TE Lvwg Erkenntnis 2019/12/30 VGW-031/090/582/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

30.12.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §49 Abs1
VStG §49 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag. Chmielewski über die Beschwerde des Herrn A. B., vom 10. Dezember 2018, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 28. November 2018, Zl. …,

zu Recht:

I. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Strafhöhe gemäß § 99 Abs. 4a StVO zur Verwaltungsübertretung nach § 68 Abs. 3 lit. e StVO richtet, abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Beschwerde Folge gegeben und gemäß § 49 Abs. 2 VStG das angefochtene Straferkenntnis behoben.

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen.

IV. Für den Beschwerdeführer ist gegen dieses Erkenntnis gemäß § 25a Abs. 4 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig. Im Übrigen ist für alle Verfahrensparteien gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Verfahrensgang:

1. Mit Strafverfügung vom 19. November 2018 wurden über den Beschwerdeführer Geldstrafen wegen der Verletzung von

1.   § 68 Abs. 3 lit. e StVO in der Höhe von 72 Euro und

2.   § 68 Abs. 3 lit. a StVO in der Höhe von 70 Euro verhängt.

2. Gegen diese Strafverfügung erhob er am 27. November 2018 Einspruch mit folgender wesentlicher Begründung:

„Es stimmt, dass ich während der Fahrt telefoniert habe, ich hatte dabei allerdings eine Hand am Lenker und möchte deshalb Einspruch gegen die zweite verhängte Verwaltungsübertretung, sowie gegen die Höhe der ersten Verwaltungsübertretung […] erheben.“

 

3. Der Spruch des nunmehr angefochtenen Straferkenntnisses vom 28. November 2018 lautet wie folgt:

4. Gegen dieses Straferkenntnis brachte der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde ein und führte in dieser im Wesentlichen aus, dass er, wie aus der Beschreibung seines ursprünglichen Einspruchs ersichtlich sei, neben der Strafhöhe (hinsichtlich des Telefonierens ohne Freisprecheinrichtung während der Fahrradfahrt) auch gegen die zweite Verwaltungsübertretung (freihändiges Fahrradfahren) Einspruch erhoben hat.

Feststellungen:

Der Beschwerdeführer hat mit seinem Einspruch gegen die Strafverfügung vom 19. November 2019, soweit diese sich auf das freihändige Fahren mit einem Fahrrad (§ 68 Abs. 3 lit. a StVO) bezieht, ausdrücklich nicht nur das Ausmaß der verhängten Strafe sondern auch den Schuldspruch bekämpft.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt, insbesondere aus Seite 10 des Aktes der LPD Wien.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I.:

Gemäß § 68 Abs. 3 lit. e StVO ist es verboten, während des Radfahrens ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung zu telefonieren; hinsichtlich der Anforderungen für Freisprecheinrichtungen gilt § 102 Abs. 3 KFG 1967.

Gemäß § 99 Abs. 4a StVO begeht, wer als Radfahrer die in § 68 Abs. 3 lit. e angeführte Verpflichtung nicht erfüllt, wenn dies bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs. 5 StVO 1960 festgestellt wird, eine Verwaltungsübertretung, welche mit einer Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG mit einer Geldstrafe von 50 Euro zu ahnden ist. Wenn die Zahlung des Strafbetrages verweigert wird, ist von der Behörde eine Geldstrafe bis zu 72 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 24 Stunden, zu verhängen.

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde gemäß § 99 Abs. 4a StVO iVm § 68 Abs. 3 lit. e gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 50 Euro verhängt.

Hinsichtlich dieser Verwaltungsübertretung wurde Beschwerde nur gegen die Strafhöhe erhoben.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Das Radfahren ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung schädigte in nicht unerheblichem Maße das durch die Strafdrohung geschützte Interesse an einem sicheren Straßenverkehr.

Auch der Schuldgehalt ist nicht gering, weil der Beschwerdeführer bei ordnungsgemäßer Sorgfalt ohne weiteres das Verbot des Radfahrens ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung hätte einhalten können.

Es sind keine besonderen Milderungsgründe hervorgekommen.

Das Verschulden des Beschwerdeführers an der Tat ist daher als nicht gering einzustufen.

Unter Zugrundelegung der überdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers ist eine Strafreduzierung nicht möglich.

Aus den dargestellten Erwägungen ist die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Strafhöhe gemäß § 99 Abs. 4a StVO zur Verwaltungsübertretung nach § 68 Abs. 3 lit. e StVO richtet, abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II.:

Gemäß § 49 Abs. 2 dritter Satz VStG hat die Behörde, welche die Strafverfügung erlassen hat, wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, darüber zu entscheiden.

Bei der Beurteilung des Umfangs eines Einspruchs ist ausweislich des Gesetzeswortlauts der Umstand maßgebend, ob "ausdrücklich nur" das Ausmaß der verhängten Strafe angefochten wird (vgl. VwGH 26.1.2007, 2006/02/0252; 9.5.1990, 89/03/0096). Bestehen über das Ausmaß der Anfechtung Zweifel seitens der Behörde, so hat diese davon auszugehen, dass sich der Einspruch gegen die gesamte Strafverfügung richtet (vgl. etwa VwGH 23.3.2016, Ra 2015/02/0247). Für die Beurteilung der Frage, ob im gegen eine Strafverfügung gerichteten Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, kommt es auf den Inhalt dieses Einspruchs in seiner Gesamtheit an. Maßgebend ist, ob bei objektiver Betrachtungsweise davon ausgegangen werden kann, dass der Beschuldigte auch den Schuldspruch bekämpft hat (vgl. ua. VwGH 26.1.2007, 2006/02/0252; 24.10.2002, 99/15/0172; 18.10.1999, 98/17/0364; 22.4.1999, 99/07/0010; 15.5.1991, 91/02/0002; uva.).

