TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/27 I403 1415105-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.01.2020
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Entscheidungsdatum

27.01.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §46 Abs2
FPG §46a
FPG §57
FPG §57 Abs1
FPG §57 Abs2
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 1415105-3/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Gabun, vertreten durch: Rechtsanwalt Dr. Anton KARNER, Steyrergasse 103/II, 8010 Graz und durch die Rechtsanwälte Dr. Klaus KOCHER und Mag. Wilfried BUCHER, Friedrichgasse 31, 8010 Graz gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2019, Zl. 800646305/181172491, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen ins Bundesgebiet ein und stellte am 22. Juli 2010 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12. August 2010 als unbegründet abgewiesen wurde; der Beschwerdeführer wurde nach Gabun ausgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. September 2015 wurde die Beschwerde gegen die Abweisung seines Asylantrages rechtskräftig als unbegründet abgewiesen; zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung wurde das Verfahren an die belangte Behörde zurückverwiesen.

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2015 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme hinsichtlich der zu prüfenden Umstände im Hinblick auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung. Hierbei verwies er auf seine gute Integration in Österreich und gab an, über kein soziales Netz in seinem Herkunftsstaat Gabun mehr zu verfügen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 9. November 2015 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Gabun zulässig ist und dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 24. November 2015 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Diese Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.01.2019, GZ. I409 1415105-2/28E als unbegründet abgewiesen. Die Behandlung der wiederum dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 13.03.2019, GZ. E 200/2019 abgelehnt. Die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.04.2019, GZ. Ra 2019/21/0015 zurückgewiesen.

Mit Mandatsbescheid vom 27.06.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs 1 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung BS XXXX zu nehmen. Dieser Verpflichtung habe er binnen drei Tagen nachzukommen. Der Mandatsbescheid wurde ihm persönlich durch Beamte der LPD XXXX an seiner Wohnadresse am 30.06.2019 zugestellt. Seinem zu diesem Zeitpunkt rechtsfreundlichen Vertreter wurde der Mandatsbescheid am 08.07.2019 zugestellt. Am 22.07.2019 wurde dagegen Vorstellung erhoben und erklärt, der Beschwerdeführer habe wiederholt das Gespräch mit dem VMÖ gesucht. Er habe keine Reisedokumente und gebe es in Österreich keine Vertretungsbehörde, so dass er nicht ausreisen könne und im Bundesgebiet geduldet sei.

Mit Strafverfügung der LPD XXXX vom 23.07.2019 wurde dem Beschwerdeführer eine Strafe von 100 Euro aufgetragen, da er der Wohnsitzauflage nicht Folge geleistet hatte.

Am 24.07.2019 wurde ein Ermittlungsverfahren durch das BFA eingeleitet. Das Vollmachtsverhältnis wurde von Seiten der Rechtsvertretung am 28.11.2019 aufgelöst. Am 14.12.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein Parteiengehör des BFA übergeben; am 18.12.2019 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, in welcher er im Wesentlichen auf die Ausführungen in der Vorstellung und seinen langen Aufenthalt im Bundesgebiet verwies.

Mit Bescheid vom 20.12.2019, übergeben am 23.12.2019, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs 1 FPG aufgetragen, bis zur Ausreise unverzüglich Unterkunft in der näher bezeichneten Betreuungseinrichtung des Bundes zu nehmen. Die aufschiebende Wirkung gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs 2 VwGVG ausgeschlossen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung bestehen würde und er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei. Dadurch habe er sich unkooperativ verhalten. Außerdem sei er auch seiner Verpflichtung zur Unterkunftnahme nicht nachgekommen. Er habe auch nicht an der Beschaffung eines Reisedokumentes mitgewirkt. Da er sich beharrlich weigere, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen, sei die Verhängung einer Wohnsitzauflage notwendig und gegenüber der Abschiebung nach Gabun, die bereits für zulässig erklärt worden sei, das gelindere Mittel.

Gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2019 wurde von Rechtsanwalt Mag. Dr. Anton Karner unter Berufung auf eine ihm erteilte Vollmacht am 08.01.2020 Beschwerde erhoben und dargelegt, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner langen Aufenthaltsdauer und seiner Integration im Bundesgebiet ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG zustehe; die Anordnung einer Wohnsitzaufnahme sei unzulässig, da der Beschwerdeführer ordentlich gemeldet und den Ladungen immer nachgekommen sei. Gabun habe zudem keine Botschaft in Österreich.

Am 14.01.2020 langte ein weiteres als "Beschwerde" bezeichnetes Schriftstück bei der belangten Behörde ein; nunmehr beriefen sich die Rechtsanwälte Dr. Klaus Kocher und Mag. Wilfried Bucher auf die ihnen erteilte Vollmacht. Es wurde vorgebracht, dass sich die belangte Behörde auf § 57 Abs. 2 Z 4 FPG stütze und damit darauf, dass der Beschwerdeführer erklärt habe, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen. Eine Wohnsitzauflage sei aber nicht verpflichtet anzuordnen, sondern nur, wenn die Annahme, dass jemand seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkomme, gerechtfertigt erscheine, was im Fall des Beschwerdeführers nicht gegeben sei. Er sei ordentlich gemeldet und dort auch aufhältig. Auch wenn er "spontan" einmal die Aussage getätigt habe, er werde nicht ausreisen, sei dem sein langjähriges unbescholtenes Verhalten entgegenzustellen. Das Fehlen eines Reisedokumentes sei ihm nicht vorzuwerfen, da es dazu in Österreich keine Möglichkeit geben würde. Die belangte Behörde habe auch nicht dargelegt, was der Beschwerdeführer hätte unternehmen können oder sollen, um einen Reisepass zu erlangen. Sein Aufenthalt sei daher geduldet und die Anordnung einer Wohnsitzauflage nicht gerechtfertigt. Er sei zudem sehr gut integriert; dazu wurden auch zwei Unterstützerschreiben von Personen vorgelegt, welche den Beschwerdeführer als Verkäufer einer Straßenzeitung kennengelernt hatten.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 16.01.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Festgestellt wird der oben dargestellte Verfahrensgang.

2. Der Beschwerdeführer hält sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.01.2019, GZ. I409 1415105-2/28E besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer. Seiner Ausreiseverpflichtung ist er dennoch bislang nicht nachgekommen.

3. Der Beschwerdeführer kam der mit Mandatsbescheid vom 27.06.2019 verfügten Auflage zur Unterkunftnahme in der näher bestimmten Betreuungseinrichtung nicht nach.

4. Der Beschwerdeführer hat keinen Nachweis darüber erbracht, dass er seiner Verpflichtung, aus eigenem ein Reisedokument bei der für ihn zuständigen Stelle einzuholen, entsprochen hat.

5. Der Beschwerdeführer hat am 18.11.2015 ein Rückkehrberatungsgespräch bei der Caritas geführt. Im Zuge dessen erklärte er, nicht rückkehrwillig zu sein.

6. Der Beschwerdeführer hält sich seit neuneinhalb Jahren in Österreich auf; über seinen am 22.07.2010 gestellten Antrag auf internationalen Schutz wurde letztlich erst mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.01.2019 entschieden. Im Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keinerlei verwandtschaftliche Beziehungen, er hat sich allerdings als Verkäufer einer Straßenzeitung einen Freundeskreis aufgebaut. Aus der Tätigkeit als Zeitungsverkäufer erhält er etwa 250 Euro monatlich. Der Beschwerdeführer hat in XXXX eine Wohnung gemietet, bei den Mietkosten ist ihm ein Freund behilflich. Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse auf Niveau A2. Er verfügt über keine aufrechte Kranken- und Unfallversicherung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

2. Beweiswürdigung:

1. Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, zum Ausgang des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz, zum Bestehen einer Rückkehrentscheidung, zum Verbleib in Österreich trotz rechtskräftiger Ausreiseverpflichtung und zur Nichterfüllung der Auflage zur Unterkunftnahme, ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt. Zudem liegt auch eine Strafverfügung der LPD XXXX vom 23.07.2019 vor, da der Beschwerdeführer der Wohnsitzauflage nicht Folge geleistet hatte.

