TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/2 G313 2223524-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.06.2020
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Entscheidungsdatum

02.06.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G313 2223524-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Ungarn, vertreten durch RA Mag. Laszlo Szabo, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 07.08.2019 wurde gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ein für die Dauer von vier Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG dem BF kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.), und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Am 18.09.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist ungarischer Staatsangehöriger.

1.2. Der BF wurde im November 2018, rechtskräftig mit Mai 2019, wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs. 1 StGB strafrechtlich verurteilt. Die über den BF vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe von 21 Monaten, davon 14 Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, wurde nach Erhebung einer Berufung dagegen vom Oberlandesgericht auf eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 11 Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, herabgesetzt.

1.2.1. Dieser Verurteilung lag folgende strafbare Handlung des BF zugrunde:

Der BF hat am 28.01.2018 eine schlafende, mithin wehrlose, Person unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung vorgenommen hat.

1.3. Der BF ging in Österreich einigen kurzzeitigen Beschäftigungen bei verschiedenen Dienstgebern nach, und zwar im Zeitraum von August 2016 bis Mai 2019, in welchem er im Bundesgebiet mit Unterbrechungen aufhältig und in den Zeiträumen von Jänner 2017 bis Oktober 2017, ein paar Tage im Dezember 2017 und ab März 2018 jeweils an einer anderen Adresse mit Nebenwohnsitz gemeldet war. Seine letzte Nebenwohnsitzmeldung im Bundesgebiet von Juli 2019 bis Oktober 2019 hat seine Haftzeit betroffen.

1.4. Nach Antragstellung am 04.05.2017 hat der BF eine unbefristete Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer erhalten. Eine berücksichtigungswürdige Bindung des BF in Österreich in arbeitsmäßiger, privater oder anderweitiger Hinsicht war jedoch nicht feststellbar.

1.5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.08.2019 wurde gegen den BF ein vierjähriges Aufenthaltsverbot erlassen, dem BF kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt.

1.6. Die Familie des BF lebt in Ungarn. Aus Ungarn angereiste Verwandte wollten den BF nach seiner Haftentlassung in Österreich abholen.

1.7. Nach Haftentlassung des BF am 04.10.2019 wurde der BF jedoch am 06.10.2019 auf dem Landweg nach Ungarn abgeschoben.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergab sich aus dem diesbezüglichen Akteninhalt.

2.2. Zur Vertretung des BF vor dem BFA und vor dem BVwG:

Mit einem Aktenvermerk des BFA vom 07.08.2019, dem Tag der Ausfertigung des angefochtenen Bescheides, wurde festgehalten, dass die Rechtsvertreterin des BF angerufen wurde, auf den nicht behobenen RSb Brief mit dem ergänzenden Parteiengehör hingewiesen und gefragt wurde, ob sie den BF im Verfahren vor dem BFA noch vertrete. Diese gab an, den BF noch zu vertreten und mehrmals Probleme mit der Post zu haben. Sollte das angedachte Aufenthaltsverbot von der Behörde verhängt werden, werde dagegen Beschwerde erhoben werden.

Seitens derselben Rechtsvertreterin wurde nach Erlassung des angefochtenen Bescheides die gegenständliche Beschwerde erhoben.

Mit E-Mail vom 14.10.2019 wurde dem BFA mitgeteilt, dass der im Spruch angeführte Rechtsanwalt zur rechtlichen Vertretung des BF bevollmächtigt wurde.

2.3. Zur Person des BF und seinen individuellen Verhältnissen:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

Die Feststellungen zu den Wohnsitzmeldungen des BF in Österreich beruhen auf einem Zentralmelderegisterauszug. Dass der BF nach Antragstellung am 04.05.2017 eine unbefristete Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer erhalten hat, beruht auf einem Fremdenregisterauszug.

Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des BF in Österreich und zu seiner Anmeldebescheinigung beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

Die rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung des BF von Mai 2019 ergab sich aus einem Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich. Die näheren Feststellungen zur strafbaren Handlung des BF beruhen auf dem Strafrechtsurteil des zuständigen Oberlandesgerichts im Verwaltungsakt (AS 89ff).

Dass der BF am 04.10.2019 bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren aus der Strafhaft entlassen wurde, war aus einem Strafregisterauszug ersichtlich. Dass er am 06.10.2019 auf dem Landweg nach Ungarn abgeschoben wurde, beruht auf dem diesbezüglich glaubhaften Inhalt des Verwaltungsaktes zu Zl. G313 2223524-2, ebenso wie die Feststellung, dass aus Ungarn angereiste Verwandte des BF diesen nach Haftentlassung abholen wollten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Anzuwendendes Recht:

3.1.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(...)."

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(...)."

3.1.2. Die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war aus folgenden Gründen abzuweisen:

Der BF hat sich ab seinem ersten Beschäftigungsbeginn im August 2016 bis zu seiner Abschiebung nach Ungarn am 06.10.2019 - mit Unterbrechungen - rund drei Jahre lang im Bundesgebiet aufgehalten. Die Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet war an seinen jeweils kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen im Zeitraum von August 2016 bis Mai 2019 angepasst und von Nebenwohnsitzmeldungen von Jänner 2017 bis Oktober 2017, ein paar Tage im Dezember 2017, ab März 2018, und für die Haftdauer von Juli 2019 bis Oktober 2019 durchzogen.

Da der BF, der aufgrund seiner ungarischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, die Voraussetzung eines zehnjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht erfüllt, kommt für diesen der einfache Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 Satz 2 FPG zur Anwendung.

§ 67 Abs. 1 Satz 2, 3 und 4 lautet:

"Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig."

Der BF wurde im November 2018, rechtskräftig mit Mai 2019, wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs. 1 StGB strafrechtlich verurteilt. Die über den BF vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe von 21 Monaten, davon 14 Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, wurde nach Erhebung einer Berufung dagegen vom Oberlandesgericht auf eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 11 Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, herabgesetzt.

Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der BF am 28.01.2018 eine schlafende, mithin wehrlose, Person unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht hat, dass er mit ihr eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung vorgenommen hat.

Hinsichtlich der strafrechtlichen Verurteilung des BF von November 2018, rechtskräftig mit Mai 2019, weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen hat (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Der BF hat das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer schlafenden, stark betrunkenen, mithin wehrlosen, Person unter eingeschränkter Zurechnungsfähigkeit in Zusammenhang mit einer nicht unerheblichen Alkoholisierung begangen. Die Dispositions- und Diskretionsfähigkeit des BF war, wie mit Strafrechtsurteil von Mai 2019 festgestellt, zum Zeitpunkt der Straftat, herabgesetzt. Dies wurde vom Strafgericht als Milderungsgrund gewertet.

Die vom zuständigen Berufungsgericht berücksichtigten Milderungsgründe führten insgesamt zu einer Herabsetzung der ursprünglich über den BF verhängten Freiheitsstrafe auf 15 Monate und insofern zu einer bedingten Strafnachsicht, als 11 Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren nachgesehen wurden, nicht jedoch zu einer zur Gänze bedingten Strafnachsicht.

Das zuständige Oberlandesgericht führte im Strafrechtsurteil aus:

"Eine zur Gänze bedingte Strafnachsicht würde dagegen generalpräventiven Erwägungen nicht gerecht. Nicht nur dem Angeklagten, sondern auch anderen potentiellen Sexualstraftätern muss deutlich aufgezeigt werden, dass derartige Übergriffe mit Entschiedenheit geahndet werden. Zu diesem Zweck bedarf es des zumindest teilweisen Vollzuges der verhängten Freiheitsstrafe.

Der BF war vom 04.07.2019 bis 04.10.2019 in Haft, wurde bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren aus der Strafhaft entlassen und am 06.10.2019 auf dem Landweg nach Ungarn abgeschoben.

Im gegenständlichen Fall wird festgehalten, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass der BF die einmal im Bundesgebiet in alkoholisiertem Zustand begangene, für besonders verwerflich zu haltende Straftat unter Ausnützung des wehrlosen Zustandes eines stark alkoholisierten Opfers erneut in alkoholisiertem oder sogar in nüchternem Zustand begehen wird.

Dass der BF einmal, und zwar am 28.01.2018 eine wehrlose Person sexuell missbraucht hat, zeugt jedenfalls von seiner grundsätzlichen inneren Bereitschaft bzw. Neigung dazu. Die laut Strafrechtsurteil des Berufungsgerichts von Mai 2019 nicht unerhebliche Alkoholisierung des BF kann seine offenbar grundsätzlich vorhandene innere Neigung bzw. Bereitschaft zu einer solchen, für besonders verwerflich gehaltenen Straftat nicht überdecken, war doch, wie vom Oberlandesgericht im Mai 2019 festgestellt, die Dispositions- und Diskretionsfähigkeit des BF durch seine Alkoholisierung zwar eingeschränkt, nicht jedoch aufgehoben - der BF war zwar stark angetrunken, konnte sich jedoch an den gesamten Abend noch erinnern.

