TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/19 W211 2211662-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.03.2020
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Entscheidungsdatum

19.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W211 2211662-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX ,

StA: Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen

Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigten bis zum XXXX .03.2021 erteilt.

III. Die Spruchpunkte III. bis VI. werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Somalias, stellte am

XXXX .2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und wurde am selben Tag von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Dabei gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, aus Kismayo zu kommen, verheiratet zu sein und ein Lebensmittelgeschäft gehabt zu haben. Somalia habe er verlassen, weil er von Al Shabaab erpresst worden sei, seine Mutter und seine Schwester bei einer Explosion ums Leben gekommen seien, und er sein Geschäft verloren habe, weshalb er seine Frau nicht mehr ernähren habe können und deswegen von deren Familie bedroht worden sei.

Bei den Einvernahmen durch die belangte Behörde am XXXX .2018 und am XXXX .2018 gab der Beschwerdeführer soweit wesentlich an, er gehöre den Ogaden, XXXX an und stamme aus Kismayo. Er sei verheiratet; seine Frau befinde sich in Somalia. Er habe Kontakt zu ihr und seiner Schwester. Er habe von einem kleinen Lebensmittelgeschäft gelebt. Seine Schwester und seine Frau würden in Somalia für ihren Lebensunterhalt betteln. Er sei von Al Shabaab bedroht und zur Zusammenarbeit aufgefordert worden. Einmal sei er entführt worden und nach 24 Stunden durch die Bürgschaft eines Verwandten freigekommen. Er hätte Zakat zahlen sollen. Er wisse nicht, ob Al Shabaab noch aktiv sei in Kismayo. Nach Mogadischu könne er nicht, weil er dort niemanden kennen würde.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt I.), den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.) und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Dem Beschwerdeführer wurde amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

3. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom XXXX .2018 Beschwerde eingebracht, worin auf Berichte zur Dürre und zu den Überschwemmungen in Somalia verwiesen sowie ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer zu seinen Problemen in Somalia konsistente Vorbringen erstattet habe. Eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Mogadischu bestehe nicht.

4. Mit Schreiben vom XXXX 2019 wurden der Beschwerdeführer, seine Vertretung, die belangte Behörde und eine Dolmetscherin für eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht geladen.

Am XXXX 2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Vertretung eine mündliche Verhandlung durch. Die belangte Behörde hatte sich für die Teilnahme entschuldigt. Der Beschwerdeführer gab im Rahmen der Verhandlung an, regelmäßig seinen Hausarzt zu besuchen und Medikamente zu nehmen. Er stamme aus Kismayo und gehöre den Ogaden an. Mit seiner Frau und seiner Schwester in Somalia habe er Kontakt. Somalia habe er wegen der schlechten Sicherheitslage verlassen; es gebe dort Al Shabaab Milizen. Er sei einmal 24 Stunden angehalten worden. Ein Clanangehöriger habe dann aber für ihn gebürgt. Der Kontrollpunkt, an dem er angehalten worden sei, sei außerhalb der Stadt gewesen. In Kismayo habe die AMISOM die Kontrolle gehabt. Er sei auch davor von Al Shabaab bedroht worden und hätte Geld zahlen sollen, wie die anderen auch. Auf Nachfrage, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung auch von Problemen mit seiner Schwiegerfamilie gesprochen habe, meinte er, dass diese Familie gewollt habe, dass sich seine Frau von ihm scheiden lasse; man habe auch versucht, ihn zu schlagen.

5. Mit Stellungnahme vom XXXX .2019 teilte die Vertretung des Beschwerdeführers mit, dass dieser Mirtabene 30mg (zur Behandlung einer depressiven Erkrankung) und Escitaloptam 10mg (Antidepressivum) einnehme. Er leide weiter an Gastritis. Der Einfluss der Al Shabaab sei in Kismayo unklar. Doch selbst wenn dort keine Gefahr drohen würde, so stelle sich die allgemeine Lage in Kismayo nicht derart dar, als dass der psychisch beeinträchtigte Beschwerdeführer, der nur mehr über seine Frau und seine Schwester verfügen würde, dort überleben könnte.

6. Am XXXX 2019 wurde ein Parteiengehör zur Versorgungslage in Somalia eingeräumt. Die belangte Behörde gab dazu in ihrer Stellungnahme vom XXXX .2019 an, dass sich ihrer Meinung nach aus einer Einstufung IPC 3 von 5 keine "exzeptionellen Umstände" ableiten ließen. Die Vertretung des Beschwerdeführers führte in ihrer Stellungnahme vom XXXX .2019 aus, dass aufgrund der Berichtslage nicht von einer stabilen Versorgungslage in Somalia ausgegangen werden könne.

Am XXXX 2019 wurde das aktuelle Länderinformationsblatt vom XXXX .2019 ins Verfahren eingebracht und Parteiengehör eingeräumt; seitens der Vertretung des Beschwerdeführers wurde im Schreiben vom XXXX .2019 auf die früheren Stellungnahmen verwiesen.

