TE Lvwg Erkenntnis 2020/4/16 VGW-031/085/5211/2019

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Veröffentlicht am 16.04.2020
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Entscheidungsdatum

16.04.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

VStG §6
VStG §45 Abs1 Z1
StVO 1960 §52 lita Z11a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin MMag. Dr. Salamun über die Beschwerde des Frau A. B. vom 23.03.2019 gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 12.03.2019, Zl. …, betreffend Straßenverkehrsordnung (StVO), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 05.12.2019,

zu Recht e r k a n n t:

I.     Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

II.    Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof durch die vor dem Verwaltungsgericht Wien belangte Behörde unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

Das angefochtene Straferkenntnis richtet sich gegen die Beschwerdeführerin als Beschuldigte und enthält folgenden Spruch:

„1. Datum/Zeit:                21.12.2018, 19:23 Uhr

Ort:                   Wien, D.-strasse, in Fahrtrichtung E.-straße

Betroffenes Fahrzeug:  PKW, Kennzeichen: W-1 (A)

Sie haben als Lenkerin des angeführten Fahrzeuges die durch Zonenbeschränkung in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 14 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu ihren Gunsten abgezogen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 52 lit. a Z 11a StVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

1. € 45,00

0 Tage(n) 20 Stunde(n) 0 Minute(n)

 

§ 99 Abs. 3 lit. a StVO

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens 10 Euro für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

              als Ersatz der Barauslagen für

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 55,00“

Das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren beruht auf einer Anzeige der Landespolizeidirektion Wien. Danach wurde die durch Zonenbeschränkung in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 14 km/h überschritten, was mit einem geeichten Messgerät festgestellt worden sei. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mit einem mobilen Radarmessgerät der Marke/Type MUVR 6F.

In der Folge erging eine Anonymverfügung.

Im Anschluss daran erfolgte eine Lenkererhebung.

In Zusammenhang mit der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung wurde sodann gegen die Beschwerdeführerin eine Strafverfügung erlassen.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Einspruch, in dem sie im Wesentlichen ausführte, sie sei alleinerziehende Mutter von zwei behinderten Töchtern. Ihre Tochter F. G. sei schwerstbehindert mit Pflegestufe 6 und benötige eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung mit Anfallsleiden, wie epileptischen Anfällen, … bzw. Mehrfachbehinderung. Sie ersuche höflich, von der Strafe abzusehen, da ihre Tochter einen Anfall hatte und sie versucht habe, schnell einen Parkplatz zu finden. Sie habe sofort eingreifen müssen, da bei den Anfällen immer Gefahr im Verzug sei. Im Anhang sende sie eine ärztliche Bestätigung. Aufgrund der Betreuung ihrer Tochter könne sie nicht berufstätig sein und betrage ihr Einkommen knappe € 900,-- bei zwei Sorgepflichten. Es tue ihr leid, eine Verkehrsübertretung begangen zu haben, sie habe niemanden gefährdet.

Sodann erging das angefochtene Straferkenntnis.

II.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Beschwerdeführerin „Einspruch“ und übermittelte im Anhang einem psychiatrischen Befund vom 04.11.2013. Danach bestehe bei Frau F. G., geboren 1987, eine mittelgradige Intelligenzminderung …; darüber hinaus leide sie auch unter einer Zwangsstörung. Im Rahmen der psychiatrischen Störungsbilder komme es wiederholt zu Impulsdurchbrüchen mit fremd- und selbstaggressiven Verhaltensweisen. Aus diesem Grund sei es notwendig, dass, wenn die Mutter mit der Patientin im Auto unterwegs sei, diese fallweise prompt anhalte, um die Patientin zu beruhigen, da es ansonsten zu gefährlichen Situationen im fahrenden Auto kommen könne.

III.

Am 05.12.2019 fand vor dem Verwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher die Beschwerdeführerin erschien. Die belangte Behörde hatte auf die Teilnahme verzichtet.

„Allseitige Verhältnisse:

Einkommen: EUR 800 - EUR 1.200, Unterhaltszahlung

Vermögen: Eigentumswohnung

Sorgepflichten: Für die behinderte Tochter

Die Beschwerdeführerin gibt zu Protokoll:

„Meine Tochter F. G. hatte einen Anfall, d.h. sie hat immer wieder epileptische Anfälle …, diese äußern sich so, dass sie keine Luft bekommt und sie wird mit Sauerstoff versorgt. Im Auto saß sie vorne. Dann habe ich gemerkt dass sie keine Luft bekommt und in dieser Situation ist sie dann selbst überfordert und schreit und tobt, greift ins Lenkrad und da muss ich so schnell wie möglich schauen, dass ich stehen bleibe und sie versorge. Ich versorge sie mit einem tragbaren Sauerstoff gerät 20x25 cm mittels Nasenbrille. Da muss ich schnell agieren und sehen ob noch ein epileptischer Anfall nachkommt. Meistens beginnt ein epileptischer Anfall damit, dass man keine Luft bekommt. Dieses äußert sich auch mit Zittern und Unruhe. Das Ganze geht sehr schnell. Sie hat Pflegestufe 6, das bedeutet, dass sie sehr pflegebedürftig ist. Sie hat keine externe Hilfe, ich pflege sie alleine. Sie ist auch autistisch. Medizinische Geräte gehören ebenfalls zur Pflegestufe 6. Beim Einreichen hat man mir gesagt Pflegestufe 7 bekommt man knapp vor dem Sterben; Man kann dann Hände und Beine nicht mehr bewegen bzw. kann man nicht mehr sprechen.

Medizinische Geräte: Peep-up-Gerät mit Maske das an den Sauerstoff angeschossen ist um sie mit Sauerstoff zu versorgen, wenn die Sättigung unter 90 geht, ist dies Lebensbedrohlich. Dieses Gerät ist für die Nacht und wird jede Nacht benutzt. Pulsoximeter ist für die Sättigung und Pulsmessung, damit wir wissen wie viel Sauerstoff sie im Blut hat, hier gilt auch: wenn die Sättigung unter 90 geht, ist dies Lebensbedrohlich. Das sagt aus wieviel Sauerstoff benötigt wird. Es wird mehrmals pro Tag verwendet und ich führe es immer mit mir mit, auch im Auto. Dieses Gerät habe ich an diesem Tag mitgehabt.

Ich kann mich an den Tag nicht genau erinnern, ich gehe davon aus dass wir von einem Arztbesuch, einer Therapie oder vom Einkaufen kamen. Wir waren auf dem Nachhauseweg. Ich war ca. 1 km bzw. ein paar Minuten von zu Hause entfernt. Ich habe mich schnell vor eine Einfahrt gestellt. Ich kann es nur ungefähr sagen und nicht auf einer Skizze aufzeichnen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob dort noch Baustellen waren. Das Pulsoximeter habe ich, als ich stehen geblieben bin, verwendet. Danach musste ich sie beruhigen, weil sie schrie und tobte, das kann manchmal auch 1 Stunde dauern. Dann hab ich sie mit Sauerstoff versorgt.

Wenn ich langsamer gefahren wäre, hätte es sein können, dass die Tochter zu spät Sauerstoff bekommt und dann nicht versorgt ist. Bei diesem Syndrom sterben viele im Kindesalter, weil nicht bemerkt wird, dass sie nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt sind.

Es ist nicht immer sicher ob es passiert, dass sie einen Anfall hat. Sie kann zum Teil auch gehen, ich forciere das, sie hat auch einen Rollstuhl. Es gibt schon Krankentransporte, aber man wartet oft stundenlang auf diese Transporte. Und das hält sie dann psychisch nicht aus. Das bedeutet dass es ihr dann alles zu viel wird und sie Eigen- und Fremdgefährdet ist, weil sie tobt und schreit.

Man hätte einen Anfall nicht vorhersehen können oder vorsorgen können. Diese kommen immer plötzlich.

Auf Frage ob ich einen Krankentransport hätte verwenden können: Solange sie noch halbwegs gehen kann bzw. den Rollstuhl verwenden kann, wird mir kein Krankentransport bewilligt werden.

