TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/20 W124 2216872-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.02.2020
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Entscheidungsdatum

20.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W124 2216872-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005

iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 sowie 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste am XXXX unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In der niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab er an, er heiße XXXX , stamme aus XXXX , Distrikt XXXX , Bundesstaat XXXX , Indien, sei ledig und gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikh sowie der Volksgruppe der Ghumar an. Er habe zwölf Jahre lang die Grundschule besucht und verfüge über keine Berufsausbildung; einen zuletzt ausgeübten Beruf gab er nicht an. Der BF spreche Punjabi.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, er sei von seinen Eltern aus Angst vor einer Festnahme durch die Polizei ins Ausland geschickt worden; sein Onkel sei ein Gauner gewesen und habe alle Leute in seinem Dorf belästigt und verprügelt, der BF sei immer mit seinem Onkel zusammen gewesen. Sein Onkel sei angezeigt worden, woraufhin dieser weggelaufen sei. Im Falle einer Rückkehr befürchte der BF eine Festnahme durch die Polizei.

3. Am XXXX setzte das BFA den BF davon in Kenntnis, dass er aufgrund Privatverzugs, d.h. vom BF selbst gemieteten Wohnraums, am selben Tag von der Grundversorgung abgemeldet und somit die entsprechenden Leistungen (Unterkunft, Verpflegung, Taschengeld, Krankenversicherung) eingestellt wurden.

4. Am XXXX richtete das BFA zwei Informationsgesuche gemäß Art. 34 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-Verordnung) an Griechenland und Spanien. Beide blieben in weiterer Folge unbeantwortet.

5. In der am XXXX durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA gab der BF zu seinen Angehörigen in seinem Herkunftsstaat an, seine Eltern würden in XXXX leben; sein Vater arbeite als Schneider in einem Geschäft und finanziere alles. Er selbst habe in Indien immer in "unserem eigenen Haus" gewohnt, sei ledig und habe keine Kinder. Ansonsten habe er väterlicherseits drei Onkel, welche ebenfalls in XXXX leben.

Er habe 12 Jahre lang die Grundschule besucht und danach nicht gearbeitet; sein Vater habe ihn immer unterstützt.

Mit seiner Mutter habe er fast täglich Kontakt; nachgefragt gab er an, er habe ein gutes Verhältnis zu seiner Familie und seinen Verwandten.

In seinem Herkunftsstaat sei er weder mit dem Gesetz in Konflikt geraten bzw. strafrechtlich verurteilt worden noch habe er jemals Probleme mit der Polizei, weiteren Behörden, dem Militär oder Gerichten gehabt. Auch habe er nie von sich aus eine Polizeidienststelle, ein Gericht oder eine sonstige Sicherheitsbehörde aufgesucht. Er sei weder politisch aktiv noch Mitglied einer politischen oder religiösen Organisation.

Zu seinem Fluchtgrund gab der BF an, er habe mit seinem Onkel gelebt, der ein böser Mensch sei; sein Onkel habe ihn immer mitgenommen, die Polizei sei ihm hinterher gewesen. Etwa vier Monate vor dem Zeitpunkt seiner Ausreise habe sein Onkel das Land verlassen und der BF sei alleine dortgeblieben. Er sei jung gewesen und die Polizei habe ihn aufgesucht; einmal wurde er von ihr festgenommen, woraufhin seine Eltern diese bestochen hätten und er deshalb auch wieder freigekommen sei. Nach diesem Vorfall hätten ihm seine Eltern gesagt, dass sein Leben in Gefahr sei und hätten ihm einen Schlepper besorgt. Deshalb sei er ausgereist. Nachgefragt gab der BF an alle Fluchtgründe genannt zu haben.

Nachdem ihm das BFA vorhielt, dass seine Angaben vage bzw. unkonkret seien, und ihn aufforderte, genaue Angaben zu machen, gab der BF an, dies sei sein Fluchtgrund; alles, was er erzählt habe. Nach erneutem Vorhalt und Aufforderung, konkrete Angaben zu machen, gab der BF an, sein Onkel sei ein böser Mensch, damals sei er zur Schule gegangen, sein Onkel habe in öfters mitgenommen und immer Streit gehabt; einmal habe ihn sein Onkel zu einem Streit mitgenommen, wobei die Polizei das Gesicht des BF gesehen habe und deswegen vermutet habe, er sei in besagten Streit involviert gewesen. Danach habe sein Onkel Indien verlassen und der BF sei von der Polizei verhaftet worden.