Am XXXX .2020 wurde schließlich erneut ein Parteiengehör eingeräumt, diesmal zum Technical Release der FSNAU vom XXXX .2020 betreffend die Dürre- und Versorgungslage. Die belangte Behörde wiederholte in ihrer Stellungnahme vom XXXX 2020 im Wesentlichen ihre Aussagen aus der Stellungnahme vom XXXX .2019. Die Vertretung des Beschwerdeführers führte in ihrer Stellungnahme vom XXXX 2020 aus, dass Kismayo eben in die Stufe IPC 3 eingereiht würde, weiter werde auf die früheren Stellungnahmen verwiesen.

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

Der Beschwerdeführer ist ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, der am XXXX .2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.

Der Beschwerdeführer stammt aus Kismayo. Er besuchte dort die Schule und verdiente sich dann mit seinem eigenen Lebensmittelgeschäft einen Lebensunterhalt.

Er gehört dem Clan der Clan Ogaden, XXXX an.

Der Beschwerdeführer ist verheiratet. Seine Frau und eine Schwester leben nach wie vor in Kismayo. Mit ihnen steht der Beschwerdeführer in Kontakt. Manchmal können sich die Frauen über Haushaltsarbeit für andere einen Lebensunterhalt verdienen.

Der Beschwerdeführer leidet an einer Gastritis und Depressionen. Er ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

a) Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia vom 17.09.2019:

Kismayo: Die Städte Kismayo, Afmadow und Dhobley sowie die Orte Bilis Qooqaani und Kolbiyow werden von Regierungskräften und AMISOM kontrolliert. Die Situation in Dif und Badhaade ist hingegen ungewiss (PGN 8.2019; vgl. LI 21.5.2019a, S.2). Jamaame steht unter Kontrolle von al Shabaab; dies gilt auch für den nördlichen Teil Lower Jubas (PGN 8.2019). Dhobley ist relativ frei von al Shabaab (BFA 8.2017, S.64; vgl. PGN 8.2019) und wird als sicher erachtet (LIFOS 3.7.2019, S.27). Die Städte Kismayo, Afmadow und Dhobley sowie die Orte Bilis Qooqaani und Tabta können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 3.9.2019).

Die Bevölkerung von Kismayo ist in kurzer Zeit um 30% auf ca. 300.000 gewachsen. Viele der Zuzügler stammen aus dem Umland oder kamen aus Kenia oder der weltweiten Diaspora nach Kismayo zurück (FIS 5.10.2018, S.20f). Der Aufbau von Polizei und Justiz wurde und wird international unterstützt. Es gibt eine klare Trennung zwischen Polizei und anderen bewaffneten Kräften (BFA 8.2017, S.59). Das verhängte Waffentrageverbot in der Stadt wird umgesetzt, die Kriminalität ist auf niedrigem Niveau, es gibt kaum Meldungen über Morde (ME 27.6.2019). Folglich lässt sich sagen, dass die Polizei in Kismayo entsprechend gut funktioniert. Die al Shabaab ist in Kismayo nur eingeschränkt aktiv, es kommt nur selten zu Anschlägen oder Angriffen (BFA 8.2017, S.59; vgl. BMLV 3.9.2019). Die Stadt gilt als ruhig und sicher (ME 27.6.2019), auch wenn die Unsicherheit wächst (LIFOS 3.7.2019, S.27f). Zivilisten können sich in Kismayo frei und relativ sicher bewegen. Aufgrund der gegebenen Sicherheit ist Kismayo das Hauptziel für Rückkehrer aus Kenia. Der Stadt Kismayo - und damit der Regierung von Jubaland - wird ein gewisses Maß an Rechtsstaatlichkeit attestiert. Der Regierung ist es gelungen, eine Verwaltung zu etablieren (BFA 8.2017, S.58f; vgl. BMLV 3.9.2019). Regierungskräfte kontrollieren die Stadt, diese ist aber von al Shabaab umgeben (LIFOS 3.7.2019, S.27f); allerdings hat Jubaland die Front bis in das Vorfeld von Jamaame verschieben können. So ist al Shabaab zumindest nicht mehr in der Lage, entlang des Juba in Richtung Kismayo vorzustoßen. Trotzdem ist es der Gruppe möglich, punktuell auch in Kismayo Anschläge zu verüben (BMLV 3.9.2019).

Grundversorgung: Somalia steht wieder vor einem großen humanitären Notfall. Am meisten betroffen sind IDPs und marginalisierte Gruppen (SLS 12.7.2019; vgl. UNOCHA 31.7.2019, S.1). Das Land leidet unter den negativen Folgen unterdurchschnittlicher Regenfälle in der Gu-Regenzeit (April-Juni) 2019 (UNSC 15.8.2019, Abs.38ff). Letztere hat sehr spät eingesetzt. Der gefallene Regen hat die Dürre-Bedingungen zwar etwas entspannt und den Zustand des Viehs etwas verbessert; trotzdem reichte er nicht aus, um die Landwirtschaft nachhaltig zu stärken (UNSC 15.8.2019, Abs.38ff). Am Ende ist die Gu zwar normal oder fast normal ausgefallen; doch war der Niederschlag erratisch und schlecht verteilt. Außerdem kam er um ein Monat später als normal (FAO 19.7.2019, S.1). Bereits zuvor war die Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) 2018 schlecht ausgefallen und Anfang 2019 war ungewöhnlich trocken. Mit Ausnahme der Gu im Jahr 2018 ist seit Ende 2015 jede Regenzeit unterdurchschnittlich ausgefallen (UNSC 15.8.2019, Abs 38ff).

Versorgungslage / IPC: [IPC = Integrated Phase Classification for Food Security; 1-moderat bis 5-Hungersnot] Der humanitäre Bedarf ist nach wie vor hoch, Millionen von Menschen befinden sich in einer Situation akuter Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung (UNOCHA 31.7.2019, S.1). In Nord-und Zentralsomalia herrschen durchgehend moderate bis große Lücken in der Versorgung. Dort wird für August/September 2019 in einigen Teilen mit IPC 3 und IPC 4 gerechnet. Das gleiche gilt für den Süden, wo aufgrund einer unterdurchschnittlichen Ernte die Lebensmittelpreise steigen werden (FEWS 31.7.2019). Der Preis für Sorghum befindet sich bereits auf einer außergewöhnlichen Höhe (UNOCHA 9.9.2019, S.1). Viele Menschen aus ländlichen Gebieten sind in Städte gezogen, um Zugang zu Hilfsgütern zu erhalten (BAMF 20.5.2019, S.5).

Verarmte Pastoralisten mit kleinen Herden stehen in den nächsten Monaten vor Lücken in der Nahrungsmittelversorgung. Davon sind landesweit auch viele Agropastoralisten und Bauern betroffen. Während der Viehbestand vorübergehend von besserer Weide profitiert, ist in der Landwirtschaft mit einem Ernteausfall von 50% zu rechnen (UNSC 15.8.2019, Abs.38ff) -etwa bei Mais und Sorghum (DEVEX 9.7.2019). Nach neueren Angaben war die letzte Ernte in Südsomalia die schlechteste seit 1995 -68% unter dem Durchschnitt; im Nordwesten lag sie mit 44% unter dem Durchschnitt (FEWS 2.9.2019a).

Schätzungen zufolge werden bis September 2019 5,4 Millionen Menschen von Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung betroffen sein; davon 3,2 Millionen in IPC-Phase 2 (UNOCHA 14.8.2019) und 2,2 Millionen in den Phasen 3 und 4 (UNOCHA 14.8.2019; vgl. UNSC 15.8.2019, Abs.38ff). Ca. eine Million Kinder unter fünf Jahren werden bis Mitte 2020 vor einer Situation der akuten Unterernährung stehen, 178.000 vor schwerer akuter Unterernährung. Bis zu 2,1 Millionen Menschen werden sich hinsichtlich Nahrungsmittelversorgung in einer Krisensituation finden (IPC >2), 6,3 Millionen werden von einer Versorgungsunsicherheit bedroht sein (UNOCHA 9.9.2019, S.1f; vgl. FEWS 2.9.2019a; STC 3.9.2019). Dieses Szenario gilt dann, wenn die gegenwärtig getätigten humanitären Interventionen nicht verstärkt werden (UNOCHA 9.9.2019,S.1). Mit Stand September 2019 verhindert eine großangelegte humanitäre Hilfe schlimmere Zahlen. Geht die Hilfeleistung zurück, ist von einer Verschlechterung auszugehen. Und auch für den Fall, dass die Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) besser ausfallen sollte, wird sich dies frühestens Ende Dezember auf die Versorgungslage auswirken (FEWS 2.9.2019a).

b) OCHA Humanitarian Bulletin Somalia, April 2019 und Mai 2019 und FSNAU Quarterly Brief, April 2019 (Übersetzung aus dem Englischen):

Unterdurchschnittliche Regenfälle während des Deyr im Jahr 2018 (Oktober bis Dezember), gefolgt von rauen Wetterbedingungen während des trockenen Jilaal (Jänner bis März 2019) und schwache Gu-Regenfälle (April bis Juni 2019) haben in vielen Teilen Somalias zu einer sich verschlimmernden Dürre geführt, wie die Food Security and Nutrition Analysis Unit (FSNAU) und FEWSNET berichten. Die Gu-Regenfälle des Jahres 2019 sind im gesamten Horn von Afrika in den ersten sechs Wochen der Saison äußerst spärlich ausgefallen, was zu einer zweiten aufeinander folgenden unterdurchschnittlichen Regenzeit in einer Region geführt hat, die sich immer noch von den Auswirkungen der langen Dürre der Jahre 2016/17 erholt. Der Gu des Jahres 2019 ist der dritt-trockenste sei Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1981.