Auf Frage ob nicht eine weitere Person im Auto mitfahren könnte: das wäre schön, aber meine Tochter hat seit einem Unfall vor 6 Jahren im Krankenhaus H. keinen Platz in einer Werkstätte mehr, so dass ich eine 24-Stunden-Betreuung mache. Meine Anträge beim Fond Soziales Wien – auf persönliche Assistenz - wurden abgelehnt. Teilbetreutes Wohnen wurde ebenfalls abgelehnt. Alle in Frage kommenden Werkstätten haben abgelehnt, sie aufzunehmen, weil Menschen mit … einen eigenen, sehr strukturierten Tagesablauf benötigen. Da sie auf Grund ihres Syndroms eine Esssucht hat, braucht man einen Tagesplatz mit abgesperrter Küche und bedingt durch dieses Schlafapnoe ist eine Tagesmüdigkeit auch vorhanden, wo man ein Bett auch am Tag benötigt, damit sie schlafen kann. Da sie im Impulsdurchbruch auch flüchtig wird – das heißt dass sie davonläuft – und sie nicht straßentauglich ist, sollte auch die Tür etwa in der Werkstätte verschlossen sein, damit sie sich selbst nicht gefährdet indem sie rausläuft.

Wenn ich vom Fond Soziales Wien Unterstützung bekäme, wäre es vermeidbar gewesen, dass ich selbst fahren muss. Eine 24-Stunden-Betreuung ist schwer möglich, weil die Leute nicht auf psychische Erkrankungen von behinderten Menschen geschult sind, bzw. haben wir auch keine EUR 3.000,00 im Monat damit wir eine qualifizierte Pflege bezahlen könnten. Ich bin auch Alleinerziehend und somit alleine mit der Pflege. Auch wenn eine zweite Person im Auto mitgefahren wäre, hätte man die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht vermeiden können, weil meine Tochter auf Grund ihres Gewichtes vorne sitzen muss und von einer hinten sitzenden Person, nicht von hinten beruhigt werden kann und ich trotzdem so schnell wie möglich stehen bleiben muss. Man könnte sie auch während des Fahrens – angenommen sie würde in einem Kleinbus oder Transporter mitfahren – nicht versorgen, weil sie tobt. Als sie noch in die Werkstätte ging, mussten auch die Betreuer beim Fahrtendienst stehen bleiben, wenn sie einen Anfall hatte. Sie muss dann festgehalten werden, damit sie sich selbst nicht verletzt.“

Vorgelegt wird nochmals die psychiatrische Stellungnahme (Beilage A), weitere medizinische Unterlagen (Beilage B). Die Bf sagt zu innerhalb von 2 Wochen weitere Befunde nachzubringen.

„Wenn ich gleich einen Parkplatz in der Nähe gewesen wäre, hätte ich nicht schneller fahren müssen. Dort gibt es auch keine allgemein zugänglichen Behindertenparkplätze.“

In ihren Schlussausführungen verwies die Beschwerdeführerin auf ihr bisheriges Vorbringen und brachte vor:

„Im Behindertenbereich, insbesondere bei behinderten Menschen die auch psychisch beeinträchtigt sind, kann man die Gesetze nicht so anwenden, wie bei nicht behinderten Menschen.“

Die Beschwerdeführerin verzichtete auf die Durchführung der Verhandlung zur Verkündung des Erkenntnisses und erklärte sich mit einer schriftlichen Erledigung einverstanden.

Mit Schreiben vom 17.03.2020 erstattete die Magistratsabteilung 15 das vom Verwaltungsgericht angeforderte amtsärztliche Gutachten. Darin wurde ausgeführt, dass die Angaben der Mutter – etwa, dass sie aufgrund der plötzlich auftretenden Atemnot, die eine sofortige Sauerstoffversorgung erforderlich mache, beim Autofahren möglichst rasch stehen bleiben müsse – nachvollziehbar seien. Im Krankheitsverlauf …, einer genetischen Erkrankung …, sind häufig beschrieben eine herabgesetzte Beatmung der Lungen und Atemaussetzer durch eine verminderte Versorgung der Lunge mit Sauerstoff, wodurch eine Sauerstoffbeatmung erforderlich sei. Verhaltensprobleme treten nahezu bei allen Patienten … auf. Massive Wutanfälle, plötzliche heftige Reizbarkeit und Impulsivität sowie Auto- und Fremdaggression sind bekannt.

IV. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

IV.1. Rechtsgrundlagen:

Die maßgeblichen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung, BGBl. Nr. 159/1960 in der zum Tatzeitpunkt maßgeblichen Fassung (§ 52 idF BGBl. I Nr. 34/2011 und § 99 idF BGBl. I Nr. 39/2013) lauten auszugsweise:

„§ 52. Die Vorschriftszeichen

Die Vorschriftszeichen sind

a)       Verbots- oder Beschränkungszeichen,

         b)       Gebotszeichen oder

         c)       Vorrangzeichen.

a) Verbots- oder Beschränkungszeichen

[…]

11a. „ZONENBESCHRÄNKUNG“

              https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/1960/159/P52/~/Dokumente/Bundesnormen/NOR40128461/image032.png

Ein solches Zeichen zeigt den Beginn einer Zone an, innerhalb der die durch das eingefügte Zeichen zum Ausdruck gebrachte Verkehrsbeschränkung gilt, wobei in einem Zeichen auch zwei Beschränkungen dargestellt werden können.

11b. „ENDE EINER ZONENBESCHRÄNKUNG“

              https://www.ris.bka.gv.at/~/Dokumente/Bundesnormen/NOR40128461/image033.png

Ein solches Zeichen zeigt das Ende einer Zonenbeschränkung an. Es kann auch auf der Rückseite des für die Gegenrichtung geltenden Zeichens (Z 11a) angebracht werden.

[…]

§ 99. Strafbestimmungen.

(1) – (2e) […]

(3)     Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

a.       wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist,“

IV.2. Sachverhalt:

Aufgrund der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung, des Vorbringens der Beschwerdeführerin, des Aktes des gegenständlichen behördlichen Verfahrens und des Aktes des Verwaltungsgerichts Wien wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

Die Beschwerdeführerin lenkte am 21.12.2018 um 19:23 Uhr in Wien, D.-strasse in Fahrtrichtung E.-straße, das Fahrzeug mit dem Kennzeichen W-1 (A). Die Beschwerdeführerin überschritt dabei die durch Zonenbeschränkung in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 14 km/h. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zugunsten der Beschwerdeführerin abgezogen.

Die Messung wurde mit einem geeichten Messgerät (Marke/Type MUVR 6F) durchgeführt.

Die Zonenbeschränkung beruht auf einer Verordnung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 46, mit der GZ: MA 46-DEF-5751/2018 und war durch Bodenmarkierungen und Verkehrszeichen ordnungsgemäß kundgemacht.

Die Beschwerdeführerin ist verwaltungsstrafrechtlich nicht unbescholten. Sie verfügt über ein Einkommen in der Höhe von € 800,-- bis € 1.300,--, hat eine Eigentumswohnung und ist sorgepflichtig für ihre behinderte Tochter, ….

Die Feststellungen gründen auf folgende Erwägungen:

Die Feststellungen ergeben sich im Wesentlichen aus dem Akt der belangten Behörde, einschließlich des Verordnungsaktes zur Zl. 46-DEF-5751/2018, dem Akt des Verwaltungsgerichts Wien sowie den Angaben der Beschwerdeführerin im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Dass die Beschwerdeführerin das og. Fahrzeug an dem angeführten Ort zur angelasteten Zeit lenkte, ist unstrittig, ebenso, dass sie die ihr vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung beging.

Dem beigeschafften Eichschein ist das Datum der Eichung des gegenständlichen Radar-Messgerätes zu entnehmen.

Zweifel an der Richtigkeit der Messung haben sich für das erkennende Gericht keine ergeben.

Aus dem Verordnungsakt MA 46-DEF-5751/2018 ergibt sich, dass die Zonenbeschränkung verordnet und ordnungsgemäß kundgemacht wurde.

Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren glaubhaften Angaben im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

IV.3. Rechtliche Beurteilung:

IV.3.1.

§ 52 lit. a Z 11a StVO legt die Form des Verkehrsschildes Zonenbeschränkung fest und bestimmt, dass ein solches Zeichen den Beginn einer Zone anzeigt, innerhalb der die durch das eingefügte Zeichen zum Ausdruck gebrachte Verkehrsbeschränkung gilt, wobei in einem Zeichen auch zwei Beschränkungen dargestellt werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu festgehalten, dass - wie aus § 52 lit a Z 11a StVO 1960 unschwer abzuleiten ist (arg.: "...ein solches Zeichen zeigt den Beginn einer Zone an, innerhalb der die durch das eingefügte Zeichen zum Ausdruck gebrachte Verkehrsbeschränkung gilt" ...), - es zur Kundmachung nicht der Aufstellung von Vorschriftszeichen für jede Straße innerhalb des Gebietes bedarf, sondern lediglich auf jenen Straßen, wo rechtmäßig in die Zone eingefahren werden darf (vgl. VwGH 20.7.2001, 2000/02/035).

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin in einer Zone in der eine höchstzulässige Geschwindigkeit von 30 km/h galt, ihr Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 44 km/h lenkte und somit die durch ein § 52 lit. a Z 11a StVO entsprechendes Vorschriftszeichen verordnete Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 14 km/h überschritt. Dadurch ist der objektive Tatbestand des § 52 lit. a Z 11a StVO verwirklicht.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein geeichter Laser-Verkehrsgeschwindigkeitsmesser ein taugliches Mittel zur Feststellung der von einem Fahrzeug eingehaltenen Geschwindigkeit. Einem mit der Geschwindigkeitsmessung mit einem solchen Gerät betrauten Beamten ist auf Grund seiner Schulung die ordnungsgemäße Verwendung des Gerätes zuzutrauen (vgl. VwGH 31.5.2012, 2012/02/0082 mit Hinweis auf VwGH 25.5.2003, 2003/11/0119).

Die im Verordnungsakt beschriebenen Umstände sind aus Sicht des erkennenden Gerichts ein ausreichender Rechtfertigungsgrund für die Erlassung einer Verkehrsbeschränkung. Die Verordnung ist ihrem Wortlaut nach auch hinreichend bestimmt und konkret und widerspricht somit auch nicht dem Determinierungsgebot. Es ist seitens des Verwaltungsgerichtes kein Zweifel an der Erforderlichkeit einer Geschwindigkeitsbeschränkung aufgekommen. Es bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Gesetzes- und Verfassungsmäßigkeit der anzuwendenden Bestimmungen der Verordnung.

Nach den Feststellungen unter Punkt IV.2. war der Verordnung MA 46-DEF-5751/2018 eindeutig zu entnehmen, dass die Zonenbeschränkung auch ordnungsgemäß kundgemacht war. Das Verwaltungsgericht Wien hegt daher keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der der gegenständlichen Verkehrsbeschränkung zugrunde liegenden Teile der Verordnung.

IV.3.2.

Unter Zugrundelegung der unter Punkt IV.2. getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin die objektive Tatseite der ihr angelasteten Verwaltungsübertretung zweifelsfrei verwirklicht hat.

Da die verletzte Rechtsvorschrift über das Verschulden keine Aussage trifft, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten (vgl. § 5 Abs. 1 erster Satz VStG). Bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt, weil weder der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr vorausgesetzt, noch über das Verschulden etwas bestimmt wird. Bei solchen Delikten obliegt es gemäß § 5 Abs. 1 VStG dem Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich war. Das bedeutet, dass der Beschuldigte initiativ alles darzulegen hat, was für seine Entlastung spricht, z.B. durch die Beibringung von Beweismitteln bzw. die Stellung entsprechender Beweisanträge (vgl. beispielsweise etwa VwGH 20.11.2013, 2012/10/0070, vom 28.03.2006, 2002/03/0264 oder vom 24.11.2003, 2001/10/0137).

Danach ist bei Ungehorsamsdelikten das Verschulden des Täters nicht von der Behörde zu beweisen, sondern „ohne weiteres anzunehmen“. Dem Täter steht es jedoch frei, diese Vermutung durch Glaubhaftmachung seiner Schuldlosigkeit zu widerlegen. Der „Entlastungsbeweis“ ist aber nicht notwendig, wenn die Behörde schon bei Ermittlung des äußeren Tatbestandes schuldausschließende Umstände feststellt (vgl. Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, 16. Aufl., Anm. 5 zu § 5 VStG).

Gegenständlich stellt sich die Frage, ob ein rechtfertigender oder entschuldigender Notstand gemäß § 6 VStG vorliegt, zumal die Beschwerdeführerin vorbringt, sie habe aufgrund eines Anfalles ihrer behinderten Tochter, …, einen Parkplatz finden müssen, um diese zu beruhigen und mit Sauerstoff zu versorgen.

Ein rechtfertigender Notstand liegt vor, wenn der Täter als ultima ratio ein – einer unmittelbar drohenden Gefahr ausgesetztes – höherwertiges (nicht notwendig notwehrfähiges) Individualrechtsgut dadurch errettet, dass er ein geringwertigeres Rechtsgut opfert. Die Verletzung des entgegenstehenden verwaltungsrechtlichen Gebots muss in concreto einziges Mittel zur Gefahrenabwehr sein (vgl. Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 6 (Stand 01.05.2017, rdb.at), Rz. 6).

Der entschuldigende Notstand erfordert ebenfalls das Vorliegen eines unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteils für ein Rechtsgut. Gemäß § 10 Abs. 1 StGB ist der Täter entschuldigt, wenn der aus der Tat drohende Schaden nicht unverhältnismäßig schwerer wiegt als der Nachteil, den sie abwenden soll, und in der Lage des Täters von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen kein anderes Verhalten zu erwarten war. Gemäß § 10 Abs. 2 StGB ist der Täter nicht entschuldigt, wenn er sich der Gefahr ohne einen von der Rechtsordnung anerkannten Grund bewußt ausgesetzt hat. Die genannten Kriterien gelten grundsätzlich auch im VStG (vgl. Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 6 (Stand 01.05.2017, rdb.at), Rz. 11).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann unter Notstand iSd § 6 VStG 1950 nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht. Des weiteren gehört es zum Wesen des Notstandes auch, dass die Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist, und ferner, dass die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist (vgl. VwGH 25.11.1986, 86/04/0116). Wenn sich etwa der Lenker eines Kfz auf die voraussehbare Gefahrensituation ohne einen von der Rechtsordnung anerkannten Grund eingelassen hat, dann kann er sich nicht mit Erfolg auf Notstand berufen (hier: Verschlechterung des körperlichen Befindens schon bei Antritt der Fahrt; vgl. VwGH 14.06.1995, 94/03/0336). Auch die Verbringung einer Person in besorgniserregendem Zustand in ein Krankenhaus, ohne die Möglichkeit zu prüfen, ob nicht eine andere Transportgelegenheit, insbesondere ein Rettungsfahrzeug, das als Einsatzfahrzeug nicht an Beschränkungen der Fahrgeschwindigkeit gebunden ist, zur Verfügung steht, vermag keinen Notstand hinsichtlich der Übertretung der Straßenverkehrsordnung zu begründen (vgl. VwGH 11.05.1990, 90/18/0004 mit Hinweis auf VwGH 03.03.1977, 641/76). Musste der Lenker mit dem Auftreten der akuten Bandscheibenschmerzen (hier: Fahrt zu einem vereinbarten Operationstermin mit überhöhter Geschwindigkeit) rechnen und lagen Umstände, die eine Abstandnahme vom Lenken des Fahrzeuges unmöglich oder unzumutbar erscheinen ließen, nicht vor, dann kann er sich bei Eintritt der voraussehbaren Gefahrensituation nicht mit Erfolg auf Notstand berufen. Da er diese Situation somit selbst verschuldet hat, könnte ihn auch ein allfälliger Putativnotstand, also die irrtümliche Annahme eines Notstandes, nicht entschuldigen (vgl. VwGH 26.05.1999, 99/03/0049).

Die genannten Grundsätze gelten für den rechtfertigenden und den entschuldigenden Notstand (vgl. Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 6 (Stand 01.05.2017, rdb.at), Rz. 12). Umstände, die einem Notstand nahekommen, sind strafmildernd zu werten (vgl. VwGH 11.05.1998, 94/10/0073).

Im gegenständlichen Fall ist es der Beschwerdeführerin gelungen, glaubhaft zu machen, dass sie an der vorliegenden Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft. Sie hat dargelegt, dass die Geschwindigkeitsübertretung für die Erhaltung der Gesundheit ihrer behinderten Tochter, die an einem Anfall litt und daher so schnell wie möglich mit Sauerstoff versorgt werden musste, unvermeidbar war. Die Beförderung ihrer Tochter mittels Krankentransportes war nicht zumutbar, da sie aufgrund ihrer Behinderung, …, während der langen Wartezeit einen Tobsuchtsanfall bekommen hätte. Die Zwangslage war insofern auch nicht selbstverschuldet, da kein anderes Transportmittel als der eigene Pkw zur Verfügung stand.

Das Straferkenntnis war daher aufzuheben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 52 Abs. 8 VwGVG.

IV.4. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im Beschwerdefall nicht vor, zumal lediglich festzuhalten war, dass im Hinblick auf die der Beschwerdeführerin angelastete Tat nicht festgestellt werden konnte, dass bei dem der Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Verhalten eine Notstandssituation vorlag. Dabei handelt es sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, der über den Beschwerdefall hinausgehend keine Bedeutung zukommt.

Schlagworte

Vorschriftszeichen; Höchstgeschwindigkeit; Schuldausschließungsgrund; Notstand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.085.5211.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.06.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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