TE OGH 2020/4/22 5Ob164/19g

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Veröffentlicht am 22.04.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin S*****, vertreten durch Dr. Roland Kassowits, Rechtsanwalt in Wien, gegen sämtliche Hauptmieter der Liegenschaft EZ ***** und andere Adressen, darunter 213. F*****, vertreten durch Dr. Olaf Borodajkewycz, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 9 MRG iVm § 17 MRG, über den Revisionsrekurs des 213. Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. Juli 2019, GZ 38 R 8/19m-136, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 21. September 2018, GZ 5 Msch 2/15p-100, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 2. Oktober 2018, GZ 5 Msch 2/15p-105, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind Kosten des weiteren Verfahrens.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft in Wien samt darauf errichteten Reihenhäusern mit einer Gesamtnutzfläche von ca 17.500 m2. Die Antragsgegner sind die Hauptmieter. Die Dachböden in der Reihenhausanlage waren ursprünglich roh und unisoliert. Eine Vielzahl von Hauptmietern hat – auf eigene Kosten und großteils mit Zustimmung der Antragstellerin – bauliche Veränderungen durch Aus- und Umbauten der Reihenhäuser vorgenommen. Rohdachböden wurden isoliert und ausgebaut, Beheizungsmöglichkeiten geschaffen, Zimmer durch Zubauten vergrößert und auf Terrassenflächen Wintergärten errichtet.

Die Antragstellerin beantragte die Feststellung des richtigen Verteilungsschlüssels für die Reihenhausanlage nach § 17 Abs 1 MRG nach Ausmessung der Nutzflächen der Objekte. Es sei zu einer Reihe nutzflächenrelevanter Veränderungen der Bestandobjekte gekommen.

Mehrere Antragsgegner wendeten sich gegen die Einbeziehung der neu geschaffenen Nutzflächen für Dachbodenausbauten und Zubauten in die Gesamtnutzfläche.

Die Schlichtungsstelle stellte den Verteilungsschlüssel gemäß § 17 MRG unter Einbeziehung der für Wohn- und Geschäftszwecke geeigneten, durch Um- bzw Zubauten entstandenen Nutzflächen fest.

Mehrere Antragsgegner riefen dagegen das Gericht an. Unbeheizte, schlecht begehbare und nicht ausreichend belichtete Dachbodenbereiche seien nicht objektiv als Wohnbereich nutzbar, dies gelte auch für einen nicht beheizbaren Pavillon ohne Fenster. Die Antragstellerin habe erklärt, die Nutzflächenänderung bleibe bis zur Beendigung des Mietverhältnisses unberücksichtigt.

Das Erstgericht legte den Verteilungsschlüssel gemäß § 17 MRG neu fest. Ein Verzicht der Vermieterin auf ihr Recht, die Nutzfläche durch Einbeziehung von ausgebauten Dachgeschossflächen zu vergrößern, sei aus dem Schreiben vom 5. 12. 2002 nicht abzuleiten. § 17 Abs 2 letzter Satz MRG ordne an, dass Veränderungen der Nutzfläche aufgrund baulicher Maßnahmen des Mieters oder sonstigen Nutzers im Inneren der Wohnung oder des sonstigen Mietgegenstands einschließlich der Verglasung von Balkonen bis zur Beendigung seines Miet- oder sonstigen Nutzungsverhältnisses unberücksichtigt bleiben. Dies sei teleologisch aber dahin zu reduzieren, dass die Regelung nur solche Änderungen erfasse, die sich nur geringfügig auf die Verteilung der Betriebskosten auswirken. Dies sei beim Ausbau des Dachbodens zu einem Wohnraum nicht mehr der Fall. Der objektive Ausstattungszustand der nun isolierten und teils auch beheizbaren ausgebauten Dachböden gebiete deren Einbeziehung in die Nutzfläche. Ob und wie konkret die ausgebauten Dachböden tatsächlich genutzt würden, sei irrelevant. Zubauten, die nicht im Inneren des Objekts errichtet worden seien, seien jedenfalls einzubeziehen, wie ein Wintergarten, nicht aber ein jederzeit entfernbarer, frei ohne Verbindung zum Haus stehender Gartenpavillon.