Die letzten Regenfälle haben zwar etwas Druck aus der Wasserversorgung rausgenommen, werden aber nicht als ausreichend eingestuft, um nachhaltige Agrarproduktion zu garantieren.

Weit verbreitete Ernteausfälle und die Abnahme der Viehbestände verschieben Gemeinschaften in den am schlimmsten betroffenen Gebieten in die IPC-Stufe 3 (crisis) oder schlimmer. Folglich erhöhte sich die Zahl der Menschen in den IPC-Stufen 3 und 4 im Juni auf nunmehr 2,2 Millionen bis Juli. Die ersten Berichte dazu aus dem Frühjahr 2019 meinten, dass fast die Hälfte davon (43 Prozent) IDPs darstellen. Die schwere Dürre dürfte dieses Jahr zu geschätzten 44.000 weiteren Binnenvertriebenen, die vom Land in urbane Zentren ziehen, führen. Insgesamt gibt es in ganz Somalia 2,6 Millionen IDPs.

c) Aus dem Technical Release des FSNAU vom 03.02.2020 ergibt sich zusammengefasst aus dem Englischen, dass trotz einer verbesserten Getreideernte und eines verbesserten Viehbestands nach einer guten Deyr-Saison immer noch 1,3 Mio Menschen in Somalia unter Versorgungsengpässen mit Nahrungsmitteln leiden werden (IPC 3). Zusätzlich sind immer noch 963.000 Kinder unter fünf Jahren davon betroffen, bis Dezember 2020 akut unterernährt zu sein. Schäden durch Heuschrecken sind noch auf spät gepflanzte Aussaat limitiert. Das Risiko von Schäden durch Heuschrecken bleibt aber hoch.

Insbesondere betroffen sind IDP Lager (IPC 3), während urbane Bereiche gewöhnlich unter IPC 1 oder 2 eingestuft werden. Anders ist das aber in Kismayo, wo auch der urbane Bereich mit IPC 3 eingestuft wird, und zwar wegen der hohen Lebenserhaltungskosten und fehlenden Möglichkeiten am Arbeitsmarkt.

Für Lower Juba werden bei einer Einwohner_innenzahl von geschätzt 2,2 Mio Menschen zur Zeit 150.000 in der Stufe IPC 2 und 86.000 in der Stufe 3 eingestuft; mit Aussicht auf Juni 2020 soll sich diese Zahl steigern auf 151.000 in der Stufe 2 und 90.000 in der Stufe 3.

Im Falle einer schlechten kommenden Gu-Saison, im Falle von Überschwemmungen und/oder einer sich fortentwickelnden Heuschreckenplage kann sich die Nahrungsmittelversorgung für Somalia auch gegenüber der Schätzung verschlechtern.

1.3. Zum Fluchtvorbringen:

Eine Gefährdung des Beschwerdeführers durch die Al Shabaab in Kismayo oder durch die Familie seiner Ehefrau wird nicht festgestellt.

1.4. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr:

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende oder lebensgefährliche Situation gelangen würde.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden.

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Zu folgenden Feststellungen unter oben 1. wird weiter näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Herkunft, Clanzugehörigkeit, zum Schulbesuch und zur Berufstätigkeit sowie zu den Verwandten in Somalia beruhen auf den konsistenten Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens, die glaubhaft sind.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit beruht auf einem Auszug aus dem Strafregister.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand beruht auf vorgelegten Unterlagen und den diesbezüglichen und nicht strittigen Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens.

2.2.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia

Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Beurteilung der gegenständlichen Beschwerde auf aktuelle Länderinformationen, die in Auszügen unter Punkt 1.2. in diesem Erkenntnis wiedergegeben sind.

Diese Informationen stützen sich auf die folgenden Einzelquellen:

a) Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia vom 17.09.2019:

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (20.5.2019): Briefing Notes 20. Mai 2019

-

BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, URL, Zugriff 31.5.2019

-

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung (Österreich) (3.9.2019): Anfragebeantwortung an die

-

FAO - UN Food and Agriculture Organization / SWALIM (19.7.2019):

2019 Gu (March to June) Rainfall Performance and Impacts - Issued 19 July 2019, URL, Zugriff 23.7.2019

-

FEWS - Famine Early Warning System Network / FSNAU (2.9.2019a):

Somalia 2019 Post Gu FSNAU FEWS-NET Technical Release, URL, Zugriff 16.9.2019

-

FEWS - Famine Early Warning System Network / FSNAU / FAO (2.9.2019b): A Briefing on the Outcome of the 2019 Post Gu Seasonal Food Security and Nutrition Assessment, URL, Zugriff 16.9.2019

-

FEWS - Famine Early Warning System Network (31.7.2019): Somalia Key Message Update, July 2019, URL, Zugriff 22.8.2019

-

FIS - Finnish Immigration Service (Finnland) (5.10.2018): Somalia:

Fact-Finding Mission to Mogadishu and Nairobi, January 2018, URL, Zugriff 4.6.2019

-

DEVEX / Sara Jerving (9.7.2019): Somali aid community faces up to a new reality of recurring drought, URL, Zugriff 23.7.2019

-

LI - Landinfo (Norwegen) (21.5.2019a): Somalia: Al-Shabaab-områder

i Sør-Somalia, URL, Zugriff 15.7.2019

-

LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (9.4.2019): Somalia - Folkbokförning, medborgarskap och identitetshandlngar, URL, Zugriff 8.5.2019

-

ME - Militärstrategischer Experte (27.6.2019): Interview mit der Staatendokumentation

-

NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019):

Country of Origin Information Report on South and Central Somalia (nicht veröffentlichte englische Version), niederländische Version auf URL, 18.6.2019

-

PGN - Political Geography Now (8.2019): Somalia Control Map & Timeline - August 2019, URL, Zugriff 28.8.2019

-

SLS - Somaliland Standard (12.7.2019): Response plan for impact of poor Gu rains in place to avoid a major crisis in Somalia, URL, Zugriff 23.7.2019

-

STC - Safe the Children (9.2017): Changing Social Norms in Somalia: Exploring the Role of Community Perception in FGM/C, Fact Sheet No. 6, URL, Zugriff 10.7.2019

-

UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (31.7.2019): Humanitarian Bulletin Somalia, 1-31 July 2019, URL, Zugriff 22.8.2019

-

UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (14.8.2019): Somalia: Humanitarian Snapshot (as of 14 August 2019), URL, Zugriff 22.8.2019

-

UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (9.9.2019): Humanitarian Bulletin Somalia, 1-31 August 2019, URL, Zugriff 16.9.2019

-

UNSC - UN Security Council (15.5.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 15.7.2019

-

UNSC - UN Security Council (15.8.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 22.8.2019

b) Zur Versorgungslage: OCHA Humanitarian Bulletin Somalia, April 2019 und Mai 2019 und FSNAU Quarterly Brief, April 2019. Diese Dokumente wurden in Auszügen und übersetzt aus dem Englischen unter

1.2. wiedergegeben.

c) Der Technical Release von FSNAU ist online abrufbar unter https://www.fsnau.org/.

An der Aktualität, Verlässlichkeit und Richtigkeit der Informationen hat das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel. Die Stellungnahmen der Parteien, soweit eingebracht, stellen sich im Ergebnis nicht gegen die Inhalte der festgestellten Berichte.

2.2.3. Zum Fluchtvorbringen

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine Gefahr durch Al Shabaab ist zuallererst auf die konsolidierte Kontrollsituation in Kismayo zu verweisen, die in den Länderberichten beschrieben wird.

Darüber hinaus deuten die Angaben, die der Beschwerdeführer zu seinen Kontakten mit Al Shabaab macht, nicht darauf hin, dass er in der aktuellen Kontrolllage in Kismayo ins Visier der Miliz kommen würde. Auszüge dazu aus dem Verhandlungsprotokoll:

"[...] R: Können Sie mir möglichst detailliert den konkreten Grund schildern, wieso Sie Somalia verlassen haben?

P: Weil dort eine schlechte Sicherheitslage herrscht. Ich bin geflüchtet, um mein Leben zu retten.

R: Wovor mussten Sie Ihr Leben retten?

P: Vor den dortigen Al-Shabaab-Milizen.

R: Gab es einen konkreten Vorfall, weswegen Sie weggehen mussten?

P: Ich bin einkaufen gegangen für das Geschäft und an einem Kontrollpunkt wurde ich angehalten. Sie haben mich 24 Stunden eingesperrt. Dann wurde für mich gebürgt und so konnte ich freikommen.

R: Wieso wurden Sie am Kontrollpunkt eingesperrt und nicht durchgelassen?

P: Weil ich Khat und Zigaretten transportiert habe und sie meinten, dass das verboten wäre. Das war der Vorwurf, dass ich Khat bei mir hätte, aber ich habe das nicht getan. Ich hatte normale Waren bei mir. Ich war in einem Auto mit anderen Zivilisten.

R: Wer hat für Sie gebürgt?

P: Ein weit entfernter Cousin, XXXX. Ich habe keinen Kontakt zu ihm. Ich weiß nicht, wo er jetzt lebt.

R: Haben Sie ihn damals, als Sie zu Hause waren, gekannt?

P: Nein, ich kannte ihn nicht von früher. Er ist aus einer weit entfernten Verwandtschaft.

R: Wie wusste er dann überhaupt, dass Sie gefangen waren?

P: Man hat ihm das gesagt.

R: Wer hat ihm das gesagt?

