TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/18 G310 2208169-1

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Veröffentlicht am 18.03.2020
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Entscheidungsdatum

18.03.2020

Norm

AsylG 2005 §13 Abs2 Z2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G310 2208169-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Irak, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.09.2018, Zahl: XXXX, betreffend den Verlust des Aufenthaltsrechts zu Recht:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid

ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach illegaler Einreise 04.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Entscheidung über diesen Antrag ist seit 08.05.2017 im Rechtsmittelverfahren unter der GZ. L529 2155970-1 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) anhängig.

Am 18.09.2018 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Schreiben der Staatsanwaltschaft XXXX vom 12.09.2018 davon verständigt, dass gegen den BF Anklage wegen §§ 223 Abs. 1, 15, 149 Abs. 1, 15, 127 StGB erhoben wurde.

Dass eine Verständigung von der Anklageerhebung mittels Verfahrensanordnung an den BF erfolgt ist, geht aus dem Akt nicht hervor.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG ausgesprochen, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt ab dem 18.09.2018 verloren habe (Spruchpunkt I.). Begründend wurde dies mit der oben angeführten Anklageerhebung.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF mit der zusammengefassten Begründung, dass die Anwendung dieser Bestimmung den BF durch Verletzung der Unschuldsvermutung in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nach Art. 6 EMRK verletze.

Die Beschwerde und die Verwaltungsakten wurden dem BVwG vorgelegt, wo sie am 24.10.2018 einlangten.

Seitens der Rückkehrhilfe der Diözese XXXX, XXXX, wurden dem BVwG mehrere Schriftstücke über eine beabsichtigte Heimkehr und deren Widerruf übermittelt. Zuletzt langte am 26.11.2019 ein Schreiben über den erneuten Widerruf einer schon mehrmals vom BF in Erwägung gezogenen freiwilligen Rückkehr ein.

Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX.2020, XXXX, wurde der BF wegen der Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB, der versuchten Erschleichung einer Leistung nach §§ 15, 149 Abs. 1 StGB sowie der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen zweimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Einsicht genommen wurde in den Gerichtsakt des BVwG L529 2155970-1. Das Strafurteil liegt im Gerichtsakt auf.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Der mit "Aufenthaltsrecht" betitelte § 13 AsylG lautet wie folgt:

§ 13. (1) Ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, ist bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Abs. 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt.

(2) Ein Asylwerber verliert sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn

1. dieser straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3),

2. gegen den Asylwerber wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht worden ist,

3. gegen den Asylwerber Untersuchungshaft verhängt wurde (§§ 173 ff StPO, BGBl. Nr. 631/1975) oder

4. der Asylwerber bei der Begehung eines Verbrechens (§ 17 StGB) auf frischer Tat betreten worden ist.

Der Verlust des Aufenthaltsrechtes ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Wird ein Asylwerber in den Fällen der Z 2 bis 4 freigesprochen, tritt die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat zurück (§§ 198 ff StPO) oder wird das Strafverfahren eingestellt, lebt sein Aufenthaltsrecht rückwirkend mit dem Tage des Verlustes wieder auf.

(3) Hat ein Asylwerber sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Abs. 2 verloren, kommt ihm faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.

(4) Das Bundesamt hat im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechtes eines Asylwerbers abzusprechen.

§ 13 Abs. 4 AsylG stellt klar, dass eine Befugnis des BFA zur Beendigung der Aufenthaltsberechtigung eines Asylwerbers an die grundsätzliche Zuständigkeit zur Verfahrensführung und Erlassung eines verfahrensabschließenden Bescheides geknüpft ist. Wie aus den erläuternden Bemerkungen RV 1803 XXIV GP hervorgeht, soll durch die genannte Bestimmung das Auftreten eines Rechtsschutzdefizits vermieden werden und dem Asylweber die Möglichkeit gewährt werden, gegen den Verlust des Aufenthaltsrechts Beschwerde erheben zu können (vgl. Filzwieder/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, nwv-Verlag, §13 AsylG mit Verweis auf RV 1803 XXIV

GP).

Daraus ist für den vorliegenden Fall folgendes abzuleiten: Das BFA hat bereits einen verfahrensabschließenden Bescheid erlassen. Während eines Rechtsmittelverfahrens wie es im hier vorliegenden Fall gegeben ist, ist das BFA daher nicht befugt, über den Verlust einer Aufenthaltsberechtigung gem. § 13 Abs. 2 AsylG abzusprechen.

Der angefochtene Bescheid war daher im gesamten Umfang zu beheben.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

§ 21 Abs. 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs. 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht klärungsbedürftig ist, konnte hier eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchteil B:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Das Erkenntnis ist von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängig, weil es zur Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch außerhalb des verfahrensabschließenden Bescheids über den Verlust des Rechts auf Aufenthalt mit Bescheid absprechen darf, an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fehlt.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2208169.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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