Das Rekursgericht gab dem – unter anderem vom 213. Antragsgegner erhobenen – Rekurs dahin Folge, dass der angefochtene Sachbeschluss aufgehoben und dem Erstgericht die neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde. Weitere Rekurswerber wurden mit ihren Rekursen auf diese Entscheidung verwiesen. Der Oberste Gerichtshof habe sich zu 5 Ob 132/04d und 5 Ob 154/10y mit der Frage nach einer teleologischen Reduktion des § 17 Abs 2 letzter Satz MRG auseinandergesetzt und ausgeführt, dass von dieser Regelung bei teleologischer Betrachtung nur solche Änderungen erfasst sein könnten, die sich nur geringfügig auf die vom Gesetzgeber angestrebte gerechte Verteilung der Betriebskosten auswirken. Eine abschließende Stellungnahme fehle dazu. Hier gehe es nicht um vom Bestandobjekt getrennte Räume in einem nicht ausgebauten Dachboden, sondern um ausgebaute Zimmer im Dachgeschoss, die unstrittig über eine Treppe im Inneren des Bestandobjekts erschlossen seien. Ein solcher in den Wohnungsverband integrierter Raum in einer mehrgeschossigen Wohnung sei deren Teil und daher nach § 17 Abs 2 erster Satz MRG nutzflächenrelevant. Abzustellen sei auf die gesamte Bodenfläche abzüglich der Wandstärken, Raumhöhe und Dachschräge seien irrelevant. Eignung zu Wohnzwecken bedeute, dass der Raum seiner Ausstattung nach zur Befriedigung menschlicher Wohnbedürfnisse geeignet sei, somit zum Schlafen, Kochen, Essen, Aufenthalt oder auch zur Unterbringung und Aufbewahrung von Kleidung oder anderer persönlichen Gegenstände, sodass auch Abstellräume im Wohnungsverband Wohnzwecken dienten. Auf die Beheizungsmöglichkeit, das Vorhandensein eines Fensters oder eine Dachschräge sei nicht abzustellen. Von einer bloß geringfügigen Nutzflächenänderung im Sinn des Gesetzeszwecks des § 17 Abs 2 letzter Satz MRG sei hier nicht auszugehen, weil die durch die Umbauten zu Wohnzwecken nutzbar gemachten Flächen einen Zuwachs von 15–30 % bewirkten. Die Dachgeschossräume seien daher als Nutzflächen zu berücksichtigen, sofern sie objektiv aufgrund ihrer Ausstattung zu Wohnzwecken, also zumindest als Abstellraum innerhalb des Wohnungsverbands, geeignet seien. Dies könne aber für die Objekte des 213. (und des 228.) Antragsgegners noch nicht abschließend beurteilt werden, weil das Erstgericht hiezu Negativfeststellungen zur Ausstattung des Dachbodens getroffen, gleichzeitig aber festgestellt habe, dass auch diese Mieter nutzflächenverändernde Umbauten vorgenommen hätten. Insoweit liege auch ein Verfahrensmangel vor, weil das Erstgericht den 228. Antragsgegner nicht als Partei vernommen habe. Zum behaupteten Verzicht der Antragstellerin auf eine Berücksichtigung der Nutzflächen der ausgebauten Dachgeschossräume teilte das Rekursgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichts, dass aus dem Wortlaut des in Rede stehenden Schreibens ein solcher Verzicht nicht zu entnehmen sei, der im Übrigen von der Vermieterin zwar gegenüber einem bestimmten Mieter erklärt werden könnte, was aber keinen Einfluss auf den durch die Nutzflächen bestimmten Verteilungsschlüssel habe.

Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, zur Frage der teleologischen Reduktion bei Auslegung der Bestimmung des § 17 Abs 2 letzter Satz MRG liege noch keine gesicherte Rechtsprechung vor.

Diesen Beschluss bekämpft nur der 213. Antragsgegner in seinem Revisionsrekurs mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass die seinem Bestandobjekt zugeordnete Nutzfläche von 115,64 m2 durch eine solche von 90,70 m2 und der Betriebskostenschlüssel von 0,661 % durch einen solchen von 0,518 % ersetzt werde.

Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung primär, den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1. Im Revisionsrekursverfahren ist nicht strittig, dass die Bestandverhältnisse dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegen. Gemäß § 17 Abs 1 MRG bestimmt sich daher – insoweit nicht zwischen dem Vermieter und allen Mietern des Hauses für einzelne Aufwendungen des Hauses schriftlich ein anderer Verteilungsschlüssel vereinbart worden ist oder sich aus den folgenden Bestimmungen ein solcher Verteilungsschlüssel ergibt – der Anteil eines Mietgegenstands an den Gesamtkosten des Hauses nach dem Verhältnis der Nutzfläche des Mietgegenstands zur Nutzfläche aller vermieteten, vom Vermieter benützten oder trotz ihrer Vermietbarkeit nicht vermieteten Wohnungen oder sonstigen Mietgegenstände des Hauses. Die schriftliche Vereinbarung eines abweichenden Verteilungsschlüssels zwischen Antragstellerin und sämtlichen Antragsgegnern wurde hier nicht behauptet. Die übereinstimmende rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, das Schreiben der Vermieterin vom 5. 12. 2002 sei weder eine derartige Vereinbarung noch ein sich auf den Verteilungsschlüssel auswirkender Verzicht auf Berücksichtigung nachträglich geschaffener Nutzflächen bei der Verrechnung der Gesamtkosten der Liegenschaft, zieht im Revisionsrekursverfahren niemand mehr in Zweifel. Darauf ist daher nicht mehr einzugehen (vgl RIS-Justiz RS0043338). Der Verteilungsschlüssel ist hier somit auf Basis der Nutzflächen zu ermitteln.

2. Gemäß § 17 Abs 2 MRG ist die in Quadratmetern auszudrückende Nutzfläche die gesamte Bodenfläche einer Wohnung oder eines sonstigen Mietgegenstands abzüglich der Wandstärken und der im Verlauf der Wände befindlichen Durchbrechungen (Ausnehmungen). Keller- und Dachbodenräume, soweit sie ihrer Ausstattung nach nicht für Wohn- oder Geschäftszwecke geeignet sind, sowie Treppen, offene Balkone und Terrassen sind bei der Berechnung der Nutzfläche nicht zu berücksichtigen. Veränderungen der Nutzfläche aufgrund baulicher Maßnahmen des Mieters oder sonstigen Nutzers im Inneren der Wohnungen oder des sonstigen Mietgegenstands einschließlich der Verglasung von Balkonen bleiben nach dem durch die WRN 1999 eingefügten letzten Satz dieser Bestimmung bis zur Beendigung seines Miet- oder sonstigen Nutzungsverhältnisses unberücksichtigt. Auf die letztgenannte Bestimmung, die mit 1. 1. 2000 in Kraft getreten ist (Art IX Z 1 und 6 WRN 1999), haben sich mehrere Antragsgegner berufen und daraus die Unschädlichkeit ihrer Umbauarbeiten abgeleitet. Dass bauliche Veränderungen etwa bereits vor dem 1. 1. 2000 vorgenommen worden wären (womit sie mangels Anwendbarkeit dieser Bestimmung sofort bei der Nutzflächenberechnung zu berücksichtigen wären [Prader in GeKo Wohnrecht I § 17 MRG Rz 35; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 17 MRG Rz 15; 5 Ob 132/04d]), hat niemand behauptet und ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Es ist daher davon auszugehen, dass die in Rede stehenden Um- und Ausbauten erst nach dem 1. 1. 2000 erfolgten. Zunächst ist die Frage nach der Anwendung des § 17 Abs 2 letzter Satz MRG auf die Um- und Zubauten zu erörtern. Beide Vorinstanzen hielten eine teleologische Reduktion dieser Bestimmung für geboten.

3. Der Revisionsrekurswerber vertritt die Auffassung, nach dem eindeutigen Gesetzestext seien bauliche Maßnahmen im Inneren der Wohnung nach dem 1. 1. 2000 nicht zu berücksichtigen. Eine Ausnahme sei nach der Entscheidung 5 Ob 132/04d nur bei dislozierten Kellerräumlichkeiten oder aber massiven baulichen Eingriffen und konzeptiven Umgestaltungen geboten. Zu beiden Ausnahmetatbeständen fehle Vorbringen der Antragstellerin, sodass hier „keine Ausnahme von der Ausnahme“, sondern ein „klassischer Fall des § 17 Abs 2 letzter Satz MRG“ vorliege und die Maßnahmen des Mieters im Inneren der Wohnung bis zur Beendigung seines Mietverhältnisses nutzflächenunwirksam seien.

