TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/30 W228 2229961-1

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Veröffentlicht am 30.03.2020
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Entscheidungsdatum

30.03.2020

Norm

ASVG §113 Abs1 Z1
ASVG §113 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W228 2229961-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , BKNR XXXX , gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse vom 10.03.2020, Zl. XXXX , wegen Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG stattgegeben und entfällt der Beitragszuschlag aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Österreichische Gesundheitskasse (im Folgenden: ÖGK) hat mit - an den Beschwerdeführer XXXX adressierten - Bescheid vom 10.03.2020, Zl. XXXX , gemäß § 410 Abs. 1 Z 5 nach § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 und Abs. 3 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von € 300 vorgeschrieben, weil die Anmeldung für XXXX , VSNR XXXX , zur Pflichtversicherung als Dienstnehmerin gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass im Rahmen der am 29.11.2019 erfolgten Betretung durch Prüforgane der ÖGK in 1200 Wien, XXXX , festgestellt worden sei, dass für die genannte Person die Anmeldung nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden sei.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 25.03.2020 fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass die verspätete Meldung auf technische Probleme mit ELDA auf Seiten seines Steuerberaters zurückzuführen sei. Er habe finanzielle Probleme, die er mit Ratenvereinbarungen/Stundungen löse, der Teilbetrag für die Prüfung stelle jedoch einen weiteren Stein auf seinem Wege zur finanziellen Genesung dar.

Die Beschwerdesache wurde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Sie langte am 27.03.2020.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Im Rahmen der am 29.11.2019 erfolgten Betretung durch Prüforgane der ÖGK in 1200 Wien, XXXX , wurde festgestellt, dass für XXXX , VSNR XXXX , die Anmeldung nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden sei. Diese wurde beim Zubereiten und Servieren von Getränken als Kellnerin im vom Beschwerdeführer geführten Lokal angetroffen.

Die Anmeldung zur Sozialversicherung der Dienstnehmerin erfolgte am 01.12.2019 rückwirkend mit 28.11.2019.

Eine österreichweite, wirtschaftliche Einschränkung des Gastgewerbes zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erfolgte teilweise ab 16.03.2020. Seit 17.03.2020 gibt es für Betriebsstätten des Gastgewerbes, mit Ausnahme von Lieferservice, ein österreichweites Betretungsverbot (vorerst bis 13.04.2020). Dies führt zu beträchtlichen Umsatz- und Einkommensverlusten der Betriebe des Gastgewerbes.

2. Beweiswürdigung:

Es ist unstrittig, dass die genannte Person im Zeitpunkt der Betretung von Prüforganen der ÖGK im Gastronomiebetrieb arbeitend für den Beschwerdeführer angetroffen wurde und zu diesem Zeitpunkt nicht zur Sozialversicherung angemeldet war. Die Nachmeldung ergibt sich ebenso aus den unstrittigen Angaben im Akt.

Hinsichtlich der Feststellung zur Einschränkungen des Gastgewerbes, siehe die weiteren Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin die ÖGK.

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind. Da über eine Sache nach § 410 Abs. 1 Z 5 entschieden wird, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache somit die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

Gemäß § 113 Absatz 1 ASVG können unter anderem Dienstgebern Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde.

Der Beitragszuschlag setzt sich gemäß § 113 Abs. 2 ASVG im Fall des Abs. 1 Z 1 nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a [Abgabenbehörden des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben] aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf € 400,00 je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf € 600,00. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann gemäß § 113 Abs. 3 ASVG der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf € 300,00 herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.

Im Beschwerdeverfahren betreffend die Vorschreibung eines Beitragszuschlags gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG ist als Vorfrage zu klären, ob eine gemäß § 33 ASVG meldepflichtige Beschäftigung der Betretenen vorlag und die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin daher verpflichtet gewesen wäre, diese vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.

Aufgrund der nachträglichen Anmeldung der Dienstnehmerin XXXX ist das Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnisses iSd § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG zur Beschwerdeführerin nicht strittig.

Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen sowie der Materialien (EBRV BlgNR 23. GP 77) ist Zweck der Beitragszuschläge, den wegen der Säumigkeit des Meldepflichtigen verursachten Mehraufwand in der Verwaltung ("Bearbeitungskosten") auszugleichen, sohin einen Kostenbeitrag demjenigen vorzuschreiben, der diese Kosten auch verursacht hat ("Verursacherprinzip") und damit als Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung zu werten (vgl. VwGH 07.08.2002, 99/08/0074).

Zufolge der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 10.07.2013, 2013/08/0117) ist die Vorschreibung eines Beitragszuschlages nicht als Verwaltungsstrafe zu werten, sondern als eine wegen des durch die Säumigkeit des Meldepflichtigen verursachten Mehraufwandes sachlich gerechtfertigte weitere Sanktion für die Nichteinhaltung der Meldepflicht und damit als ein Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung, ist die Frage des subjektiven Verschuldens am Meldeverstoß unmaßgeblich. Entscheidend ist, dass objektiv ein Meldeverstoß verwirklich wurde, gleichgültig aus welchen Gründen. Die Frage des subjektiven Verschuldens ist aus diesem Grunde auch nicht näher zu untersuchen.

Die belangte Behörde hat daher den Beitragszuschlag ursprünglich zu Recht vorgeschrieben. Die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin hat es unterlassen, die betretene Dienstnehmerin vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung anzumelden. Sie hat daher gegen die ihr obliegenden sozialversicherungsrechtlichen Meldepflichten verstoßen und den Tatbestand des § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG erfüllt. Somit ist der vorgeschriebene Beitragszuschlag dem Grunde nach berechtigt.

Gemäß § 113 Abs. 2 ASVG kann bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf 300,00 € herabgesetzt werden. Solche unbedeutenden Folgen können vorliegen, sofern nicht mehr als zwei Dienstnehmer nicht angemeldet worden sind und der Dienstgeber die Anmeldung unverzüglich nachholt (VwGH vom 07.09.2011, 2008/08/0218). Im gegenständlichen Fall erfolgte diese Herabsetzung seitens der ÖGK ebenfalls zu Recht, da die Anmeldung nachgeholt wurde.

Im zeitlichen Verlauf seit der Entscheidung der ÖGK vom 10.03.2020 erfolgten aufgrund der Covid-19 Pandemie tiefgreifende Eingriffe ins öffentliche Leben.

Die "Verordnung, mit der zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 die Sperrstunde und Aufsperrstunde im Gastgewerbe festgelegt werden", BGBl. Nr. II 97/2020, welche am 16.03.2020 in Kraft trat, wurden die Öffnungszeiten des Gastgewerbes massiv eingeschränkt.

Die nunmehr geltende Verordnung "Vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19" trat mit 17.03.2020 in Kraft, ist derzeit bis 13.04.2020 gültig und beinhaltet im § 3 folgende Regelung:

"(1) Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist untersagt. [...] (5) Abs. 1 gilt nicht für Lieferservice."

Aufgrund des Hinzutretens dieser massiven wirtschaftlichen Einschränkungen - welche die ÖGK zum Entscheidungszeitpunkt nicht vorhersehen konnte -, geht der erkennende Richter daher davon aus, dass spätestens seit 17.03.2020 fallgegenständlich ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall im Sinne des § 113 Abs. 3 ASVG letzter Satz vorliegt. Als Folge daraus hat der Teilbetrag für den Prüfeinsatz zu entfallen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es fehlt an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob wirtschaftliche Einschränkungen aufgrund einer Pandemie einen besonders berücksichtigungswürdigenden Fall im Sinne des § 113 Abs. 3 ASVG letzter Satz darstellen.

Schlagworte

Beitragszuschlag, berücksichtigungswürdige Gründe, Pandemie,
Revision zulässig, wirtschaftliche Situation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W228.2229961.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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