TE Bvwg Beschluss 2020/3/6 G308 2206096-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.03.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.03.2020

Norm

ASVG §410
ASVG §412a
ASVG §412b
ASVG §412c
AVG §8
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §7 Abs4

Spruch

G308 2206096-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin im Beschwerdeverfahren des Finanzamtes XXXX gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Steiermark, vom 20.06.2018, GZ VSNR/Abt. XXXX:

A) Die Beschwerde wird mangels Parteistellung sowie als verspätet

zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: SVA), vom 20.06.2018 GZ VSNR/Abt. XXXX, wurde von Amts wegen festgestellt, dass XXXX (im Folgenden: mitbeteiligte Partei oder kurz mP), XXXX, aufgrund seines Antrages vom 01.12.2017 gemäß

§ 194 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz (GSVG) iVm. den §§ 409 und 410 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) im Zeitraum von 08.11.2017 bis 28.02.2018 vorläufig aus der Pflichtversicherung in der Kranken-und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs.1 Z 1 GSVG idgF ausgenommen wird. Als weitere Rechtsgrundlagen der Entscheidung werden §§ 2, 4, 194, 194b GSVG genannt.

Begründend wird ausgeführt, dass der Antragsteller im Zeitraum von 08.11.2017 bis 28.02.2018 Inhaber einer Gewerbeberechtigung lautend auf Botendienst sowie Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft gewesen sei. Mit Schreiben vom 01.12.2017 habe er die Ausnahme von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG beantragt. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen sei vom Vorliegen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit auszugehen. Diese Rechtsansicht werde sowohl von der SVA als auch der zuständigen Gebietskrankenkasse vertreten (§ 194b GSVG iVm § 412d ASVG).

Die Rechtsmittelbelehrung lautet:

"Der vorliegende Bescheid kann während der unerstreckbaren Frist von vier Wochen nach der Zustellung durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist schriftlich (auch per Telefax oder elektronisch signiertem Internetformular unter www.svagw.at, Rubrik "Online Services", Auswahlfunktionen "Anträge/Formulare" - "Allgemeinen Antrag stellen" bei der

Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft

Landesstelle Steiermark

A-8010 Graz, Körblergasse 115

einzubringen. Die Beschwerde ist an das Bundesverwaltungsgericht zu richten (Adressat der Beschwerde). Sie hat den angefochtenen Bescheid und die belangte Behörde zu bezeichnen. Weiters hat sie die Gründe der behaupteten Rechtswidrigkeit, einen begründeten Entscheidungsantrag und entsprechende Angaben zur Beurteilung der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde zu enthalten.

Eine rechtzeitig eingebrachte und zuverlässige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Bitte beachten Sie, dass trotz der aufschiebenden Wirkung Verzugszinsen anfallen.

Gesetzliche Grundlagen: § 194 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz in Verbindung mit § 414 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, § 13 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz."

Der Bescheid wurde dem Finanzamt XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer oder kurz BF) laut Bescheidbeschwerde am 25.06.2018 zugestellt.

2. Mit Schreiben vom 19.07.2018, bei der belangten Behörde am 24.07.2018 mittels Kurier eingelangt, erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Feststellung der sozialversicherungsrechtlichen Zuordnung der Tätigkeit der mP. Begründend wurde ausgeführt, dass der Bescheid nicht hinreichend begründet sei und dem Akteninhalt kein tatsächlich verifizierter Sachverhalt entnommen werden könne.

Zur Parteistellung des Finanzamtes im Beschwerdeverfahren des Bundesverwaltungsgerichtes wird ausgeführt, dass dieses gemäß § 8 AVG als Partei anzusehen sei, da es sich beim Beschwerdeführer um eine Person handle, auf die sich die Tätigkeit der belangten Behörde beziehe (Bindungswirkung). In diesem Zusammenhang wäre dem Beschwerdeführer auch gemäß § 37 AVG Parteiengehör zu gewähren gewesen, was jedoch nicht erfolgt sei.

Weiters wurde die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides moniert und begründend auf die näher dargelegte VwGH-Judikatur verwiesen.

