TE Vwgh Erkenntnis 1991/3/22 89/18/0011

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Veröffentlicht am 22.03.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §49 Abs1;
VStG §49 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der Berta N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Dezember 1988, Zl. I/7-St-P-88256, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Zwettl vom 1. Juni 1988 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, am 1. April 1988 um 15.14 Uhr an einem näher bezeichneten Tatort auf der Freilandstraße schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h (um 40 km/h) gefahren zu sein und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 20 Abs. 2 StVO 1960 begangen zu haben, weshalb nach der zuerst genannten Gesetzesstelle über sie eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt wurde.

Gegen diese Strafverfügung erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Einspruch mit folgendem Wortlaut:

"Ich erhebe das Rechtsmittel des Einspruches in offener Frist gegen die Strafverfügung GZ.: 3-P-8819 vom 1. Juni 1988 und begründe dies wie folgt:

Am 1. April 1988 fuhr ich wie an jedem Wochenende mit meiner Tochter (10 Monate) von Wien nach Hause ins Waldviertel. Grundsätzlich ist es nicht mein Bestreben, mit meiner Tochter im Auto herumzurasen, jedoch ist es mir heute nicht mehr möglich, mittels Beweise die Beschuldigung der Verwaltungsübertretung zurückzuweisen.

Trotzdem möchte ich versuchen glaubhaft zu machen, daß ich als Mutter auf die Sicherheit meines Kindes großen Wert lege und auch mein Fahrverhalten entsprechend vorsichtig diesem Umstand anpasse. Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, daß ich derzeit im Karenzurlaub bin.

Infolge der oben angeführten Gründe ersuche ich sie, mir die Geldstrafe zu erlassen bzw. den Strafrahmen im größtmöglichen Ausmaß zu reduzieren..."

Die Bezirkshauptmannschaft Zwettl legte diesen Einspruch "im Sinne des § 49 Abs. 2 VStG 1950 als Berufung" der Niederösterreichischen Landesregierung vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. Dezember 1988 gab die Niederösterreichische Landesregierung der "Berufung gegen das Ausmaß der mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Zwettl ... auferlegten Strafe" Folge und setzte die Strafe herab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht geltend, die belangte Behörde habe ihren Einspruch gegen die erstbehördliche Strafverfügung zu Unrecht als Strafberufung gewertet. Mit diesem Vorbringen ist sie im Recht.

Gemäß § 49 Abs. 1 VStG in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 358/1990 kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach Zustellung schriftlich, telegrafisch oder mündlich Einspruch erheben und zugleich die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch ist bei der Behörde, von der die Strafverfügung erlassen worden ist, einzubringen.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist der Einspruch als Berufung anzusehen und der Berufungsbehörde vorzulegen, wenn darin ausdrücklich nur das Ausmaß der auferlegten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten in Beschwerde gezogen wird.

Aus dieser Bestimmung ergibt sich, daß ein Einspruch nur dann als Berufung anzusehen ist und über ihn die Berufungsbehörde zu entscheiden hat, wenn er sich AUSDRÜCKLICH bloß gegen das Ausmaß der verhängten Strafe oder gegen die Kostenbestimmung wendet.

Dem oben wiedergegebenen Wortlaut des Einspruches der Beschwerdeführerin ist nun zu entnehmen, daß sie zwar der Meinung ist, keine Beweise für ihre Unschuld zu besitzen, dennoch aber den Versuch unternehmen möchte, glaubhaft zu machen, daß sie als Mutter eines Kindes ihr "Fahrverhalten entsprechend diesem Umstand anpasse", was wohl nicht anders verstanden werden kann, als daß sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschreite.

Bei diesem Inhalt des Einspruches kann keineswegs davon gesprochen werden, die Beschwerdeführerin habe sich darin AUSDRÜCKLICH bloß gegen das Ausmaß der verhängten Strafe gewendet.

Mangels Vorliegens der Voraussetzung des § 49 Abs. 2 VStG (in der zitierten Fassung) trat somit durch die rechtzeitige Einbringung des Einspruches die Strafverfügung außer Kraft und es wäre das ordentliche Verfahren von der Erstbehörde einzuleiten gewesen.

Dadurch, daß die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage über diesen Einspruch erkannte, nahm sie eine ihr nicht zustehende Entscheidungsbefugnis in Anspruch, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1989180011.X00

Im RIS seit

22.03.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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