Dem Einspruch des Beschwerdeführers ist im Wesentlichen Folgendes zu entnehmen:

„Es stimmt, dass ich während der Fahrt telefoniert habe, ich hatte dabei allerdings eine Hand am Lenker und möchte deshalb Einspruch gegen die zweite verhängte Verwaltungsübertretung, sowie gegen die Höhe der ersten Verwaltungsübertretung […] erheben.“

Die Strafverfügung vom 19. November 2018 wurde somit nicht nur der Höhe, sondern auch dem Grunde nach bekämpft. Daran ändert auch nichts, dass der Beschwerdeführer einen Einspruch mit der Auswahl (bei einem vorbefüllten Formular): „Ich erhebe Einspruch gegen die Strafhöhe.“ einbrachte. Denn betrachtet man den Inhalt dieses Einspruchs in seiner Gesamtheit, insbesondere „ich hatte dabei allerdings eine Hand am Lenker und möchte deshalb Einspruch gegen die zweite verhängte Verwaltungsübertretung […] erheben.“ verbleibt kein Zweifel, dass die Strafverfügung hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 68 Abs. 3 lit. a StVO (freihändiges Fahren auf einem Fahrrad) bereits dem Grunde nach bekämpft wurde.

§ 49 Abs. 2 vierter Satz VStG sieht vor, dass durch den Einspruch gegen eine Strafverfügung, wenn dieser rechtzeitig eingebracht wurde und darin nicht ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft tritt (vgl. VwGH 3.5.2017, Ro 2016/03/0027).

Aufgrund des rechtzeitig und dem Grunde nach erhobenen Einspruchs des Beschwerdeführers vom 27. November 2018 ist die Strafverfügung vom 19. November 2018 ex lege außer Kraft getreten. Folglich hätte von der belangten Behörde ein ordentliches Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet werden müssen (Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG², § 49 Rz 11 f).

Indem die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass mit dem Einspruch vom 27. November 2018 nur das Strafmaß hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach § 68 Abs. 3 lit. a StVO bekämpft wurde, und sie aus diesem Grund das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren nicht eingeleitet und in der Folge mit Straferkenntnis vom 28. November 2018 nur über die Strafhöhe, nicht aber über die Übertretung des § 68 Abs. 3 lit. a StVO dem Grunde nach, abgesprochen hat, hat sie ihre Entscheidungspflicht verletzt.

Der Beschwerdeführer wurde aufgrund der unrechtmäßigen Verweigerung der Einleitung des ordentlichen Verfahrens durch die belangte Behörde in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht auf Durchführung eines ordentlichen Verfahrens gemäß § 49 Abs. 2 VStG verletzt (dazu, dass hierdurch auch eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gegeben sein kann, vgl. etwa VfGH 8.3.1980, B337/76).

Wertet die belangte Behörde den Einspruch des Beschuldigten fälschlicherweise als "ausdrücklich nur [gegen] das Ausmaß der verhängten Strafe" und verweigert sie dadurch eine ihr zukommende Zuständigkeit zur Entscheidung über den Einspruch dem Grunde nach, so ist das Straferkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben (vgl. unter vielen VwGH 20.11.1991, 91/02/0086; 15.5.1991, 91/02/0002; 22.3.1991, 89/18/0011; 9.5.1990, 89/03/0096; 21.9.1988, 88/03/0161). Die Aufhebung ist durch das Verwaltungsgericht Wien von Amts wegen aufzugreifen. Das angefochtene Straferkenntnis war daher – ohne näheres Eingehen auf das Beschwerdevorbringen – als rechtswidrig aufzuheben.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 3 Z 2 VwGVG hinsichtlich Spruchpunkt I. abgesehen werden, weil sich die Beschwerde nur gegen die Strafhöhe (gemäß § 99 Abs. 4a StVO zur Verwaltungsübertretung nach § 68 Abs. 3 lit. e StVO) richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.

Hinsichtlich Spruchpunkt II. konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchpunkt III.:

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.

Der Beschwerde wurde teilweise Folge gegeben, weil gemäß § 49 Abs. 2 VStG das angefochtene Straferkenntnis im Umfang des Spruchpunktes II. behoben wurde.

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Für den Beschwerdeführer ist gegen dieses Erkenntnis gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig, weil es sich um eine Verwaltungsstrafsache handelt, bei der eine Geldstrafe von weniger als 750 Euro verhängt werden durfte und lediglich eine Geldstrafe von 50 Euro verhängt wurde.

Im Übrigen ist für alle Verfahrensparteien gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Verwaltungsgericht Wien hat sich bei seiner Entscheidungsfindung an der ständigen, oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes orientiert, insbesondere bei Wertung eines Einspruches als vollumfänglich, sowie bei der Rechtswidrigkeit in Folge von Unzuständigkeit der belangten Behörde. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Strafverfügung; Einspruch; Umfang; objektiver Erklärungswert

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.031.090.582.2019

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten