TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/17 I417 2226314-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

17.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I417 2226314-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Friedrich Zanier als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX, Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch den "Verein Menschenrechte Österreich", Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2019, Zl. "89291209 - 191055239 / BMI-EAST_WEST", zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige des Irak, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte erstmalig am 19.12.2001 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen sie im Wesentlichen damit begründete, dass ihr Ehemann als Angehöriger einer Oppositionspartei im Irak festgenommen worden sei und die Beschwerdeführerin aufgrund dessen der Gefahr einer staatlichen sowie politischen Verfolgung ausgesetzt sei.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.03.2002 wurde dem Asylantrag der Beschwerdeführerin vom 19.12.2001 stattgegeben, ihr in Österreich Asyl gewährt und die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.08.2010 wurde der zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Österreich aufhältigen Beschwerdeführerin der Status einer Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass ihr die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt. Zugleich wurde ihr der Status einer subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und sie aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Irak ausgewiesen.

2. Im August 2019 reiste die Beschwerdeführerin abermals unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 28.08.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses, welcher mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) vom 04.11.2019 abgewiesen wurde.

3. Am 16.10.2019 brachte die Beschwerdeführerin den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz ein. Bei ihrer diesbezüglichen Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab sie, befragt zu den Gründen ihrer neuerlichen Antragstellung, Folgendes an:

"Ich wurde von meinem Mann im Irak schwer misshandelt und geschlagen. Ich bin auch mehrmals mit einem Messer attackiert worden und verletzt worden. Da war das Leben mit ihm nicht mehr erträglich und ich habe zum zweiten Mal beschlossen alleine zu flüchten und ihn zu verlassen."

4. Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 16.10.2019 wurde der Beschwerdeführerin ab 16.10.2019 die Unterkunftnahme im Quartier "XXXX" angeordnet.

5. Am 29.10.2019 wurde die Beschwerdeführerin niederschriftlich durch die belangte Behörde einvernommen. Zu den Gründen ihrer neuerlichen Antragstellung befragt, gab sie hierbei Folgendes an:

"LA (Leiter der Amtshandlung): Wieso haben Sie den Irak verlassen?

VP (Verfahrenspartei): Meinen Sie die erste Ausreise, als ich hierherkam?

LA: Ich formuliere es anders: Wieso können Sie nicht in den Irak zurückkehren?

VP: Die Leute, die damals meinen Mann mitgenommen haben, haben mich mit dem Tod bedroht. Sie suchen nach mir, wenn sie mich finden, werden sie mich töten.

LA: Woher wissen Sie das?

VP: Damals als sie zu uns nach Hause kamen, wollten sie uns vergewaltigen und missbrauchen. Deswegen weiß ich das. Uns ging es im Irak gut, wir waren reich. Wenn es diese Probleme nicht gebe, hätte ich den Irak nicht verlassen.

LA: Wann haben Sie zuletzt von diesen Leuten gehört?

VP: Meinen Sie die Feinde? Als ich noch im Irak war, als sie zu uns nach Hause kamen, danach nicht mehr.

LA: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie nicht in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können.

VP: Vielleicht habe ich die Frage falsch verstanden, meinen Sie auch die Probleme mit meinem Mann?

LA: Nur sofern es eine Rolle hinsichtlich Ihrer Rückkehr in den Irak spielt.

VP: Mein Mann hat mich mit einer Waffe bedroht und mich schlecht behandelt.

LA: Befürchten Sie Probleme mit Ihrem Mann, wenn Sie in den Irak zurückkehren?

VP: Mein Mann ist ein Gewalttäter, er hat ein Messer und damit wird er mich verletzen, wie er das schon mal getan hat.

LA: Hätten Sie bei einer Rückkehr in den Irak Angst vor Ihrem Mann?

VP: Er wird mich töten, weil er mich mit dem Tod bedroht hat, ich habe auch Spuren an meinem Körper, als er mich verletzt hat.

LA: Was meinen Sie damit, dass Sie Probleme mit den Behörden in der Heimat hatten.

