TE Bvwg Beschluss 2020/1/21 W185 2226680-1

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Veröffentlicht am 21.01.2020
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Entscheidungsdatum

21.01.2020

Norm

ABGB §871
AsylG 2005 §5
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs2

Spruch

W185 2226080-1/9E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Gambia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2019, Zl. 1250171010/191100030, beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Gambia, brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 28.10.2019 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.

Laut den vorliegenden Eurodac-Treffermeldungen suchte der Beschwerdeführer zuvor am 21.08.2014 in Italien, am 01.12.2015 in Deutschland und am 17.07.2019 in den Niederlanden um Asyl an.

Nach abgelehnten Wiederaufnahmegesuchen seitens Italiens und den Niederlanden stimmte Deutschland der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers nach Art 18 Abs 1 lit d Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland gemäß Art. 18 Abs. 1 Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie II. die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 29.11.2019 persönlich ausgefolgt. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater zur Seite gestellt und wurde der Beschwerdeführer darüber mittels Verfahrensanordnung informiert.

Am 13.12.2019 langte fristgerecht eine Beschwerde beim Bundesamt ein.

Am 14.12.2019 wurde die Festnahme des Beschwerdeführers angeordnet und der Beschwerdeführer festgenommen und befand sich seit 15.12.2019 in Schubhaft.

Mit Schreiben an das Bundesamt vom 16.12.2019 erklärte sich der Beschwerdeführer mit der Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat Deutschland ausdrücklich einverstanden. Eine entsprechende Bevollmächtigung des VMÖ seitens des Beschwerdeführers ist vorhanden.

Am 19.12.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine mit 18.12.2019 datierte Beschwerderückziehung ein. Das Schreiben lautete folgdendermaßen: "Ich möchte die am 13.12.2019 eingebrachte Beschwerde bzgl des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.11.2019 zur Zahl 1250171010-191100030 zurückziehen". Diese Erklärung war vom Beschwerdeführer eigenhändig unterschrieben.

Am 19.12.2019 wurde das Bundesamt in einem E-Mail seitens der Diakonie von der Beschwerderückziehung informiert. Das E-Mail hat folgenden Inhalt: "Zu Ihrer Information und zur schnellen Einleitung der Überstellung von XXXX nach Deutschland übermittle ich Ihnen im Namen von Herrn XXXX die Information, dass die Beschwerde zur Zahl 1250171010-191100030 zurückgezogen wurde". Gezeichnet: XXXX .

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 29.11.2019 durch persönliche Ausfolgung zugestellt.

Ebenfalls am 29.11.2019 wurde dem Beschwerdeführer als Rechtsberater die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe zur Seite gestellt. Der Beschwerdeführer wurde darüber mittels Verfahrensanordnung informiert.

Gegen den angefochtenen Bescheid wurde am 13.12.2019 Beschwerde erhoben.

Mit Schreiben vom 16.12.2019 erklärte sich der Beschwerdeführer mit der Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat Deutschland ausdrücklich einverstanden. Eine entsprechende Bevollmächtigung des VMÖ seitens des Beschwerdeführers ist vorhanden.

Am 19.12.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine mit 18.12.2019 Beschwerderückziehung ein. Unterschrieben war diese vom Beschwerdeführer.

Am 19.12.2019 wurde das Bundesamt seitens (des bestellten Rechtsberaters) der Diakonie mittels E-Mail von der Beschwerderückziehung informiert. Die Beraterin auf Seiten der ARGE-Rechtsberatung ist in dem angesprochenen Schreiben auch namentlich genannt.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner psychischen Erkrankung und lagen auch sonst keine Willensmängel bei der Abgabe der Zurückziehungserklärung vor.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt des Bundesamtes und wurden vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht an einer psychischen Erkrankung leidet, ergibt sich aus dessen eigenen Angaben im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt, wo keine gesundheitlichen Probleme geltend gemacht wurden. Auch in der Beschwerde wurde eine allfällige geistige Erkrankung des Beschwerdeführers nicht releviert. Es liegen sohin keinerlei Anhaltspunkte bezüglich einer psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers vor.

Ein Willensmangel bei der Abgabe der Beschwerderückziehung wurde nicht behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

§ 7 Abs. 2 VwGVG lautet:

"Eine Beschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Beschwerdeverzicht eine von der Partei vorgenommene Prozesshandlung, der die Wirkung anhaftet, dass eine von der Partei eingebrachte Beschwerde einer meritorischen Erledigung nicht zugeführt werden darf. Ein einmal ausgesprochener Beschwerdeverzicht kann auch nicht mehr zurückgenommen werden. Das Vorliegen eines Beschwerdeverzichtes ist besonders streng zu prüfen, und es ist ein anlässlich der Abgabe eines Beschwerdeverzichtes vorliegender Willensmangel zu Gunsten der Partei zu beachten. Voraussetzung für einen gültigen Beschwerdeverzicht ist weiters, dass er ohne Druck und in Kenntnis seiner Rechtsfolgen abgegeben wird (VwGH 12.05.2005, 2005/02/0049).

Der Beschwerdeverzicht muss ausdrücklich und zweifelsfrei erklärt werden und frei von Willensmängeln sein; liegt ein Willensmangel vor, ist der Verzicht unwirksam. Die Rechtsprechung wendet dabei sinngemäß die Regeln des Zivilrechts über den Irrtum, insbesondere § 871 ABGB, an. Demnach kommt eine rechtsverbindliche Willenserklärung der verzichtenden Partei unter anderem dann nicht zustande, wenn sie in einem wesentlichen Irrtum befangen und dieser "durch den anderen Teil", d. h. durch den Organwalter der Behörde, "veranlasst war". "Veranlassen" umfasst in diesem Zusammenhang jedes für die Entstehung des Irrtums ursächliche Verhalten des Organwalters, wobei nicht gefordert ist, dass die Irreführung schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, herbeigeführt wurde. Ein Willensmangel liegt aber beispielsweise auch dann vor, wenn die Partei durch eine irreführende oder unvollständige Rechtsbelehrung falsche Vorstellungen über die Folgen und Möglichkeiten einer Beschwerde bekommen hat. Neben der Kenntnis seiner Rechtsfolgen ist Voraussetzung für einen gültigen Beschwerdeverzicht auch, dass die Partei nicht von der Behörde in rechtswidriger Weise durch Druck, Zwang oder Drohung zur Abgabe bestimmt wurde. Abgesehen davon kommt es aber auf die Absichten, Motive und Beweggründe, welche die Partei zum Verzicht veranlasst haben, nicht an (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 63, Rz. 75-76).

Ein Beschwerdeverzicht eines Fremden ist ohne Beiziehung eines Dolmetschers nur dann wirksam, wenn feststeht, dass der Fremde im Zeitpunkt der Abgabe des Beschwerdeverzichtes der deutschen Sprache hinlänglich mächtig war, um sich der Tragweite des Verzichtes bewusst zu sein, und ein Willensmangel ausgeschlossen werden kann (VwGH 27.04.2016, Ra 2015/10/0111).

Ein Beschwerdeverzicht kann - und zwar durch ausdrückliche Erklärung - erst nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides und während der Rechtsmittelfrist erfolgen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/02/0227).

Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind an einen wirksamen Beschwerdeverzicht strenge Maßstäbe anzulegen, um einen Willensmangel bei seiner Abgabe ausschließen zu können. Dieser strenge Beurteilungsmaßstab erfordert eine hinreichende Ermittlung der Umstände, unter welchen der Verzicht abgegeben wurde, um dessen Wirksamkeit beurteilen zu können. Die Rückkehrvorbereitung durch einen Rechtsberater kann die gesetzlich zwingend vorgesehene Rechtsberatung durch den dazu bestellten Rechtsberater nicht ersetzen. Zweck der Rechtsberatung ist es, den Asylwerber im Verwaltungsverfahren und im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu beraten, was die Beratung darüber einschließt, ob eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben (oder zurückgezogen) werden soll. Damit hat sich die Rechtsberatung aber jedenfalls auf all jene Rechtshandlungen zu beziehen, die diese Fragen in irgendeiner Weise endgültig entscheiden. Die Abgabe eines Rechtsmittelverzichtes zählt jedenfalls dazu (VfGH 12.03.2014, U 1286/2013; 26.02.2014, U 489/2013). Unter den genannten Voraussetzungen ist auch ein nachträglicher Verzicht durch Zurückziehung der Beschwerde wirksam (vgl VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320; in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren ² (2018), § 7 VwGVG, Anm 8).

Im vorliegenden Beschwerdefall erklärte der Beschwerdeführer nach der Zustellung des angefochtenen Bescheides und im Beisein der für das Asylverfahren bestellten Rechtsberaterin schriftlich, dass er die Beschwerde zurückziehe. Er war bereits im Vorfeld mit der Überstellung in den für die Prüfung seines Asylantrages zuständigen Mitgliedstaat Deutschland einverstanden.

Die Rechtsfolge des Beschwerdeverzichtes, nämlich die Durchsetzung des angefochtenen Bescheides durch Rückkehr des Beschwerdeführers in den für seinen Antrag auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat Deutschland, ist in der unterschiebenen Erklärung ausdrücklich angeführt, sodass ein Irrtum ausgeschlossen werden kann.

Da somit eine wirksame Beschwerderückziehung abgegeben wurde, welche auch nicht widerrufen werden kann (vgl VwGH 8.11.2016, Ra 2016/09/0098 u.a), war die am 13.12.2019 erhobene Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Beschwerdezurückziehung, Rechtsberatung, Rechtsmittelverzicht,
Überstellung, Unzulässigkeit der Beschwerde, Willenserklärung,
Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W185.2226680.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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