3. Mit Schreiben vom 20.09.2018 legte die SVA die Beschwerde mitsamt Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo sie am 21.09.2018 eingelangt sind.

Im Vorlagebericht wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nicht beschwerdelegitimiert sei. Die Bindungswirkung nach § 412d und § 412c ASVG begründe keine Parteistellung der Finanzämter im Vorabprüfungsverfahren. Sie seien daher nicht zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde legimitiert. Die Bescheidbeschwerde sei daher mangels Parteistellung des Beschwerdeführers zurückzuweisen. Dem Beschwerdeführer komme kein subjektiv-öffentliches Recht im Vorabprüfungsverfahren zu, insbesondere nicht durch die Zustellung des gegenständlichen Bescheides. Diese erfolge im öffentlichen Interesse, um die Bindung der Finanzämter an die Bescheide im späteren Prüfverfahren gewährleisten zu können. Faktische und wirtschaftliche Interessen des Beschwerdeführers würden keine Parteistellung begründen. Auch in den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage Nr. 1613 der Beilage zur XXV. GP werde nur das Beschwerderecht der SVA und Sozialversicherungsanstalt der Bauern ausdrücklich anerkannt.

Die Beschwerdelegitimation einer Partei gründe sich unmittelbar aus deren Parteistellung. Alleine aus dem Umstand, dass einer Person ein Bescheid zugestellt wurde, ließen sich demnach keine Parteirechte ableiten. Im Wege der Bindungswirkung gemäß § 412c ASVG könnten Bescheide auch für Personen Rechtswirkungen entfalten, denen im betreffenden Verfahren keine Parteistellung zukomme.

Im Übrigen wurden die gesetzlichen Bestimmungen und das von der SVA durchgeführte Ermittlungsverfahren sowie die einzelnen Kriterien zum Vorliegen eines sozialversicherungsrechtlichen Dienstverhältnisses dargestellt und auf den konkreten Fall bezogen.

4. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.10.2018 wurde dem Beschwerdeführer die Verspätung der gegenständlichen Beschwerde vorgehalten. Der Bescheid sei dem Beschwerdeführer am 25.06.2018 zugstellt worden. Die gesetzlich vorgesehene Rechtsmittelfrist habe am 25.06.2018 begonnen und am 23.07.2018 geendet. Die gegenständliche Beschwerde sei am 24.07.2018 bei der SVA per Kurier eingebracht worden. Das Bundesverwaltungsgericht beabsichtige daher, die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen.

Dem Beschwerdeführer wurde eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt.

Eine Stellungnahme langte bis dato nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter I. angeführte Verfahrensgang wird als relevanter Sachverhalt festgestellt.

Der angefochtene Bescheid vom 20.06.2018 wurde dem Beschwerdeführer am 25.06.2018 zugestellt. Ausgehend davon endete die Rechtsmittelfrist von vier Wochen mit Ablauf des 23.07.2018. Die gegenständliche Beschwerde langte am 24.07.2018 per Kurier bei der SVA ein.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Verfahrensakt der SVA und des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der Beschwerdeführer hat keine Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt abgegeben und die Verspätung auch sonst nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130 Absatz 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Gemäß § 28 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht mit Erkenntnis in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Sofern Prozessvoraussetzungen oder Beschwerdelegitimationen fehlen, hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mit Beschluss zurückzuweisen (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2018, 2.A., Anm. 5 zu § 28 VwGVG).

3.2. Zur Zurückweisung der Beschwerde:

3.2.1. Zurückweisung wegen Verspätung:

§ 61 AVG lautet:

"§ 61. (1) Die Rechtsmittelbelehrung hat anzugeben, ob gegen den Bescheid ein Rechtsmittel erhoben werden kann, bejahendenfalls welchen Inhalt und welche Form dieses Rechtsmittel haben muss und bei welcher Behörde und innerhalb welcher Frist es einzubringen ist.

(2) Enthält ein Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder fälschlich die Erklärung, dass kein Rechtsmittel zulässig sei oder ist keine oder eine kürzere als die gesetzliche Rechtsmittelfrist angegeben, so gilt das Rechtsmittel als rechtzeitig eingebracht, wenn es innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht wurde.

(3) Ist in dem Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig.

(4) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Behörde, bei der das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel auch dann richtig eingebracht, wenn es der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, oder bei der angegebenen Behörde eingebracht wurde.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 158/1998)"

Gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung.

Der angefochtene Bescheid vom 20.06.2018 wurde dem Beschwerdeführer am 25.06.2018 zugestellt. Ausgehend davon endete die Rechtsmittelfrist von vier Wochen mit Ablauf des 23.07.2018. Die gegenständliche Beschwerde langte am 24.07.2018 per Kurier bei der SVA ein.

Der Beschwerdeführer nahm bisher zum Verspätungsvorhalt keine Stellung und brachte auch in der Beschwerde keine Gründe für die verspätete Einbringung seiner Beschwerde vor.

Die Beschwerde erweist sich somit als verspätet und war als solche zurückzuweisen.

3.2.2. Zurückweisung mangels Parteistellung des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren:

Darüber hinaus kommt dem Finanzamt gegenständlich auch keine Parteistellung zu:

Der mit "Verfahren zur Klärung der Versicherungszuordnung" betitelte § 412a ASVG lautet [Hervorhebungen nicht im Original, Anm.]:

"§ 412a. Zur Klärung der Versicherungszuordnung ist ein Verfahren mit wechselseitigen Verständigungspflichten des Krankenversicherungsträgers und der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bzw. der Sozialversicherungsanstalt der Bauern durchzuführen. Die Einleitung dieses Verfahrens erfolgt

1. auf Grund einer amtswegigen Sachverhaltsfeststellung (§§ 412b und 412c) oder

2. auf Grund der Anmeldung zur Pflichtversicherung (§ 412d)

a) nach § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG, soweit es sich um Berechtigte zur Ausübung eines freien Gewerbes handelt, die von den Trägern der Krankenversicherung und der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft einvernehmlich bestimmt wurden, oder

b) nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG oder

c) nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG in Verbindung mit Punkt 6 oder 7 der Anlage 2 zum BSVG oder

3. auf Antrag der versicherten Person oder ihres Auftraggebers/ihrer Auftraggeberin (§ 412e)."

Der mit "Versicherungszuordnung auf Grund einer amtswegigen Sachverhaltsfeststellung (Neuzuordnung)" betitelte § 412b ASVG lautet [Hervorhebungen nicht im Original, Anm.]:

"§ 412b. (1) Stellt der Krankenversicherungsträger oder das Finanzamt bei der Prüfung nach § 41a dieses Bundesgesetzes oder nach § 86 EStG 1988 für eine im geprüften Zeitraum nach dem GSVG bzw. nach dem BSVG versicherte Person einen Sachverhalt fest, der zu weiteren Erhebungen über eine rückwirkende Feststellung der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz (Neuzuordnung) Anlass gibt, so hat der Krankenversicherungsträger oder das Finanzamt die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bzw. die Sozialversicherungsanstalt der Bauern ohne unnötigen Aufschub von dieser Prüfung zu verständigen. Die Verständigung hat den Namen, die Versicherungsnummer sowie den geprüften Zeitraum und die Art der Tätigkeit zu enthalten.

(2) Erfolgt eine Verständigung nach Abs. 1, so sind die weiteren Ermittlungen vom Krankenversicherungsträger und von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bzw. der Sozialversicherungsanstalt der Bauern im Rahmen ihres jeweiligen Wirkungsbereiches durchzuführen."

Der mit "Bindungswirkung, Bescheidzustellung" betitelte § 412c ASVG lautet [Hervorhebungen nicht im Original, Anm.]:

"§ 412c. (1) Wird nach Abschluss der Prüfungen nach § 412b das Vorliegen einer Pflichtversicherung

1. nach dem ASVG vom Krankenversicherungsträger und dem Dienstgeber oder

2. nach dem ASVG oder nach dem GSVG bzw. BSVG vom Krankenversicherungsträger und der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bzw. der Sozialversicherungsanstalt der Bauern

bejaht, so sind die Krankenversicherungsträger, die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bzw. die Sozialversicherungsanstalt der Bauern und das Finanzamt bei einer späteren Prüfung an diese Beurteilung gebunden (Bindungswirkung).

