TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/13 G314 2221410-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.05.2020
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Entscheidungsdatum

13.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs6
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z2
FPG §53 Abs2 Z3
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a

Spruch

G314 2221410-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.03.2020, Zl. XXXX, betreffend den Antrag auf internationalen Schutz, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheids, dessen Punkte I. bis VII. unverändert bleiben, dahingehend abgeändert, dass es in Punkt VIII. richtig zu lauten hat: "Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 2, 3 und 6 FPG wird gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen".

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (BF) hielt sich in den Jahren 1992 bis 2004 rechtmäßig in Österreich auf. Danach kehrte sie in ihren Herkunftsstaat Bosnien und Herzegowina zurück. Am XXXX.12.2018 reiste sie wieder in das Bundesgebiet ein, wo sie am XXXX.01.2019 einen Erstantrag auf Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte" als Fachkraft in einem Mangelberuf beantragte, der am XXXX.06.2019 abgewiesen wurde. Diese Entscheidung ist seit XXXX.07.2019 rechtskräftig.

Mit dem Bescheid vom 07.06.2019 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aus, dass der BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt I.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.), stellte die Zulässigkeit ihrer Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina fest (Spruchpunkt III.), erließ ein auf die Dauer von drei Monaten befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.), erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.) und gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Der Beschwerde dagegen gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 24.07.2019 insoweit Folge, als es die Spruchpunkte IV. und V. ersatzlos behob, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG zuerkannte und Spruchpunkt VI. dahingehend abänderte, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt wurde. In Bezug auf die Spruchpunkte I. bis III. des Bescheids wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Mit Beschluss vom 24.10.2019 wies der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) die von der BF dagegen erhobene Revision zurück.

Die BF übermittelte dem BFA in der Folge diverse Unterlagen und wurde am XXXX.01.2020 im Rahmen der Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vernommen. Am 07.01.2020 beantragte sie in Österreich internationalen Schutz. Als Fluchtgründe gab sie zusammengefasst an, dass sie nach ihrer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina zunächst keine Dokumente, insbesondere keinen neuen Reisepass, erhalten habe, nachdem die Gültigkeitsdauer ihres letzten, noch in Wien ausgestellten Reisepasses 2008 abgelaufen sei. Erst nachdem sie im August 2018 mehrere Tage und Nächte lang vor der Gemeinde in Konjic protestiert habe, habe sie schließlich eine Geburtsurkunde erhalten, mit der ihr dann problemlos ein neuer Reisepass ausgestellt worden sei.

Außerdem sei sie in ihrem Herkunftsstaat von Vorgesetzten, die versucht hätten, sie zu Prostitution und Drogenhandel zu zwingen, aber auch von Polizisten geschlagen worden. Sie befürchte, dass ihr Leben dort in Gefahr sei, weil sie kriminelle Personen angezeigt und deren Fehlverhalten aufgezeigt habe. Es habe die folgenden Vorfälle mit Polizeibeamten gegeben: Bei einem Polizeieinsatz im Juni 2012 sei sie von einem Polizisten beschimpft worden, wobei die aufgrund ihrer Beschwerde eingeleitete Untersuchung mangels ausreichender Beweise eingestellt worden sei. Im März 2014 habe sie an Protesten in XXXX teilgenommen und sei von Polizeibeamten geschlagen worden; sie habe dadurch Prellungen und Blutergüsse an Armen und Beinen erlitten und sei ambulant behandelt worden. Ihre dagegen erhobene Beschwerde sei von der Abteilung für professionelle Standards der Polizeiverwaltung des Innenministeriums des Kantons XXXX abgewiesen worden, weil das gemeldete Verhalten für zulässig erachtet und kein Grund für den Verdacht der Verletzung einer Amtspflicht gefunden worden sei. Das Verfahren habe mit einem Freispruch für die Polizisten geendet.

Zu ihren Problemen mit Vorgesetzten brachte die BF konkret vor, dass sie 2008 von ihrem damaligen Chef, einem XXXX, beschimpft und geschlagen worden sei. Ihre Anzeige sei ergebnislos geblieben; sein Geschäft sei aber kurze Zeit später behördlich geschlossen worden. Im Oktober 2015 habe ihr damaliger Vorgesetzter, ein XXXX, der in Drogengeschäfte verwickelt sei, sie geschlagen und bedroht. Sie habe ihren ausständigen Lohn erst nach einer Polizeiintervention erhalten und ihn angezeigt; es sei aber zu keinem Verfahren gekommen. Seither bestünde kein Kontakt mehr. 2016 habe sie einen anderen ehemaligen Vorgesetzen angezeigt, weil er sie entlassen, geschubst und mit Gläsern beworfen habe. Die Anzeige sei ergebnislos geblieben; seither habe sie keinen Kontakt mehr zu ihm. 2017 habe sie für ihren Cousin in dessen Lebensmittelgeschäft gearbeitet. Sie sei von ihm bzw. von seiner Freundin mit dem Umbringen bedroht worden und habe daraufhin die Wohnung gewechselt, weil sie sich nicht mehr sicher gefühlt habe. Sie habe eine Anzeige erstattet, sei aber nicht zum Prozess geladen worden. Seither bestünde kein Kontakt mehr.

Auch in Österreich habe sie jemanden angezeigt, der sie hier 1994 geschlagen habe. 2003 habe er sie aufgesucht und Geld verlangt. Aktuell sei er im Gefängnis, habe sich aber von dort nach ihr erkundigt.

Zu den angegebenen Vorfällen legte die BF diverse Urkunden und Medienberichte in bosnischer Sprache sowie Lichtbilder vor. In einem E-Mail an das BFA vom 06.02.2020 brachte sie ergänzend vor, dass sie von einem bosnisch-herzegowinischen Politiker über Facebook und am Telefon obszön beschimpft worden sei.

Nach der Erstbefragung der BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und zwei Einvernahmen vor dem BFA wurde ihr Antrag auf internationalen Schutz mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ausgesprochen, dass ihr ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina zulässig sei (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde dagegen wurde gemäß § 18 Abs 1 Z 1 und 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 55 Abs 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VII.). Schließlich erließ das BFA gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 2, 3 und 6 FPG ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot gegen die BF (Spruchpunkt VIII.).

Dagegen richtet sich die von der BF mit E-Mail vom 19.04.2020 beim BFA eingebrachte Beschwerde, die sie im Wesentlichen damit begründet, dass die Situation in Bosnien und Herzegowina in Bezug auf Korruption, Drogen, Prostitution und Kriminalität problematisch sei. Sie sei dort im Frauenhaus gewesen, damit sie vor der Mafia, die sie umbringen wolle, geschützt werde. Jemand, der derzeit in XXXX wegen Drogendelikten im Gefängnis sei, habe sie ebenfalls bedroht und sie könne nichts tun, weil er mit der Polizei zusammenarbeite. Es sei nicht richtig, dass sie 2018 und 2019 ohne Probleme in Bosnien und Herzegowina gewesen sei. Sie habe dort 2018 dort große Probleme gehabt, weil ein Arbeitskollege sie vor den Augen der Chefin geschlagen und die Polizei interveniert habe. Sie sei mit der Entscheidung des BFA nicht zufrieden und werde bis zum Ende ihres Lebens für ihre Rechte kämpfen.

Das BFA legte dem BVwG die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, ihr die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen und sie als unbegründet abzuweisen.

Feststellungen:

Die BF ist Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina. Ihre Muttersprache ist Bosnisch, sie spricht aber auch einigermaßen gut Deutsch. Sie ist ledig, kinderlos, gesund und arbeitsfähig. Sie besitzt einen am XXXX.10.2018 in XXXX ausgestellten Reisepass, der bis XXXX.10.2028 gültig ist.

Die BF kam am XXXX im bosnisch-herzegowinischen Ort XXXX in der Gemeinde XXXX zur Welt und wuchs in XXXX auf. Nach dem Schulbesuch absolvierte sie in ihrer Heimat eine Berufsausbildung in der Gastronomiebranche. Ihre Eltern sind geschieden. In den Jahren 1992 bis 2004 hielt sie sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf und war hier erwerbstätig. Danach kehrte sie nach Bosnien und Herzegowina zurück, um dort ihre Mutter zu pflegen. Sie wohnte gemeinsam mit ihr in verschiedenen Mietwohnungen in XXXX und war z.B. im Einzelhandel und in der Gastronomie erwerbstätig. Zu ihrem Vater, der nach wie vor in Sarajewo lebt, besteht seit vielen Jahren kein Kontakt mehr, ebensowenig zu ihren in Bosnien und Herzegowina lebenden Onkeln und Tanten.

Kurz nach dem Tod ihrer Mutter reiste die BF am XXXX.12.2018 mit ihrem gültigen biometrischen Reisepass über Slowenien in das Bundesgebiet ein, wo sie seit XXXX.2019 an verschiedenen Adressen mit Hauptwohnsitz gemeldet ist. Mit rechtskräftiger Strafverfügung vom 09.04.2019 wurde über sie wegen nicht rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet infolge Überschreitung der sichtvermerkfreien Aufenthaltsdauer gemäß § 120 Abs 1a FPG eine Geldstrafe von EUR 500 verhängt.

Die BF verließ das Bundesgebiet nach dem Ablauf der vom BVwG mit Erkenntnis vom 24.07.2019 gesetzten Frist für die freiwillige Ausreise nicht. Mit Strafverfügung vom 27.08.2019 wurde deshalb über sie wegen eines Verstoßes gegen § 120 Abs 1b FPG eine Geldstrafe von EUR 5.000 verhängt. Weitere Verstöße gegen die öffentliche Ordnung sind nicht aktenkundig. Sie ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Dire BF geht im Inland weder einer Erwerbstätigkeit nach noch betätigt sie sich ehrenamtlich. Sie möchte hier in Zukunft im Bereich der Altenpflege arbeiten und verfügt über eine Arbeitsplatzzusage ihres Quartiergebers, bei dem sie derzeit unentgeltlich in XXXX wohnt. Sie hat keine eigenen finanziellen Mittel und bezieht keine Leistungen der staatlichen Grundversorgung. Sie hat im Inland - abgesehen von einem Cousin und einer Freundin, die in XXXX leben und sie fallweise mit geringen Bargeldbeträgen oder Sachleistungen unterstützen - weder Familienangehörige noch andere Bezugspersonen, die ihr nahestehen. Außerdem wird sie von ihrer in XXXX lebenden Schwester finanziell unterstützt. Eine andere Schwester der BF, zu der sie Kontakt hat, wohnt in XXXX.

Die BF hat bei ihrer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina keine staatlichen oder behördlichen Sanktionen zu befürchten. Sie wird dort weder strafrechtlich noch politisch noch aus anderen asylrelevanten Gründen verfolgt. Es ist nicht zu erwarten, dass sie nach ihrer Rückkehr dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt sein oder in eine unmenschliche oder erniedrigende Lage geraten würde.

Zur allgemeinen Lage in Bosnien und Herzegowina:

Der Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina wurde Ende 1995 durch das Daytoner Rahmenabkommen für den Frieden geschaffen, dessen Annex 4 die gesamtstaatliche Verfassung festschreibt. Der Staat ist in zwei weitgehend autonome Entitäten geteilt: die überwiegend bosniakisch-kroatische Föderation und die überwiegend serbische Republika Srpska. Daneben gibt es den multiethnischen Sonderdistrikt Brcko. Die Wahlen im Oktober 2018 verliefen im Allgemeinen ordnungsgemäß. Die klassische rechtsstaatliche Gewaltenteilung wird durch den Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft und die ihm unterstehende Behörde ergänzt. Er ist die höchste Instanz im Land für die Auslegung und Implementierung des Daytoner Abkommens und steht damit rechtlich über den staatlichen Stellen. Trotz politischer Versprechen, so bald wie möglich den EU-Beitrittsstatus erreichen zu wollen, ging die Beantwortung des von der EU dazu übermittelten Fragebogens nur sehr schleppend voran.

Sowohl die politische Situation als auch die allgemeine Konfliktlage in der Region bleiben auch 23 Jahre nach Kriegsende labil und angespannt. Zur Überwachung des Daytoner Abkommens sind ca. 1.600 Soldaten aus 26 Staaten in Bosnien und Herzegowina stationiert. Eine OSZE-Mission unter der Führung der USA, deren Ziel in erster Linie die Verbesserung der Sicherheitslage und die Stärkung der Verteidigungsstrukturen ist, ist mit 68 Personen präsent.

Die Staatsverfassung sieht das Recht auf eine faire Gerichtsverhandlung in Zivil- und Strafsachen vor. Die Entitätsverfassungen sehen eine unabhängige Justiz vor. Dennoch beeinflussen manchmal politische Parteien und Persönlichkeiten die Justiz in politisch sensiblen Fällen, insbesondere im Zusammenhang mit Korruption. Die Behörden haben es manchmal verabsäumt, Gerichtsentscheidungen durchzusetzen. Während die zivilen Behörden eine wirksame Kontrolle und Koordinierung der Strafverfolgungsbehörde und Sicherheitskräfte aufrechterhalten, führt das Fehlen einer klaren Aufteilung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zwischen den 16 Strafverfolgungsbehörden des Landes zu gelegentlicher Verwirrung und überlappenden Zuständigkeiten. Jeder Staatsbürger kann sich bei "Verfolgungshandlungen gegen seine/ihre Person" an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft wenden. Sollten die offiziellen Stellen nicht tätig werden oder sollte es sich bei der Verfolgungshandlung um eine Menschenrechtsverletzung handeln, stehen halb- und nichtstaatliche Organisationen mit Rechtsbeistand zur Seite. Das Ministerium für Menschenrechte und Flüchtlinge hat eine Abteilung zum "Schutz von individuellen Menschen- und Bürgerrechten", die Anliegen und Beschwerde annimmt und bearbeitet und Bürgern fachliche Hilfe leistet.

Auch im Bereich der Sicherheitsbehörden schlägt sich die komplexe Verfassung nieder. Es gibt neben gesamtstaatlichen Polizeibehörden und einem gesamtstaatlichen Geheimdienst in der Föderation eine Föderationspolizei mit Sitz in Sarajewo und Polizeibehörden auf Kantonsebene sowie in der Republika Srpska eine Gesamtpolizei, die die Aufsicht über sechs regionale Polizeibehörden ausübt. Die Polizei in Brcko ist unabhängig. Parallel zum Militär fand auch innerhalb der Polizei ein umfassender Reformprozess statt, sodass die Polizei, die einst Rückkehrer drangsalierte und Kriegsverbrecher schützte, nun zu den angesehensten Institutionen im ganzen Land zählt.

Die Verfassung schreibt für alle Menschen das Recht auf Freiheit von Folter fest. Folter ist in Bosnien und Herzegowina strafbar. Im Rahmen von polizeilichen Verhören und Verhaftungen kommt es verbreitet und innerhalb der Gefängnisse vereinzelt zu körperlichen Misshandlungen, insbesondere gegen Angehörige der Roma. Beschwerden von Betroffenen werden uneinheitlich behandelt und nur vereinzelt aufgeklärt. Die Regierung verfügt über Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch und Korruption, allerdings verhindert politischer Druck oft die Nutzung dieser Mechanismen. Beobachter halten die polizeiliche Straflosigkeit für weit verbreitet. In Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen stellt die Regierung für die Sicherheitskräfte Schulungen zur Bekämpfung von Korruption und Missbrauch zur Verfügung und fördert die Einhaltung von Menschenrechten.

Korruption seitens der Beamten ist strafbar, aber die Regierung hat das Gesetz nicht effektiv umgesetzt. Korruption ist auf allen Ebenen weit verbreitet und allgegenwärtig. Korruption in den staatlichen Institutionen ist das größte Problem in Bosnien und Herzegowina und trägt zu politischem und wirtschaftlichem Stillstand bei. An Korruptionshandlungen beteiligte Beamte kommen oft ungestraft davon.

Der Ombudsmann (Bürgerbeauftragte) hat die Befugnis, Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen Gesetze auf Hinweis einzelner Bürger zu untersuchen und (rechtlich unverbindliche) Empfehlungen an die Regierung zu unterbreiten. Dem Büro fehlen ausreichende personelle Ressourcen; es ist ernsten finanziellen Einschränkungen ausgesetzt, die sich nachteilig auf die Gesamtleistung auswirken.

Grundlegende Menschen- und Bürgerrechte sind zwar durch die Verfassung gedeckt, werden jedoch weiterhin missachtet. Diskriminierung ist in weiten Teilen des öffentlichen und privaten Lebens weit verbreitet. Das Wahlrecht garantiert Minderheiten keine ausreichende Vertretung. Journalisten sehen sich weiterhin Bedrohungen und Einmischungen in ihre Arbeit ausgesetzt. Kriegsverbrecherfälle werden nur langsam bearbeitet. Zwar sind Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Hassverbrechen verboten, in der Realität sind LGBT-Personen immer wieder Übergriffen ausgesetzt. Eine Beschränkung der Betätigungsmöglichkeiten für die politische Opposition durch den Staat und seine Organe erfolgt grundsätzlich nicht. Die Vereinigungsfreiheit ist gewährleistet. Die Versammlungsfreiheit ist nicht eingeschränkt. Die Informationsfreiheit ist insofern gewährleistet, als es insgesamt ein breit gefächertes Medienangebot gibt; es gibt aber kein Medium, das unabhängig von parteipolitischer Einflussnahme ist.

In den meist überfüllten Gefängnissen und Haftanstalten herrschen schwierige Bedingungen. Die räumlichen und sanitären Bedingungen sind je nach Standort unterschiedlich, werden jedoch im Allgemeinen als minderwertig eingestuft. Gefängnisse und Haftanstalten bieten bei Bedarf eine angemessene medizinische Grundversorgung und Routinemaßnahmen für komplexere medizinische Eingriffe, in vielen Einrichtungen fehlen jedoch Belüftung und Beleuchtung.

Die Todesstrafe wurde in beiden Entitäten aus dem Strafgesetzbuch gestrichen.

Nach der Verfassung ist die Glaubens- und Religionsfreiheit garantiert. Jede Diskriminierung in Glaubensfragen ist verboten. Der Staat darf nicht in die kirchliche Selbstverwaltung eingreifen. Es gibt keine Staatskirche und keine Staatsreligion.

Gewalt gegen Frauen, einschließlich sexuelle Übergriffe und häusliche Gewalt, ist nach wie vor weit verbreitet, wird jedoch oft nicht gemeldet und selten von Behörden behandelt. Die Finanzierung der neun Frauenhäuser, die von Nichtregierungsorganisationen betrieben und in denen bis zu 200 Opfer gleichzeitig untergebracht werden können, bleibt problematisch. Vertreter von Nichtregierungsorganisationen betonen, dass es notwendig sei, die vorhandenen Kapazitäten zumindest zu verdoppeln. Das Land unternahm mehrere Initiativen zur Bekämpfung von Vergewaltigung und häuslicher Gewalt, aber aus Zurückhaltung und Mangel an Information nutzen die Frauen den verfügbaren gesetzlichen Schutz nicht in vollem Umfang. Das Gesetz sieht für Frauen den gleichen Rechtsstatus und die gleichen Rechte wie für Männer vor und Behörden behandeln Frauen im Allgemeinen gleichberechtigt. Frauen und Männer erhalten in staatlichen Unternehmen für gleiche Arbeit in der Regel den gleichen Lohn, in der Privatwirtschaft aber nicht. Obwohl Frauen und Männer nach dem Gesetz in allen gesellschaftlichen Bereichen gleichgestellt sind, sind Frauen häufig geschlechtsspezifischen Benachteiligungen in Politik, Wirtschaft, Bildung und Erziehung ausgesetzt.

Die Freiheit, sich innerhalb des Landes frei zu bewegen, zu reisen, zu emigrieren und wieder zurückzukehren ist gesetzlich garantiert, wobei es jedoch in der Praxis zu gewissen Einschränkungen kommen kann. Die Regierung arbeitet mit dem Büro des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Schutz und Hilfe für Binnenvertriebene, Flüchtlinge, rückkehrende Flüchtlinge, Asylwerber, Staatenlose und andere gefährdete Personen zu gewähren.

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit (Grund-)Nahrungsmitteln, Kleidung, Heizmaterial und Strom ist landesweit sichergestellt, insgesamt ist der Lebensstandard der Gesamtbevölkerung niedrig. Die Gesetzgebung garantiert Sozialhilfe, wobei über Empfänger und Höhe der Unterstützungsgelder im Einzelfall entschieden wird. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass örtliche Nichtregierungsorganisationen verschiedene Hilfeleistungen für Bedürftige zur Verfügung stellen.

Alle Bürger in Bosnien und Herzegowina haben das Recht auf Sozialversicherung (beinhaltend Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung). Alle Arbeitstätigen, Rentner und als arbeitslos gemeldete Personen sind gesetzlich krankenversichert. Die medizinische Versorgung im öffentlichen Gesundheitssektor ist nicht völlig kostenlos; die Eigenbeteiligung schwankt je nach Art der Behandlung. Bestimmte Personengruppen werden gratis behandelt und sind von der Zahlung der Eigenbeteiligung ausgenommen. Die medizinische Versorgung ist dreistufig aufgebaut, wobei grundsätzlich in allen drei Versorgungsstufen genügend Strukturen vorhanden sind. Es gibt Krankheiten, die auch in den besten Spitälern nur eingeschränkt oder nicht behandelt werden können (z.B. Kinderonkologie, Kinderkardiochirurgie, Herz- und Lebertransplantationschirurgie). Die finanzielle Ausstattung des gesamten Gesundheitswesens ist unzureichend. Gängige Medikamente sind auf dem örtlichen Markt erhältlich und werden, soweit Krankenversicherungsschutz besteht, bei ärztlicher Verordnung von der Krankenversicherung bezahlt. Kosten für Spezialmedikamente werden in der Regel nicht erstattet, sie können auf dem Importweg oder privat aus dem Ausland beschafft werden.

In Bosnien und Herzegowina herrschen keine kriegerischen oder sonstigen bewaffneten Auseinandersetzungen.

Die COVID-19-Pandemie tritt in Bosnien und Herzegowina seit Anfang März als Teil der weltweiten Pandemie auf. Bis 12.05.2020 gab es insgesamt ca. 2.140 bestätigte Infektionen und 113 bestätigte Todesfälle. Als Reaktion auf die Pandemie wurde am 17.03.2020 der Ausnahmezustand erklärt, wobei es zwischenzeitig wieder zu Lockerungen gekommen ist. Seit 25.03.2020 ist ausländischen Staatsangehörigen die Einreise weitgehend untersagt. Es gibt eine landesweite Empfehlung an die Bevölkerung, zu Hause zu bleiben. Die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung sind in den beiden Entitäten und in Brcko unterschiedlich. Es gilt ein Verbot von Patientenbesuchen in Krankenhäusern, Beschränkungen von öffentlichen Versammlungen, Vermeidung von Arztbesuchen, Schließungen von Schulen, und die Absage von Veranstaltungen. In beide Entitäten wurde seitens der zuständigen Stellen mit sofortiger Wirkung Weisung gegeben die Arbeit aller Gastronomiebetriebe sowie aller Kultur- und Sporteinrichtungen bis auf weiteres einzustellen. Alle öffentlichen Versammlungen sind untersagt. Einkaufzentren sind landesweit seit 19.03.2020 geschlossen. Öffentliche Unternehmen und Institutionen haben ihre Arbeitsverfahren reduziert und organisieren Arbeit von zu Hause. Teilweise wird mit reduziertem Personal gearbeitet. Auch von vielen Privatunternehmen wird Arbeit abhängend von den Bedingungen von zu Hause organisiert. Vor Krankenhäusern werden Untersuchungszelte errichtet, wo Sanitätsfragebögen ausgefüllt werden müssen. Alle Krankenhäuser dürfen ab jetzt nur noch Notfälle betreuen. Öffentlicher Verkehr (Linienverbindungen, Überlandlinien und Bahnverkehr) ist sowohl in der Föderation Bosnien und Herzegowina als auch in der Republika Srpska für den Personentransport eingestellt. Alle Flughäfen im Land sind vorläufig bis 01.06.2020 für Personentransporte geschlossen. In der Öffentlichkeit müssen Schutzmasken getragen und zum Teil Abstände eingehalten werden. Ab 01.05.2020 (Föderation) bzw. 11.05.2020 (Republika Srpska, Brcko) dürfen Geschäfte außerhalb der Einkaufzentren schrittweise (zum Teil mit eingeschränkten Öffnungszeiten) wieder geöffnet werden (vgl. https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-bosnien-herzegowina.html, https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19-Pandemie_in_Bosnien_und_Herzegowina, Zugriff jeweils am 12.05.2020).

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Inhalt der Verwaltungsakten und des Gerichtsakts. Die vorangegangenen fremden- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren der BF sind auch im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) dokumentiert. Die im Rahmen des Fluchtvorbringens der BF geschilderten Verfolgungshandlungen werden anhand ihrer Angaben bei der Erstbefragung und vor dem BFA in Zusammenschau mit den von ihr dazu vorgelegten Urkunden und Lichtbildern festgestellt.

Die Feststellungen basieren insbesondere auf den Angaben der BF bei ihrer Erstbefragung, und bei den Einvernahmen durch das BFA. Ihr Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Geburtsort gehen aus ihren in Kopie vorliegenden Reisepässen hervor. Ihre familiären Verhältnisse werden anhand ihrer glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben dazu festgestellt. Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte für gesundheitliche Probleme der BF oder Einschränkungen ihrer Arbeitsfähigkeit ergeben, zumal sie sich bei den Einvernahmen jeweils als gesund bezeichnete und eine Erwerbstätigkeit im Bereich Pflege/Personenbetreuung anstrebt.

Die BF bezeichnete Bosnisch vor dem BFA als ihre Muttersprache. Deutschkenntnisse sind aufgrund des langjährigen Inlandaufenthalts vor 2004 plausibel. Aus den auf Deutsch verfassten Eingaben der BF an das BFA ergibt sich, dass sie die deutsche Sprache zwar nicht perfekt beherrscht, sich aber jedenfalls verständlich machen kann.

Die Anknüpfungen der BF zu ihrem Herkunftsstaat werden anhand ihrer Schilderung vor dem BFA festgestellt.

Die Einreise der BF in das Bundesgebiet ergibt sich aus dem entsprechenden Grenzkontrollstrempel in ihrem aktuellen Reisepass, die Wohnsitzmeldungen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR). Die beiden Strafverfügungen wegen Übertretungen des FPG sind aktenkundig. Es liegen keine Hinweise auf anderweitige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung vor.

Die Unbescholtenheit der BF geht aus dem Strafregister hervor. Indizien für eine in Österreich ausgeübte Erwerbstätigkeit oder auf ein ehrenamtliches Engagement der BF sind nicht aktenkundig. Die finanzielle Lage der BF und die Unterstützung durch Verwandte und Freunde werden wie auch die Einstellungszusage ihres Quartiergebers anhand ihrer Angaben vor dem BFA festgestellt.

Die von der BF geschilderten Vorfälle und Übergriffe stellen - wie im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ausgeführt wird - keine asylrelevante Verfolgung dar. Andere Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Organen stellte sie vor dem BFA ausdrücklich in Abrede, ebenso Probleme wegen ihrer Religion oder Volksgruppenzugehörigkeit. Sie verneinte auch eine politische Betätigung in Bosnien und Herzegowina oder über die geschilderten Vorfälle hinausgehende Probleme aufgrund der Verfolgung durch Dritte. Die Befürchtung der BF, bei einer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina umgebracht zu werden, ist vor allem deshalb nicht glaubhaft, weil die von ihr zur Begründung dieser Befürchtung geschilderten Vorfälle schon längere Zeit zurückliegen und die BF auch danach noch ohne erkennbare Probleme in ihrem Herkunftsstaat verblieb. Außerdem beantragte sie nicht gleich nach ihrer Ankunft in Österreich internationalen Schutz (wie dies nach einer Flucht aus einer lebensbedrohlichen Situation zu erwarten wäre), sondern erst nach der Abweisung ihres Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG und nach der Erlassung einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme, und steigerte ihr Vorbringen (sogar in der Beschwerde wurde ein weiterer Vorfall mit einem Arbeitskollegen 2018 behauptet, obwohl die BF zuvor vor dem BFA ausdrücklich erklärt hatte, sie habe sämtliche Vorfälle geschildert).

Die Feststellungen zur allgemeinen Lage in Bosnien und Herzegowina beruhen auf den von der BF nicht konkret beanstandeten Länderinformationen der Staatendokumentation, die unter detaillierter Angabe der jeweiligen Quellen in den angefochtenen Bescheid aufgenommen wurden. Dabei wurden Berichte verschiedener allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt, die ein übereinstimmendes Gesamtbild ohne entscheidungswesentliche Widersprüche ergeben. Es besteht kein Grund, an der Richtigkeit und Aktualität dieser Angaben zu zweifeln. Die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderfeststellungen werden in dieser Entscheidung zur Wahrung der Übersichtlichkeit nur auszugsweise wiedergegeben. Zu den Quellenangaben im Einzelnen wird auf den angefochtenen Bescheid verwiesen. Die Feststellung, dass in Bosnien und Herzegowina keine kriegerischen oder sonstigen bewaffneten Auseinandersetzungen herrschen, beruht auf dem Fehlen von Berichten über derartige Konflikte und auf der grundsätzlich stabilen Sicherheitslage dort. Zu der von der BF in ihrer Stellungnahme zu den Länderinformationen kritisierten Situation von Flüchtlingen und Zuwanderern in Bosnien und Herzegowina werden keine Feststellungen getroffen, weil sie davon nicht selbst betroffen ist, sodass diese Problematik nicht entscheidungswesentlich ist.

Die Feststellungen zur Situation in Bosnien und Herzegowina im Zusammenhang mit der aktuellen Corona-Pandemie und zu den Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung basieren auf übereinstimmenden Medienberichten und auf den angegebenen Websites verlässlicher Stellen.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A.:

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974, kurz GFK) droht.

Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlands befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Lands zu bedienen (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0113). Die Aufzählung der sogenannten "Konventionsgründe" ist abschließend.

Unter "Verfolgung" ist ein ungerechtfertigter Eingriff in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen (VwGH 22.03.2017, Ra 2016/19/0350), dessen Intensität es dem Betroffenen unzumutbar macht, den Schutz seines Heimatstaats in Anspruch zu nehmen (VwGH 08.06.2000, 99/20/0092). Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als Verfolgung in diesem Sinn anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (VwGH 15.12.2015, Ra 2014/18/0118-0119).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0233). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staats kann nicht schon dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrechtliche Intensität erreichenden - Nachteils aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (zuletzt VwGH 10.08.2017, Ra 2017/20/0153).

Grundsätzlich hindert es die Asylgewährung, wenn die Asylwerberin nicht einmal versucht hat, beim Herkunftsstaat Schutz vor einer möglichen Verfolgung durch nichtstaatliche Verfolger zu finden, weil es an der erforderlichen Zurechnung des Verhaltens dieser Verfolger an den Staat fehlt (siehe VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141), außer es ist von vornherein klar, dass staatliche Stellen nicht vor der Verfolgung schützen können oder wollen (siehe VwGH 04.03.2010, 2006/20/0832).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" wird in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht. Umstände, die sich schon längere Zeit vor der Ausreise ereignet haben, sind im Allgemeinen nicht mehr beachtlich, weil die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung bis zur Ausreise andauern muss. Der für die Annahme einer aktuellen Verfolgungsgefahr erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen den behaupteten Misshandlungen und dem Verlassen des Landes besteht auch bei länger zurückliegenden Ereignissen dann, wenn sich der Asylwerber während seines bis zur Ausreise noch andauernden Aufenthaltes im Lande verstecken oder sonst durch Verschleierung seiner Identität der Verfolgung einstweilen entziehen konnte (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/459).

Die von der BF als Gründe für ihre Ausreise angegebenen Vorfälle in Bosnien und Herzegowina haben durchwegs keinen kausalen Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politische Gesinnung), sodass schon diese Voraussetzung für die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten nicht erfüllt ist.

Die von der BF behaupteten Misshandlungen durch Polizeibeamte begründen keine aktuelle Verfolgungsgefahr, weil sich diese Vorfälle in den Jahren 2012 und 2014 zutrugen und daher kein zeitlicher Zusammenhang zwischen ihnen und der Ausreise der BF Ende 2018 besteht. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass sie sich von 2014 bis 2018 in Bosnien und Herzegowina versteckt hielt oder ihre Identität verschleierte; sie erstattete während dieses Zeitraums ja sogar mehrmals Anzeigen bei der Polizei. Diese Ereignisse sind daher nicht zur Begründung der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten geeignet.

Auch die von der BF angegebenen Übergriffe und Drohungen ehemaliger Vorgesetzter ereigneten sich längere Zeit vor ihrer Ausreise und haben keinen Konnex zu einem Konventionsgrund, zumal die geschilderten straf- und arbeitsrechtliche Verfehlungen von Privatpersonen keinem der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründe zugeordnet werden können (vgl. VwGH 24.02.2004, 2002/01/0085). Außerdem sind die staatlichen Stellen in Bosnien und Herzegowina willens und in der Lage, die BF vor einer derartigen Verfolgung wirksam zu schützen. Dies ist grundsätzlich bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems, an dem die BF wirksam teilhaben kann, gewährleistet, wenn also der Herkunftsstaat geeignete Schritte einleitet, um die Verfolgung oder ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung der Verfolgungshandlungen, und die BF Zugang zu diesem Schutz hat (siehe VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0233). Die Schutzfähigkeit und -willigkeit der staatlichen Behörden ist grundsätzlich daran zu messen, ob im Heimatland wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, vorhanden sind, ob die schutzsuchende Person Zugang zu diesem Schutz hat und ob sie unter Berücksichtigung ihrer besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119).

Bosnien und Herzegowina gilt als sicherer Herkunftsstaat gemäß § 19 Abs 5 Z 2 BFA-VG iVm § 1 Z 1 HStV, was für die Annahme einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und -willigkeit der dortigen Behörden spricht, zumal bei der Festlegung sicherer Herkunftsstaaten insbesondere auf das Bestehen oder Fehlen von staatlicher Verfolgung, Schutz vor privater Verfolgung und Rechtsschutz gegen erlittene Menschenrechtsverletzungen Bedacht zu nehmen ist (VwGH 10.08.2017, Ra 2017/20/0153). Für eine ausreichende staatliche Schutzfähigkeit und -willigkeit spricht hier nicht zuletzt, dass die von der BF erstatteten Anzeigen zumindest den Erfolg hatten, dass es danach jeweils keinen weiteren Kontakt zwischen den Angezeigten und der BF gab (was auch gegen eine aktuelle Verfolgungsgefahr spricht). Außerdem wurde das Geschäft eines Angezeigten behördlich geschlossen, ein anderer zahlte der BF nach der Intervention der Polizei das offene Arbeitsentgelt. Aus den Länderfeststellungen lassen sich zwar gewisse Probleme hinsichtlich der Straflosigkeit von Polizeibeamten bei Missbrauch und Korruption erkennen; daraus ergibt sich jedoch nicht, dass der Schutz vor Gewaltdelikten (Drohungen und Körperverletzungen) in Bosnien und Herzegowina nicht vorhanden oder generell ungenügend wäre. Es existieren wirksame Beschwerde- und Rechtsschutzmöglichkeiten bei unangemessenen oder unzureichenden Reaktionen der Polizei (wie die aufgrund der Beschwerden der BF bei der Abteilung für professionelle Standards der Polizeiverwaltung des Innenministeriums des Kantons XXXX eingeleiteten Verfahren zeigen). Allein der Umstand, dass ein einzelnes Polizeiorgan im Herkunftsstaat nicht bereit ist, einem Schutzansuchen der BF zu entsprechen, bedeutet nicht, dass der Herkunftsstaat generell nicht schutzfähig und -willig wäre. Fehlleistungen einzelner Sicherheitsorgane sind nicht auszuschließen. Sie berühren die Schutzfähigkeit und -willigkeit eines Staates solange nicht, als es Möglichkeiten gibt, sich dagegen zur Wehr zu setzen und auf diese Art und Weise wirksamen Schutz zu erlangen. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass auch bei Vorhandensein von Strafnormen und Strafverfolgungsbehörden im Einzelfall geprüft werden muss, ob die Asylwerberin unter Berücksichtigung ihrer besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119). Trotz bestehender Mängel gibt es keine Hinweise darauf, dass der BF in Bosnien und Herzegowina systematisch staatlicher Schutz vor Übergriffen von Arbeitgebern oder Vorgesetzten verweigert würde. Da die BF erwachsen und gesund ist, keiner besonders vulnerablen Personengruppe angehört und eine abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung sowie Berufserfahrung hat, ist nicht konkret zu befürchten, dass sie an dem in Bosnien und Herzegowina grundsätzlich vorhandenen staatlichen Sicherheitssystem nicht wirksam teilhaben könnte.

Auch in Bezug auf den in der Beschwerde erstmals geschilderten Vorfall, bei dem die BF 2018 von einem Arbeitskollegen geschlagen worden sei, ist von einer ausreichenden Schutzfähigkeit und -willigkeit der Behörden in Bosnien und Herzegowina auszugehen, zumal sie angab, dass es bei dieser Gelegenheit zu einem Polizeieinsatz gekommen sei.

Der Umstand, dass die BF lange Zeit kein Reisedokument erhielt und von einem bosnisch-herzegowinischen Politiker telefonisch bzw. auf sozialen Medien beschimpft wurde, erreicht die für eine asylrelevante Verfolgung notwendige Intensität nicht. Auch hier ist kein Zusammenhang mit einem Konventionsgrund erkennbar. Der BF wurden die gewünschten Dokumente letztlich vor ihrer Ausreise ausgestellt, sodass insoweit keine aktuelle Verfolgungsgefahr (mehr) besteht.

Die Bedrohung der BF durch eine aktuell in Österreich inhaftierte Person aufgrund einer von ihr 1994 in Österreich erstatteten Anzeige und einer 2003 gegen sie erhobenen Geldforderung ist ebenfalls nicht geeignet, eine ihr in Bosnien und Herzegowina aktuell drohende asylrelevante Verfolgung zu begründen. Neben dem fehlenden zeitlichen Konnex zu ihrer Ausreise und der ausreichenden Schutzfähigkeit und -willigkeit der staatlichen Stellen in Bosnien und Herzegowina in Bezug auf eine derartige Verfolgung durch eine Privatperson kann eine solche, nur auf kriminellen Motiven beruhende Verfolgung keinem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zugeordnet werden und vermag eine Asylgewährung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen (siehe VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0336).

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass die BF nach ihrer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina keine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hat und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von den dortigen Behörden ausreichend Schutz vor Verfolgung und vor der Zufügung ernsthafter Schäden erhalten werden.

Es ist auch sonst keine aktuell bestehende asylrelevante Verfolgung der BF hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt. Die Abweisung ihres Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten durch das BFA ist daher nicht zu beanstanden.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn sein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG zu verbinden.

Bei der Beurteilung der Zuerkennung von subsidiärem Schutz ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, die eine ganzheitliche Analyse der möglichen Gefahren erfordert und sich auf die persönliche Situation der Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob sie in ihrem Herkunftsstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Dies ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen; die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK reicht nicht aus. Wenn im Herkunftsstaat einer Asylwerberin eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, die ein solches Ausmaß erreicht, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich ist, dass auch sie tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltakts sein wird, liegen stichhaltige Gründe für die ernsthafte Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit bei der Rückführung in diesen Staat vor. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit der Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere, in der persönlichen Situation der Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer Art 2 oder Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die die BF bei der Rückkehr in ihr Heimatland vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Voraussetzung für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz ist, dass eine konkrete, die Asylwerberin betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung oder Bedrohung vorliegt. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und -fähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141).

Ausgehend davon ist der BF subsidiärer Schutz nicht zuzuerkennen. In Bosnien und Herzegowina ist die Todesstrafe abgeschafft. Es besteht keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der BF infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts. Bei ihrer Rückführung droht keine konkrete Gefahr, dort das Leben zu verlieren, Folter oder einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt zu sein.

Es wurde bereits dargelegt, dass die staatlichen Behörden in Bosnien und Herzegowina ausreichend schutzfähig und -willig sind. Die BF ist eine gesunde Frau in einem erwerbsfähigen Alter, die bis Ende 2018 14 Jahre lang in Bosnien und Herzegowina lebte und dort auch erwerbstätig war. Sie ist als nicht besonders schutzbedürftig anzusehen, sodass es ihr möglich sein wird, sich durch eigene Erwerbstätigkeit, Inanspruchnahme karitativer Hilfsleistungen oder staatlicher Sozialhilfeleistungen in Bosnien und Herzegowina eine Existenz aufzubauen. Ihre Freunde und Angehörigen können sie auch dort weiterhin finanziell unterstützen. Es ist nicht zu befürchten, dass ihr bei der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen könnte, liegt aktuell in Bosnien und Herzegowina - auch bei Berücksichtigung der schwierigen wirtschaftlichen Lage - nicht vor. Auch aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie ergibt sich nicht, dass die BF, die keiner bekannten Risikogruppe angehört, bei ihrer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Gefahr iSd Art 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wäre, zumal von den dortigen Behörden Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung der Pandemie getroffen wurden, die mit denen in anderen europäischen Staaten vergleichbar sind und die auch schon vorsichtig gelockert werden konnten.

Der BF droht in ihrem Herkunftsstaat somit weder durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder fehlenden Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der gemäß § 8 Abs 1 AsylG zu berücksichtigenden, von der EMRK gewährleisteten Rechte. Daher ist auch die Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz laut Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids nicht korrekturbedürftig.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids:

Wenn ein Antrag auf internationalen Schutz zurück- oder abgewiesen wird, der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ist gemäß § 58 Abs 1 AsylG von Amts wegen die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG zu prüfen. Gemäß § 58 Abs 3 AsylG ist darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" ist gemäß § 57 Abs 1 AsylG Drittstaatsangehörigen, die sich im Bundesgebiet aufhalten, zu erteilen, wenn entweder der Aufenthalt gemäß § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen weiterhin vorliegen, sofern sie keine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit sind und nicht wegen eines Verbrechens verurteilt wurden, oder zur Gewährleistung der Strafverfolgung oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von damit im Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Ansprüchen. Letztlich ist ein solcher Aufenthaltstitel auch Opfern von Gewalt zu erteilen, wenn eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO ("Schutz vor Gewalt in Wohnungen") oder nach § 382e EO ("Allgemeiner Schutz vor Gewalt") erlassen wurde oder hätte erlassen werden können, wenn dies zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Aufenthalt der BF in Österreich war zu keiner Zeit geduldet iSd § 46a FPG. Anhaltspunkte dafür, dass sie Zeuge oder Opfer strafbarer Handlungen oder Opfer von Gewalt wurde, wurden nicht behauptet und sind auch nicht hervorgekommen. Ein Aufenthaltstitel nach § 57 Abs 1 Z 3 AsylG aufgrund von in Bosnien und Herzegowina erlittener Gewalt wäre nur dann zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich, wenn dort kein ausreichender staatlicher Schutz vor derartigen Bedrohungen bestünde (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0023). Zur ausreichenden staatlichen Schutzfähigkeit und -willigkeit wird auf die Ausführungen dazu bei Spruchpunkt I. verwiesen. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 Abs 1 AsylG liegen daher nicht vor, sodass Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids bestätigt werden kann.

Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung über die Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem achten Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird und auch kein Fall der §§ 8 Abs 3a oder 9 Abs 2 AsylG vorliegt. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, kein Fall der §§ 8 Abs 3a oder 9 Abs 2 AsylG vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Eine Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs 2 AsylG ist hier ebensowenig erfolgt wie eine Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 3a AsylG.

Gemäß § 59 Abs 5 FPG kann bei Vorliegen einer rechtskräftigen und aufrechten Rückkehrentscheidung, die mit einem Einreiseverbot verbunden ist, die Erlassung einer wiederholten Rückkehrentscheidung unterbleiben, sofern keine neuen Tatsachen hervorkommen, die eine Neubemessung der Dauer des Einreiseverbots erforderlich machen (siehe VwGH 26.03.2019, Ra 2019/19/0018). Da die bestehende Rückkehrentscheidung gegen die BF nicht mit einem Einreiseverbot verbunden ist, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich von § 59 Abs 5 FPG (VwGH 22.03.2018, Ra 2017/01/0287).

Da die Rückkehrentscheidung in das Privatleben der BF eingreift, ist sie gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG jedenfalls begründet abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese auf Dauer unzulässig ist. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ist nur dann von Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger und Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Gegen die BF wurde bereits im vorangegangenen Verfahren eine seit August 2019 durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen, sodass nur seit damals eingetretene Änderungen berücksichtigt werden können. Das Gewicht der zunehmenden Aufenthaltsdauer der BF (die immer noch verhältnismäßig kurz ist) wird dadurch relativiert, dass sie sich ihres unsicheren Aufenthaltsstatus iSd § 9 Abs 2 Z 8 BFA-VG bewusst war, auch wenn man berücksichtigt, dass ihr Aufenthalt aufgrund der vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung als Asylwerberin rechtmäßig war. Der Inlandsaufenthalt zwischen 1992 und 2004 fällt angesichts der anschließenden Unterbrechung in der Dauer von 14 Jahren nicht entscheidend ins Gewicht. Ein Eingriff in das Familienleben der BF steht nicht zur Debatte, weil sie mit ihrem Cousin nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Trotz ihrer Deutschkenntnisse, der Absicht, in der Altenpflege zu arbeiten, und der Einstellungszusage ihres Quartiergebers liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die trotz der relativ kurzen Aufenthaltsdauer der BF zur Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung wegen eines unverhältnismäßigen Eingriffs in das Privat- und Familienleben iSd Art 8 EMRK iVm § 9 BFA-VG führen. Die BF hat nach wie vor gemäß § 9 Abs 2 Z 5 BFA-VG relevante Bindungen zu ihrem Herkunftsstaat, wo sie bis Ende 2018 lebte, sodass es ihr dort nach ihrer Rückkehr trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation möglich sein wird, ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften (siehe VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0284). Ihre strafrechtliche Unbescholtenheit vermag weder ihr persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253). Die BF wurde zwei Mal wegen Verstößen gegen fremdenrechtliche Vorschriften bestraft. Den Behörden anzulastende überlange Verfahrensverzögerungen iSd § 9 Abs 2 Z 9 BFA-VG liegen nicht vor.

Dem (schon aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer vergleichsweise geringen) Interesse der BF an einem Verbleib im Inland steht das große öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen und an einem geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber, dem im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt und das grundsätzlich verlangt, dass Asylwerber nach negativer Erledigung ihres Antrags auf internationalen Schutz das Bundesgebiet wieder verlassen (siehe VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0062). Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist das BFA zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts der BF im Bundesgebiet ihr persönliches Interesse am Verbleib überwiegt. Durch die Rückkehrentscheidung wird Art 8 EMRK somit im Ergebnis nicht verletzt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen oder wurden in der Beschwerde behauptet, die eine Rückkehrentscheidung (vorübergehend oder auf Dauer) unzulässig erscheinen ließen, sodass Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids nicht zu beanstanden ist.

Zu Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das BFA gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung festzustellen, dass die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Für diese Feststellung gilt der Maßstab des § 50 FPG (siehe VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157). Demnach ist die Abschiebung unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für den Betreffenden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

Da keiner dieser Tatbestände hier erfüllt ist, ist die Abschiebung der BF nach Bosnien und Herzegowina zulässig, zumal ein Drittstaat als Zielstaat der Abschiebung nicht in Betracht kommt.

Wird in einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung eine amtswegige Feststellung nach § 52 Abs 9 FPG getroffen, so ist diese Feststellung, soweit sie sich auf den Herkunftsstaat bezieht, (wegen der inhaltlichen Übereinstimmung des Prüfungsmaßstabs) nur die Konsequenz der Nichtgewährung von Asyl und von subsidiärem Schutz. In dieser Konstellation kommt ihr demnach nur die Funktion zu, den Zielstaat der Abschiebung festzulegen (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

Zu den Spruchpunkten VI. und VII. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 18 Abs 1 BFA-VG kann das BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz unter anderem dann die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn die Asylwerberin aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt (Z 1) oder wenn gegen sie vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 1 BFA-VG setzt eine Abwägung der dafür und dagegen sprechenden Interessen voraus. Dabei ist das öffentliche Interesse an der raschen Aufenthaltsbeendigung von Asylwerbern, die aus einem sicheren Herkunftsstaat iSd § 19 Abs 5 BFA-VG iVm § 1 HStV kommen, den im Einzelfall allenfalls entgegenstehenden privaten Interessen gegenüberzustellen (VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146). Anhaltspunkte dafür, dass hier konkret zu berücksichtigende private Interessen vorliegen, die das öffentliche Interesse an einer raschen Aufenthaltsbeendigung allenfalls überwiegen, sind nicht hervorgekommen, zumal gegen die BF schon im Juli 2019 eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Solche Gründe liegen hier nicht vor. Es wurde bereits dargelegt, dass keine Gefährdung der Art 2, 3 und 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur EMRK durch die Rückführung der BF in ihren Herkunftsstaat anzunehmen ist. Der Beschwerde ist die aufschiebende Wirkung daher nicht zuzuerkennen.

Gemäß § 55 Abs 1a FPG besteht eine Frist für die freiwillige Ausreise unter anderem dann nicht, wenn eine Entscheidung aufgrund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. In Verfahren, in denen die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom BFA aberkannt wurde und in denen keine Zuerkennung durch das BVwG gemäß § 18 Abs 5 BFA-VBG erfolgt, ist daher keine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen. Die

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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