P: Meine Schwester hat es ihm gesagt. Es ist dort so üblich, dass verbreitet wird, wenn etwas passiert.

R: Können Sie mir genauer sagen, wer diesen Cousin ins Spiel gebracht hat, nachdem Sie verhaftet wurden?

P: Es ist kein Cousin, sondern ein Clan-Angehöriger. Es dort so üblich, dass man zu einem Clan-Ältesten geht, wenn etwas passiert. In jedem Clan gibt es dann jemanden, der für einen spricht und an den man sich wenden kann.

R: Wer hatte damals die Kontrolle oder Macht in Kismayo, als das alles passiert ist?

P: Es gab keine Gruppe, die man als "Kontrolle" bezeichnen konnte. Die AMISOM und die Regierung waren dort, aber rundherum ist die Al-Shabaab.

R: Wo war dieser Kontrollpunkt, an dem Sie festgehalten wurden?

P: Richtung Buulo Guduud. Auf Nachfrage: Ja, das war etwas außerhalb der Stadt.

R: Hatten Sie öfter Kontakte mit der Al-Shabaab?

P: Das war der letzte Kontakt. Davor kam es schon vor, dass man einen Zettel bekommen hat und Anrufe.

R: Wie lange waren Sie nach diesem Vorfall noch in Kismayo, bevor Sie weggegangen sind?

P: Nicht lange. Gleich am nächsten Tag nach der Freilassung habe ich Kismayo verlassen.

R: Wie sind Sie dann zu Ihrem Geld gekommen?

P: Welches Geld meinen Sie?

R: Das Geld, dass Sie für die Reise gebraucht haben.

P: Mein Geschäft wurde verkauft. Gleich nach der Freilassung habe ich begonnen, am Verkauf des Geschäfts zu arbeiten. Ich habe dann das Geschäft verkauft und dann bin ich gegangen.

R: Waren Ihr Geschäft und Ihr Haus in der Stadt Kismayo selbst?

P: Ja.

R: Haben Ihre Frau und Ihre Schwester im Moment Probleme mit der Al-Shabaab?

P: Ich frage sie nicht danach, damit sie keine Schwierigkeiten bekommen.

R: Was würden sie denn für Schwierigkeiten bekommen?

P: Ich habe Angst, dass sie Probleme bekommen, wenn man mitbekommt, dass sie darüber sprechen.

R: Wenn Sie jetzt nach Kismayo zurückkehren würden, was würde Sie dann erwarten?

P: Das, was mich zur Flucht geführt hat, besteht noch immer. Die Umstände sind noch immer so, wie sie waren und es gibt keine Sicherheit.

R: Sie wurden von Al-Shabaab freigelassen. Wieso wären die noch an Ihnen interessiert?

P: Ich habe vor diesem Vorfall mehrere Drohungen von Al-Shabaab bekommen. Es gab dreimal telefonische Anrufe von Al-Shabaab und einmal wurde ein Zettel an mein Geschäft geklebt.

R: Wann waren diese Anrufe und dieser Zettel?

P: Ich glaube, es war im Jahr 2008.

R an RV: Haben Sie Fragen?

RV: Waren alle Anrufe und Zettel 2008? Gab es nach 2008 auch noch Bedrohungen?

P: Ja, bis zum Jahr 2015.

RV: In welcher Hinsicht wurden Sie da bedroht?

P: Sie wollten, dass mit den Mujaheddin arbeite oder, dass ich sie mit Geld unterstütze.

RV: Sie haben gesagt, Sie haben beim Checkpoint Waren bei sich gehabt. War das nach dem Einkaufen oder davor?

P: Ja, das war nach dem Einkaufen.

RV: Wo waren Sie einkaufen?

P: Ich habe Waren von Kismayo nach Buulo Guduud gebracht und von dort Waren zurück nach Kismayo.

RV: Buulo Guduud ist nicht direkt in Kismayo?

P: Ja.

R: Wie lange fährt man mit dem Bus von Kismayo nach Buulo Guduud?

P: Ich kann es nicht genau sagen, aber es ist etwas weiter entfernt.

RV: Haben diese Fragen nach Geldleistungen oder Unterstützung auch andere als Sie betroffen?

P: Die anderen auch.

RV: Wie hat das funktioniert?

P: Das war unterschiedlich. Manche haben diese Geldleistungen bezahlt und die anderen haben, wenn es fällig wurde, das Geschäft geschlossen und gemeint, nicht da zu sein. Nach einiger Zeit haben sie das Geschäft wieder aufgemacht.

R: Wie haben Sie das gemacht?

P: Es war schwierig für mich, zu zahlen. Ich habe das Geschäft geschlossen.

R: Wann haben Sie das Geschäft geschlossen? Haben Sie gewusst, wann die Al-Shabaab vorbeikommen will?

P: Sie sind ungefähr einmal im Monat gekommen und ich habe das Geschäft geschlossen.

RV: Können Sie uns noch erklären, wie Sie dann tatsächlich, nachdem Sie festgehalten wurden, wieder herausgekommen sind?

P: Sie haben mir die Augen verbunden und mich eingesperrt. Nach 24 Stunden haben sie mir gesagt, man hätte für mich gebürgt und dann haben sie mir die Augen wieder verbunden und mich dorthin zurückgebracht, wo sie mich angehalten hatten.

RV: Haben Sie sich dann bei Ihren Clan-Angehörigen gemeldet?

P: Nein, das habe nicht getan. Ich habe mich gefreut, dass ich freigelassen wurde und habe daran gearbeitet, wie ich flüchten könnte. [...]"

Daraus lässt sich ableiten, dass der Kontakt, bei dem der Beschwerdeführer 24 Stunden angehalten worden sein soll, bei einem Checkpunkt außerhalb der Stadt stattgefunden haben soll, und er nach einer Intervention durch einen Clanangehörigen freigelassen wurde. Aus diesen Angaben kann nun nicht herausgelesen werden, dass die Miliz am Beschwerdeführer ein besonderes Interesse haben würde. Zum einen muss bereits gesehen werden, dass der Vorwurf einer nicht erlaubten Warenlieferung leicht zu entkräften gewesen sein müsste, indem die mitgeführten Waren kontrolliert am Checkpoint werden: Da der Beschwerdeführer angab, kein Khat dabei gehabt zu haben, lassen sich keine Hinweise erkennen, dass Al Shabaab eine Bestrafungsinteresse am Beschwerdeführer haben würde. Somit lässt sich eine Gefährdung weder aus der Kontrolle und Anhaltung am Checkpoint noch aus dem Vorwurf einer verbotenen Warenlieferung ablesen. Die davorliegenden Drohungen betrafen die (üblichen) Steuerforderungen der Al Shabaab, die viele Wirtschaftsreibende betroffen haben, was der Beschwerdeführer auch so angibt. Dass sich daraus, dass der Beschwerdeführer früher diese Steuer nicht oder nicht regelmäßig abgeführt hat, ein Interesse der Miliz ergeben würde, ihn im Falle einer nunmehrigen Rückkehr zu belangen, geht nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Verbindung mit der relativ konsolidierten Sicherheitssituation in Kismayo hervor.

Eine entsprechende aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers durch die Al Shabaab kann daher nicht festgestellt werden.

Nur vage und oberflächlich und im Beschwerdeverfahren nur über Initiative der erkennenden Richterin berichtete der Beschwerdeführer von Problemen mit seiner Schwiegerfamilie, die ihm vorgeworfen haben soll, seine Frau nicht ausreichend versorgen zu können. Es sei zu Streit, sogar zu Schlägen gekommen. Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll:

" [...] R: In der Erstbefragung vor der Polizei im Jahr 2016 haben Sie gesagt: "Ich habe mein Geschäft verloren und konnte meine Frau nicht mehr ernähren. Deswegen hat mich die Familie meiner Frau erpresst." Was hat es damit auf sich?

P: Es gab Differenzen zwischen mir und der Familie meiner Frau. Sie haben gesagt, dass ich meine Frau nicht ernähren kann.

R: Hatten diese Streitigkeiten für Sie irgendwelche Konsequenzen?

P: Sie haben versucht, meine Frau gewaltsam von mir scheiden zu lassen. Sie haben versucht, mich zu schlagen. Sie waren bewaffnet und es war von ihnen alles zu erwarten. [...]"

Aus diesem Vorbringen lässt sich nun eine entsprechende Gefährdung des Beschwerdeführers durch die Schwiegerfamilie, insbesondere in Hinblick auf eine gewisse Eingriffsschwere, nicht ableiten, weshalb eine solche ebenfalls nicht festgestellt werden kann.

2.2.4. Zur Rückkehrsituation des Beschwerdeführers

Die Feststellung zum Bestehen eines Abschiebehindernis beruht im Wesentlichen auf den aktuellen Informationen zur wiederkehrenden Versorgungsproblematik in Somalia. Die dazu evaluierten Berichte führen dazu allgemein aus, dass die periodischen Regenfälle erneut zu gering/nicht ausreichend ausgefallen sind und in weiten Teilen Somalias zu einer sich verschlimmernden Dürre geführt haben. Das Augenmerk wird insbesondere darauf gelegt, dass mit den Konsequenzen unterdurchschnittlicher Regenzeiten eine Region betroffen ist, die sich immer noch von den Auswirkungen der letzten langen Dürre der Jahre 2016/2017 erholt. Es kommt zu Ernteausfällen und Abnahme des Viehbestands. Es sind geschätzt 2,2 Millionen Menschen als in die ICP Kategorie 3 (crisis) fallend anzusehen, wovon 43% IDPs sind.

Aus der diesbezüglich aktuellsten Information geht hervor, dass zwar trotz einer verbesserten Getreideernte und eines verbesserten Viehbestandes nach einer guten Deyr-Saison immer noch 1,3 Mio Menschen in Somalia an Versorgungsengpässen leiden und daher unter die Stufe 3 fallen. Immer noch sind 963.000 Kinder von der Gefahr betroffen, bis Ende des Jahres akut unterernährt zu sein. Die Schäden durch die Heuschreckenplage sind noch auf die spät gepflanzte Aussaat limitiert; das Risiko von Schäden durch diese bleibt aber hoch. Insbesondere betroffen sind IDP Lager (IPC 3), während urbane Bereiche gewöhnlich unter IPC 1 oder 2 eingestuft werden. Bemerkenswert ist jedoch, dass gerade für Kismayo auch im urbanen Bereich - also auch außerhalb der IDP Siedlungen - eine Einstufung in IPC 3 vorgenommen wird, was gerade mit dem Zustrom an Einwohner_innen zu tun hat, der zu erhöhten Lebenserhaltungskosten und fehlenden Arbeitsmöglichkeiten geführt hat. Eine schlechte kommende Gu-Saison und/oder eine Fortentwicklung der Heuschreckenplage kann die allgemeine Nahrungsmittelversorgung außerdem wieder verschlechtern.

Aus diesen Informationen geht hervor, dass die Versorgungslage in Somalia seit der großen Dürre grundsätzlich volatil ist. Zwar kommt es glücklicherweise durch gute Regenzeiten zur Entspannung der Situation, andererseits folgen unverlässliche Regenzeiten und erst in den letzten Monaten eine Heuschreckenplage, die nach den Vorausblicken noch nicht ausgestanden ist. Besonders hervorstechend ist jedoch gegenständlich, dass gerade die verbesserte - konsolidierte - Sicherheitssituation in Kismayo zu einem Bevölkerungswachstum auch durch Rückkehrer_innen geführt hat, das nunmehr offenbar die urbanen Strukturen sprengt und aufgrund hoher Lebenserhaltungskosten in Verbindung mit einem offensichtlich nicht ausreichend großen Arbeitsmarkt zu bemerkenswerten Versorgungsengpässen führt.

Konkret den Beschwerdeführer betreffend wird nicht übersehen, dass er von einem Mehrheitsclan abstammt und noch über seine Frau und seine Schwester in Kismayo verfügt. Allerdings muss in diesem Zusammenhang gesehen werden, dass seine Frau und seine Schwester bereits selbst offenbar Schwierigkeiten haben, sich einen Lebensunterhalt zu verdienen, und daher nicht als entsprechende Unterstützung angesehen werden können. Dass erweiterte Clanstrukturen hier helfend einschreiten können, kann im Lichte der allgemeinen Einstufung in IPC 3 nicht mehr einfach angenommen werden. Schließlich muss zur Kenntnis genommen werden, dass der Beschwerdeführer an eine Depression leidet und daher nicht die nötige Resilienz mitbringt, um in einer bereits sehr angespannten Situation aus eigener Kraft den nötigsten Lebensunterhalt erwirtschaften zu können. Es muss daher gegenständlich davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer von der Versorgungskrise in seinem Herkunftsort unmittelbar betroffen wäre.

Ein Fortzug und eine Neuansiedlung in einem anderen Landesteil müsste daran scheitern, dass die Versorgungslage in Somalia insgesamt grundsätzlich angespannt ist, und der Beschwerdeführer in anderen Landesteilen keinerlei Unterstützung durch Clan und Jilib erlangen könnte, weshalb er als IDP in Zusammenhang mit der Versorgungskrise gerade besonders vulnerabel wäre (vgl. dazu zB Mogadischu, wo gerade die IDPs unter die Stufe IPC 3 gezählt werden).

Folglich war die oben unter 1.4. angeführte Feststellung zu treffen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu Spruchpunkt I.

3.1.1. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. jüngst etwa VwGH vom 24. Juni 2014, Ra 2014/19/0046, mwN, vom 30. September 2015, Ra 2015/19/0066, und vom 18. November 2015, Ra 2015/18/0220, sowie etwa VwGH vom 15. Mai 2003, 2001/01/0499, VwSlg. 16084 A/2003). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.1.2. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, kann eine aktuelle und maßgeblich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers durch die Al Shabaab wegen einer ihm auch nur unterstellten oppositionellen politischen und/oder religiösen Gesinnung im Falle einer Rückkehr nach Kismayo nicht angenommen werden. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer einer aktuellen und maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr durch seine Schwiegerfamilie, und damit als Mitglied der sozialen Gruppe der Familie, unterliegen würde. Der Beschwerdeführer machte daher keine aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Grund aktuell drohende Verfolgung maßgeblicher Intensität glaubhaft, weshalb die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

3.2. Zu Spruchpunkt II.

3.2.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht werden (vgl. EGMR vom 06.02.2001, Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH vom 21.08.2001, 2000/01/0443).

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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