TE Vwgh Erkenntnis 2020/5/28 Ro 2018/11/0030

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Veröffentlicht am 28.05.2020
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §7
VwGVG 2014 §27

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der Grundverkehrskommission Villach-Land, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 13. August 2018, Zl. KLVwG-S3-475-476/5/2018, betreffend Versagung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung (mitbeteiligte Parteien: 1. M L in F, und 2. W P in V), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses sprach das Verwaltungsgericht aus, dass der Bescheid der Revisionswerberin, mit dem dem zwischen den Mitbeteiligten abgeschlossenen Kaufvertrag die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt worden war, „behoben“ werde. Mit Spruchpunkt II. wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision zulässig sei.

2        Das Verwaltungsgericht stellte (soweit im Folgenden wesentlich) fest, dass der Zweitmitbeteiligte Verkäufer und der Erstmitbeteiligte Käufer einer Liegenschaft in F seien. Mit Bekanntmachung vom 14. November 2017 sei die beabsichtigte Eigentumsübertragung an der gegenständlichen Liegenschaft gemäß § 10 Abs. 3 Kärntner Grundverkehrsgesetz 2002 - K-GVG ausgeschrieben worden. Daraufhin habe sich KK als Aufstockungswerber gemeldet. Über dessen Antrag samt Betriebskonzept habe die belangte Behörde ein Gutachten des land- und forstwirtschaftlichen Amtssachverständigen Ing. MJ, eingeholt. Dieses Gutachten, datiert mit 29. Dezember 2017, sei von Ing. MJ erstellt und unterfertigt worden und habe als Grundlage der Entscheidung der belangten Behörde gedient. Dem Sitzungsprotokoll sei zu entnehmen, dass Dr. R als Vorsitzender fungiert habe. Als Beisitzer sei neben DI H-E, B und M auch Ing. MJ als Mitglied der belangten Behörde aufgeschienen. In der Sitzung habe das Mitglied der belangten Behörde Ing. MJ als landwirtschaftlicher Amtssachverständiger festgehalten, dass aus seiner Sicht der Erstmitbeteiligte keinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb betreibe. Aufgrund des Gutachtens des Ing. MJ sei schließlich die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt worden.

Im vorliegenden Fall sei der Amtssachverständige, der zuvor ein Gutachten erstattet habe, stimmführend bei der Beschlussfassung zum nunmehr bekämpften Bescheid beteiligt gewesen. In der Sitzung, in der der Beschluss gefasst worden sei, habe er auch erneut sein Wissen als Sachverständiger eingebracht. Der Verfassungsgerichtshof habe in mehreren Entscheidungen aus dem Bereich der Agrarsenate festgehalten, dass die Betrauung eines sachkundigen, stimmführenden Mitglieds des Senates mit der Aufgabe, im Verfahren ein Gutachten in seiner Eigenschaft als Sachverständiger iSd. AVG zu erstatten, jedenfalls geeignet sei, einerseits an der Neutralität dieses Mitglieds als Sachverständiger, andererseits an seiner Unbefangenheit als Entscheidungsträger Zweifel aufkommen zu lassen (Hinweis auf VfGH 12.3.2003, B 482/01; 11.10.2003, B 279/03; 24.11.2003, B 756/01). Die Verbindung von Gutachtenserstellung und Mitwirkung an der Entscheidung stelle daher einen Verstoß gegen § 7 AVG dar (Hinweis auf VwGH 27.11.2008, 2007/07/0138). Angesichts dieser Umstände könne festgehalten werden, dass die Mitbeteiligten durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden seien.

Zur Zulässigkeit sprach das Verwaltungsgericht aus, dass sich das angefochtene Erkenntnis auf Judikatur des Verfassungsgerichtshofs bzw. des Verwaltungsgerichtshofs, die zu Agrarsenaten ergangen sei, stütze. In diesen Entscheidungen sei auf die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Agrarsenate als Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK hingewiesen worden. Im vorliegenden Fall sei jedoch eine Grundverkehrskommission (§ 11 K-GVG) zur Entscheidung im erstinstanzlichen Verfahren zuständig gewesen. Deren Mitglieder hätten die Unparteilichkeit gemäß § 11 Abs. 5 K-GVG zu geloben. Entscheidungen der Höchstgerichte, ob die zitierte Judikatur auch auf diese Kommission anzuwenden sei, hätten nicht gefunden werden können.

3        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, zu der das Verwaltungsgericht die Verfahrensakten vorgelegt hat. Der Zweitmitbeteiligte gab eine „Stellungnahme“ ab, in der er sich der Revision anschloss.

4        Zur Zulässigkeit der Revision wird über die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes hinaus vorgebracht, dass die bloße Befangenheit eines Organwalters die Zurückverweisung (bzw. im gegenständlichen Fall die ersatzlose Behebung) nicht rechtfertige (Verweis auf VwGH 29.4.2015, Ro 2015/05/0007). Wäre das Verwaltungsgericht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt, so hätte es eine Entscheidung in der Sache getroffen.

5        Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6        Die Revision ist aus den in ihr genannten Gründen zulässig; sie ist auch begründet.

7        Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Rechtsprechung zur Rechtslage vor Einrichtung der Verwaltungsgerichte erster Instanz, wonach die Mitwirkung eines befangenen Organes bei der Entscheidung einer erstinstanzlichen Verwaltungsbehörde durch eine unbefangene Berufungsentscheidung gegenstandslos wird, auf die neue Rechtslage zu übertragen ist, sodass die Entscheidung des unbefangenen Verwaltungsgerichts „in der Sache“ jene der Verwaltungsbehörde gegenstandslos macht (vgl. VwGH 30.1.2018, Ro 2017/08/0036, mwN). Es ist auch im vorliegenden Fall kein Grund ersichtlich, inwiefern die (behauptete) Befangenheit eines Mitglieds der Grundverkehrskommission nicht durch eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts hätte saniert werden können.

8        Da die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, den Bescheid „zu beheben“, ohne die Rechtssache einer Sachentscheidung (über die Genehmigung des in Rede stehenden Rechtsgeschäfts) zuzuführen, somit jedenfalls rechtswidrig war, kommt es nicht darauf an, dass aus dem angefochtenen Erkenntnis nicht erkennbar ist, ob eine ersatzlose Behebung des Bescheides oder eine Aufhebung und Zurückverweisung zur Erlassung eines neuen Bescheides beabsichtigt (und gegebenenfalls rechtens) war.

9        Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Wien, am 28. Mai 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2018110030.J00

Im RIS seit

11.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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