TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/21 96/21/0574

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Veröffentlicht am 21.05.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §13a;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71;
AVG §72 Abs1;
FrG 1993 §18;
FrG 1993 §45 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des T, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 29. Februar 1996, Zl. St 122/96, betreffend Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages und Zurückweisung einer Berufung als verspätet, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 13. Dezember 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von drei Jahren erlassen und gemäß § 54 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in der Republik Irak gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist stellte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 28. Jänner 1996 den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und erhob gleichzeitig Berufung. Zur Begründung des Antrages auf Bewilligung der Wiedereinsetzung führte er aus, daß er sich seit 18. November 1995 in Schubhaft befinde und bis 18. Jänner 1996 keinen Rechtsbeistand gehabt habe. Er sei der deutschen Sprache nicht mächtig. Er habe sich rechtlich nicht selbst belehren können, zumal die "Rechte" im PGH - Roßauer Lände bzw. Hernalser Gürtel in arabischer Sprache nicht auflägen. Er habe sohin keine Möglichkeit gehabt, gegen das Aufenthaltsverbot und den negativen Bescheid gemäß § 54 FrG von sich aus in rechtlich sinnvoller Weise zu berufen.

Die Bezirkshauptmannschaft Schärding wies diesen Antrag mit Bescheid vom 8. Februar 1996 ab. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, daß der Umstand, daß der Beschwerdeführer der deutschen Sprache nicht mächtig sei, als unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG angesehen werden könne. Dem Beschwerdeführer sei im Rahmen seiner Einvernahme am 22. November 1995 in arabischer Sprache zur Kenntnis gebracht worden, daß die Bezirkshauptmannschaft Schärding ein Aufenthaltsverbot gegen ihn erlassen werde und über den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Irak entscheiden werde. Dem Beschwerdeführer hätte daher bewußt sein müssen, daß ihm am 18. Dezember 1995 ein Schriftstück zugestellt worden sei, welches in diesem Zusammenhang von Bedeutung sei. Dem Beschwerdeführer sei daher bekannt gewesen bzw. hätte ihm bekannt sein müssen, daß es sich beim besagten Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Schärding um einen Aufenthaltsverbotsbescheid bzw. Feststellungsbescheid gemäß § 54 FrG handle und wäre er daher im eigenen Interesse verhalten gewesen, entsprechend der richtigen und vollständigen Rechtsmittelbelehrung gegen diesen Bescheid zu handeln. Daß der Beschwerdeführer dies unterlassen habe, stelle eine gravierende Abweichung vom objektiv gebotenen Sorgfaltsmaßstab, der von einem Berufungswerber verlangt werden könne, dar. Diese gravierende Abweichung vom objektiv gebotenen Sorgfaltsmaßstab sei dem Beschwerdeführer auch subjektiv vorwerfbar, zumal nach dem vorliegenden Vernehmungsergebnis nicht hervorgekommen sei, daß der Beschwerdeführer den Gang der Vernehmungen und den in diesen Vernehmungen bekanntgegebenen Verfahrensablauf nicht verstanden hätte.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin führte er im wesentlichen aus, daß er im Zeitpunkt der Bescheidzustellung noch keinen Rechtsbeistand gehabt habe. Obwohl er sich darum bemüht habe, habe ihn im PGH-Ost keiner über seine Rechte aufklären können. Dolmetscher habe es dort nicht gegeben. Die Schubhäftlinge bekämen ihre Bescheide in die Hand gedrückt nach dem Motto "friß oder stirb".

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge und bestätigt den bekämpften Bescheid (Spruchpunkt 1.). Mit Spruchpunkt 2. wurde die Berufung als verspätet zurückgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens aus, daß die Unkenntnis der deutschen Sprache kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG darstelle. § 39a Abs. 1 AVG begründe keinen Anspruch auf Verwendung einer fremden Sprache im schriftlichen Verkehr mit der Behörde. Der Beschwerdeführer habe daher nicht davon ausgehen können, daß Verfügungen der Verwaltungsbehörde ihm nur in einer ihm verständlichen Sprache zugestellt würden. Mangels Vorliegens eines Wiedereinsetzungsgrundes sei die gemeinsam mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung eingebrachte Berufung als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Auf die Erstattung einer Gegenschrift wurde verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. Jänner 1984, Slg. Nr. 11.312/A). Den Antragsteller trifft somit die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Eine Auswechslung dieses Wiedereinsetzungsgrundes in der Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung ist unzulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0622). Es ist daher ausschließlich das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Antrag vom 28. Jänner 1996 auf seine Tauglichkeit als Wiedereinsetzungsgrund zu prüfen. Hier hat der Beschwerdeführer geltend gemacht, daß er keine Möglichkeit gehabt habe, Berufung zu erheben. Erläuternd hat er hiezu angegeben, daß er sich in Schubhaft befunden habe, der deutschen Sprache nicht mächtig sei und mangels Aufliegens der Rechtsvorschriften in arabischer Sprache sich nicht selbst informieren habe können. In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid erläuterte er diese Unmöglichkeit Berufung zu erheben noch damit, daß er sich zwar bemüht habe, ihn jedoch keiner über seine Rechte hätte aufklären können, Dolmetscher habe es dort nicht gegeben.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist u.a. gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Diese Voraussetzungen treffen nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 19. Oktober 1994, Zl. 93/01/1117, und vom 27. Juli 1995, Zl. 94/19/0518), daß sichergestellt sein muß, daß ein Fremder - auch oder gerade wegen der Einengung seiner Freiheit während der Schubhaft - den von ihm gewünschten Rechts- oder sonstigen Beistand rechtzeitig erhält. Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - im Verfahren sein Bemühen, Berufung zu erheben, behauptete und Gründe für diese Undurchführbarkeit aufstellte. Die belangte Behörde hätte sich mit diesem Vorbringen auseinandersetzen müssen. Da sie dies nicht tat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Soweit sich die Beschwerde gegen die Zurückweisung der Berufung als verspätet richtet, war sie hingegen abzuweisen:

Die belangte Behörde war bei Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Berufung an ihre Entscheidung über die Wiedereinsetzung gebunden, sodaß die Zurückweisung der Berufung nicht rechtswidrig war. Sollte im fortgesetzten Verfahren die Wiedereinsetzung bewilligt werden, dann träte das Verfahren ohnehin in die Lage zurück, in der es sich vor Eintritt der Versäumung befunden hat (§ 72 Abs. 1 AVG). In diesem Fall würde also der die Berufung als verspätend zurückweisende Teil des angefochtenen Bescheides von Gesetzen wegen außer Kraft treten, ohne daß es einer ausdrücklichen Aufhebung bedürfte (vgl. dazu das Erkenntnis vom 23. Mai 1956, Slg. 4070/A, aus jüngerer Zeit das Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0367).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren hinsichtlich der Umsatzsteuer war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein Kostenersatz unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht zusteht (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, 686).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996210574.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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