TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/16 I403 2202206-2

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Veröffentlicht am 16.12.2019
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Entscheidungsdatum

16.12.2019

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46 Abs1
FPG §46 Abs2
FPG §46 Abs2a
FPG §46a
FPG §46a Abs1 Z3
FPG §46a Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2202206-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX), geb. XXXX, StA. Mauretanien alias Marokko, vertreten durch die "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" und "Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH", gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.10.2019, Zl. 800616600/170346176, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 13.07.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.11.2015, Zl. W103 1417792-1/23E, hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig als unbegründet abgewiesen wurde. Zugleich wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA/belangte Behörde) zurückverwiesen.

2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13.06.2016 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Mauretanien zulässig ist, sowie gegen ihn ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.12.2016, Zl. W235 1417792-2/5E rechtskräftig mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass das verhängte Einreiseverbot auf sechs Jahre herabgesetzt wurde.

3. Am 17.07.2017 wurde seitens des BFA für den Beschwerdeführer ein Heimreisezertifikat bei der mauretanischen Botschaft in Berlin beantragt und diesbezüglich am 09.02.2018, am 10.04.2018, am 04.02.2019, am 22.05.2019 sowie am 31.10.2019 Urgenzen an die Botschaft übermittelt.

4. Am 05.09.2019 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 4 FPG. Begründend führte er aus, er habe bereits vor zwei Jahren eine freiwillige Rückkehr beim BFA beantragt, diesbezüglich jedoch keine Antwort erhalten. Mauretanische Unterlagen habe er keine und sei aufgrund dessen auch nicht in der Lage, sich ein Reisedokument zu beschaffen. Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Antragstellung seitens der belangten Behörde aufgefordert, sich einen Reisepass zu besorgen oder einen diesbezüglichen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses unter Anschließung einer Bestätigung seiner Vertretungsbehörde binnen 14 Tagen in Vorlage zu bringen. Der Beschwerdeführer kam dieser Aufforderung nicht nach.

5. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 22.10.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Karte für Geduldete vom 05.09.2019 "gemäß § 46a Abs. 4 iVm Abs. 1 Z 3 FPG" ab.

6. Gegen den angefochtenen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 19.11.2019 Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Mauretanien. Seine Identität steht nicht fest.

Er hält sich seit Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.12.2016, Zl. W235 1417792-2/5E, mit welchem gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von sechs Jahren befristeten Einreiseverbot erlassen wurde, unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer trotz Aufforderung kein mauretanisches Reisedokument vorgelegt hat und sich nicht aus eigenem an die mauretanische Botschaft gewandt und um die Ausstellung eines Reisepasses bemüht hat.

Überdies wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer aus eigenem keinerlei Veranlassungen getroffen hat, um Dokumente zu erlangen, die seine Identität zwecks Erlangung von Heimreisezertifikaten nachweisen würden.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem unzweifelhaften Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten.

Die Identität des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden, da er kein unbedenkliches Identitätsdokument vorgelegt hat. Seine mauretanische Staatsangehörigkeit ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen in den rechtskräftig entschiedenen, vorangegangenen Verfahren des Beschwerdeführers in Österreich sowie seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben im gegenständlichen Administrativsowie Beschwerdeverfahren.

Darüber hinaus ergibt sich unzweifelhaft aus den Angaben des Beschwerdeführers im verfahrensgegenständlichen Administrativ- sowie Beschwerdeverfahren, dass er nicht aus eigenem mit der mauretanischen Botschaft in Berlin oder mit Angehörigen in seinem Herkunftsstaat in Kontakt trat, um einen Reisepass bzw. Dokumente, die er für die Ausstellung desselben benötigen würde, zu erhalten.

Sofern - wie im Beschwerdeschriftsatz zutreffend aufgezeigt - in zwei Absätzen in der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheides (Seite 6) die Vertretungsbehörde der Republik Indien sowie die Familie des Beschwerdeführers in Indien erwähnt wird, so handelt es sich hierbei um ein klar erkennbares, offensichtliches Versehen des BFA.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 46 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 2a und Abs. 2b, § 46a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:

"Abschiebung

§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt.

(3) ...

Duldung

§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.

(2) ...

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er

1. seine Identität verschleiert,

2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen "Republik Österreich" und "Karte für Geduldete", weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

(5) ...".

3.2. Zur Abweisung des Antrages auf Ausstellung einer Karte für Geduldete:

Nach dem Gesetzestext des § 46a FPG ist Voraussetzung für die Ausstellung einer "Karte für Geduldete", dass der Aufenthalt des Fremden im Sinne von Abs. 1 dieser Bestimmung geduldet ist, was dann der Fall ist, wenn einer der dort genannten Tatbestände (alternativ) erfüllt ist. Ist einer dieser Tatbestände erfüllt, ist die Karte, aus der sich die Duldung des Aufenthaltes der dort angeführten Person ergibt, auszustellen.

Der Beschwerdeführer stützte seinen Antrag im gegenständlichen Fall darauf, dass die Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erscheine. Ein unter § 46a Abs. 1 Z 1, Z 2 oder Z 4 FPG zu subsumierender Sachverhalt wurde seitens des Beschwerdeführers weder substantiiert vorgebracht, noch ergibt sich ein solcher aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren. Hier wird auch auf das bereits durchgeführte asylrechtliche Verfahren verwiesen, in dem ein solcher Sachverhalt ebenfalls nicht festgestellt werden konnte.

Zu überprüfen ist daher gegenständlich, ob die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mauretanien aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich war. Vom Fremden zu vertretende Gründe liegen gemäß § 46a Abs. 3 FPG jedenfalls vor, wenn er seine Identität verschleiert, einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

Die belangte Behörde argumentiert im angefochtenen Bescheid damit, dass der Beschwerdeführer nie eigene Bemühungen unternommen habe, bei seiner Botschaft ein entsprechendes Reisedokument zu erhalten.

Dazu ist festzuhalten, dass ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, gemäß § 46 Abs. 2 FPG - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen hat, es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen.

Aus den Erläuterungen zum Initiativantrag 2285/A vom 20.09.2017 (XXV.GP) zum FrÄG 2017 (BGBl I Nr. 145/2017) ergibt sich bezüglich § 46 Abs. 2 FPG Folgendes:

"Unabhängig davon, ob mit Erlassung der Rückkehrentscheidung eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde oder nicht, haben ausreisepflichtige Fremde überdies an der Erlangung der für die Ausreise erforderlichen Dokumente mitzuwirken. Dabei soll sowohl die bereits nach geltender Rechtslage vorgesehene Mitwirkung an Maßnahmen des Bundesamts umfasst sein, die zwecks Erlangung von für die Abschiebung erforderlichen Bewilligungen gesetzt werden, als auch - gemäß der neuen Bestimmung des § 46 Abs. 2 FPG - Handlungen des Fremden selbst, die zur Vorbereitung für eine eigenständige Ausreise zu treffen sind, wie insbesondere die eigenständige Beantragung eines allenfalls erforderlichen Reisedokumentes und die insoweit notwendige Erstattung von Angaben gegenüber der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat)... Unbeschadet der Befugnis des Bundesamtes soll nämlich künftig auch der Fremde selbst explizit der Verpflichtung unterliegen, sich ein für die Ausreise erforderliches Reisedokument bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus eigenem zu beschaffen und bei dieser Behörde sämtliche für diesen Zweck erforderlichen Handlungen zu setzen, wobei hier insbesondere die Beantragung des Reisedokuments, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten umfasst sein sollen..."

Während im Zuge der vorangegangenen Novellierung des Fremdenpolizeigesetzes mit dem FrÄG 2015 (BGBl I Nr. 70/2015) in § 46 FPG lediglich festgelegt wurde, dass ein Fremder an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang mitzuwirken hat, so ist dieser nach der aktuellen Rechtslage nunmehr verpflichtet, sich aus eigenem, proaktiv um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu bemühen. Sofern der Beschwerdeführer im Beschwerdeschriftsatz hinsichtlich der einschlägigen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes aus zwei Judikaten des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 2014 zitiert (Seite 3), so verkennt er hierbei augenscheinlich, dass diesen beiden Entscheidungen noch die alte Rechtslage vor dem Inkrafttreten des FrÄG 2017 (BGBl I Nr. 145/2017) zugrunde lag.

Das Gesetz setzt es als Regelfall voraus, dass der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig, also aus eigenem Antrieb und ohne begleitende Zwangsmaßnahme seitens des Bundesamtes bzw. - in dessen Auftrag - der Landespolizeidirektion (§ 5 BVA-VG), nachkommt. Dies folgt aus § 46 Abs. 1 FPG, wonach eine Abschiebung nur unter den darin genannten (alternativen) Voraussetzungen in Betracht kommt, sowie aus den Bestimmungen über die Ausreisefrist (§§ 55, 56) und den Durchsetzungsaufschub (§§ 70 Abs. 3 und 4, 71). Liegen nun im Einzelfall bestimmte faktische Ausreisehindernisse vor, wie sie insbesondere im Fehlen eines für die Ausreise erforderlichen Reisedokumentes bestehen können, so ist es auch Teil einer freiwilligen Erfüllung der Ausreiseverpflichtung, sich aus Eigenem um die Beseitigung dieser Ausreisehindernisse zu kümmern, im Falle eines nicht (mehr) vorhandenen Reisedokumentes also z.B. dessen Neuausstellung bei der zuständigen ausländischen (Vertretungs-) Behörde zu beantragen. Dies ergibt sich aus § 46 Abs. 2 FPG, wonach ein zur Ausreise verpflichteter Fremder grundsätzlich angehalten ist, das im Fehlen eines Reisedokumentes regelmäßig gelegene Ausreisehindernis im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst zu beseitigen.

Die Pflicht des Fremden nach Abs. 2 umfasst unter anderem die Antragstellung auf Ausstellung eines Reisedokumentes bei der dafür zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat) sowie die Erstattung sämtlicher dazu erforderlicher Angaben, insbesondere die wahrheitsgemäße Angabe der Identität und die Bekanntgabe allfälliger sonstiger erkennungsdienstlicher Daten. Satz 2 dieser Bestimmung sieht vor, dass der Fremde die Erfüllung seiner Pflichten dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen hat. Die eigenständige Beschaffung eines Reisedokumentes und die Erstattung der dazu erforderlichen Angaben gemäß Abs. 2 erfolgt im Zusammenwirken zwischen dem Fremden und der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat), also ohne direkte Einbeziehung des Bundesamtes. Das Bundesamt hat daher ein Interesse daran, über die diesbezüglichen Maßnahmen des Fremden und deren Erfolg unterrichtet zu sein, zumal die Nichterfüllung der Verpflichtung gemäß Abs. 2 nicht nur zur Verhängung von Zwangsstrafen nach dem VVG, einschließlich der Beugehaft, führen kann, sondern auch für die Prüfung der Zulässigkeit einer (späteren) Anordnung der Schubhaft zu berücksichtigen ist (insoweit ist auf die Erläuterungen zu § 76 Abs. 3 Z 1a zu verweisen).

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer - wenngleich ihm dies ausdrücklich seitens der belangten Behörde im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Antragstellung aufgetragen wurde - keinen Nachweis darüber vorgelegt, dass er aus eigener Initiative Kontakt mit der mauretanischen Botschaft zwecks Ausstellung eines Reisedokumentes aufgenommen hat. Im Beschwerdeschriftsatz verweist er lediglich darauf, dass sich die mauretanische Botschaft in Berlin befinde und er ohne Reisedokument keine Möglichkeit habe, legal nach Deutschland zu reisen. Die Möglichkeit einer legalen Ausreise nach Deutschland besteht jedoch grundsätzlich, wie der Homepage der Botschaft der islamischen Republik Mauretanien in Berlin zu entnehmen ist, auf welche ebenfalls im Beschwerdeschriftsatz verwiesen wird (vgl. http://mauretanien-embassy.de/index.php/de/konsularabteilung/passverlust;

Zugriff am 09.12.2019). Sofern der Beschwerdeführer vermeint, der Homepage sei zu entnehmen, dass es im Falle des Verlustes eines mauretanischen Reisepasses einer persönlichen Vorstellung bei der Botschaft der islamischen Republik Mauretanien in Berlin bedürfe, so ist diese Ansicht unzutreffend. Der Homepage ist vielmehr im Falle des Verlustes eines mauretanischen Reisepasses folgendes Procedere zu entnehmen:

"1. Verlustanzeige bei der örtlichen Polizeidienststelle im betreffenden Land;

2. Umgehende Information an die Botschaft in Berlin;

3. Beantragung einer Einreisegenehmigung durch persönliche Vorstellung in der Botschaft."

Die unter Punkt 3) genannte Botschaft bezeichnet hierbei jedoch nicht die mauretanische Botschaft in Berlin, sondern die deutsche Botschaft im jeweiligen Aufenthaltsland des Verlustträgers. So wäre es dem Beschwerdeführer durchaus möglich gewesen, in Österreich hinsichtlich seines mauretanischen Reisepasses eine Verlustanzeige zu erstatten, die mauretanische Botschaft in Berlin darüber zu informieren und in weiterer Folge eine Einreisegenehmigung für Deutschland bei der deutschen Botschaft in Wien zu beantragen.

Jedoch hat der Beschwerdeführer - ausgehend von seinem Vorbringen - keinerlei Bemühungen walten lassen, telefonisch oder schriftlich mit der Botschaft in Berlin überhaupt in Kontakt zu treten und entsprechende Informationen einzuholen. Auch hat er keinen Nachweis darüber vorgelegt, dass er den Versuch unternommen hat, mit Familienangehörigen (etwa seinen Eltern) in seinem Heimatland Kontakt aufzunehmen, um sich entsprechende Dokumente und Unterlagen auf postalischem Wege übermitteln zu lassen, bzw. hat er im Verfahren auch nicht nachvollziehbar dargelegt, warum es ihm nicht möglich war, sich entsprechende Dokumente aus seinem Heimatland zu beschaffen.

Da der Beschwerdeführer sohin im gegenständlichen Fall nicht seiner Pflicht nachgekommen ist, bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus eigenem ein Reisedokument zu beantragen und die Erfüllung dieser Pflicht dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen und er offensichtlich auch keine Anstrengungen unternommen hat, mit seiner Familie in Mauretanien Kontakt aufzunehmen, um sich entsprechende Unterlagen schicken zu lassen, war die Beschwerde, da die Abschiebung aus von ihm zu vertretenden Gründen unmöglich erscheint, als unbegründet abzuweisen.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs. 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen erwies sich, wie unter der "Beweiswürdigung" ausgeführt, als unsubstantiiert. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und es waren auch keine Beweise aufzunehmen. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Duldung, Karte für Geduldete, Mitwirkungspflicht, Nachweismangel,
Reisedokument

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I403.2202206.2.00

Zuletzt aktualisiert am

08.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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