TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/13 W237 2119717-2

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Veröffentlicht am 13.12.2019
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Entscheidungsdatum

13.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W237 2119717-2/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2019, Zl. 1027134902-190671918, zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste am 01.08.2014 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 16.02.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung sowohl des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Das Bundesamt erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG sprach es aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 03.05.2016 als unbegründet ab.

2. Am 24.01.2017 stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 20.10.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewies; unter einem erkannte es dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte eine bis zum 30.10.2018 befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005.

3. Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2018 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt, die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG für auf Dauer unzulässig erklärt und dem Beschwerdeführer eine "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 erteilt.

4. Aufgrund eines Strafantrags, einer Anzeige sowie der Verständigung der Verhängung der Untersuchungshaft ab 01.07.2019 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das gegenständliche fremdenpolizeiliche Verfahren gegen den Beschwerdeführer ein.

4.1. Im Rahmen dessen setzte es ihn mit Schreiben vom 04.07.2019 über die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots in Kenntnis und räumte ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme, insbesondere in Hinblick auf das gegen ihn geführte Strafverfahren, ein.

4.2. Nachdem in weiterer Folge keine Stellungnahme beim Bundesamt einlangte, erließ es mit Bescheid vom 28.08.2019 gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung in die Ukraine fest (Spruchpunkt II.), erließ gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt III.), gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.).

4.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer über seinen Rechtsanwalt am 11.09.2019 vollinhaltlich Beschwerde. Dabei machte er geltend, dass er entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung verurteilt worden sei und bei ihm von einem vorhandenen Unrechtsbewusstsein ausgegangen werden könne. Der Beschwerdeführer zeige sich geständig und reumütig, weshalb sein Aufenthalt nicht der öffentlichen Ordnung und Ruhe widerspreche. Die der Verurteilung zugrundeliegenden Vorfälle seien aufgrund der psychischen Erkrankungen und der Arbeitsüberlastung des Beschwerdeführers sowie Provokationen seitens anderer nichtösterreichischer Staatsbürger erfolgt. Der Beschwerdeführer halte sich zudem seit über vier Jahren rechtmäßig in Österreich auf und habe sich aufgrund seines jungen Alters schnell eingelebt; sein im Bundesgebiet entfaltetes Privatleben habe die belangte Behörde unberücksichtigt gelassen. Er sei erst einmal strafrechtlich verurteilt und bis dahin unbescholten gewesen. Bei Bedachtnahme auf die soziale, berufliche und finanzielle Lebensgestaltung des Beschwerdeführers hätte die Behörde zu dem Schluss kommen müssen, dass das Interesse des Beschwerdeführers am Weiterbestehen des Privat- und Familienlebens gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung überwiege.

4.4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte dem Bundesverwaltungsgericht den den Beschwerdeführer betreffenden Verwaltungsakt samt gegenständlicher Beschwerde am 19.09.2019 vor.

4.5. Am 28.11.2019 leitete das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht eine Eingabe des Beschwerdeführers vom 25.11.2019 weiter, in der er "in Ergänzung der Beschwerde" mitteilte, "seit XXXX Mitglied des XXXX " zu sein, weshalb er aus der Ukraine fliehen habe müssen. Eine Rückkehr dorthin sei mit massiver Gefahr für Leib und Leben verbunden.

Der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers leitete dem Bundesverwaltungsgericht am 11.12.2019 einen den Beschwerdeführer betreffenden Mandatsbescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2019 weiter, wonach ihm in Bezug auf seinen am Vortag gestellten Antrag auf internationalen Schutz kein faktischer Abschiebeschutz zukomme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Im beschwerdegegenständlichen Verfahren erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegenüber dem Beschwerdeführer - ein ukrainischer Staatsangehöriger, der am 01.08.2014 ins österreichische Bundesgebiet gelangt war - am 28.08.2019 eine Rückkehrentscheidung mit einem auf die Dauer von drei Jahren befristeten Einreiseverbot, stellte die Zulässigkeit der Abschiebung in die Ukraine fest und gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise, wobei einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, dass die Rückkehrentscheidung sowie das Einreiseverbot seinem Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK widersprächen. Er zeigte in diesem Zusammenhang mehrere Aspekte - darunter seine Aufenthaltsdauer, sein Alter zum Zeitpunkt seiner Einreise ins Bundesgebiet, sein Wohlverhalten bis zur einmaligen strafgerichtlichen Verurteilung, sein soziales Umfeld in Österreich sowie sein psychischer Zustand - auf, die seiner Ansicht nach für ein Überwiegen seiner Interessen an einem Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an seiner Außerlandesbringung sprächen.

Der Beschwerdeführer machte sodann im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 25.11.2019 geltend, dass er wegen seiner Mitgliedschaft bei einer Organisation zur Korruptionsbekämpfung in Ukraine an "Leib und Leben" massiv gefährdet sei.

Am 26.11.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz, über den zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung noch nicht rechtskräftig abgesprochen wurde.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verfahrensakt. Die Vorbringen sowohl in der Beschwerde als auch in der Beschwerdeergänzung vom 25.11.2019 sind aus den jeweiligen Schriftsätzen ersichtlich. Dass der Beschwerdeführer am 26.11.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, ergibt sich einerseits aus dem durch seinen Rechtsanwalt vorgelegten Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 27.11.2019, andererseits aus einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister; aus diesem erhellt auch, dass über den Antrag vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch nicht abgesprochen wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Der Bescheid vom 28.08.2019 wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag durch persönliche Übernahme zugestellt. Die am 11.09.2019 per E-Mail an die belangte Behörde übermittelte Beschwerde ist somit gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG rechtzeitig.

Zu A.)

3.1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nicht die Aufgabe des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl oder des Bundesverwaltungsgerichts, im Verfahren zur Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme letztlich ein Verfahren durchzuführen, das der Sache nach einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz gleichkommt. Im Rahmen eines Rückkehrentscheidungsverfahrens ist nicht in eine abschließende Prüfung eines allfälligen Gefährdungsszenarios im Herkunftsstaat einzusteigen. Wird in einem bloßen Rückkehrentscheidungsverfahren eine den Rechten nach Art. 2 oder 3 EMRK widersprechende Behandlung im Herkunftsstaat behauptet, ist mit dem/der Betroffenen "zu erörtern", ob damit die Stellung eines (allenfalls neuerlichen) Antrags auf internationalen Schutz beabsichtigt sei, wäre doch in einem solchen Fall der vom Gesetzgeber primär vorgezeichnete Weg die Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz. Nur ein solcher Antrag könnte im Übrigen bei Zutreffen der Verfolgungsbehauptungen zur Gewährung von Asyl oder von subsidiärem Schutz führen und entsprechende (umfassende) Aufenthaltsberechtigungen verschaffen (vgl. VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157, mwN). Im Falle der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz sind die zuvor durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassene Rückkehrentscheidung und die weiteren damit verbundenen Nebenaussprüche ersatzlos zu beheben, weil sonst die - noch nicht getroffene - Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz vorweggenommen werden würde (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0138).

3.2. Eine solche Konstellation liegt im gegenständlichen Fall vor:

Der Beschwerdeführer machte im Verfahren über die Beschwerde gegen den seine Rückkehrentscheidung und das Einreseverbot (samt Nebenaussprüchen) erlassenden Bescheid vom 28.08.2019 geltend, dass er in der Ukraine, seinem Herkunftsstaat, mit massiver physischer Gewalt wegen Zugehörigkeit zu einer Anti-Korruptions-Organisation bedroht sei; er stellte in diesem Zusammenhang auch am 26.11.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz, über den bislang noch nicht rechtskräftig abgesprochen wurde.

Die Rückkehrentscheidung, das darauf aufbauende Einreiseverbot sowie die damit verbundenen Nebenaussprüche sind daher ersatzlos zu beheben. Darüber wird nämlich im anhängigen Verfahren über den gestellten Antrag auf internationalen Schutz - dann zeitaktuell - zu entscheiden sein (s. VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0138, Rz 18).

3.3. Lediglich ergänzend ist festzuhalten, dass die Beurteilung der Rechtmäßigkeit allfälliger seit Stellung des Antrags vom 26.11.2019 gesetzter fremdenpolizeilicher Handlungen nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich auf eine gesfestigte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben.

Schlagworte

Antragstellung, Asylantragstellung, Asylverfahren, Behebung der
Entscheidung, Einreiseverbot, ersatzlose Behebung, Fluchtgründe,
Folgeantrag, Kassation, Rückkehrentscheidung, Zeitpunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W237.2119717.2.00

Zuletzt aktualisiert am

05.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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