2. Es ist nicht aktenkundig, dass der Beschwerdeführer einen Nachweis darüber erbracht hat, dass er seiner Verpflichtung, aus eigenem ein Reisedokument bei der für ihn zuständigen Stelle einzuholen, nachgekommen ist und wurde Gegenteiliges auch in der Beschwerde nicht behauptet.

In der mündlichen Verhandlung des vorangegangenen Verfahrens am 17.10.2018 gab er noch an, sich nie erkundigt zu haben, ob er in Wien Dokumente bekommen könnte. In der Vorstellung vom 22.07.2019 führte der damalige Rechtsvertreter dann aus, dass dem in Wien etablierten Konsulat nach dem Kenntnisstand des Beschwerdeführers keine Befugnis zur Passausstellung zukomme. Eine Reise zur Botschaft in Paris oder Berlin sei ihm mangels Berechtigung, das österreichische Bundesgebiet zu verlassen, nicht möglich. Der Beschwerdeführers sei daher im Bundesgebiet geduldet.

Auch in den Beschwerden wurde nur darauf hingewiesen, dass sich in Österreich keine Botschaft Gabuns befinde und daher die Ausstellung eines Passes nicht möglich sei. Tatsächlich befindet sich die Botschaft der Gabunischen Republik in Berlin und in Österreich nur ein Honorarkonsulat ohne Passbefugnis (vgl. dazu https://www.auslaender.at/botschaft-und-konsulate-von-gabun). Unabhängig davon muss aber festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer keinerlei Initiative zeigte, ein Reisedokument zu erlangen; so wandte er sich weder an die Botschaft in Berlin, noch an das Konsulat in Österreich noch an die deutsche Botschaft in Wien, um zu versuchen, eine Einreiseerlaubnis für Deutschland zu erhalten.

Es wurde daher im gesamten Verfahren kein Nachweis vorgelegt, dass sich der Beschwerdeführer um ein Reisedokument bemüht hätte.

3. Bereits mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 09.11.2015 war der Beschwerdeführer aufgefordert worden, ein Rückkehrberatungsgespräch mit der Caritas Rückkehrhilfe bis zum 23.11.2015 in Anspruch zu nehmen. Eine Nachfrage der erkennenden Richterin bei der Caritas Rückkehrhilfe am 27.01.2020 ergab, dass er ein solches Gespräch am 18.11.2015 führte und erklärte, nicht rückkehrwillig zu sein.

Dass der Beschwerdeführer in den letzten vier Jahren ein weiteres Rückkehrgespräch führte bzw. erklärte, rückkehrwillig zu sein, kann den Unterlagen nicht entnommen werden. Die belangte Behörde erkundigte sich am 24.06.2019 beim damaligen rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers, ob dieser ein Rückkehrberatungsgespräch geführt habe und ob er rückkehrwillig sei. In einem Antwortschreiben vom 26.06.2019 erklärte dieser wiederum, dass er nicht wisse, ob sein Mandant ein Rückkehrberatungsgespräch geführt habe. Dass der Beschwerdeführer an keinem Rückkehrberatungsgespräch beim Verein Menschenrechte Österreich teilgenommen hat, ergibt sich aus einem Aktenvermerk des BFA vom 27.06.2019, wonach eine telefonische Rückfrage beim Verein Menschenrechte Österreich ergeben habe, dass es kein Gespräch mit diesem gegeben habe.

In der am 22.07.2019 erhobenen Vorstellung wurde zwar noch erklärt, dass der Beschwerdeführer davon ausgehe, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch genommen zu haben und dem noch nachgehen werde. Eine diesbezügliche Bestätigung wurde in weiterer Folge aber nicht vorgelegt und wurde weder in der Stellungnahme noch in einer der beiden Beschwerden die Teilnahme an einem Rückkehrberatungsgespräch behauptet.

