vgl. zur Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war, VwGH Ra 2016/22/0033 vom 07.12.2016).
3.6. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass es sich bei den Aussprüchen, mit denen etwa der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt wird, sowie eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wird, um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche handelt. Demgemäß sind diese Aussprüche separat anfechtbar; sie können auch unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen. Es besteht zwischen diesen gemäß den maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 und des Fremdenpolizeigesetzes lediglich insofern ein rechtlicher Zusammenhang, als es für manche Aussprüche Tatbestandsvoraussetzung ist, dass bereits andere Aussprüche getätigt wurden und zudem manche Aussprüche miteinander zu verbinden sind, sodass im Fall der Aufhebung eines Spruches ein darauf rechtlich aufbauender Ausspruch seine Grundlage verlieren kann (vgl. VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047; 28.01.2015, Ra 2014/20/0121; 08.09.2015 Ra 2015/18/0134, je mwN). Nach Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichtes gilt dasselbe im Verhältnis zwischen der Aberkennung eines (subsidiären) Schutzstatus und einer damit verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme.
Da dem Beschwerdeführer mit diesem Erkenntnis in Folge der Behebung von Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt, verlieren die übrigen von der belangten Behörde getroffenen Aussprüche III. bis VI. ihre rechtliche Grundlage, weshalb diese (ebenfalls) ersatzlos aufzuheben sind.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu insbesondere die unter Pkt. II.3.4. zitierte Rechtsprechung), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich zudem als klar und eindeutig (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung ersatzlose Teilbehebung familiäre Situation gesundheitliche Beeinträchtigung psychische Erkrankung PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) Rückkehrentscheidung behoben Rückkehrsituation Verlängerung wesentliche ÄnderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W123.1439253.2.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020