(2) Wird nach Abschluss der Prüfungen nach § 412b vom Krankenversicherungsträger das Vorliegen einer Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz bejaht, während die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bzw. die Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom Vorliegen einer Pflichtversicherung nach dem GSVG bzw. BSVG ausgeht, so hat der Krankenversicherungsträger die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz mit Bescheid festzustellen. Die Behörden sind an diese Beurteilung gebunden (Bindungswirkung), wenn der Bescheid des Krankenversicherungsträgers rechtskräftig wurde.

(3) Im Bescheid hat sich der Krankenversicherungsträger im Rahmen der rechtlichen Beurteilung mit dem abweichenden Vorbringen der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bzw. der Sozialversicherungsanstalt der Bauern auseinander zu setzen.

(4) Bescheide des Krankenversicherungsträgers sind neben der versicherten Person und ihrem Dienstgeber auch der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bzw. der Sozialversicherungsanstalt der Bauern sowie dem sachlich und örtlich zuständigen Finanzamt zuzustellen.

(5) Die Bindungswirkung nach den Abs. 1 und 2 gilt nicht, wenn eine Änderung des für die Beurteilung der Pflichtversicherung maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist."

Gemäß § 412b Abs. 1 und 2 ASVG trifft den Beschwerdeführer (das Finanzamt) - neben dem zuständigen Krankversicherungsträger, der SVA sowie der Sozialversicherungsanstalt der Bauern (im Folgenden: SVB) - eine Verständigungspflicht, wenn bei der Prüfung gemäß § 41a ASVG oder § 86 EStG 1988 ein Sachverhalt festgestellt wird, der zu weiteren Erhebungen über eine rückwirkende Feststellung der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz Anlass gibt.

Dies bedeutet mit anderen Worten, sobald beim Krankenversicherungsträger oder beim Finanzamt der Verdacht einer früheren oder noch andauernden Fehlzuordnung entsteht, ist unverzüglich, insbesondere vor der Aufnahme weiterer Ermittlungstätigkeiten, die SVA oder die SVB zu verständigen (vgl Kneihs in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 412b ASVG Rz 8 (Stand 01.07.2018, rdb.at)).

Durch die Verständigung kommt es (unter anderem) gemäß § 412a Z 1 ASVG iVm § 412b Abs. 1 ASVG zur Einleitung eines Verfahrens zur Versicherungszuordnung. Aus § 412a erster Satz ASVG ergibt sich bereits, dass das weitere Verfahren zur Versicherungszuordnung ein Verfahren des Krankenversicherungsträgers und entweder der SVA oder der SVB ist. Eine Beteiligung des Beschwerdeführers als Behörde in diesem Verfahren ist bereits aus dieser Bestimmung nicht ersichtlich. Auch sind nach Einleitung eines Verfahrens zur amtswegigen Neuzuordnung gemäß § 412b Abs. 2 ASVG die weiteren Ermittlungen vom Krankenversicherungsträger und entweder von der SVA oder SVB im Rahmen ihres eigenen Wirkungsbereiches durchzuführen. Dem Beschwerdeführer kommt somit auch keine Beteiligung am weiteren Ermittlungsverfahren zu.

Gemäß § 412c Abs. 1 ASVG ist der Beschwerdeführer an die Beurteilung der Pflichtversicherung nach Abschluss eines Verfahrens nach § 412b ASVG bei einer späteren Prüfung gebunden (Bindungswirkung). Der Krankenversicherungsträger hat gemäß § 412c Abs. 2 ASVG die Pflichtversicherung mit Bescheid festzustellen, wenn der Krankenversicherungsträger das Vorliegen einer Pflichtversicherung nach dem ASVG bejaht, während die SVA oder SVB von einer Pflichtversicherung nach dem GSVG/BSVG ausgeht. Bei Bescheiderlassung hat sich der Krankenversicherungsträger im Rahmen der rechtlichen Beurteilung mit dem abweichenden Vorbringen der SVA oder SVB auseinanderzusetzen (vgl § 412c Abs. 3 ASVG). Das Gesetz sieht auch hier wiederum keinerlei weitere Beteiligung oder Berechtigung des Beschwerdeführers zur Mitwirkung am weiteren Verfahren vor.

