TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/15 96/09/0105

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Veröffentlicht am 15.04.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
25/01 Strafprozess;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
63/03 Vertragsbedienstetengesetz;

Norm

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
BDG 1979 §108 Abs2;
BDG 1979 §109 Abs1;
BDG 1979 §109;
BDG 1979 §110;
BDG 1979 §91;
BDG 1979 §94 Abs1 Z1;
BDG 1979 §94 Abs1;
BDG 1979 §96;
StPO 1975 §84;
VBG 1948 §34 Abs2;
VBG 1948 §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Robert K in S, vertreten durch Dr. Hermann Heller, Rechtsanwalt in Wien III, Marokkanergasse 21/11, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission für Beamte und Lehrer beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 26. Februar 1996, Zl. 2-DKfBuL/96, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach dem BDG 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Einleitung des Disziplinarverfahrens hinsichtlich der Punkte 1., 2., 3., 4., 6. und 7. verfügt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im übrigen - hinsichtlich der Einleitung des Disziplinarverfahrens im Umfang von Punkt 5. - wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Kontrollor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er wurde seit 3. Jänner 1994 (und seit 1. September 1994 "definitiv") als Lagermeister dem Heeres-Sanitätslager Wien zur Dienstleistung zugeteilt.

Mit dem als Beschluß bezeichneten, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 26. Februar 1996 hat die belangte Behörde gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 die Durchführung eines Disziplinarverfahrens gegen den Beschwerdeführer beschlossen. Der Spruch dieses Bescheides lautet:

"Robert K steht im Verdacht,

1. während der Dienstzeit Alkohol konsumiert und einen Alkoholhandel betrieben,

2. gegenüber weiblichen Bediensteten aufdringlich gewesen zu sein bzw. diese belästigt,

3.

Heereskraftfahrzeuge für private Zwecke benutzt,

4.

einen Dienststempel für Privatzwecke verwendet,

5.

gegenüber Mitarbeitern Drohungen geäußert bzw. Druck ausgeübt,

6.

regelwidrige Ausscheidungen von Heeresgütern vorgenommen,

7.

Altmedikamente an Privatpersonen abgegeben

und dadurch gegen die im § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 normierten allgemeinen Dienstpflichten sowie die Erlässe

Zl. 30.000/383-3.3/83 vom 12. Dezember 1983, VBl.I Nr. 19/1983, VBl.I Nr. 111/1989 und VBl.I Nr. 175/1984 schuldhaft verstoßen und eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 91 leg. cit. begangen zu haben."

Die Begründung des angefochtenen Bescheides hat folgenden Wortlaut:

"Am 8. Februar 1996, Zl. 4.016-3170/PersA/96, erstattete der Leiter des Heeres-Materialamtes Disziplinaranzeige und übermittelte Niederschriften, die die einzelnen Vorwürfe untermauern. Die Disziplinaranzeige wurde am 22. Februar 1996 durch die Bekanntgabe der Zeitpunkte des Bekanntwerdens der einzelnen Sachverhalte ergänzt. Den erhobenen Anschuldigungen liegen folgende Sachverhalte zugrunde:

1. Robert K hätte öfters (z.B. am 26. April 1994, 10. Mai 1994) während der Dienstzeit einen alkoholisierten Eindruck gemacht bzw. während der Dienstzeit Alkohol konsumiert (z.B. am 27. Jänner 1994, 26. April 1994). Weiters hätte er in seiner Dienststelle Schnaps in größerem Umfang gelagert und während der Dienstzeit verkauft (am 23. September 1995 bekannt geworden).

2. Im Frühjahr 1995 hätte Robert K VB Monika D zwei Rosen geschenkt, die entrollt Reizwäsche darstellten, worauf die Beschenkte beschämt bzw. peinlich berührt und schockiert gewesen sei. Weiters hätte der Beschuldigte in Gegenwart der Bediensteten VB Elisabeth P Post geöffnet, die intime Bilder nackter Frauen beinhaltet hätte bzw. einen Ordner hergezeigt, in welchem einschlägige Fotos gesammelt waren. VB Monika D wurde von Robert K auch dadurch belästigt, indem er ihr Briefe schickte bzw. Blumen, Pralinen und Sekt schenkte, obwohl er aufgefordert worden sei, dies zu unterlassen. (Am 28. September 1995 bekannt geworden)

3. Robert K hätte während der Dienstzeit Heereskraftfahrzeuge genutzt um private Erledigungen, z.B. Besuch des Lokales Fleur in Wien 1, Seilerstätte, zu tätigen. Am 25. Juli 1994 wäre der Beschuldigte mit VB Lorenz R in die Wohnung des Gernot M (Sohn des ADir RgR Josef M) gefahren, um dort, nachdem er während der Dienstzeit private Arbeiten verrichtet hätte, diverse Werkzeuge zu verpacken und in das Heeressanitätslager zurückzubringen. (Am 23. September 1995 bekannt geworden)

4. Robert K hätte seit dem Jahr 1993 den Kopfstempel des Heeressanitätslagers benutzt, um private Post an ÖKM als Dienstpost zu versenden. (Am 23. September 1995 bekannt gworden)

5. Robert K hätte am 13. September 1995 den Zugsführer W unter Druck gesetzt, eine Meldung bezüglich der Pistole des VB D zu machen. Dabei hätte er gedroht, mit der Freundin des Zgf W zu telefonieren und sie "wieder eifersüchtig" zu machen. Der Beschuldigte hätte weiters versucht, VB D nach dem 12. September 1995 unter der Drohung, daß diesem "etwas passieren" würde, dazu zu bringen, dessen bei der U-Kommission/HMatA getätigt Aussage dahingehend zu redigieren, daß auf ihn und M keine Schuld mehr fallen könne. (Am 15. September 1995 bekannt geworden)

6. Am 24. Februar 1994 hätte Robert K San-Güter, welche zur Instandsetzung abgegeben wurden (ca. 10 bis 15 Druckminderer für Sauerstoffgeräte, Martin-Assistenten und diverse chirurgische Instrumente), dadurch entsorgt, indem er diese in den Eisenschrott bzw. Abfall warf.

Im Februar 1995 hätte der Beschuldigte überdies vier Stück Kunststoffkoffer für Wiederbelebungspuppen (Kosten ca. ÖS 4.000,--) in den Schrott geworfen, obwohl nur die Schlösser (Kosten ca. 450,--) defekt waren. (Am 2. Oktober 1995 bekannt geworden)

7. Robert K hätte Altmedikamente des Heeressanitätslagers an Privatpersonen abgegeben (z.B. Dr. Z). (Am 28. September 1995 bekannt geworden)

Für die Vorgangs- bzw. Verhaltensweisen hinsichtlich Pkt. 1 (Erlaß vom 12. Dezember 1983, Zl. 30.000/383-3.3./83, "Verbot des Alkoholkonsums und Alkoholausschankes während der Dienstzeit - Neuregelung"), Pkt. 3 (VBl.I Nr. 19/1983, Zl. 33 623(15-3.17/82, "Kraftfahrbetrieb - Einsatz und Verwendung von Heeresfahrzeugen; allgemeine Regelungen"), Pkt. 6 (VBl.I Nr. 111/1989, Zl. 40 590/79-4.1/89, "Ausscheidung von unbrauchbarem Feldzeug-, Luftzeug-, Sanitäts- und Veterinär-Gerät") und Pkt. 7 (VBl.I Nr. 175/1984, Zl. 54 755/65-4.10/84, "Arzneimittel und Sanitätsgüter mit befristeter Haltbarkeit-Umschlag (Umwälzung)) bestehen eindeutige und klare Richtlinien.