Dem ist nicht zu folgen.

4.1. Der erkennende Senat teilt zur teleologischen Reduktion die ausführlich und schlüssig begründete Rechtsansicht des Rekursgerichts, weshalb grundsätzlich darauf verwiesen werden kann (§ 71 Abs 3 AußStrG). Zu ergänzen bleibt:

4.2. Wie schon die Vorinstanzen und auch der Revisionsrekurswerber erkannten, ließ der Fachsenat in der zu § 17 Abs 2 letzter Satz MRG ergangenen Entscheidung 5 Ob 132/04d (immolex 2004/144 [zust Prader]) klar erkennen, dass er – der dort zitierten überwiegenden Lehre folgend – von der Regelung des § 17 Abs 2 letzter Satz MRG idF der WRN 1999 bei teleologischer Betrachtung nur solche Änderungen erfasst sehen will, die sich nur geringfügig auf die vom Gesetzgeber angestrebte gerechte Verteilung der Betriebskosten auswirken. Eine abschließende Stellungnahme zu der Frage erübrigte sich, weil die Änderungen an den dort mitgemieteten dislozierten Kellerräumlichkeiten jedenfalls nicht im „Inneren“ des Mietobjekts im Sinn der zitierten Bestimmung erfolgten. Da die Kellerräumlichkeiten durch den Bau einer eigenen Stiege erschlossen werden mussten, war der Vergleich mit einem „Zubau“ naheliegend, den der Gesetzgeber der WRN 1999 ausdrücklich nicht dieser Regelung unterwerfen wollte (RS0119315).

Auch in dem zu 5 Ob 154/10y entschiedenen Fall, der den Umbau eines historischen Gebäudes zwecks Revitalisierung betraf, blieb die Frage nach der teleologischen Reduktion unbeantwortet, weil ein so weitreichender Eingriff in das Gesamtobjekt zu beurteilen war, dass als Folge daraus resultierende Änderungen im Inneren einzelner Mietgegenstände keinen dem § 17 Abs 2 letzter Satz MRG zugänglichen Anwendungsfall mehr bildeten (RS0126601). Entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Auffassung nahmen beide Entscheidungen daher nicht abschließend zur Frage der teleologischen Reduktion des § 17 Abs 2 letzter Satz MRG Stellung. Die im Revisionsrekurs angesprochene Entscheidung 5 Ob 35/03p (Berücksichtigung der vom Mieter durch Einzug einer Zwischendecke erzielten Nutzflächenerweiterung) befasste sich mit dieser Frage nicht, weil § 17 Abs 2 letzter Satz MRG aufgrund bereits vor dem 1. 1. 2000 vorgenommener Änderungen gar nicht anzuwenden war. Die im Revisionsrekurs behauptete Abweichung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung liegt daher nicht vor.

4.3. Die Lehre tritt überwiegend für eine teleologische Reduktion von § 17 Abs 2 letzter Satz MRG ein:

Hausmann (in Hausmann/Vonkilch, Wohnrecht3 § 17 MRG Rz 43 f) teilt die zu 5 Ob 154/10y vertretene Auffassung, die großzügige Umgestaltung und Neuordnung der Nutzung von Gebäudeteilen unter Vornahme zahlreicher Um- und Ausbauten samt Umgestaltung der einzelnen Bestandobjekte im Inneren führten zu sofort nutzflächenrelevanten Änderungen. Die Bestimmung sei auch wegen der durch die WRN 2001 geschaffenen Teilausnahme des § 1 Abs 4 Z 2 MRG für vom Mieter nach Inkrafttreten ausgebaute Rohdachböden teleologisch zu reduzieren. Vergrößerungen der Nutzfläche des Mietobjekts wie die Einziehung einer Zwischendecke oder Verkleinerungen etwa durch Einbau einer Treppe während der Dauer des Bestandverhältnisses seien hingegen ohne Einfluss auf den Nutzflächenschlüssel.

Prader (in GeKo Wohnrecht I § 17 MRG Rz 36; ders, Entscheidungsanmerkung zu 5 Ob 154/10y, immolex 2011/31; ders, Entscheidungsanmerkung zu 5 Ob 132/04d, immolex 2004/144) will von der Begünstigung des § 17 Abs 2 letzter Satz MRG nur solche bauliche Änderungen erfasst wissen, die in bereits nutzflächenrelevanten Mietgegenständen vorgenommen wurden. Änderungen an bislang zu Recht nicht erfassten Objekten seien hingegen maßgeblich und damit nutzflächenrelevant. Das Abgrenzungskriterium der „Geringfügigkeit“ allein sei hingegen wenig aussagekräftig.

Nach Würth (Die Wohnrechtsnovelle 1999 [Allgemeiner Teil und MRG] – kritisch betrachtet, wobl 2000, 101) liegen solche Veränderungen nicht „im Inneren“ des Bestandobjekts, die etwa durch Einbeziehung (selbst geringfügiger) Gangteile im Miethaus, auch im Zusammenhang mit der Integration des Gang-WCs, ebenso wie Zu- und Aufbauten in Siedlungshäusern erfolgen.

Nur Stabentheiner (Die miet- und wohnungsrechtlichen Teile der Wohnrechtsnovelle 1999, wobl 1999, 285) meint zu § 17 Abs 2 letzter Satz MRG, das Ausmaß der dadurch faktisch bewirkten Flächenänderung sei nicht von Bedeutung. Weitreichende Änderungen wie das Einziehen einer Zwischendecke gehörten ebenso in den sachlichen Anwendungsbereich der Regelung wie marginale Änderungen wie das Verfliesen einer Räumlichkeit. Die Baumaßnahme müsse sich aber ausschließlich auf das Innere des Mietgegenstands beschränken, dürfe die Grenzen des Objekts daher nicht verändern. Ein Zubau eines im Erdgeschoss gelegenen Mietgegenstands (etwa durch Verbau einer Gartenfläche) sei von dieser Anordnung daher nicht erfasst und somit nutzflächenrelevant.

4.4. Methodisch verschafft die teleologische Reduktion der ratio legis nicht gegen einen zu engen, sondern gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung. Die (verdeckte) Lücke besteht im Fehlen einer nach dem Gesetzeszweck notwendigen Ausnahme. Vorausgesetzt ist der Nachweis, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den „eigentlich gemeinten“ Fallgruppen soweit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (RS0008979 [T3]). Die teleologische Reduktion einer gesetzlichen Regelung erfordert den klaren Nachweis des Gesetzeszwecks, an dem sich die (letztlich den Wortlaut korrigierende) Auslegung orientieren soll.

Hier gebieten in Übereinstimmung mit der überwiegenden Lehre sowohl die aus den Materialien hervorleuchtende Absicht des Gesetzgebers der WRN 1999 als auch der objektive Sinn und Zweck dieser Gesetzesbestimmung eine Reduktion des Wortlauts dieser überschießend formulierten Bestimmung:

Aus den Materialien zur WRN 1999, BGBl 1999/147 (RV 1674 BlgNR 20. GP 7, 12) ergibt sich, dass einem Wunsch der Praxis entsprechend zur Verbesserung der Ausgangslage für die Erstellung richtiger Abrechnungen vorgesehen werden sollte, dass Nutzflächenveränderungen infolge baulicher Maßnahmen im Inneren eines Mietgegenstands für die Dauer eines Mietverhältnisses außer Betracht zu bleiben haben. Nach geltender Rechtslage könnten – selbst geringe – bauliche Maßnahmen des Mieters im Inneren des Objekts zu einer Veränderung der Nutzfläche des Objekts und damit des gesamten Verteilungsschlüssels führen, was die Unrichtigkeit einer auf dem bisherigen Verteilungsschlüssel beruhenden Abrechnung bewirke. Insofern sei jede Abrechnung und ihre Richtigkeit durch letztlich für den Vermieter unbeeinflussbare Fehlerquellen in Gestalt solcher Nutzflächenänderungen selbst marginaler Art (genannt wird das Verfliesen eines Badezimmers) bedroht. Dies sei der Praktikabilität der Hausbewirtschaftung abträglich, andererseits aber aus dem Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit keineswegs zwingend. Deshalb werde im vorgeschlagenen § 17 Abs 2 MRG angeordnet, dass Veränderungen der Nutzfläche aufgrund baulicher Maßnahmen des Mieters im Inneren des Mietobjekts bis zur Beendigung dieses Mietverhältnisses für die Berechnung der Nutzfläche und damit für den Verteilungsschlüssel im Haus unberücksichtigt bleiben. Um Zweifel darüber auszuschließen, ob der sehr häufige Fall der Verglasung eines Balkons eine bauliche Maßnahme im Inneren des Mietgegenstands sei, werde die Maßnahme in der Formulierung ausdrücklich erwähnt.

Dies zeigt, dass für den Gesetzgeber neben der zu verbessernden Praktikabilität der Hausbewirtschaftung auch die Verteilungsgerechtigkeit ein wesentlicher Aspekt war, der dadurch nicht beeinträchtigt werden sollte. Die aus § 17 Abs 1 MRG hervorleuchtende Verteilungsgerechtigkeit wollte der Gesetzgeber durch § 17 Abs 2 letzter Satz MRG daher nicht grundsätzlich einschränken.

4.5. Demgemäß hält es der erkennende Senat im Anschluss an Prader (aaO) für sachgerecht, § 17 Abs 2 letzter Satz MRG dahin einschränkend auszulegen, dass nur diejenigen Änderungen überhaupt als „geringfügig“ im Sinn der Entscheidungen 5 Ob 132/04d und 5 Ob 154/10y angesehen werden können, die der Mieter innerhalb des bereits zuvor nutzflächenrelevanten Objekts vorgenommen hat. Nur derartige Änderungen können daher von dieser Begünstigung umfasst sein. Darunter fallen somit jedenfalls nicht bauliche Veränderungen an zuvor nicht nutzflächenrelevanten, nicht für Wohn- oder Geschäftszwecke geeigneten Keller- und Dachbodenräumen. Diese sind
– analog dem Zubau an einen Mietgegenstand, der jedenfalls keine Veränderung im Inneren des Mietobjekts ist – unabhängig von ihrem konkreten Umfang als „Erweiterung“ des Bestandobjekts nach oben oder unten sofort zu berücksichtigen, führen daher zu einer Erhöhung der relevanten Nutzfläche nach § 17 Abs 2 MRG. Die Ausnahmebestimmung des § 17 Abs 2 letzter Satz MRG ist auf derartige Veränderungen daher nicht anzuwenden.

5. Das Rekursgericht ging im Wesentlichen von dieser Rechtsauffassung aus und sah demgemäß die durch die Umbauten für Wohnzwecke nutzbar gemachten Flächen als nutzflächenrelevant an. Es erachtete das Verfahren allerdings als ergänzungsbedürftig, weil zu den Objekten des 213. und 228. Antragsgegners Feststellungen zur Ausstattung des Dachbodens fehlten, sodass nicht beurteilt werden könne, ob diese nun für Wohn- oder Geschäftszwecke objektiv geeignet seien. Dass die Eignung für Wohn- oder Geschäftszwecke weder nach der subjektiven Ansicht der Vertragsteile noch nach der tatsächlichen Verwendung, sondern nach dem objektiven Zustand der Räume zu beurteilen ist, entspricht ebenso der ständigen Judikatur (RS0070105; RS0069814 [T9]) wie der Umstand, dass die Eignung für geschäftliche Lagerzwecke genügt (RS0069897 [T1]) und der Nutzflächenermittlung nur die Bodenfläche ohne Rücksicht auf schräge Wände und Dachschrägen zugrunde zu legen ist (5 Ob 170/16k mwN). Ist aber das Rekursgericht von einer richtigen rechtlichen Beurteilung ausgegangen, kann der Oberste Gerichtshof, der auch im Außerstreitverfahren nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist, Ergänzungsaufträgen nicht entgegentreten (RS0006737 [T3]; RS0042179).

6. Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

7. Nach § 37 Abs 3 Z 17 MRG entspricht es der Billigkeit auch die Tragung der Kosten des Revisionsrekursverfahrens vom endgültigen Verfahrenserfolg abhängig zu machen.

Textnummer

E128220

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00164.19G.0422.000

Im RIS seit

25.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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