Gemäß § 412c Abs. 4 ASVG sind die vom Krankenversicherungsträger über die Versicherungszuordnung erlassenen Bescheide dem Beschwerdeführer lediglich zuzustellen, eine Parteistellung ist nicht ausdrücklich normiert.

Die Stellung des Beschwerdeführers als Beteiligter in den genannten Bestimmungen reduziert sich somit auf das Vorliegen einer Verständigungspflicht bei Verdacht auf Falschzuordnung zu einer Pflichtversicherung im Rahmen einer GPLA, seine Bindung an einen allenfalls vom Krankenversicherungsträger darüber erlassenen Bescheid sowie darauf, dass ihm dieser Bescheid zuzustellen ist.

Wie die SVA bereits ausgeführt hat, ergibt sich aus den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage betreffend das Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (ErläutRV 1613 BlgNR XXV. GP) das im Verfahren zur Sozialversicherungszuordnung der SVA und der SVB ein Beschwerderecht zukommt. Ein Hinweis auf ein Beschwerderecht des Beschwerdeführers ist darin nicht enthalten.

Auch Kneihs ist in seinem Kommentar zu § 412c ASVG der Ansicht, dass dem Beschwerdeführer (dem Finanzamt) mangels Rechtspersönlichkeit und subjektiver Rechte im Verwaltungsverfahren vor dem Krankenversicherungsträger kein Beschwerderecht eingeräumt wurde und die angeordnete Zustellung nur die Sicherstellung der Bindungswirkung bewirken soll (vgl Kneihs in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 412c Rz 5 und 15 ASVG).

§ 8 AVG legt lediglich fest, in welcher Beziehung Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens zu diesem stehen müssen, damit ihnen die Stellung einer Partei zukommt. § 8 AVG räumt aber weder selbst die Parteistellung begründende subjektive Rechte (Rechtsansprüche oder rechtliche Interessen) ein noch ist eine Regelung darüber enthalten, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit von einem solchen Recht die Rede sein kann (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 Rz 3 mit weiteren Nachweisen (Stand 01.01.2014, rdb.at)).

Demnach kann die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren Parteistellung besitzt, auf Grund des AVG alleine nicht gelöst werden. Die Frage muss vielmehr regelmäßig anhand der Vorschriften des materiellen Rechts, also des besonderen Verwaltungsrechts, gelöst werden. Parteistellung kommt allen Personen zu, deren subjektive Rechtssphäre im Verfahren unmittelbar berührt wird, deren Rechtsstellung durch den Bescheid eine Änderung erfahren kann (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 Rz 4 mit weiteren Nachweisen).

Fallbezogen ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer - entgegen seinem Vorbringen - weder eine Parteistellung unmittelbar aus § 8 AVG ableiten kann, noch, dass sich eine solche aus den - oben dargestellten - materiellrechtlichen Bestimmungen ergibt.

Mangels Parteistellung kommt dem Beschwerdeführer somit auch keine Beschwerdelegitimation im gegenständlichen Verfahren zu, sodass die Beschwerde - selbst bei deren Rechtzeitigkeit - als unzulässig zurückzuweisen gewesen wäre.

3.3. Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 2. September 2004, 68.087/01 [Hofbauer/Österreich ], wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jegliche Anhörung [im Originaltext "any hearing at all"] erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 29.April 2015, Zl. Ro 20015/08/0005.

Da eine Rechtsfrage zu klären war, waren von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil sich die gegenständliche Beschwerde - unabhängig von der Rechtsfrage der Parteistellung des Beschwerdeführers - als jedenfalls verspätet erweist. Diesbezüglich liegt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, und es fehlt auch weder an höchstgerichtlicher Judikatur noch bestehen Judikaturdivergenzen.

Die Revision ist somit gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

Finanzamt, Parteistellung, Rechtsmittelfrist, Verspätung,
Zurückweisung, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G308.2206096.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten