TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/2 I406 2220626-1

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Veröffentlicht am 02.10.2019
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Entscheidungsdatum

02.10.2019

Norm

ABGB §1332
AsylG 2005 §3
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §33 Abs1

Spruch

I406 2220626-1/10Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Knitel als Einzelrichter über den Antrag des XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, vom 12.09.2019 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beschlossen:

A) Der Antrag wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der nunmehrige Wiedereinsetzungswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 23.11.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich seiner Erstbefragung am 24.12.2010 gab er an, Staatsangehöriger von Sierra Leone zu sein und erstattete vorerst auch zu seinem Alter unzutreffende Angaben, die er erst angesichts der Ankündigung einer Altersfeststellung richtigstellte.

Mit Bescheid vom 05.06.2019, Zl. XXXX wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz ab erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde.

Zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.08.2019 erschien der Beschwerdeführer unentschuldigt nicht.

Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde mit Erkenntnis vom 26.08.2019, Zl. I406 2220626-1 als unbegründet ab.

Mit Eingabe vom 12.09.2019 stellte der Wiedereinsetzungswerber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Begründet wurde dies damit, der Beschwerdeführer habe die Ladung von der Post abgeholt und diese am 07.08.2019 gegen 12.00 Uhr seiner Betreuerin "im Vorbeigehen" gezeigt, diese habe diese nur kurz durchgeblättert, dabei offensichtlich übersehen, dass sich eine Ladung unter diesen Unterlagen befunden habe und dem Beschwerdeführer gesagt, es handle sich um eine "reine Information (Länderinformation)", der Beschwerdeführer habe keinen Handlungsbedarf. Am darauffolgenden Tag habe seine Betreuerin aufgrund der großen Arbeitsbelastung vergessen, sich die Unterlagen noch einmal anzusehen. Der Beschwerdeführer habe sich auf die Auskunft der Betreuerin, wonach kein Handlungsbedarf bestehe, verlassen, er habe bisher keinen Zweifel gehabt, an der Verlässlichkeit seiner Betreuerin zu zweifeln. Daher sei er nicht bei der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erschienen.

Dies belegte der Beschwerdeführer durch ein entsprechendes Bestätigungsschreiben seiner Betreuerin.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Hiermit wird der Verfahrensgang festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Beweis erhoben mittels Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, den Gerichtsakt, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die in damit in Zusammenhang stehenden Eingaben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zu Last liegt, hindert die Bewilligung zur Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. VwGH vom 25.11.2015, Ra 2015/06/0113 sowie VwGH vom 30.05.2017, Ra 2017/19/0113). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl. etwa VwSlg. 11.312/A sowie VwGH vom 21.05.1997, Zl. 96/21/0574). Den Antragsteller trifft somit die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Es ist daher ausschließlich das Vorbringen des Wiedereinsetzungswerbers in seinem Antrag vom 12.09.2019 auf seine Tauglichkeit als Wiedereinsetzungsgrund zu prüfen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann (vgl. VwGH vom 24.01.1996, Zl. 94/12/0179). Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt hingegen nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte (vgl. VwGH vom 03.04.2001, Zl. 2000/08/0214). Ein Verschulden der Partei bzw. des Vertreters hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit) handelt. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH vom 29.01.2014, Zl. 2001/20/0425).

Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass der Wiedereinsetzungswerber sowie seine Betreuerin in ihrem Bestätigungsschreiben übereinstimmend angeben, dass die Betreuerin beim Durchsehen der vom Bundesverwaltungsgericht übermittelten Unterlagen, darunter der Ladung zur mündlichen Verhandlung, in großer Eile war und dieser Umstand dem Wiedereinsetzungswerber auch aufgefallen war. Weiters ergibt sich aus den Ausführungen des Wiedereinsetzungswerbers, dass seine Betreuerin ihm mitteilte, er habe Informationen vom Bundesverwaltungsgericht erhalten.

Von einem Wiedereinsetzungswerber, der ein Interesse am Ausgang seines Beschwerdeverfahrens haben muss, ist jedoch zu erwarten, dass er bestrebt ist, sich auch von "reinen Informationen" des Bundesverwaltungsgerichtes Kenntnis zu verschaffen; unterläßt er dies, ist dies als auffallende Interesselosigkeit am Verfahren zu werten.

Daraus ergibt sich, dass vom Wiedereinsetzungswerber zu erwarten gewesen wäre, dass er zu einem Zeitpunkt, zu dem seine Betreuerin ohne großen Zeitdruck Gelegenheit zur Durchsicht der Unterlagen gehabt hätte, sich nach dem Inhalt der ihm übermittelten - vermeintlich "reine Informationen" enthaltenden - Unterlagen erkundigt hätte und sich nicht mit einer Auskunft seiner Betreuerin begnügt hätte, die diese nach lediglich kurzer Durchsicht unter großem Zeitdruck erteilt hatte.

Daher liegt eine zumutbare Sorgfalt des Wiedereinsetzungswerbers nicht vor und liegt mehr als ein minderer Grad des Versehens vor. Aus diesen Gründen ist das im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand enthaltene Vorbringen nicht geeignet, das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes glaubhaft zu machen.

Daher war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylverfahren, Fahrlässigkeit, Glaubhaftmachung, Ladungsbescheid,
minderer Grad eines Versehens, mündliche Verhandlung, objektiver
Maßstab, Offensichtlichkeit, Rückkehrentscheidung, Sorgfaltspflicht,
unabwendbares Ereignis, unvorhergesehenes und unabwendbares
Ereignis, Verschulden, Wiedereinsetzungsantrag, zumutbare Sorgfalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I406.2220626.1.01

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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