VP: Es ging um politische Gründe. Diese Leute, die uns bedroht haben, gehörten zu den kurdischen Parteien "Parti" und "Yakiti". Diese Parteien sind Behörden dort und regieren dort. Sie haben Probleme mit meinem Mann gehabt und deswegen haben sie uns bedroht. Nachgefragt gebe ich an, dass es um die bereits geschilderten Probleme geht.

LA: Warum sollten diese Leute Sie Jahre später noch suchen?

VP: Sie haben ein großes Problem mit meinem Mann und auch mein Mann traut sich nicht in den Irak zurückzukehren. Mein Mann hat damals Menschen von dieser Partei getötet."

6. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 22.11.2019, Zl. "89291209 - 191055239 / BMI-EAST_WEST" wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 16.10.2019 hinsichtlich des Status der Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde ihr ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Mit Spruchpunkt VII. wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 15b Abs. 1 AsylG aufgetragen, von 16.10.2019 bis 22.11.2019 im Quartier "XXXX" Unterkunft zu nehmen.

7. Mit Schriftsatz vom 06.12.2019 erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und begründete diese mit der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.

8. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungs- und Gerichtsakten wurden von der belangten Behörde am 09.12.2019 dem Bundesverwaltungsgericht (bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt am 10.12.2019) vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist volljährig, Staatsbürgerin des Irak, Angehörige der Volksgruppe der Kurden und bekennt sich zum sunnitisch-islamischen Glauben. Ihre Identität steht nicht fest.

Sie leidet seit etwa 3 bis 4 Jahren an Diabetes Mellitus Typ 2 sowie an Bluthochdruck. Zudem war sie in Österreich zweimal aufgrund von dissoziativen Anfallsgeschehen in der psychiatrischen Abteilung einer Krankenanstalt in stationärer Behandlung. Überdies gibt sie an, im Jahr 2015 einen Herzinfarkt erlitten zu haben.

Die Beschwerdeführerin verfügt in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte und weist keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht auf. Sie bestreitet ihren Lebensunterhalt aus Mitteln der staatlichen Grundversorgung.

Die Beschwerdeführerin hat zumindest einen Sohn sowie eine Tochter, deren Aufenthaltsorte nicht bekannt sind. Weitere Feststellungen zu ihrer Familie im Irak können nicht getroffen werden. Sie hat vor ihrer neuerlichen Einreise nach Österreich in Erbil gelebt.

In den Jahren 2018 sowie 2019 versuchte die Beschwerdeführerin in Erbil zweimal für Deutschland und einmal für Frankreich ein Visum zu beantragen, mit dem vorgegebenen Zweck "Tourismus" bzw. "Besuch von Familie oder Freunden". Die Visa-Ausstellungen wurden hierbei stets verweigert.

Sie ist strafgerichtlich unbescholten.

Dem ersten Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 19.12.2001 wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 29.03.2002 stattgegeben und ihr der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

In ihrem ersten Asylverfahren brachte sie als Fluchtgrund zusammengefasst vor, dass ihr Ehemann als Angehöriger einer Oppositionspartei im Irak festgenommen worden sei und die Beschwerdeführerin aufgrund dessen der Gefahr einer staatlichen sowie politischen Verfolgung ausgesetzt sei.

Die Beschwerdeführerin war vom 27.03.2002 bis zum 09.07.2002 aufrecht im Bundesgebiet gemeldet. Ab dem 09.07.2002 war sie unbekannten Aufenthaltes.

Mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.08.2010 wurde der Beschwerdeführerin der Status einer Asylberechtigten aberkannt und jener einer subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt.

Das Ermittlungsverfahren aufgrund des gegenständlichen Folgeantrages auf internationalen Schutz vom 16.10.2019 ergab, dass im Hinblick auf die Gewährung des Status einer Asylberechtigten keine maßgebliche Sachverhaltsänderung dargetan wurde.

Jedoch kann insbesondere angesichts der verstrichenen Zeit von über 9 Jahren, seit der Beschwerdeführerin der Status einer Asylberechtigten aberkannt und jener einer subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt wurde und dem Umstand, dass sich diese nunmehr als alleinstehende Frau in gehobenem Alter und mit diversen Gesundheitsbeeinträchtigungen mit einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat Irak konfrontiert sieht, eine Sachverhaltsänderung seit Rechtskraft ihres vorangegangenen Verfahrens, welche eine andere Beurteilung in Bezug auf die Gewährung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten zulässt, nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

1.2. Zu den Feststellungen zur Lage im Irak:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 22.11.2019 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zum Irak vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung eingetreten, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zum Irak.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen zu ihrer Volljährigkeit, ihrer Staatsangehörigkeit, ihrer Volksgruppenzugehörigkeit, ihrer Konfession und ihren fehlenden familiären Anknüpfungspunkten in Österreich ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin aufkommen lässt.

Da die Beschwerdeführerin den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegte, steht ihre Identität nicht fest.

Ein Abgleich der Fingerabdrücke der Beschwerdeführerin mit der Datenbank des Visa-Informationssystems seitens der belangten Behörde im Administrativverfahren ergab, dass die Beschwerdeführerin in den Jahren 2018 sowie 2019 in Erbil versucht hat, zweimal für Deutschland und einmal für Frankreich ein Visum zu beantragen, mit dem vorgegebenen Zweck "Tourismus" bzw. "Besuch von Familie oder Freunden". Die Visa-Ausstellungen wurden hierbei stets verweigert. Die Beschwerdeführerin nannte hierbei einen anderen Namen sowie ein anderes Geburtsdatum als im Rahmen ihrer Asylverfahren in Österreich. Auch ergibt sich aus den abgefragten Speicherauszügen aus dem Visa-Informationssystem, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen der Visa-Beantragungen einen irakischen Reisepass in Vorlage gebracht hatte, während sie in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 07.11.2019 behauptete, nach ihrer erstmaligen Ausreise aus Österreich nie mehr einen irakischen Reisepass besessen zu haben.

Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin zumindest eine Tochter und einen Sohn hat, ergibt sich aufgrund dessen, dass sie gemeinsam mit einer Tochter und einem Sohn erstmalig nach Österreich eingereist ist und ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Ihr Sohn ist seit dem 22.07.2010 und ihre Tochter seit dem 09.07.2002 nicht mehr aufrecht im Bundesgebiet gemeldet, wie sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister der Republik Österreich vom 17.12.2019 ergibt. Der Umstand, dass keine weiteren Feststellungen zu ihren Familienverhältnissen im Irak getroffen werden können, ergibt sich aufgrund ihrer permanent divergierenden und somit unglaubwürdigen Angaben im Verfahren. Während die Beschwerdeführerin etwa in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 29.10.2019 vorbrachte, drei Töchter zu haben (und hierbei ihren Sohn nicht erwähnte), welche etwa 16 bis 17 Jahre alt seien, so gab sie in ihrem ersten Asylverfahren in Österreich noch an, im Irak zwei weitere Töchter zu haben, welche 1988 bzw. 1991 geboren worden seien und somit nunmehr um die 30 Jahre alt wären.

Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin - entgegen ihren Behauptungen im Verfahren - zuletzt in Erbil gelebt hat, ergibt sich aufgrund dessen, dass sie im Rahmen ihrer Visa-Beantragungen überdies eine Wohnadresse in Erbil angegeben hatte. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin vor dem BFA am 29.10.2019, wonach sie nach ihrer Ausreise aus Österreich nie mehr in den Irak zurückgekehrt sei und im syrisch-türkischen Grenzgebiet gelebt habe, ist angesichts ihrer demonstrierten, äußerst vagen Ortskenntnisse und oberflächlichen Schilderungen ebenfalls nicht glaubhaft. Nicht zuletzt gab ihr Sohn, mit welchem sie gemeinsam erstmalig nach Österreich eingereist ist, in einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.12.2009 im Rahmen des Asylaberkennungsverfahrens der Beschwerdeführerin zu Protokoll, dass diese bereits im Jahr 2003 wieder in den Irak zurückgekehrt ist.

Die Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin an Diabetes Mellitus Typ 2 sowie an Bluthochdruck leidet, vorgibt, im Jahr 2015 einen Herzinfarkt erlitten zu haben und sich aufgrund dissoziativer Anfallsgeschehen zweimalig in der psychiatrischen Abteilung einer Krankenanstalt in stationärer Behandlung befand, ergibt sich aus diesbezüglich in Vorlage gebrachten medizinischen Unterlagen des XXXX-Universitätsklinikums sowie der Abteilung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin des XXXX Klinikums. Zuletzt befand sie sich diesbezüglich vom 23.11.2019 bis zum 26.11.2019 in stationärer Behandlung und wurde mit einer entsprechenden Therapie- sowie Medikationsempfehlung entlassen.

Die Feststellungen zum vorangegangenen Asylverfahren der Beschwerdeführerin sowie dem in weiterer Folge geführten Aberkennungsverfahren ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.

Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin ihren Lebensunterhalt aus Mitteln der staatlichen Grundversorgung bestreitet, ergibt sich aus einer Abfrage in der Applikation "Betreuungsinformation (Grundversorgung)" vom 17.12.2019.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 17.12.2019.

2.3. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin:

Vom Bundesverwaltungsgericht ist im gegenständlichen Verfahren zu prüfen, ob zwischen der Rechtskraft des vorangegangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes und der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 21.11.2019 eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist. Dazu muss zunächst geprüft werden, ob die Beschwerdeführerin neue Fluchtgründe vorgebracht hat.

Die Beschwerdeführerin hatte in ihrem ersten Asylverfahren im Jahr 2001 im Wesentlichen vorgebracht, dass ihr Ehemann als Angehöriger einer Oppositionspartei im Irak festgenommen worden sei und die Beschwerdeführerin aufgrund dessen der Gefahr einer staatlichen sowie politischen Verfolgung ausgesetzt sei.

Nachdem die Beschwerdeführerin Österreich zu einem unbekannten Zeitpunkt - ab dem 09.07.2002 war sie nicht mehr aufrecht im Bundesgebiet gemeldet - verlassen hatte, wurde ihr mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.08.2010 der Status einer Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass ihr die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt. Zugleich wurde ihr der Status einer subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und sie aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Irak ausgewiesen.

In ihrem gegenständlichen zweiten Asylverfahren brachte die Beschwerdeführerin zusammengefasst vor, sich nach ihrer Ausreise aus Österreich - wo sie "ca. drei Jahre" aufhältig gewesen sei - gemeinsam mit ihrem Ehemann in unterschiedlichen Dörfern im syrisch-türkischen Grenzgebiet niedergelassen zu haben. Ihr Ehemann, welcher sich zum Zeitpunkt ihrer ersten Asylantragstellung im Irak in Haft befunden habe, habe die Beschwerdeführerin nach seiner Haft-Entlassung dazu aufgefordert, Österreich zu verlassen, indem er gedroht habe, die nach wie vor im Irak lebenden Töchter der Beschwerdeführerin zu töten. Er habe die Beschwerdeführerin in weiterer Folge an der syrisch-türkischen Grenze getroffen und über Jahre hinweg geschlagen und schlecht behandelt. Der Ehemann sei gewalttätig und habe die Beschwerdeführerin auch mit einem Messer verletzt und mit dem Tod bedroht, ehe diese den Entschluss gefasst habe, ihn zu verlassen und von der syrisch-türkischen Grenze aus abermals nach Österreich einzureisen. Die Beschwerdeführerin sei seit ihrer erstmaligen Ausreise aus Österreich nie mehr im Irak gewesen und auch ihr Ehemann könne nicht mehr in den Irak einreisen, aufgrund der Gefahr einer politischen Verfolgung, welche bereits Gegenstand des ersten Asylverfahrens der Beschwerdeführerin war.

Zunächst ist festzustellen, dass sich die Rechtslage im Bereich des Asyl- und Fremdenrechts seit dem Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.08.2010, mit welchem der Beschwerdeführerin zuletzt der Status einer Asylberechtigten aberkannt und der Status einer subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt wurde, zwar punktuell geändert hat, für den vorliegenden Fall jedoch nicht entscheidungswesentlich und wird dies in der Beschwerde auch nicht behauptet.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren stellt jedoch auch im Hinblick auf die Frage der Gewährung des Status einer Asylberechtigten insoweit keine maßgebliche Sachverhaltsänderung dar, als sie einerseits - sofern sie angibt, ihr Ehemann, welcher selbst nicht in den Irak zurückreise könne, habe sie über Jahre hinweg im syrisch-türkischen Grenzgebiet misshandelt - keinerlei Fluchtgründe in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak vorgebracht hat, andererseits ihrem Vorbringen jedoch auch jeglicher glaubhafte Kern abzusprechen ist. Dies ergibt sich bereits aufgrund des Umstandes, dass sie am 29.10.2019 vor dem BFA ausdrücklich zu Protokoll gab, seit ihrer Ausreise aus Österreich nie mehr im Irak gewesen sein, was angesichts ihrer drei Visa-Antragstellungen in Erbil in den Jahren 2018 und 2019 offenkundig den Tatsachen widerstreitet. Ungeachtet dessen würde ihr nunmehriges Vorbringen ohnedies auch keinen Konnex zu einem der Fluchtgründe der Genfer Flüchtlingskonvention aufweisen.

Bei Folgeanträgen sind die Asylbehörden jedoch auch dafür zuständig, mögliche Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus des Antragstellers/der Antragstellerin einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 15.05.2012, 2012/18/0041). Diesbezüglich ist festzuhalten, dass das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten im Hinblick auf die Person der Beschwerdeführerin zuletzt im Jahr 2010, und somit vor etwa 9 Jahren, geprüft wurde. Die Beschwerdeführerin ist nunmehr etwa 57 Jahre alt und leidet auch an diversen Gesundheitsbeeinträchtigungen - etwa Diabetes Mellitus Typ 2, Bluthochdruck sowie auch psychiatrischen Problemen - welche noch nicht Prüfungsgegenstand ihrer vorangegangenen Verfahren in Österreich waren.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes stellt das nunmehr um weitere 9 Jahre fortgeschrittene Alter der Beschwerdeführerin, ihre diversen Erkrankungen als auch die unstreitig geänderten Verhältnisse im Irak insoweit eine maßgebliche Sachverhaltsänderung seit Rechtskraft ihres vorangegangenen Verfahrens dar, dass eine andere Beurteilung in Bezug auf die Gewährung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen, wie zum Beispiel der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, herangezogen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

3.1.1. Die maßgebliche Bestimmung des § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (WV), in der Fassung BGBl I Nr. 58/2018, lautet:

"Abänderung und Behebung von Amts wegen

§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen."

3.1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 10 Abs. 1 Ziffer 3, § 15b sowie § 57 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. Nr. 56/2018, lauten:

"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

3.-der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

Anordnung der Unterkunftnahme

§ 15b. (1) Einem Asylwerber kann mittels Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) des Bundesamtes aus Gründen des öffentlichen Interesses, der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrags auf internationalen Schutz aufgetragen werden, in einem von der für die Grundversorgung zuständigen Gebietskörperschaft zur Verfügung gestellten Quartier durchgängig Unterkunft zu nehmen. Über die Verfahrensanordnung ist im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(2) Bei der Beurteilung, ob Gründe des öffentlichen Interesses oder der öffentlichen Ordnung vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob

1.- Voraussetzungen zum Verlust des Aufenthaltsrechts gemäß § 13 Abs. 2 oder für eine Entscheidung gemäß § 2 Abs. 4 GVG-B 2005 vorliegen,

2.- der Antrag auf internationalen Schutz sich auf einen Staat gemäß § 19 BFA-VG bezieht oder

3.- vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine Rückkehrentscheidung gegen den Drittstaatsangehörigen rechtskräftig erlassen wurde.

(3) Bei der Beurteilung, ob aus Gründen der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrags auf internationalen Schutz die Unterkunftnahme anzuordnen ist, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Asylwerber seinen Mitwirkungsverpflichtungen gemäß § 15 nachgekommen ist oder ob weitere Erhebungen zur Identität erforderlich sind.

(4) Die Anordnung der Unterkunftnahme gilt bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz, solange dem Asylwerber das Quartier zur Verfügung gestellt wird, es sei denn, dem Asylwerber wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt oder ein Aufenthaltstitel nach dem 7. Hauptstück erteilt. Bezieht sich die Anordnung auf eine Betreuungseinrichtung des Bundes, so tritt sie mit Zuweisung des Asylwerbers an eine Betreuungsstelle eines Bundeslandes außer Kraft.

(5) Dem Asylwerber sind die Anordnung gemäß Abs. 1 und die Folgen einer allfälligen Missachtung nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1.-wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.-zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.-wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist."

3.1.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 50, § 52 Abs. 2 Ziffer 2 und Abs. 9, § 55 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:

"Verbot der Abschiebung

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

Rückkehrentscheidung

§ 52. (2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

2.-dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen."

A) Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Zur Zurückweisung des Antrages wegen entschiedener Sache hinsichtlich der Gewährung des Status einer Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21. 3. 1985, 83/06/0023, u.a.). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27. 9. 2000, 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 80 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

Eine behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. VwGH vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, in dem weitere von der Rechtsprechung entwickelte Rechtssätze zu § 68 AVG, insbesondere mit Beziehung auf das Asylverfahren, wiedergegebenen werden, und daran anschließend VwGH vom 20.03.2003, Zl. 99/20/0480 mwN; vgl. auch VwGH vom 25.04.2002, 2000/07/0235; VwGH vom 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391, VwGH vom 15.03.2006, Zl. 2006/18/0020; VwGH vom 25.04.2007, Zl. 2005/20/0300 und 2004/20/0100).

Die belangte Behörde hat - wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3. dargelegt - den Folgeantrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 16.10.2019 hinsichtlich der Gewährung des Status einer Asylberechtigten mit Bescheid vom 22.11.2019 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und zu Recht darauf verwiesen, dass die im gegenständlichen Verfahren ergänzend vorgebrachten Gründe für die neuerliche Antragstellung keinen glaubhaften Kern aufweisen. Einer neuerlichen Sachentscheidung hinsichtlich des Status einer Asylberechtigten steht daher jedenfalls die Rechtskraft des vorangegangenen Bescheides des Bundesasylamtes vom 12.08.2010 entgegen.

Da die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Frage der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten sohin keine Sachverhaltsänderung vorgebracht hat, die einen Folgeantrag rechtfertigt, erweist sich die Zurückweisung des neuerlichen Antrages, insoweit sich dieser auf die Gewährung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG bezieht, als richtig.

Der angefochtene Spruchpunkt I. war sohin vollinhaltlich zu bestätigen.

3.2.2. Zur Behebung der Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides:

Das BFA hatte den Folgeantrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 16.10.2019 auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides vom 22.11.2019 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Da die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst und auch nicht die in Rechtskraft erwachsene Entscheidung des Vorverfahrens. Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25. 04. 2002, 2000/07/0235; VwGH 15. 10. 1999, 96/21/0097).

Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG dann vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. VwGH 24. 2. 2005, 2004/20/0010 bis 0013; VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 20. 3. 2003, 99/20/0480; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315).

Im vorliegenden Fall wurde das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten im Hinblick auf die Beschwerdeführerin zuletzt im Jahr 2010, und somit vor etwa 9 Jahren, geprüft. Die Beschwerdeführerin ist nunmehr etwa 57 Jahre alt und leidet auch an diversen Gesundheitsbeeinträchtigungen - etwa Diabetes Mellitus Typ 2, Bluthochdruck sowie psychiatrischen Problemen - welche noch nicht Prüfungsgegenstand ihrer vorangegangenen Verfahren in Österreich waren. Zudem hat sich auch die allgemeine Lage im Irak seit dem Jahr 2010 unstreitig geändert.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher von einer erheblichen Änderung in Bezug auf die Rahmenbedingungen für eine Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Irak auszugehen und kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die geänderten Umstände keine Relevanz für die Beurteilung der Frage des subsidiären Schutzes zeitigen könnten. Das Bundesverwaltungsgericht betont in diesem Zusammenhang, dass damit keineswegs einer Entscheidung über die Frage des subsidiären Schutzes vorgegriffen werden soll, sondern dass lediglich festgestellt wird, dass eine erhebliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist, welche einer inhaltlichen Prüfung zuzuführen ist.

Bei einer behaupteten Lageänderung in einem Folgeantrag, die - im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren - nicht von vornherein als ungeeignet anzusehen ist, ein anderes Ergebnis zu erzielen, darf keine Zurückweisung des bezughabenden Antrages wegen entschiedener Sache stattfinden, sondern hat eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem neuen Vorbringen zu erfolgen. Auch wenn gegenständlich keine neuen asylrelevanten Fluchtgründe vorgebracht wurden, hat sich zwischenzeitlich eine Sachverhaltsänderung ergeben, die eine inhaltliche Prüfung in Bezug auf die Frage des subsidiären Schutzes notwendig macht (vgl. etwa zum Auseinanderfallen einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG hinsichtlich des Status des Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten bei einer Änderung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat VwGH 12.10.2016, Ra 2015/18/0221).

Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz erfolgte daher hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zu Recht. Das BFA wird sich im fortgesetzten Verfahren inhaltlich mit der Frage der Auswirkungen des fortgeschrittenen Alters sowie der Gesundheitsbeeinträchtigungen der Beschwerdeführerin, als auch der allgemeinen Lage im Irak (bzw. des entsprechenden aktuellen Sachverhaltes) auf die Beurteilung der Gewährung subsidiären Schutzes auseinanderzusetzen haben. Spruchpunkt II. war daher ebenso zu beheben wie die darauf aufbauenden Spruchpunkte III. bis VI.

Hat die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen, so ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrundeliegenden Antrag hätte demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115). Dem Antrag im Beschwerdeschriftsatz auf eine inhaltliche Entscheidung kann daher jedenfalls nicht entsprochen werden.

3.2.3. Zur Anordnung der Unterkunftnahme (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides):

In der Beschwerde wurde zwar erklärt, dass der Bescheid in vollem Umfang angefochten werde, ein konkreter Antrag in Bezug auf Spruchpunkt VII. findet sich dort aber ebenso wenig wie eine Begründung, warum die Anordnung der Unterkunftnahme als rechtswidrig angesehen werden könnte.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. war daher als unbegründet abzuweisen.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht etwa ein Monat liegt - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen wirft keine neuen oder noch zu klärenden Sachverhaltsfragen auf und richtet sich ausschließlich gegen die rechtliche Beurteilung. Er ist aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb keine neuen Beweise aufzunehmen waren. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltsberechtigung besonderer
Schutz, Aufenthaltstitel, berücksichtigungswürdige Gründe,
Bindungswirkung, entschiedene Sache, ersatzlose Teilbehebung,
Folgeantrag, freiwillige Ausreise, Frist, Identität der Sache,
Interessenabwägung, Kassation, öffentliche Interessen, Privat- und
Familienleben, private Interessen, real risk, reale Gefahr,
Rechtskraft der Entscheidung, Rechtskraftwirkung, res iudicata,
Rückkehrentscheidung, Spruchpunktbehebung, subsidiärer Schutz,
Wohnsitzauflage, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I417.2226314.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten