TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/30 I403 2229943-1

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Veröffentlicht am 30.03.2020
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Entscheidungsdatum

30.03.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3
StGB §127
StGB §129
StGB §147 Abs2
StGB §229
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2229943-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Slowakei, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2020, Zl. 1238139307/190713521 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27.02.2020 wurde gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz wurde ihm kein Durchführungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer am 11.02.2020 in Österreich zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden war. Berücksichtigt wurde zudem, dass der Beschwerdeführer auch in der Slowakei bereits mehrmals strafrechtlich verurteilt worden war. Die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers sei daher im öffentlichen Interesse notwendig.

Mit Schriftsatz vom 17.03.2020 wurde Beschwerde erhoben und beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben, in eventu dem Beschwerdeführer einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilen bzw. das Aufenthaltsverbot verkürzen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen. Inhaltlich wurde kritisiert, dass der Beschwerdeführer nicht einvernommen worden sei.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 27.03.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Slowakei. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer war nie im Bundesgebiet gemeldet, ging hier nie einer Beschäftigung nach und hat in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte. Sein Lebensmittelpunkt liegt in der Slowakei. Er begab sich nur nach Österreich, um hier Straftaten zu begehen.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen.

Der Beschwerdeführer reiste am 09.07.2019 in das österreichische Bundesgebiet ein und befindet sich seither in einer Justizanstalt.

Der Beschwerdeführer war am 19.04.2019 in einen PKW eingedrungen und hatte ein Mobiltelefon und das Serviceheft des Fahrzeugs gestohlen. Er versuchte das Auto durch Aufbrechen des Zündschlosses ebenfalls zu entwenden, was ihm aber nicht gelang. Zudem versuchte er am 09.07.2019 in XXXX, einem verdeckten Ermittler 400 Gramm Badesalz, das er als Chrystal Meth (Pervitin) ausgab, um 12.000 Euro zu verkaufen.

Er wurde deswegen mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 20.11.2019, Zl. XXXX wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB, des Vergehens des Diebstahls, teilweise durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs. 1 Z 3 und 15 StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Bei einem Strafrahmen von bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe wurde mildernd berücksichtigt, dass es teilweise beim Versuch geblieben war, erschwerend dagegen das Zusammentreffen dreier Vergehen und das massiv getrübte Vorleben des Beschwerdeführers. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts XXXX vom 11.02.2020, Zl. XXXX nicht Folge gegeben.

Der Beschwerdeführer hat in der Slowakei seit 1993 zehn Vorstrafen bekommen, davon acht wegen Vermögensdelikten (Handel mit gestohlenen Waren, Sachbeschädigung, Diebstahl, widerrechtliche Aneignung), eine wegen eines Drogendelikts und eine weitere wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Insgesamt hat er deswegen bereits sieben Jahre Freiheitsstrafe in der Slowakei verbüßt. Zuletzt wurde er in der Slowakei am 14.02.2019 aus der Strafhaft entlassen.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Insbesondere wurden auch Auszüge aus dem Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Zentralen Melderegister (woraus sich ergibt, dass der Beschwerdeführer bis zu seiner Inhaftierung nie im Bundesgebiet gemeldet war), dem Sozialversicherungsdatenbankauszug (woraus sich ergibt, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nie einer beruflichen Tätigkeit nachging) und dem Strafregister eingeholt. Ergänzend wurde Einsicht in den Abschlussbericht der Landespolizeidirektion und das Strafurteil erster und zweiter Instanz genommen.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines vorgelegten slowakischen Identitätsnachweises fest.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist und in Österreich über keine Familie verfügt, ergibt sich aus dem Umstand, dass die entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid in der Beschwerde nicht bestritten wurden. Im Übrigen wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben der belangten Behörde vom 29.07.2019 die Gelegenheit gewährt, eine schriftliche Stellungnahme zu seinem Privat- und Familienleben abzugeben, doch nahm er diese nicht wahr.

Dass der Beschwerdeführer nur nach Österreich reiste, um hier eine Straftat zu begeben, und dass sein Lebensmittelpunkt generell in der Slowakei liegt, ergibt sich einerseits daraus, dass die entsprechenden Feststellungen des Bescheides unwidersprochen blieben, andererseits daraus, dass im Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 20.11.2019, Zl. XXXX, festgehalten wurde, dass zwei Bekannte des Beschwerdeführers am 09.07.2019 gemeinsam mit ihm nach Österreich fuhren und dass der Beschwerdeführer ihnen diesbezüglich mitteilte, dass er "Geld holen müsse".

Die Angaben zu seinen Verurteilungen in der Slowakei ergeben sich aus dem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 20.11.2019, Zl. XXXX. Dass der Beschwerdeführer bis zum 14.02.2019 in der Slowakei in Haft war, ergibt sich aus seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Landespolizeidirektion am 10.07.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Zu den Rechtsgrundlagen:

§ 67 FPG lautet:

§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder jener, der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist. Der Beschwerdeführer als Staatsangehöriger der Slowakei ist sohin EWR-Bürger iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.1.2. Die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war aus den folgenden Gründen abzuweisen:

Da der Beschwerdeführer aufgrund seiner slowakischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt und da die Voraussetzung eines durchgehenden rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet seit mehr als 5 bzw. mehr als 10 Jahren nicht erfüllt ist, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 1. und 2. Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung.

Soweit daher in der Beschwerde auf den Gefährdungsmaßstab des fünften Satzes des § 67 Abs. 1 FPG abgestellt wird ("dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde"), wird verkannt, dass dieser Gefährdungsmaßstab erst nach einem Aufenthalt von zehn Jahren im Bundesgebiet anzuwenden ist.

Gegen den Beschwerdeführer als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs. 1 FPG dagegen zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Dem angefochtenen Aufenthaltsverbot liegt im Wesentlichen die rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers von 20.11.2019 zugrunde. Der Beschwerdeführer war am 19.04.2019 in einen PKW eingedrungen und hatte ein Mobiltelefon und das Serviceheft des Fahrzeugs gestohlen. Er versuchte das Auto durch Aufbrechen des Zündschlosses zu entwenden, was ihm aber nicht gelang. Zudem versuchte er am 09.07.2019 in XXXX, einem verdeckten Ermittler 400 Gramm Badesalz, das er als Chrystal Meth (Pervitin) ausgab, um 12.000 Euro zu verkaufen. Er war an diesem Tag nur in das Bundesgebiet eingereist, um diese Straftat zu begehen.

Es ist aber auch das Verhalten des Beschwerdeführers in der Slowakei zu berücksichtigen, wo er bereits zehn Vorstrafen hat, davon acht wegen Vermögensdelikten (Handel mit gestohlenen Waren, Sachbeschädigung, Diebstahl, widerrechtliche Aneignung), eine wegen eines Drogendelikts und eine weitere wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Insgesamt hat er deswegen bereits sieben Jahre Freiheitsstrafe in der Slowakei verbüßt. Zuletzt wurde er in der Slowakei am 14.02.2019 aus der Strafhaft entlassen. Das bedeutet, dass der Beschwerdeführer innerhalb von zwei Monaten nach seiner Haftentlassung in der Slowakei wieder eine Straftat beging, nunmehr allerdings in Österreich. Entsprechend ist auch im Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 20.11.2019 die Rede von der "großen kriminellen Energie" des Beschwerdeführers.

Wenn in der Beschwerde behauptet wird, dass der Beschwerdeführer seine Taten bereue, ist dem entgegenzuhalten, dass ein Gesinnungswandel nach höchstgerichtlicher Judikatur primär daran zu prüfen ist, ob und wielange sich ein Straftäter in Freiheit wohlverhalten hat (VwGH, 20.8.2013, 2013/22/0108). Solange sich jemand in Strafhaft befindet, kann noch nicht von einem Wegfall oder einer relevanten Minderung der von ihm ausgehenden Gefährdung ausgegangen werden.

Es muss daher davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre.

Bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes kann aber ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss anhand der Kriterien des § 9 Abs. 2 BFA-VG überprüft werden, ob im vorliegenden Fall einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers gegeben ist.

Im vorliegenden Fall führt der Beschwerdeführer in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Auch eine soziale Integration des Beschwerdeführers ist nicht gegeben, hatte er doch noch nie einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich (abgesehen von seiner derzeitigen Inhaftierung) und reiste er am 09.07.2019 nur in das Bundesgebiet ein, um eine Straftat zu begehen. Der bisherige Aufenthalt von achteinhalb Monaten beschränkte sich auf die Begehung einer Straftat und die Inhaftierung.

Somit liegt jedenfalls keine umfassende Verankerung in sprachlicher, gesellschaftlicher sowie kultureller Hinsicht im Bundesgebiet vor. Wenn in der Beschwerde lapidar behauptet wird, dass das "ausgeprägte und schützenswerte Privatleben" des Beschwerdeführers hätte berücksichtigt werden müssen, wird unterlassen, ein solches auch nur ansatzweise aufzuzeigen. Das familiäre und private Interesse des Beschwerdeführers am Aufenthalt im Bundesgebiet konnte somit im Lichte einer durch Art. 8 EMRK gebotenen Interessensabwägung das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung nicht überwiegen.

Im Hinblick auf die Art seines Verhaltens und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers ist eine Aufenthaltsverbotsdauer in der Höhe von sieben Jahren, bei einer grundsätzlich möglichen Höchstdauer von zehn Jahren, jedenfalls angemessen, da davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer auch nach seiner Haftentlassung nicht sofort zu einem geordneten Leben finden wird, das ihn davon abhält, weitere Straftaten zu begehen.

Die Befristungsdauer ist auch deshalb nicht zu beanstanden, weil der Beschwerdeführer sich erst seit weniger als einem Jahr durchgehend in Österreich aufhält und im Bundesgebiet auch keine maßgeblichen sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte aufweist.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.2. Zur Erteilung eines Durchsetzungsaufschubs (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Die belangte Behörde hatte dem Beschwerdeführer keinen Durchsetzungsaufschub gewährt und dies mit einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer begründet. Sein bisheriges Verhalten und seine wirtschaftliche Lage legten mit hoher Wahrscheinlichkeit nahe, dass der Beschwerdeführer erneut straffällig werde, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Dieser Argumentation der belangten Behörde ist zu folgen und wurde dem in der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegengetreten. Der Beschwerdeführer war bereits in der Slowakei mehrmals zu Freiheitsstrafen verurteilt worden und erst wenige Monate vor der Begehung der Straftaten in Österreich aus der slowakischen Haft entlassen worden. Von einem entsprechenden Gesinnungswandel kann nicht ausgegangen werden, so dass von seinem Verbleib im Bundesgebiet eine Gefahr für die österreichische Bevölkerung ausgeht. Von seiner Person geht eine eklatante Gefährdung für die Gesundheit und Sicherheit der österreichischen Staatsbürger aus.

Hinsichtlich der aktuellen Reisebeschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer aktuell noch seine Haftstrafe zu verbüßen hat und dass Staatsbürgern zudem eine Einreise in die Slowakei möglich ist.

Daher ist die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen und kein Durchsetzungsaufschub zu gewähren.

4. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der maßgebende Sachverhalt wurde vom BFA abschließend ermittelt. Wenn in der Beschwerde die Nichtdurchführung einer niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA bemängelt wird, so ist diesbezüglich festzuhalten, dass das Parteiengehör durch das BFA gewahrt wurde, indem der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 29.07.2019 vom Ergebnis der Beweisaufnahme hinsichtlich des beabsichtigten Aufenthaltsverbotes verständigt wurde und er zur Beantwortung von Fragen zu seiner Integration sowie zur Vorlage von entsprechenden Belegen aufgefordert wurde. Dass er dem nicht nachgekommen ist, ist der Behörde nicht vorzuwerfen.

Die wesentlichen Feststellungen, insbesondere zu den vom Beschwerdeführer in Österreich begangenen Straftaten und zu seinen Verurteilungen in der Slowakei, blieben unbestritten. Tatsächlich blieben alle im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen (so auch, dass der Beschwerdeführer in Österreich kein Familienleben führt, dass der Beschwerdeführer gesund ist, dass er nie einen Wohnsitz in Österreich hatte) unwidersprochen. Unter diesen Umständen hätte selbst ein positiver persönlicher Eindruck zu keinem anderen Ergebnis geführt. Somit lag kein klärungsbedürftiger Sachverhalt vor (vgl. VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/002).

Im vorliegenden Fall konnte daher, in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

aufenthaltsbeendende Maßnahme Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung - Entfall Diebstahl Durchsetzungsaufschub Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Interessenabwägung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen schwere Straftat Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Urkundenunterdrückung Vermögensdelikt Vorstrafe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2229943.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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