Im Strafrechtsurteil von Mai 2019 wurde festgehalten, dass der BF im Laufe des Abends (vor der Straftat) "zwei Viertel Wein, zehn Bier und ca. zehn Schnäpse" konsumiert hat.

Dass der BF bereit ist, sich bis zu einem nicht unerheblichen Alkoholisierungsgrad zu betrinken, hat er jedenfalls unter Beweis gestellt, ebenso, dass er in diesem alkoholisierten, in seiner Dispositions- und Diskretionsfähigkeit eingeschränkten Zustand zu einer sexuellen Missbrauchstat fähig ist.

Der Tag der Straftat des BF am 28.01.2018 fällt in eines seiner kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnisse. Der BF ging in Österreich kurzzeitigen Beschäftigungen bei verschiedenen Dienstgebern nach, und zwar im Zeitraum von August 2016 bis Mai 2019, darunter auch bei einem Dienstgeber von Dezember 2017 bis Juli 2018. Dass sich der BF während eines aufrechten Beschäftigungsverhältnisses in nicht unerheblichem Ausmaß betrunken hat, zeugt von Verantwortungslosigkeit und auch mangelndem Pflichtbewusstsein, geht doch aus diesem Verhalten, das zu einer eingeschränkten Dispositions- und Diskretionsfähigkeit führte, hervor, dass er seine Freizeit nicht in einer Art und Weise gestaltete, welche ihm selbst die weitere Aufrechthaltung seiner Arbeit garantierte.

In der Beschwerde wurde hervorgehoben, dass das Tatopfer die Entschuldigung des BF am Tag nach der Tat angenommen hat. Damit sieht der BF offenbar die Sache als erledigt an. Davon, dass dem BF leid tue, was er getan hat, bzw., dass er im Nachhinein seine Tat bereue und er so etwas nie wieder machen werde, war jedenfalls nicht die Rede.

Da der BF nach seiner Haftentlassung am 04.10.2019 nach Ungarn abgeschoben wurde und sich seither dort aufhält - etwas anders ist nicht amtsbekannt, ist ein nach seiner bedingten Haftentlassung am 04.10.2019 an den Tag gelegtes Wohlverhalten in Österreich nicht überprüfbar. Gegenüber der Schwere der vom BF begangenen für besonders verwerflich gehaltenen Straftat wird die Dauer in Freiheit seit bedingter Haftentlassung am 04.10.2019, innerhalb welcher ein beobachtetes Wohlverhalten einen gewissen positiven Gesinnungswandel zeitigen könnte, zudem als verhältnismäßig sehr gering erachtet, im Bewusstsein, dass dem am 06.10.2019 nach Ungarn abgeschobenen BF bewusst ist bzw. bewusst gemacht worden ist, dass gegen ihn einerseits mit Bescheid des BFA vom 07.08.2019 ein durchsetzbares, vierjähriges Aufenthaltsverbot erlassen wurde, ihm demnach ein rechtskräftiges vierjähriges Aufenthaltsverbot und damit eine langjährige Trennung vom österreichischen Bundesgebiet droht, und dass andererseits seine Haftentlassung am 04.10.2019 nicht endgültig, sondern bedingt auf eine dreijährige Probezeit ausgesprochen wurde, der BF sich daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit vor erneuter krimineller Erscheinung hüten wird, um eine neuerliche Haft zu verhindern.

In Gesamtbetrachtung kann durch das persönliche Verhalten des BF, der im Bundesgebiet nur in Zeiträumen kurzzeitiger Beschäftigungen Nebenwohnsitzmeldungen aufweist und sich einmal - während eines aufrechten Beschäftigungsverhältnisses - am 28.01.2018 sehr stark betrunken hat und unter einem nicht unerheblichen Alkoholisierungsgrad mit eingeschränkter, jedoch nicht ganz aufgehobener Dispositions- und Diskretionsfähigkeit an einer schlafenden, stark alkoholisierten, demnach wehrlosen Person eine sexuelle Missbrauchstat begangen hat, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit weiteres für andere Personen im Bundesgebiet gefährliches Fehlverhalten des BF nicht ausgeschlossen werden. Von einer positiven Zukunftsprognose kann somit nicht ausgegangen werden.

Es liegt daher bei einem weiteren Verbleib des BF im Bundesgebiet eine tatsächliche, gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Bundesgebiet iSv § 67 Abs. 1 S. 2 FPG vor.

Eine berücksichtigungswürdige Bindung des BF in Österreich in arbeitsmäßiger, privater oder anderweitiger Hinsicht war nicht feststellbar, gehen derartige Bindungen doch aus dem Akteninhalt samt Beschwerdevorbringen nicht hervor, hat der BF in seiner Stellungnahme nach Vorhalt der behördlich beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Oktober 2018 darauf verwiesen, dass er im Bundesgebiet als Jungkoch arbeite, dabei bei freier Kost und Logis ein monatliches Nettoeinkommen in bestimmter Höhe beziehe, ledig sei, keine Sorgepflichten, keine Schulden und geringe Ersparnisse habe, mit diesen Hinweisen jedoch keine berücksichtigungswürdigen privaten Interessen an einem weiteren Bleiberecht glaubhaft machen können, und hat der gesunde, arbeitsfähige und offenbar arbeitswillige BF auch in Ungarn die grundsätzliche Möglichkeit, alsbald auf dem ungarischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Seine arbeitsmäßige Erfahrung in Österreich als Jungkoch und seine Beschäftigungsverhältnisse bei verschiedenen Dienstgebern im Zeitraum von August 2016 bis Mai 2019 werden ihm dabei hilfreich sein können. Fest steht, dass die Familie des BF in Ungarn lebt. Aus Ungarn angereiste Verwandte des BF wollten ihn nach seiner Haftentlassung in Österreich abholen. Der BF wurde nach seiner auf eine Probezeit von drei Jahren bedingten Haftentlassung am 04.10.2019 jedoch am 06.10.2019 auf dem Landweg nach Ungarn abgeschoben. Dass Verwandte des BF ihn nach seiner Haftentlassung abholen wollten, spricht jedenfalls für eine nähere Beziehung des BF zu Familienangehörigen in seinem Heimatland.

Es wird daher auch die vom BFA ausgesprochene vierjährige Aufenthaltsverbotsdauer für gerechtfertigt - und jedenfalls auch für notwendig gehalten, um den BF während dieser Zeit zu einem Gesinnungswandel bewegen zu können, wobei ihm seine Verwandten in Ungarn jedenfalls auch behilflich sein können.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Aus Sicht des erkennenden Gerichtes war wegen der vom BF im Bundesgebiet ausgehenden, akuten Gefahr, sich bis zu einem nicht unerheblichen Alkoholisierungsgrad zu betrinken und unter eingeschränkter Dispositionsfähigkeit und Diskretionsfähigkeit wehrlose, etwa alkoholisierte und schlafende Personen unter Ausnützung dieses Zustands zu missbrauchen, das Absehen von der Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes und die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit notwendig, um diese beiden Belange zu schützen, sodass die belangte Behörde dem BF in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu Recht keinen Durchsetzungsaufschub gewährt hat.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Mit Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides vom 07.08.2019 wurde einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Aus dem zuvor Gesagten ist eindeutig erkennbar, dass der BF durch sein in Österreich an den Tag gelegtes Verhalten, sich bis zu einem nicht unerheblichen Alkoholisierungsgrad zu betrinken und in diesem Zustand unter eingeschränkter Dispositions- und Diskretionsfähigkeit an einer schlafenden, stark betrunkenen, wehrlosen Person eine sexuelle Missbrauchstat zu begehen - ein gewichtiges Gefahrenmoment für die öffentlichen Interessen der Republik Österreich darstellt. Die von der belangten Behörde ausgesprochene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung war daher unbedingt vonnöten, um ein weiteres derartiges Handeln des BF hintanzuhalten. Dem entsprechend ist die sofortige Abschiebung des BF geboten gewesen.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Da außerdem auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Einvernahme des BF vor dem BVwG zu keinem anderen Entscheidungsergebnis führen hätte können, erscheint doch der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde eindeutig geklärt, konnte im gegenständlichen Fall von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot Ermittlungsverfahren Interessenabwägung mangelnder Anknüpfungspunkt öffentliche Interessen Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2223524.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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