TE OGH 2020/4/16 11Os26/20p

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Veröffentlicht am 16.04.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat am 16. April 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Siegfried G***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 28. August 2019, GZ 34 Hv 71/19y-47, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil – das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält – wurde Siegfried G***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A), der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (B), des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (C) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit psychotropen Stoffen nach § 30 Abs 1 erster, zweiter und achter Fall, Abs 2 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – in L***** und andernorts im Zeitraum von Anfang März 2016 bis 13. Februar 2019 vorschriftswidrig

(A) Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar

1) Herbert K***** 1.500 g Cannabiskraut (durchschnittlicher Reinheitsgehalt 0,75 % Delta-9-THA und 9,88 % THCA),

2) Andreas M***** 228 Stück Substitol retard 200 mg,

3) Sarah S***** 725 Stück Substitol retard 200 mg, 13 Stück Substitol retard 120 mg und 420 g Cannabiskraut (durchschnittlicher Reinheitsgehalt 0,75 % Delta-9-THA und 9,88 % THCA),

4) Mzia B***** 418 Stück Substitol retard 200 mg und 1 Stück Substitol Retard 120 mg,

5) Slavisa St***** 80 Stück Substitol retard 200 mg,

6) „einem nicht näher bekannten Peter“ „insgesamt eine unbekannte Stückzahl Substitol retard 200 mg“,

7) „unbekannte Mengen, zumindest aber die verbliebene von S***** erhaltene Stückzahl Substitol retard 200 mg und Substitol retard 120 mg an unbekannte Abnehmer“,

...,

9) Sarah Si***** 20 Stück Substitol retard 200 mg und 78 g Cannabiskraut (durchschnittlicher Reinheitsgehalt 0,75 % Delta-9-THA und 9,88 % THCA),

10) „einem nicht näher bekannten Abnehmer“ 1 Stück Substitol retard 200 mg sowie weiteren unbekannten Abnehmern zumindest „die weiteren von Si***** erhaltenen 19 Stück Substitol retard 200 mg“,

11) Edin C***** 2 Stück Substitol retard 200 mg,

12) Samuel Sp***** 4 g Cannabiskraut (durchschnittlicher Reinheitsgehalt 0,75 % Delta-9-THA und 9,88 % THCA) und

13) Nadine N***** 10 Stück Substitol retard 200 mg.

Rechtliche Beurteilung

Inhaltlich ausschließlich gegen diesen Schuldspruch A wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die den Entfall der Qualifikation des § 28a Abs 4 Z 3 SMG anstrebt. Insoweit der Rechtsmittelantrag dessen ungeachtet auf gänzliche Urteilsaufhebung abzielt, blieb die Rüge mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umständen unausgeführt (§§ 285d Abs 1, 285a Z 2 StPO).

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Antrag auf „zeugenschaftliche Einvernahme von Dr. P*****, pA JA L***** sowie ein medizinisches Gutachten“ zum Nachweis, „dass der Angeklagte bereits im Jahr 2018 zumindest 800 mg Substitol einnehmen musste, um keine heftigen Entzugserscheinungen zu bekommen“ „und diese Menge somit nicht zum Verkauf zur Verfügung gestanden ist“, zu Recht abgelehnt. Denn der Antrag ließ nicht erkennen, inwiefern eine in der Justizanstalt L***** tätige Ärztin oder das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen über den täglichen Substitolkonsum des Angeklagten und dessen gesundheitliche Verfassung im beinahe dreijährigen Tatzeitraum Aufschluss geben können sollte (RIS-Justiz RS0118444; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 erster Fall) sind die (auf die Aussagen der Zeuginnen S***** und Si***** gegründeten – US 12) Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte „weniger Substitol konsumierte, als ihm als tägliche Erhaltungsdosis zur Verfügung stand“ (US 6) und wonach er die verschriebene Menge Substitol „nicht vollständig benötigte“ (US 12), weder undeutlich (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19, 419) noch – den bloß spekulativen Erwägungen der Beschwerde entgegen – entscheidend (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399).

Die Kritik, die Urteilsfeststellung zum Schuldspruch A/7 betreffend die Weitergabe einer „verbliebenen Stückzahl Substitol“ (US 8) lasse nicht erkennen, welche Menge überlassen worden sein soll, trifft hingegen zu. Sie spricht aber insofern keine entscheidende Tatsache an, als der Angeklagte nach den Konstatierungen (US 6 ff) 1.503 Stück Substitol retard 200 mg (beinhaltend je 150 mg Morphin) und 2.002 g Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 0,75 % Delta-9-THC und 9,88 % THCA, in Summe daher unabhängig vom Schuldspruch A/7 (und im Übrigen A/6 – US 8) Suchtmittel in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen hat (vgl RIS-Justiz RS0087874).

Die Feststellungen zu der vom Angeklagten der Zeugin S***** überlassenen Menge Suchtgift haben die Tatrichter auf deren für glaubhaft befundene Angaben (ON 40 S 18 ff) gegründet und die Verantwortung des Angeklagten zur von ihm benötigten – nach dem Vorbringen einem Handel entgegenstehenden – Substitolmenge als Schutzbehauptung gewertet (vgl US 12, 14 f). Dem Gebot zu voller Bestimmtheit, aber gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend (RIS-Justiz RS0106642) waren die Tatrichter dabei nicht gehalten, im Rechtsmittel (Z 5 zweiter Fall) isoliert hervorgehobene (den Konstatierungen zu entscheidenden Tatsachen nicht entgegenstehende) Details der Aussage der genannten Zeugin (etwa wonach „erst zum Schluss“ „weniger zum Verkauf übrig geblieben ist“ – ON 40 S 30) explizit zu erörtern (RIS-Justiz RS0098377). Dass nicht günstigere Schlüsse für den Angeklagten gezogen wurden, stellt im Übrigen kein Begründungsdefizit dar (RIS-Justiz RS0098400).

Insgesamt bekämpft die Rüge mit ihren eigenständigen Beweiswerterwägungen die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld (vgl Ratz, WK-StPO Vor §§ 280–296a Rz 11, 13).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E127876

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00026.20P.0416.000

Im RIS seit

04.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.05.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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