TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/18 I415 1436252-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.12.2019
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Entscheidungsdatum

18.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
AsylG 2005 §58 Abs13
AsylG 2005 §58 Abs8
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §52 Abs3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I415 1436252-5/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und beantragte erstmalig am 24.05.2013 internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.06.2013, Zl. XXXX, wurde ihr Antrag abgewiesen. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit rechtskräftigem Erkenntnis vom 15.10.2013, Zl. A5 436.252-1/2013/5E, als unbegründet ab.

2. Am 26.05.2015 stellte die Beschwerdeführerin einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA; belangte Behörde) vom 30.06.2017, Zl. XXXX, wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG zurückgewiesen wurde. Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.12.2017, Zl. I405 1436252-3/7E, wurde eine dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

3. Ein neuerlicher, am 18.06.2018 gestellter Folgeantrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 29.01.2019, Zl. XXXX, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Zugleich wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit ihrer Abschiebung nach Nigeria festgestellt. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde, welche das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 11.02.2019, Zl. I403 1436252-4/3E, als unbegründet abwies.

4. Die Beschwerdeführerin kam ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach und stellte am 25.06.2019 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG. Diesem Antrag legte die Beschwerdeführerin eine schriftliche Antragsbegründung, sowie Kopien einer nigerianischen Geburtsurkunde und einer nigerianischen eidesstattlichen Alterserklärung in englischer Sprache, eines Zeugnisses zur Integrationsprüfung A2 des ÖIF vom 25.04.2019, eines zmr-Auszugs, einer E-Card und einer Einstellungszusage vom 18.06.2019 für die Tätigkeit als Reinigungskraft bei.

5. Mit Verbesserungsauftrag und Gewährung des Parteiengehörs vom 25.06.2019, Zl. XXXX, trug das BFA der Beschwerdeführerin auf, innerhalb einer vierwöchigen Frist ein gültiges Reisedokument in Original und Kopie samt Übersetzung vorzulegen. Sie wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, im Falle der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise einen Antrag auf Mängelheilung nach § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV zu stellen. Es erging der Hinweis darauf, dass der Antrag zurückgewiesen werde, sollte die Beschwerdeführerin dem Verbesserungsauftrag nicht nachkommen.

6. Die Beschwerdeführerin stellte daraufhin mit Schreiben vom 17.07.2019 einen Antrag auf Mängelheilung nach § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV, mit der Begründung, es sei nicht möglich, einen Reisepass bzw. ein entsprechendes Schreiben zu erhalten, weil Reisepässe von Seiten der nigerianischen Botschaft nicht ausgestellt werden.

7. Am 15.10.2019 fand eine niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin durch die belangte Behörde statt. Sie erklärte, keine Familienangehörigen in Österreich zu haben. Sie sei seit Juni mit einem in Deutschland lebenden nigerianischen Staatsbürger verlobt und würde diesen am 19.10.2019 kirchlich heiraten. Obwohl ihr zukünftiger Gatte in Deutschland lebe und arbeite, möchte sie derzeit in Österreich bleiben, wo sie viele Freunde durch den Verkauf einer Straßenzeitung und ihre Zugehörigkeit zu einer Kirchengemeinde habe. Während ihrer Zeit in Österreich habe sie Deutschkurse auf dem Niveau A1 und A2 gemacht. Sie sei im Besitz eines Deutschzertifikates A2 und könne einen Arbeitsvorvertrag vorlegen.

8. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 15.10.2019, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 25.06.2019 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass sich seit Rechtskraft des dem gegenständlichen Antrag vorangegangenen Erkenntnisses des BVwG vom 11.02.2019 keine entscheidungswesentliche Sachverhaltsänderung in Bezug auf das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin ergeben habe, welche eine neuerliche Interessensabwägung als erforderlich erscheinen lassen könnte. Weiters sei die Identität der Beschwerdeführerin im Rahmen einer nigerianischen Delegation bestätigt worden und der Beschwerdeführerin Unterstützung bei der freiwilligen Heimreise zugesagt worden, jedoch habe die Bescherdeführerin den vereinbarten Vorsprachetermin nicht wahrgenommen.

9. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 12.11.2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Der Sachverhalt sei ungeachtet einer negativen Asylentscheidung unter Art. 8 EMRK zu subsumieren. Die Beschwerdeführerin halte sich seit mehr als 6 Jahren in Österreich auf, habe diverse Deutschkurse absolviert, sei selbsterhaltungsfähig als Zeitungsverkäuferin und verfüge über eine Einstellungszusage. Sie sei sozial integriert und mit einem nigerianischen Staatsangehörigen verlobt. Die Beschwerdeführerin stellte daher die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht möge den verfahrensgegenständlichen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels stattgegeben werde, allenfalls das Verfahren an die Erstinstanz zurückverweisen und eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen.

10. Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 26.11.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Nigeria und somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Sie ist keine begünstigte Drittstaatsangehörige und es kommt ihr kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Ihre Identität steht nicht fest.

Die Beschwerdeführerin reiste erstmals im Mai 2013 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte insgesamt drei Anträge auf internationalen Schutz (am 24.05.2013, am 26.05.2015 und am 18.06.2018), die allesamt rechtskräftig negativ entschieden wurden.

Die Beschwerdeführerin ist trotz der aufrechten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.02.2019, Zl. I403 1436252-4/3E, rechtskräftig seit 15.02.2019) ihrer Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht freiwillig nachgekommen und hält sich weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Aus dem begründeten Antragsvorbringen der Beschwerdeführerin gemäß § 55 AsylG 2005 geht im Vergleich zur rezenten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung vom 11.02.2019 ein im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervor.

Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1 Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben der Beschwerdeführerin vor dieser, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Strafregister, dem Schengener Informationssystem und dem Betreuungsinformationssystem wurden ergänzend eingeholt.

Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen. Die Beschwerdeführerin bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt und somit entscheidungsreif ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

2.2 Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellung zu ihren negativ entschiedenen Anträgen auf internationalen Schutz ergibt sich unstrittig aus den Verwaltungsakten sowie dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu I403 1436252-4.

Die Feststellung zur Unrechtmäßigkeit des derzeitigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet beruht darauf, dass dieser - abgesehen von dem vorläufigen Aufenthaltsrecht während der Verfahren über ihre letztlich unbegründeten Anträge auf internationalen Schutz - im Bundesgebiet nie ein Aufenthaltsrecht zugekommen war und sich vor dem Hintergrund des § 58 Abs. 13 AsylG 2005 und des § 16 Abs. 5 BFA-VG weder aus der Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels noch aus der Beschwerdeerhebung ein Aufenthalts- oder Bleiberecht für die Beschwerdeführerin in Österreich ableiten lässt.

Dass gegen die Beschwerdeführerin eine aufrechte Rückkehrentscheidung besteht, ergibt sich aus der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.02.2019, Zl. I403 1436252-4/3E; dieser Umstand blieb auch von der Beschwerdeführerin unbestritten.

Die Beschwerdeführerin bringt in der Beschwerde vor, dass sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt in Bezug auf Art. 8 EMRK geändert habe.

Diesen Ausführungen kann jedoch nicht beigetreten werden. Zwischen Eintritt der Rechtskraft des oben angeführten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes am 15.02.2019 und der Stellung des verfahrensgegenständlichen Antrages am 25.06.2019 sind lediglich rund vier Monate vergangen. Es konnten keinerlei entscheidungswesentliche Veränderungen im Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin während dieses Zeitraumes festgestellt werden.

Der Beschwerdeführerin verfügt nach wie vor über kein Familienleben im Bundesgebiet und hat ein solches auch nicht behauptet. Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 15.10.2019 erklärte sie, mit einem in Deutschland lebenden nigerianischen Staatsbürger verlobt zu sein und diesen am 19.10.2019 kirchlich heiraten zu wollen, legte jedoch bis dato noch keine Bestätigung über eine zwischenzeitlich erfolgte Heirat vor. Den Namen ihres Verlobten musste die Beschwerdeführerin laut der unwidersprochenen Beweiswürdigung der belangten Behörde von einer in ihrem Handy gespeicherten Hochzeitseinladung ablesen und konnte sie weder sein genaues Geburtsdatum nennen, noch konkrete Angaben zu ihrer gemeinsamen Zukunft machen. Auf die Frage der belangten Behörde, weshalb sie einen weiteren Aufenthalt in Österreich anstrebe, obwohl ihr zukünftiger Ehemann in Deutschland lebe und arbeite, antwortete sie wörtlich: "Die Ehe wird schon irgendwie funktionieren, wir entscheiden später wo wir leben. Ich möchte derzeit aber in Österreich bleiben." Nachdem die Beschwerdeführerin laut eigenen Angaben mit ihrem Verlobten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt und dieser darüber hinaus seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat, bestehen im Bundesgebiet keine familiären Bindungen der Beschwerdeführerin im Sinne des Art. 8 EMRK.

Die Beschwerdeführerin brachte weder vor der belangten Behörde, noch in der gegenständlichen Beschwerde konkrete Angaben vor, welche die Annahme einer umfassenden Integration in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht in Österreich rechtfertigen würde. Dies vor allem auch deshalb, da ein Großteil ihrer integrativen Schritte bereits im mit 15.02.2019 rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren einer Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK unterzogen wurden, wie etwa der Verkauf einer Straßenzeitung und die Zugehörigkeit zu einer Kirchengemeinde. Zwar hat die Beschwerdeführerin weiterhin Deutsch gelernt und am 25.04.2019 eine Integrationsprüfung A2 des ÖIF positiv absolviert, doch lässt sich daraus kein geänderter Sachverhalt ableiten, zumal es sich dabei lediglich um eine Fortführung bereits zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung bestehender Integrationsschritte handelt. Die vorgelegte Einstellungszusage begründet keinen Rechtsanspruch und vermag somit ihre Integration nicht entscheidend zu intensivieren.

Weder der Antragsbegründung des begehrten Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG, noch den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz kann daher ein (maßgeblich) geänderter Sachverhalt zugesonnen werden, der eine neuerliche meritorische Prüfung des Antrages erforderlich machen würde.

Aus einem am 02.12.2019 eingeholten Strafregisterauszug geht die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin hervor.

3. Rechtliche Beurteilung des angefochtenen Bescheides:

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen der § 55 und § 58 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. 53/2019, lauten:

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

(1-9) ...

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11-12...)

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. (...)

Die maßgebliche Bestimmung des § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl I Nr. 53/2019, lautet:

Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Zu Spruchpunkt A)

3.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

Zur Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung (plus)" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

§ 58 Abs. 8 AsylG 2005 bestimmt, dass das Bundesamt im verfahrensabschließenden Bescheid über die Zurück- oder Abweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 abzusprechen hat.

Gemäß § 58 Abs. 13 AsylG 2005 begründen Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten.

Gemäß § 16 Abs. 5 BFA-VG begründet eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 oder ein diesbezüglicher Vorlageantrag kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. § 58 Abs. 13 AsylG 2005 gilt.

Schließlich bestimmt § 58 Abs. 10 AsylG 2005, dass Anträge gemäß § 55 als unzulässig zurückzuweisen sind, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid das Vorliegen der Voraussetzungen der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages auf Grund des § 58 Abs. 10 erster Satz AsylG 2005 bejaht. Gegen die Beschwerdeführerin sei rechtskräftig eine Rückkehrentscheidung erlassen worden und aus ihrem Antragsvorbringen gehe im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich mache, nicht hervor.

Dieser Ansicht der belangten Behörde ist - wie im Folgenden dargestellt - beizutreten:

Auszugehen ist von § 58 Abs. 10 erster Satz AsylG 2005, wonach Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen sind, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, [2016], § 58, K13).

Die ErläutRV (1803 BlgNR 24. GP 50) legen dazu dar, dass der neue (Abs. 10) im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 entspreche. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung sei die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolge nun durch das Bundesamt. Dementsprechend seien Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes habe sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass - im Rahmen einer Neubewertung - wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird.

Es hat also im Rahmen des Verfahrens nach § 55 AsylG 2005 eine Neubewertung einer Rückkehrentscheidung nur bei einem geänderten Sachverhalt zu erfolgen, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, wobei sich diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen hat (vgl. VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037).

Gemäß diesen Ausführungen ist die maßgebliche, zu klärende Rechtsfrage daher jene, ob nach der rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung aus dem begründeten Antragsvorbringen der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, hervorgeht. Die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung ist nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Bei dieser Prognose sind die nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände jedenfalls soweit einzubeziehen, als zu beurteilen ist, ob es angesichts dieser Umstände nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann, dass im Hinblick auf früher maßgebliche Erwägungen eine andere Beurteilung nach Art. 8 MRK unter Bedachtnahme auf den gesamten vorliegenden Sachverhalt nunmehr geboten sein könnte. Eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 MRK muss sich zumindest als möglich darstellen (vgl. VwGH, 03.10.2013, 2012/22/0068).

Die belangte Behörde hat gegen die Beschwerdeführerin am 29.01.2019 eine Rückkehrentscheidung erlassen und diese ist vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 11.02.2019 bestätigt worden. Im vorliegenden Fall ist die Behörde nunmehr zu Recht davon ausgegangen, dass sich der maßgebende Sachverhalt seither nicht geändert hat und somit eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK für den Zeitraum zwischen der Erlassung der Rückkehrentscheidung und dem Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG nicht erforderlich war.

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich die Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerin nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung durch den (illegalen) Verbleib im Bundesgebiet verlängert hat, während ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung im Hinblick auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat der Fremden nicht festzustellen war. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt wurde von der Beschwerdeführerin im Übrigen auch nicht substantiiert behauptet bzw. aufgezeigt.

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass sich die Beschwerdeführerin ihres unsicheren Aufenthalts bewusst war und sohin einem allfällig entstandenem Privat- und Familienleben ohnehin ein entsprechend geringes Gewicht zuzumessen wäre. Dies gilt umso mehr für Integrationsaspekte, die erst nach einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung entstanden sein mögen, welche - wie im vorliegenden Fall - durch ihr wiederholtes beharrliches illegales Verbleiben im Bundesgebiet (trotz dreier rechtskräftiger Rückkehrentscheidungen) weiter vermindert werden, zumal diese verwaltungsrechtliche Delinquenzen gewichtige Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, darstellen, die eine Aufenthaltsbeendigung als dringend geboten erscheinen lassen (vgl. VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190).

Wenn die Beschwerdeführerin ausführt, dass sie einen Vorvertrag bezüglich einer Arbeit vorweisen könne, so ist dazu auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach der Ausübung einer Beschäftigung, sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage an einen Fremden der über keine Arbeitserlaubnis verfügt, keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011). Der Verwaltungsgerichtshof geht weiters davon aus, dass sich aus einer bedingten Einstellungszusage nicht ein bereits erreichter Grad an Integration in wirtschaftlicher Sicht ableiten lässt, sondern bloß eine noch ungewisse Möglichkeit deren künftigen Eintretens ist und daher eine Einstellungszusage keinen Beleg für ihre künftige Selbsterhaltungsfähigkeit bildet, sondern allenfalls ein Hinweis dafür sein kann, dass die Beschwerdeführerin, sofern sie sich am entsprechenden Arbeitsplatz tatsächlich bewährt, in die Situation kommen könnte, ihren Lebensunterhalt aus eigenem zu bestreiten (VwGH 14.12.2010, 2010/22/186).

Bei folgenden Konstellationen ging der Verwaltungsgerichtshof von keiner wesentlichen Änderung des Sachverhaltes aus:

• Erkenntnis vom 27.01.2015, Ra 2014/22/0094: Weder ein Zeitablauf von ca. 2 Jahren zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und dem Zurückweisungsbeschluss der Behörde noch verbesserte Deutschkenntnisse und Arbeitsplatzzusagen stellen eine maßgebliche Sachverhaltsänderung im Sinne des § 44b NAG idF vor 2012/I/087 dar.

• Erkenntnis vom 27.01.2015, Ra 2014/22/0108: Ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag (dem in Hinblick darauf, dass der Fremde mangels entsprechender Deutschkenntnisse keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hat, die Relevanz abgesprochen wurde) und auch der bloße Besuch eines Deutschkurses durch den Fremden können keine umfassende Neubeurteilung iSd. Art. 8 EMRK nach sich ziehen.

• Erkenntnis vom 19.11.2014, 2012/22/0056: Die Behörde hat die Sprachkenntnisse des Fremden und die Einstellungszusage ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Behörde in diesen Umständen keine solche maßgebliche Änderung des Sachverhaltes sah, die eine Neubeurteilung in Hinblick auf Art. 8 EMRK erfordert hätte.

• Erkenntnis vom 19.11.2014, 2013/22/0017: Mit Patenschaftserklärungen wird letztlich nur die finanzielle Unterstützung des Fremden dokumentiert und keine im Sinne des Art. 8 EMRK relevante Integration dargelegt.

Diesen exemplarisch dargelegten höchstgerichtlichen Entscheidungen ist zu entnehmen, dass nicht jede Änderung in Bezug auf die privaten und familiären Anknüpfungspunkte zur Erforderlichkeit einer neuerlichen meritorischen Prüfung des Antrags führt, sondern dass dies nur dann der Fall ist, wenn der Änderung nicht nur eine bloß untergeordnete Tatsachenrelevanz zukommt (s. auch VwGH vom 19.2.2009, 2008/01/0344). Diesem Erkenntnis des VwGH ist auch zu entnehmen, dass durch den nunmehrigen § 58 Abs 10 AsylG hintangehalten werden soll, dass durch "Kettenanträge" in der Absicht, die Durchsetzung bestehender Rückkehrentscheidungen zu unterlaufen, die Behörde gehindert wird, aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu effektuieren.

Dies ist in gegenständlichem Fall zutreffend. Die letzte rechtskräftige Entscheidung über ihre Ausweisung erging durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.02.2019. Zuvor wurde bereits mit rechtskräftiger Entscheidung durch Erkenntnis des Asylgerichthofs vom 15.10.2013 sowie des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.12.2017 ihre Ausweisung angeordnet. Dem gegenständlichen Antrag vom 25.06.2019 - nur vier Monate später - wurden lediglich ein Zeugnis der Integrationsprüfung aus Inhalten zur Sprachkompetenz Niveau A2 beigelegt.

Insgesamt kommt daher auch das Gericht zur Auffassung, dass keine Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, sodass die Zurückweisung des gegenständlichen Antrages gem. § 55 AsylG durch das BFA gerechtfertigt war.

Das Bundesverwaltungsgericht ist auch der Auffassung, dass die im angefochtenen Bescheid gewählte Vorgangsweise, die Zurückweisung nicht mit einer neuerlichen Rückkehrentscheidung zu verbinden, rechtens war.

Zwar sieht der Gesetzeswortlaut eine Verbindung sowohl einer Ab- als auch einer Zurückweisung des Antrags nach § 55 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung vor (und zwar gemäß § 52 Abs. 3 FPG unterschiedslos, nach § 10 Abs. 3 AsylG jedoch - im Widerspruch zu § 52 Abs. 3 FPG - "nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegt."). Der Vollständigkeit halber ist jedoch darauf hinzuweisen, dass eine allfällige Säumnis mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung nicht zur Rechtswidrigkeit des Ausspruchs über den Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 8 EMRK führen würde. Dieser hängt nämlich nicht von der Rückkehrentscheidung ab (VwGH, 12.12.2018, Ra 2017/19/0553).

4. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht nur etwa zwei Monate liegen - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und es waren auch keine Beweise aufzunehmen. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Der Beschwerdeführerin wurde im Administrativverfahren im Zuge einer niederschriftlichen Einvernahme am 15.10.2019 zeitnah zur bescheidgemäßen Erledigung Parteiengehör hinsichtlich sämtlicher relevanter Fragen, gewährt. Auch in ihrem Beschwerdevorbringen vom 12.11.2019 wurde kein Sachverhalt vorgebracht, der eine entscheidungsmaßgebliche Veränderung gegenüber dem Administrativverfahren erkennen lässt.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen und konnte sich das Bundesverwaltungsgericht bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A unter Punkt 3.2. wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK, entschiedene Sache,
geänderte Verhältnisse, Privat- und Familienleben, Prozesshindernis
der entschiedenen Sache, res iudicata, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I415.1436252.5.00

Zuletzt aktualisiert am

28.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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