4. Die Feststellungen zu seinem Leben in Österreich ergeben sich aus der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 17.12.2019 und dem vorgelegten Mietvertrag. Der Beschwerdeführer legte eine Vielzahl von Unterstützungsschreiben vor von Personen, die ihn als Verkäufer einer Straßenzeitung kennen und sich für seinen Verbleib im Bundesgebiet aussprachen. Das Bundesverwaltungsgericht bestreitet auch nicht, dass er in XXXX sozial verankert ist, dass er unbescholten ist und sich bereits seit neuneinhalb Jahren in Österreich aufhält.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

Voraussetzung für die Anordnung einer Wohnsitzauflage ist das Vorliegen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht geduldet ist. Während sich ersteres aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtshofes vom 24.01.2019, GZ. I409 1415105-2/28E ergibt und unbestritten ist, wurde von Seiten des Beschwerdeführers in der Beschwerde behauptet, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet geduldet sei, so dass dies zunächst zu überprüfen ist.

3.1.1. Zur Frage der Duldung

Zur anzuwendenden Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des § 46 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 2a und Abs. 2b, § 46a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 lauten:

"Abschiebung

§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt.

(3) ...

Duldung

§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.

(2) ...

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er

1. seine Identität verschleiert,

2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen "Republik Österreich" und "Karte für Geduldete", weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

(5) ...".

Zur Anwendung auf den gegenständlichen Fall

Nach dem Gesetzestext des § 46a FPG ist Voraussetzung für die Ausstellung einer "Karte für Geduldete", dass der Aufenthalt des Fremden im Sinne von Abs. 1 dieser Bestimmung geduldet ist, was dann der Fall ist, wenn einer der dort genannten Tatbestände (alternativ) erfüllt ist.

Zu überprüfen ist daher gegenständlich, ob die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gabun aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich war. Vom Fremden zu vertretende Gründe liegen gemäß § 46a Abs. 3 FPG jedenfalls vor, wenn er seine Identität verschleiert, einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

Dazu ist festzuhalten, dass ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, gemäß § 46 Abs. 2 FPG - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen hat, es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen.

Aus den Erläuterungen zum Initiativantrag 2285/A vom 20.09.2017 (XXV.GP) zum FrÄG 2017 (BGBl I Nr. 145/2017) ergibt sich bezüglich § 46 Abs. 2 FPG Folgendes:

"Unabhängig davon, ob mit Erlassung der Rückkehrentscheidung eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde oder nicht, haben ausreisepflichtige Fremde überdies an der Erlangung der für die Ausreise erforderlichen Dokumente mitzuwirken. Dabei soll sowohl die bereits nach geltender Rechtslage vorgesehene Mitwirkung an Maßnahmen des Bundesamts umfasst sein, die zwecks Erlangung von für die Abschiebung erforderlichen Bewilligungen gesetzt werden, als auch - gemäß der neuen Bestimmung des § 46 Abs. 2 FPG - Handlungen des Fremden selbst, die zur Vorbereitung für eine eigenständige Ausreise zu treffen sind, wie insbesondere die eigenständige Beantragung eines allenfalls erforderlichen Reisedokumentes und die insoweit notwendige Erstattung von Angaben gegenüber der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat)... Unbeschadet der Befugnis des Bundesamtes soll nämlich künftig auch der Fremde selbst explizit der Verpflichtung unterliegen, sich ein für die Ausreise erforderliches Reisedokument bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus eigenem zu beschaffen und bei dieser Behörde sämtliche für diesen Zweck erforderlichen Handlungen zu setzen, wobei hier insbesondere die Beantragung des Reisedokuments, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten umfasst sein sollen..."

Während im Zuge der vorangegangenen Novellierung des Fremdenpolizeigesetzes mit dem FrÄG 2015 (BGBl I Nr. 70/2015) in § 46 FPG lediglich festgelegt wurde, dass ein Fremder an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang mitzuwirken hat, so ist dieser nach der aktuellen Rechtslage nunmehr verpflichtet, sich aus eigenem, proaktiv um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu bemühen.

Das Gesetz setzt es als Regelfall voraus, dass der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig, also aus eigenem Antrieb und ohne begleitende Zwangsmaßnahme seitens des Bundesamtes bzw. - in dessen Auftrag - der Landespolizeidirektion (§ 5 BVA-VG), nachkommt. Dies folgt aus § 46 Abs. 1 FPG, wonach eine Abschiebung nur unter den darin genannten (alternativen) Voraussetzungen in Betracht kommt, sowie aus den Bestimmungen über die Ausreisefrist (§§ 55, 56) und den Durchsetzungsaufschub (§§ 70 Abs. 3 und 4, 71). Liegen nun im Einzelfall bestimmte faktische Ausreisehindernisse vor, wie sie insbesondere im Fehlen eines für die Ausreise erforderlichen Reisedokumentes bestehen können, so ist es auch Teil einer freiwilligen Erfüllung der Ausreiseverpflichtung, sich aus Eigenem um die Beseitigung dieser Ausreisehindernisse zu kümmern, im Falle eines nicht (mehr) vorhandenen Reisedokumentes also z.B. dessen Neuausstellung bei der zuständigen ausländischen (Vertretungs-) Behörde zu beantragen. Dies ergibt sich aus § 46 Abs. 2 FPG, wonach ein zur Ausreise verpflichteter Fremder grundsätzlich angehalten ist, das im Fehlen eines Reisedokumentes regelmäßig gelegene Ausreisehindernis im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst zu beseitigen.

Die Pflicht des Fremden nach Abs. 2 umfasst unter anderem die Antragstellung auf Ausstellung eines Reisedokumentes bei der dafür zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat) sowie die Erstattung sämtlicher dazu erforderlicher Angaben, insbesondere die wahrheitsgemäße Angabe der Identität und die Bekanntgabe allfälliger sonstiger erkennungsdienstlicher Daten. Satz 2 dieser Bestimmung sieht vor, dass der Fremde die Erfüllung seiner Pflichten dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen hat. Die eigenständige Beschaffung eines Reisedokumentes und die Erstattung der dazu erforderlichen Angaben gemäß Abs. 2 erfolgt im Zusammenwirken zwischen dem Fremden und der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat), also ohne direkte Einbeziehung des Bundesamtes. Das Bundesamt hat daher ein Interesse daran, über die diesbezüglichen Maßnahmen des Fremden und deren Erfolg unterrichtet zu sein, zumal die Nichterfüllung der Verpflichtung gemäß Abs. 2 nicht nur zur Verhängung von Zwangsstrafen nach dem VVG, einschließlich der Beugehaft, führen kann, sondern auch für die Prüfung der Zulässigkeit einer (späteren) Anordnung der Schubhaft zu berücksichtigen ist (insoweit ist auf die Erläuterungen zu § 76 Abs. 3 Z 1a zu verweisen).

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer keinen Nachweis darüber vorgelegt, dass er aus eigener Initiative Kontakt mit der gabunischen Botschaft zwecks Ausstellung eines Reisedokumentes aufgenommen hat. Im Beschwerdeschriftsatz verweist er lediglich darauf, dass sich die gabunische Botschaft in Berlin befinde und er ohne Reisedokument keine Möglichkeit habe, legal nach Deutschland zu reisen. Er hat auch nicht nachgewiesen, dass er mit einer Vertretungsbehörde (auch etwa zwecks Genehmigung der Einreise nach Deutschland zur Erlangung eines Reisepasses) Kontakt aufgenommen und sich nach den Möglichkeiten erkundigt hätte. Somit hat der Beschwerdeführer keinerlei Bemühungen walten lassen, telefonisch oder schriftlich mit der Botschaft in Berlin überhaupt in Kontakt zu treten und entsprechende Informationen einzuholen. Auch hat er keinen Nachweis darüber vorgelegt, dass er den Versuch unternommen hat, mit Familienangehörigen, Bekannten oder Behörden in seinem Heimatland Kontakt aufzunehmen, um sich entsprechende Dokumente und Unterlagen auf postalischem Wege übermitteln zu lassen.

Da der Beschwerdeführer sohin im gegenständlichen Fall nicht seiner Pflicht nachgekommen ist, bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus eigenem ein Reisedokument zu beantragen und die Erfüllung dieser Pflicht dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen, ist seine Abschiebung nach Gabun nicht aus tatsächlichen, nicht von ihm zu vertretenden Gründen unmöglich. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist daher nicht geduldet.

3.1.2. Zur Frage der Anordnung einer Wohnsitzauflage

Zur anzuwendenden Rechtslage

§ 57 FPG lautet auszugsweise:

"Wohnsitzauflage

§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) [...]

(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen, wenn und solange

1. die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar,

2. sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder

3. ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.

(5) Wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 60 Abs. 3 gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 4 außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen."

Aus den Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG ergibt sich auszugsweise Folgendes:

"[...] Die Erlassung einer Wohnsitzauflage soll dabei nicht systematisch erfolgen, sondern hat jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK - insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt - zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher als ultima ratio nur dann angeordnet werden, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen ist und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass er auch weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 1:

[...]

Die zweite Konstellation soll auch jene Fälle umfassen, in denen zwar eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde, der Drittstaatsangehörige aber nicht innerhalb der Frist ausgereist ist und anzunehmen ist, dass er seiner Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 2:

In Abs. 2 werden jene Tatsachen näher definiert und demonstrativ aufgezählt, welche im Sinne des Abs. 1 Z 2 die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Ein Hinweis auf die mangelnde Bereitschaft zur Ausreise ist naturgemäß dann gegeben, wenn der Drittstaatsangehörige selbst angibt, dass er nicht bereit ist, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Es kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, wenn er ein ihm angebotenes oder angeordnetes Rückkehrberatungsgespräch zum Zweck der freiwilligen Ausreise nicht wahrnimmt. Ebenso wird davon auszugehen sein, dass der Drittstaatsangehörige nicht bereit ist auszureisen, wenn er während einer gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise nicht ausgereist ist und anschließend seinen Wohnsitz bzw. den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts ändert, ohne das Bundesamt hiervon in Kenntnis zu setzen. Ferner kann von mangelhafter Bereitschaft zur Ausreise ausgegangen werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige es unterlässt, an der Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten mitzuwirken oder ein vorhandenes Reisedokument vernichtet oder sich dessen auf sonstige Weise entledigt. Hat der Drittstaatsangehörige bereits im Verfahren über seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht und damit die Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten erschwert bzw. verhindert, wird ebenfalls von einer mangelnden Bereitschaft zur Ausreise auszugehen sein.

Da es sich bei Abs. 2 um eine demonstrative Aufzählung handelt, kommen auch weitere Umstände in Betracht, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird. Weitere denkbare Gründe in diesem Sinne sind etwa falsche oder widersprüchliche Angaben zum Vorliegen einer Voll- oder Minderjährigkeit bzw. voneinander abweichende Altersangaben in Verfahren vor verschiedenen Behörden (dazu VwGH 25.02.2015, Ra 2014/20/0045) sowie die Verschweigung von vorhandenen Identitätsdokumenten. Hievon sollen beispielsweise jene Fälle erfasst sein, in denen Drittstaatsangehörige im Verfahren vor dem Bundesamt angeben, über keine Identitätsdokumente zu verfügen, während sie im Verfahren vor anderen Behörden (bspw. dem Standesamt im Zuge einer Eheschließung) oder Gerichten solche vorlegen.

[...]

Zu Abs. 6:

Die Auferlegung der Wohnsitzauflage gemäß § 57 erfolgt mittels Mandatsbescheid gemäß §57 AVG. Ein solcher kann erlassen werden, wenn es sich um die Vorschreibung einer Geldleistung oder wegen Gefahr in Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt. Für den vorgeschlagenen § 57 ist der Tatbestand "Gefahr in Verzug" maßgeblich: In der Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 1 ist der Ausschluss einer Frist zur freiwilligen Ausreise an die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Rückkehrentscheidung (§ 18 Abs. 2 BFA-VG) geknüpft. Somit wurde bereits im Falle einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde und der Nichtgewährung einer Frist gemäß § 55 festgestellt, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt. Dadurch ist die Erlassung der Wohnsitzauflage in dieser Konstellation mittels Mandatsbescheid aufgrund der bereits zuvor anlässlich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung festgestellten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zulässig. Hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 liegt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides gerechtfertigt ist."

Zur Anwendung auf den gegenständlichen Fall

Es wurde bereits dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 erster Satz FPG (Rechtskräftige Rückkehrentscheidung, keine Duldung) gegeben sind. Die Annahme, dass der Beschwerdeführer - nach unstrittigem Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 FPG- seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird, stützte die belangte Behörde zentral darauf, dass der Beschwerdeführer sich nicht um ein Reisedokument bemüht hatte; dies zu Recht, wie bereits aufgezeigt wurde.

Bereits mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 09.11.2015 war dem Beschwerdeführer aufgetragen worden, ein Rückkehrberatungsgespräch mit der Caritas Rückkehrhilfe bis zum 23.11.2015 in Anspruch zu nehmen. Dem kam er nach, erklärte aber, nicht rückkehrwillig zu sein, so dass sich auch daraus die Annahme ableiten lässt, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer kein weiteres Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch genommen.

Unter diesen Aspekten ist die Begründung der belangten Behörde, dass (diese) bestimmten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird, im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben, Wohnung und Briefverkehr nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Ebenso kommt Normen, die ein geordnetes Fremdenwesen betreffend Einreise und Aufenthalt von Fremden regeln, ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0192). Nichts anders kann bezüglich der Ausreise nicht aufenthaltsberechtigter Fremder gelten.

Aus den Erläuternden Bemerkungen zur Wohnsitzauflage nach § 57 FPG ergibt sich, dass hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides gerechtfertigt ist.

Der Beschwerdeführer hat seinen Lebensmittelpunkt derzeit in XXXX, sodass durch die Wohnsitzauflage in das (in XXXX) bestehende Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen wird. Maßgeblich ist jedoch, dass keine engen Bindungen des Beschwerdeführers an seinen Wohnort festgestellt werden konnten. Der Beschwerdeführer hat hier keinerlei familiäre Bindungen. Hinsichtlich sonstiger sozialer Bindungen ist keine besondere Beziehungsintensität hervorgekommen. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer gesellschaftlich, kulturell oder in einer sonstigen Weise an seinen Wohnort gebunden ist. Lediglich seine Tätigkeit als Zeitungsverkäufer und zahlreiche Bekanntschaften verstärken sein Interesse am Verbleib an seinem jetzigen Wohnort.

Demgegenüber wiegt die beharrliche Weigerung des Beschwerdeführers, der ihn treffenden Ausreiseverpflichtung auch nach Ablauf der ihm eingeräumten Frist zur freiwilligen Ausreise nachzukommen, insbesondere im Lichte des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens schwer zu seinen Lasten. Zudem muss sich der Beschwerdeführer aufgrund der gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidung und der verstrichenen Frist für die freiwillige Ausreise dessen bewusst sein, dass er seinen Lebensmittelpunkt in XXXX nicht aufrechterhalten wird können.

In Abwägung der insgesamt nur schwachen Bindung des Beschwerdeführers an seinen Wohnort sind in Relation zu dem dargestellten öffentlichen Interesse allfällige Unannehmlichkeiten durch die Aufgabe seines Wohnsitzes und eine Einschränkung seiner sozialen Kontakte nicht so gewichtig, dass sie das öffentliche Interesse überwiegen würden. In den Erläuterungen wird zwar darauf hingewiesen, dass die Erlassung einer Wohnsitzauflage nicht systematisch und nur als ultima ratio erfolgen soll und dass dabei insbesondere das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt zu berücksichtigen seien, doch ist diesfalls darauf hinzuweisen, dass derartige Umstände im konkreten Fall nicht vorliegen.

Unter diesen Gesichtspunkten und im Hinblick darauf, dass damit ein dringendes öffentliches Interesse erfüllt wird, ist der mit der Wohnsitzauflage verbundene Eingriff in das Privatleben und die Wohnung des Beschwerdeführers verhältnismäßig und aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers auch dringend geboten.

Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid war daher abzuweisen.

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides

Zur anzuwendenden Rechtslage

§ 13 VwGVG lautet:

"§ 13

Aufschiebende Wirkung

§ 13. (1) Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

(3) Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG haben keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der sofortigen Verbindlichkeit der Weisung oder mit dem Andauern des Verhaltens der Behörde für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

(4) Die Behörde kann Bescheide gemäß Abs. 2 und 3 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt so geändert hat, dass seine neuerliche Beurteilung einen im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid zur Folge hätte.

(5) Die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 oder 3 hat keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen."

§ 22 VwGVG lautet:

"§ 22

Aufschiebende Wirkung

§ 22. (1) Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG haben keine aufschiebende Wirkung. Das Verwaltungsgericht hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Andauern der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

(2) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung durch Beschluss ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

(3) Das Verwaltungsgericht kann Bescheide gemäß § 13 und Beschlüsse gemäß Abs. 1 und 2 auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben."

Zur Anwendung auf den gegenständlichen Fall

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen und dies mit einem überwiegenden öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheides begründet. Das öffentliche Interesse sei bereits durch die Regelung der Wohnsitzauflage mittels sofort durchsetzbaren Mandatsbescheides indiziert.

Gemäß § 22 Abs. 3 1. Fall VwGVG kann das Verwaltungsgericht Bescheide gemäß § 13 VwGVG - ein solcher liegt in Hinblick auf Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides vor - auf Antrag einer Partei - ein solcher wurde in der Beschwerde gestellt - aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben.

Letzteres ist nicht der Fall, da nicht zu erkennen ist, dass sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, entscheidungsrelevant geändert haben. Insbesondere wurde in diesem Zusammenhang kein substantiiertes Beschwerdevorbringen erstattet.

Das erkennende Gericht folgt aber auch der Begründung der belangten Behörde zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung. Bereits das Behördenhandeln nach § 57 FPG hat schon inhaltlich das Vorliegen einer "Gefahr in Verzug" zur Voraussetzung - beide Konstellationen, in denen es überhaupt zu einer Wohnsitzauflage kommen kann (vgl. § 57 Abs. 1 Z 1 und Z 2 FPG), begründen nach den Materialen (vgl. oben zu Abs. 6 leg.cit.) eine "Gefahr in Verzug". Damit wird auch der gesetzlich vorgesehene Erlass eines Mandatsbescheids begründet, sodass im Hinblick auf die Voraussetzungen für den Erlass eines (gefahrenpolizeilichen) Mandatsbescheids der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch im Vorstellungsbescheid nicht zu beanstanden ist. Der oben ersichtlichen Interesseabwägung folgend überwiegen zudem die öffentlichen Interessen am vorzeitigen Vollzug des angefochtenen Bescheides.

Hinzu kommt, dass sich aufgrund der unter einem ergehenden Entscheidung in der Sache selbst eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung faktisch erübrigt.

Der Antrag auf Zuerkennung der (ausgeschlossenen) aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ist daher abzuweisen.

III. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (in der Folge GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S. 389, (2010/C 83/02) entgegenstehen.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 GRC hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Zufolge des Abs. 2 leg. cit. hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 14.03.2012, U 466/11, ua. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichthofs für Menschenrechte (EGMR) zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG, noch könne er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.

Übertragen auf den vorliegenden Beschwerdefall erfordert ein Unterbleiben einer Verhandlung vor dem BVwG somit, dass aus dem Akteninhalt der belangten Behörde die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist.

Der VwGH hat zur Frage der Verhandlungspflicht mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 ausgesprochen, dass sich die bisher zu § 67d AVG ergangene Rechtsprechung auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten weitgehend übertragen lässt. Für den Anwendungsbereich der vom BFA-VG 2014 erfassten Verfahren ist primär § 21 Abs. 1 und subsidiär § 24 Abs. 4 VwGVG als maßgeblich heranzuziehen. Für die Auslegung der Wendung in § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014, "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint", sind nunmehr folgende Kriterien beachtlich: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt habe und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG 2014 festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Im gegenständlichen Fall wurden die für die Entscheidung maßgeblichen Feststellungen (weder im Mandatsbescheid noch im nunmehr angefochtenen Bescheid) substantiiert bestritten. Der mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme einhergehenden Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme zur derzeitigen Lebenssituation leistete der Beschwerdeführer Folge, sodass sich das Bundesverwaltungsgericht auf die Angaben des Beschwerdeführers stützen konn

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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