Da sich sämtliche Sachverhalte auf den Zeitraum zwischen 1993 und 1995 beziehen und - wie sich aus der Disziplinaranzeige ergibt - der Disziplinarbehörde zwischen dem 15. September 1995 und dem 2. Oktober 1995 bekannt wurden, ist hinsichtlich der angeführten Verdachtsmomente keine Verjährung nach § 94 BDG 1979 eingetreten.

aus dem dargelegten Sachverhalt ergibt sich der begründete Verdacht, Robert K habe gegen die im § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 geregelten Pflichten, nämlich seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen (Abs. 1) und ins einem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit und die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt (Abs. 2), sowie die im Spruch angeführten Erlässe schuldhaft verstoßen und eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 91 leg. cit. begangen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht, daß gegen ihn kein weiteres Disziplinarverfahren eingeleitet werde, verletzt. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Beschwerdeführer äußerte sich zur Gegenschrift mit

Schriftsatz vom 3. September 1996.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) ist nach seinem in § 1 Abs. 1 normierten Anwendungsbereich auf alle Bediensteten anzuwenden, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehen. Sie werden im folgenden als "Beamte" bezeichnet.

Gemäß § 94 Abs. 1 BDG 1979 darf der Beamte wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht

1. innerhalb von sechs Monaten gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder

2. innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung,

eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde. Sind von der Dienstbehörde vor Einleitung des Disziplinarverfahrens im Auftrag der Disziplinarkommission notwendige Ermittlungen durchzuführen (§ 123 Abs. 1 zweiter Satz), verlängert sich die unter Ziffer 1 genannte Frist um sechs Monate.

Nach § 96 leg. cit. sind Disziplinarbehörden 1. die Dienstbehörden, 2. die Disziplinarkommissionen, 3. die Disziplinaroberkommission.

Zustellungen haben gemäß § 108 Abs. 1 BDG 1979 an die Parteien zu eigenen Handen zu erfolgen.

Sofern der Beschuldigte einen Verteidiger hat, sind nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sämtliche Schriftstücke auch dem Verteidiger zu eigenen Handen zuzustellen. Ist der Verteidiger zustellungsbevollmächtigt, so treten die Rechtswirkungen der Zustellung für den Beschuldigten mit dem Zeitpunkt der Zustellung an den Verteidiger ein.

Gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 hat der Senatsvorsitzende nach Einlangen der Disziplinaranzeige den Disziplinarsenat zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag des Senatsvorsitzenden durchzuführen.

Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle dieser Beschluß dem beschuldigten Beamten, dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Gegen die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist kein Rechtsmittel zulässig.

In der Beschwerde wird zutreffend gerügt, daß die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht klar umschrieben hat, welches Verhalten sie dem Beschwerdeführer (im Sinne der Punkte 1. bis 7.) als Dienstpflichtverletzungen anlastet; doch läßt sich der zur Auslegung dieses unklaren Spruches heranzuziehenden Bescheidbegründung entnehmen, daß dem Beschwerdeführer der darin als "Anschuldigungen 1. bis 7."

umschriebene Sachverhalt als Dienstpflichtverletzungen vorgeworfen wird.

Ausgehend von dieser Deutung des Inhaltes des Bescheidspruches ist im Beschwerdefall vor allem strittig, wann hinsichtlich der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Anschuldigungen die sechsmonatige Verjährungsfrist zu laufen begonnen hat, bzw. ob innerhalb dieser Frist der Einleitungsbeschluß gegen den Beschwerdeführer erlassen wurde (zur Relevanz der Erlassung des Einleitungsbeschlusses für die Beurteilung der Verfolgungsverjährung vgl. die hg. Erkenntnisse vom 1. September 1988, Zl. 88/09/0064, und vom 25. Juni 1992, Zl. 91/09/0190).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 31. Mai 1990, Zl. 86/09/0200, vom 28. November 1991, Zl. 91/09/0029, vom 26. November 1992, Zl. 92/09/0101, und vom 29. Oktober 1997, Zl. 96/09/0011) dargelegt hat, erlangt die Disziplinarbehörde - zu dieser zählt auch die im Beschwerdefall in Betracht kommende Dienstbehörde - in einer die Frist des § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 in Lauf setzenden Weise Kenntnis, wenn ihr - von dem später als Dienstpflichtverletzung gewürdigten Verhalten des Beamten - ausreichend Mitteilung gemacht worden ist. In Betracht kommt nur das auf sicheren Grundlagen beruhende Wissen über bestimmte Tatsachen, nicht also das bloße Erfahren eines Gerüchtes. Dagegen kommt es nicht auf die zutreffende rechtliche Subsumtion, also die Kenntnis davon an, daß die bekannt gewordenen Tatsachen einen disziplinär zu ahndenden Tatbestand erfüllen. Bei der Kenntnis von solchen Umständen kann es aber keinesfalls darauf ankommen, daß die Dienstbehörde bereits mit Sicherheit vom Vorliegen aller dieser Tatsachen ausgeht, ist doch die Dienstbehörde gar nicht zur Durchführung eines umfassenden Beweisverfahrens berufen. Es kann somit nur auf die Kenntnisnahme jener Umstände abgestellt werden, die für die Dienstbehörde gemäß § 110 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 die Pflicht zur Weiterleitung der Disziplinaranzeige an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission und an den Disziplinaranwalt begründen.

Im Beschwerdefall zählte unbestrittenermaßen das Heeres-Materialamt (als für den Beschwerdeführer zuständige Dienstbehörde; vgl. auch die §§ 1 Abs. 1 Z. 22 und 2 Z. 7 lit. d Dienstrechtsverfahrensverordnung 1981 - DVV 1981) zu den Disziplinarbehörden im Sinne von § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten erstattete das Heeres-Materialamt wegen der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Anschuldigungen eine mit 8. Februar 1996 datierte Disziplinaranzeige. In dieser (bei der belangten Behörde am 19. Februar 1996 eingelangten) Disziplinaranzeige wird ausdrücklich ausgeführt, die "nachstehenden Sachverhalte wurden frühestens am 30.8.95 bekannt". Der Disziplinaranwalt führte in seiner (am 20. Februar 1996 erstatteten) schriftlichen Stellungnahme zu dieser Disziplinaranzeige aus, daß "zum Zeitpunkt der verdächtigen Dienstpflichtverletzungen Amtsdirektor Regierungsrat Josef M die für Kontrollor K zuständige Disziplinarbehörde" gewesen sei. Der Disziplinaranwalt vertrat des weiteren die Auffassung, daß die Kenntnis der Dienstpflichtverletzungen durch den genannten Josef M vor Halbjahresfrist Verjährung bedeuten würde und stellte daher den Antrag, diesen Umstand durch eine ehestmögliche Einvernahme von Josef M zu klären. Daraufhin wurde Josef M vom Heeres-Materialamt zur Einvernahme am 23. Februar 1996 geladen. Josef M ließ jedoch durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter (per Telefax) mitteilen, daß er "derzeit nicht erreichbar ist sich daher Morgen zur Niederschrift nicht einfinden wird". In einem Schreiben vom 21. Februar 1996 wies der Vorsitzende der belangten Behörde darauf hin, daß nach dem Inhalt der Disziplinaranzeige mit Ablauf des 28. Februar 1996 Verjährung drohe. Am 26. Februar 1996 langte bei der Behörde ein als Ergänzung der Disziplinaranzeige bezeichnetes Schreiben ein, in dem vom Heeres-Materialamt die "nachstehenden Zeitpunkte des Bekanntwerdens des Sachverhaltes gemeldet werden". Dem Beschwerdeführer wurde der angefochtene Bescheid am 1. März 1996 zugestellt. Am 13. Mai 1996 erstattete die belangte Behörde Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer; diese Strafanzeige wurde der Staatsanwaltschaft Wien am 15. März 1996 zugestellt.

Der Beschwerdeführer erhebt in seiner Beschwerde den Vorwurf, die Feststellung der Zeitpunkte der Kenntnis der Disziplinarbehörde von den ihm angelastetenen Anschuldigungen seien im angefochtenen Bescheid nicht begründet worden. Die belangte Behörde erwiderte darauf in ihrer Gegenschrift, daß die "Nichtangabe von Gründen, warum von einem bestimmten Sachverhalt die Disziplinarbehörde erst zu einem Zeitpunkt Kenntnis erlangte, nach Ansicht der belangten Behörde keinen Begründungsmangel darstellt". Nach Ansicht der belangten Behörde stelle das Vorliegen von Gründen, warum der Disziplinarbehörde erst zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Kenntnis gelangt sei" kein Tatbestandserfordernis des § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 dar".

Die durch die Ausführungen in der Gegenschrift verdeutlichte Ansicht der belangten Behörde, der Zeitpunkt, zu dem die Dienstbehörde "Kenntnis erlangt", bedürfe keiner Begründung bzw. in dieser Hinsicht liege kein Begründungsmangel vor, ist verfehlt. Da der Eintritt der Verfolgungsverjährung von Amts wegen wahrzunehmen ist, wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, in einer der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise unter Anführung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes darzulegen, zu welchem Zeitpunkt die Dienstbehörde vom Vorliegen der für die Annahme einer Dienstpflichtverletzung des Beschwerdeführers relevanten Umstände Kenntnis erlangt hat (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 23. November 1989, Zl. 89/09/0112, und vom 16. November 1995, Zl. 93/09/0001).

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - ohne Begründung - lediglich die von der Dienstbehörde am 26. Februar 1996 "gemeldeten" Zeitpunkte festgestellt. Ob diese Zeitpunkte für den Lauf der Frist nach § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 überhaupt maßgebend sind, kann nach dem Inhalt der Erklärungen der Dienstbehörde nicht beurteilt werden. Es fehlt im angefochtenen Bescheid eine Auseinandersetzung zunächst damit, daß die Dienstbehörde im Gegensatz zu den später (am 26. Februar 1996) gemeldeten Zeitpunkten in ihrer Disziplinaranzeige behauptete, sie habe von den Anschuldigungen am 30. August 1995 Kenntnis erlangt. Es wäre aber Aufgabe der belangten Behörde gewesen, nicht nur diesen Widerspruch aufzuklären, sondern vor allem zu erforschen, wann ein der Dienstbehörde in Disziplinarangelegenheiten zurechenbares Organ von jenen Umständen Kenntnis erlangte, die eine Pflicht zur Weiterleitung der Disziplinaranzeige begründeten. Des weiteren hat die belangte Behörde (nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten) auch eine Auseinandersetzung mit dem vom Disziplinaranwalt zur Verjährungsfrage vorgebrachten Umständen unterlassen, wobei in diesem Zusammenhang zu klären gewesen wäre, ob - wie der Disziplinaranwalt annahm - der Dienstbehörde die Kenntnis des Vorgesetzten Josef M (nach dessen Zuständigkeit) zugerechnet werden kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. November 1992, Zl. 92/09/0101). Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann es jedenfalls nicht darauf ankommen, daß die Dienstbehörde den Lauf der Verfolgungsverjährungsfrist (im Sinne von § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979) bloß durch begründungslose Erklärungen bestimmt bzw. im Laufe des Disziplinarverfahrens zu Lasten des Beschuldigten in dieser Hinsicht lediglich spätere Zeitpunkte "meldet", um dadurch den Eintritt der Verfolgungsverjährung abzuwenden.

Da die belangte Behörde nicht in einer der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglichen Weise den für den Lauf der Verfolgungsverjährungsfrist maßgebenden Sachverhalt im angefochtenen Bescheid festgestellt hat, ist der Verwaltungsgerichtshof schon im Hinblick auf diese Begründungsmängel daran gehindert, die inhaltliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu überprüfen. Dieser Begründungsmangel erweist sich jedoch hinsichtlich der Anschuldigung nach Punkt 5. deshalb im Ergebnis als unerheblich, weil im Hinblick auf die Tatzeiten

13. September 1995 bzw. "nach dem 12. September 1995" in diesem Umfang der (dem Beschwerdeführer am 1. März 1996 zugestellte) Einleitungsbeschluß jedenfalls innerhalb der sechsmonatigen Frist erlassen wurde.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der am 27. Februar 1996 erfolgten Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Rechtsanwalt Dr. Hermann Heller in Ansehung der übrigen Anschuldigungen keine für den Lauf der Verjährungsfrist erhebliche Rechtswirkung zukommen konnte, weil dieser Rechtsanwalt - wie die belangte Behörde in dieser Hinsicht in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführte - im Zeitpunkt dieser Zustellung nicht der zustellungsbevollmächtigte Verteidiger des Beschwerdeführers in Ansehung des gegenständlichen Verfahrens war (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 21. September 1983, Zlen. 83/09/0102, 0103, und vom 16. Dezember 1997, Zl. 96/09/0149). Auch die erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgte Erstattung einer Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Wien hinderte weder den Lauf der Verjährungsfrist, noch stand dieser Umstand der Erlassung des angefochtenen Einleitungsbeschlusses entgegen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1990, Zl. 86/09/0200, und die darin angegebene Vorjudikatur).

Die gegen die in der nötigen Bestimmtheit umschriebene Anschuldigung nach Punkt 5. gerichteten Beschwerdeausführungen - mit denen lediglich ein vom angelasteten Verhalten abweichender Sachverhalt behauptet wird - sind nicht geeignet, den (noch im Verdachtsbereich ergehenden) angefochtenen Bescheid in diesem Umfang als rechtswidrig zu erkennen. Ob der vom Beschwerdeführer zu dieser Anschuldigung behauptete Sachverhalt (auch insbesondere hinsichtlich der Tatzeit) vorliegt, wird im nachfolgenden Disziplinarverfahren zu klären sein.

Im Hinblick auf die angelasteten Tatzeiten "zwischen 1993 und 1995" (insbesondere hinsichtlich der Punkte 1., 3., 4., 6. und 7.) wird die belangte Behörde des weiteren im vorliegenden Disziplinarverfahren zu klären und festzustellen haben, seit wann der Beschwerdeführer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund steht, zumal diese jedenfalls nicht offenkundige Tatsache weder im angefochtenen Bescheid festgestellt wurde, noch den vorgelegten Verwaltungsakten zweifelsfrei zu entnehmen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hegt insbesondere auf Grund der in der Disziplinaranzeige angegebenen beruflichen Laufbahn des Beschwerdeführers und dessen niederschriftlicher Aussage vom 19. September 1995, wonach er "seit 1.9.1994 definitiv" in der Funktion als Lagermeister tätig sei, Bedenken, ob der Beschwerdeführer vor dem 1. September 1994 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stand (vgl. hiezu das einen ähnlich gelagerten Fall betreffende hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1997, Zl. 96/09/0149).

Der angefochtene Bescheid war somit aus den dargegten Erwägungen - mit Ausnahme der Anschuldigung nach Punkt 5. - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff insbesondere auf § 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand, da lediglich eine Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides der Beschwerde anzuschließen war (vgl. § 28 Abs. 5 VwGG).

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1Beginn Vertretungsbefugnis VollmachtserteilungVertretungsbefugnis Inhalt Umfang Vertretungsbefugter Zurechnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996090105.X00

Im RIS seit

28.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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