Wiederholt hielt ihm das BFA vor, dass seine Schilderungen Einzelheiten und Details vermissen ließen, sein Vorbringen sohin nicht glaubhaft sei und forderte ihn auf, alle Einzelheiten, etwa betreffend die Streitigkeiten, die Festnahme etc., zu nennen. Der BF gab hierzu an, der zweite Grund sei gewesen, dass er alleine dort gewesen sei. Seine Eltern hätten gedacht, irgendwer werde ihm etwas Böses tun und hätten Geld gesammelt, um seine Flucht zu finanzieren. Nachgefragt gab der BF an, nicht mehr angeben zu können und nicht persönlich bedroht oder verfolgt worden zu sein. Das BFA forderte ihn auf, detaillierte, genaue Angaben zur genannten Festnahme zu machen; der BF gab an, dass er zuhause gewesen sei und "sie" seinen Eltern mitgeteilt hätten, dass er auch involviert gewesen sei. Seine Eltern hätten den Behörden mitgeteilt, dass er nicht involviert gewesen sei, woraufhin er verhaftet und in die Polizeistation gebracht worden sei. Seine Eltern hätten diese aufgesucht und ausgesagt, dass er nichts damit zu tun habe. Anschließend habe die Behörde seinen Eltern gesagt, dies sei das erste Mal gewesen sei und ihn sogleich entlassen.

Das BFA wiederholte die Aufforderung, konkretere Angaben zur erfolgten Festnahme zu machen, woraufhin der BF angab, er sei neben seinen Eltern gewesen und habe dies gehört. Nachgefragt gab er hierzu an, dass ihm seine Eltern nicht zugehört hätten, wenn er etwas gesagt hätte; danach seien sie zur Polizei mitgefahren. Nachgefragt, wo sich der BF zum Zeitpunkt der Festnahme aufgehalten habe, gab er an, er habe sich in der Polizeistation aufgehalten; am selben Tag hätten ihn seine Eltern wieder mit nach Hause genommen. Danach habe er keine Probleme mehr mit der Polizei gehabt.

Nachgefragt, warum der BF seinem Onkel gefolgt sei, gab er an, das wisse er nicht genau, er wurde bloß angerufen und dann von ihm mitgenommen, von Streitigkeiten habe er nichts gewusst. Auf die Frage, was ihn dazu bewogen habe, öfters mit seinem Onkel mitzugehen, antwortete der BF, er habe nie gedacht, dass sein Onkel jedes Mal streiten, sondern etwas Anderes tun würde. Die genannten Streitigkeiten seien zumeist Schlägereien wegen eines Grundstücksstreits gewesen; der BF habe nur danebengestanden, sei jedoch zu aufgeregt gewesen, um die Polizei zu rufen.

Nachgefragt, wie der BF seinen Alltag in Indien verbracht habe, gab er an, er habe abends immer mit seinen Freunden Fußball gespielt.

Im Falle einer Rückkehr hätte er Angst vor der Polizei.

Zu seiner Situation in Österreich gab der BF an, er erhalte keine Unterstützung und esse zusammen mit seinen indischen Freunden. Er habe am Anfang Kontakt zu diesen indischen Freunden gehabt. Derzeit bestehe jedoch kein Kontakt zu diesen. Seine Freizeit verbringe er im Sikhtempel, ansonsten tue er nichts. Auf die Frage des BFA, ob er sich integriert fühle, antwortete er, er respektiere die Gesetze und sei nie straffällig geworden, wolle die Sprache lernen, habe für einen Deutschkurs jedoch kein Geld. Kurse bzw. Ausbildungen habe der BF in Österreich nicht absolviert, in Vereinen oder sonstigen Organisationen habe er sich nicht betätigt; auch sonst habe er nicht am sozialen bzw. kulturellen Leben in Österreich teilgenommen.

Im Zuge der Einvernahme wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt, in das vom BFA zur Beurteilung seines Falles herangezogene Länderinformationsblatt zu Indien samt den darin enthaltenen Quellen Einsicht und gegebenenfalls auch schriftlich Stellung zu nehmen. Der BF sagte hierzu, er brauche das nicht.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gemäß § 55 FPG mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Das Bundesamt stellte fest, dass die Identität des BF nicht feststehe, er Staatsangehöriger von Indien sowie Sikh sei. Er sei ledig, habe keine Kinder, sei gesund sowie im arbeitsfähigen Alter und spreche Punjabi bzw. in Grundzügen auch Englisch. Im Falle des BF bestehe keine asylrelevante Verfolgung. Im Falle einer Rückkehr nach Indien sei auch keine Bedrohungssituation gegeben; in Indien sei die elementare Grundversorgung gewährleistet. In Österreich habe der BF weder familiäre noch sonstige soziale Anknüpfungspunkte. In Indien hingegen verfüge er über familiäre Anknüpfungspunkte, zumal der Großteil seiner Verwandten dort lebe. In Österreich verfüge der BF über keine Familienangehörigen iSd Art. 8 EMRK bzw. in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihm stehende Personen, er sei erst seit Kurzem in Österreich aufhältig; den Großteil seines Lebens habe er in seinem Herkunftsstaat verbracht, wo er auch mit der örtlichen Sprache und Kultur vertraut sei. Eine maßgebliche integrative Bindung zu Österreich bestehe nicht.

Beweiswürdigend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Fluchtvorbringen des BF nicht glaubhaft sei: seine Befürchtungen würden sich lediglich auf vage, unglaubwürdige Vermutungen stützen. Konkrete glaubwürdige Anhaltspunkte oder Hinweise für die von ihm behaupteten Verfolgungshandlungen hätten seinem Vorbringen nicht entnommen werden können; zudem stehe sein Vorbringen im Widerspruch zu ermittelten Tatsachen. Im Zuge der Einvernahme am XXXX habe der BF einen tragischen Grund seiner Flucht angegeben und so sein Vorbringen gesteigert. Darüber hinaus habe er sich bei der eigenen Darstellung der Fluchtgründe auf das Aufstellen von bloß abstrakten und unkonkreten Behauptungen beschränkt und sein Vorbringen insgesamt sehr allgemein gehalten. Zudem sei er in persönlicher Hinsicht nicht glaubwürdig: Er sei plötzlich von der Polizei verhaftet und auf Kaution wieder enthaftet worden, was der einzige Vorfall gewesen sei. Der BF habe nicht auf plausible Weise erklären können, warum gerade er festgenommen worden wäre, da er selbst keine Straftaten begangen habe. Eine Verfolgung oder Bedrohung durch die Polizei habe er nicht behauptet; sein Onkel, welcher andere geschlagen haben soll, habe das Land vier Monate vor ihm verlassen.

Obwohl mehrmals nachgefragt worden sei, habe der BF keine konkreten, detaillierten sowie nachvollziehbaren Erlebnisse bezüglich seines Fluchtgrundes schildern können.

Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass er keine asylrelevanten Verfolgungsgründe glaubhaft habe dartun können. Aus dem Ermittlungsverfahren hätten sich auch keine sonstigen Anhaltspunkte für eine Verfolgung aus Konventionsgründen ergeben. Zu Spruchpunkt II. wurde festgehalten, dass sich - wie aus der Beweiswürdigung ersichtlich - keine begründeten Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass der BF durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien in seinen nach Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder dem Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK gewährleisteten Rechten verletzt werde. Die Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 würden nicht vorliegen (Spruchpunkt III). Zum Privat- und Familienleben des BF (Spruchpunkt IV.) wurde zusammengefasst ausgeführt, dass entscheidungserhebliche integrative Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet, welche zu einem Überwiegen seiner privaten Interessen an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat geführt hätten, nicht hätten erkannt werden können. Anhaltspunkte, dass eine Abschiebung gemäß § 50 FPG unzulässig sei, hätten sich nicht ergeben (Spruchpunkt V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise sei mit 14 Tagen festzusetzen gewesen, zumal keine berücksichtigungswürdigen Umstände hervorgekommen seien, welche eine längere Frist erforderlich gemacht hätten (Spruchpunkt VI.).

7. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG XXXX als Rechtsberater zur Seite gestellt, welcher ihn in weiterer Folge im Beschwerdeverfahren vertrat.

8. Mit der gegen diese Entscheidung fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde der Bescheid vollinhaltlich wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit angefochten und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Der BF führte nach Wiederholung des Verfahrensgangs sowie seines Vorbringens begründend aus, er habe seiner Meinung nach im Zuge seiner Einvernahme vor dem BFA ausführlich, ob in freier Erzählung oder auf Nachfrage, zu seinen Asylgründen Stellung genommen. Er habe stets die Wahrheit gesagt; falls asylrelevante Antworten ausgeblieben seien, wäre er gerne dazu bereit gewesen, weiter an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken. Somit habe er alles in seiner Macht Stehende getan, um im Verfahren seiner Mitwirkungspflicht im Sinne des § 15 AsylG 2005 nachzukommen. Der BF halte die von ihm in der niederschriftlichen Einvernahme zu seinen Fluchtgründen gemachten Angaben aufrecht. Auf sämtliche Fragen, die ihm die belangte Behörde gestellt habe, habe der BF wahrheitsgemäß und glaubwürdig geantwortet.

9. Am XXXX langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des BF

Der 19-jährige Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger, stammt aus der Provinz Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikh an. Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Er spricht Punjabi und ein wenig Englisch, jedoch kein Deutsch. In Indien besuchte er zwölf Jahre lang die Grundschule; für seinen Unterhalt kam bis zu seiner Ausreise sein Vater auf. In seinem Herkunftsort leben seine Eltern in einem Haus. Der BF pflegt regelmäßigen Kontakt zu seiner Mutter.

Am XXXX stellte er nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2 Zu seinen Fluchtgründen

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF aus einem der von ihm genannten Gründe - konkret wegen der Verfolgung durch die indische Polizei oder sonstige indische Behörden - seinen Herkunftsstaat verlassen hat oder ihm aus diesen Gründen im Falle seiner Rückkehr eine Gefahr oder Verfolgung drohen würden.

Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien in seinem Recht auf Leben gefährdet wird, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wird oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Im Fall seiner Rückkehr nach Indien verfügt der BF zudem über die Möglichkeit, außerhalb seiner Heimatstadt zu leben und einer Beschäftigung nachzugehen.

1.3 Zum Privat- und Familienleben in Österreich

In Österreich ist der BF unbescholten. Er verfügt über keine Deutschkenntnisse und war bisher im Bundesgebiet nicht erwerbstätig. Leistungen aus der Grundversorgung bezieht er nicht. Er ist ferner nicht erwerbstätig und sohin nicht selbsterhaltungsfähig. Es können keine Anhaltspunkte für die Annahme einer außergewöhnlichen Integration des BF in Österreich in sprachlicher, sozialer und beruflicher Hinsicht festgestellt werden.

1.4 Zur Lage im Herkunftsstaat werden die vom BFA im gegenständlichen Verfahren eingebrachten Länderberichte herangezogen:

1. Politische Lage

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 23.1.2019; vgl. AA 18.9.2018). Die Zentralregierung hat im indischen Föderalsystem deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten. Indien verfügt über 29 Bundesstaaten und sechs Unionsterritorien (AA 11.2018a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 20.4.2018). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 11.2018a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 18.9.2018), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 11.2018a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 18.9.2018). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 3.2018a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA 9.2018a). Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 11.2018a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 20.4.2018). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 18.9.2018).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 20.4.2018). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2017 ist Präsident Ram Nath Kovind indisches Staatsoberhaupt (AA 11.2018a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 3.2018a).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 18.9.2018). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 3.2018a; vgl. FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 18.9.2018). Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis "National Democratic Alliance" (NDA) mit der "Bharatiya Janata Party" (BJP) als stärkste Partei (282 Sitze) die Kongress-Partei an der Regierung ab (AA 18.9.2018). Die BJP holte sie nicht nur die absolute Mehrheit, sie ließ auch den bislang regierenden Indian National Congress (INC) weit hinter sich. Der INC kam nur noch auf 46 Sitze und erlitt die schlimmste Niederlage seit der Staatsgründung 1947. Wie es mit dem INC mit oder ohne die Familie Gandhi weitergeht, wird abzuwarten sein. Die Gewinne der Wahlen im Punjab, Goa und Manipur sowie das relativ gute Abschneiden in Gujarat sind jedenfalls Hoffnungsschimmer, dass die Zeit der Kongresspartei noch nicht vorbei ist (GIZ 13.2018a). Die Anti-Korruptionspartei (AAP), die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang 2014 landesweit nur vier Sitze (GIZ 3.2018; vgl. FAZ 16.5.2014). Der BJP-Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt und steht seither einem 26-köpfigen Kabinett (mit zusätzlichen 37 Staatsministern) vor (AA 18.9.2018).

In Indien wird im Zeitraum zwischen April und Mai 2019 wieder gewählt. Der genaue Zeitplan ist jedoch noch unklar. In den Umfragen liegt der hindu-nationalistische Premier Narendra Modi mit seiner BJP vorne (DS 1.1.2019).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 3.2018b).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktive Außenpolitik. Der außenpolitische Kernansatz der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" ergänzt. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und als aufstrebende Gestaltungsmacht die zunehmende verantwortliche Mitgestaltung regelbasierter internationaler Ordnung (AA 11.2018b). Ein ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 3.2018a). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an, wobei nicht zuletzt Alternativkonzepte zur einseitig sino-zentrisch konzipierten "Neuen Seidenstraße" eine wichtige Rolle spielen. In der Region Südasien setzt Indien zudem zunehmend auf die Regionalorganisation BIMSTEC (Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation). Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft und Mitglied im "Regional Forum" (ARF). Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. Die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) hat Indien und Pakistan 2017 als Vollmitglieder aufgenommen. Der Gestaltungswille der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) schien zuletzt abzunehmen (AA 11.2018b).

In den Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich in den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst. Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmir-Problem (AA 11.2018b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 3.2018a).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze. Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs während seines Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 3.2018a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (11.2018a): Indien, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206048, Zugriff 23.1.2019

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AA - Auswärtiges Amt (11.2018b): Indien, Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206046, Zugriff 23.1.2019

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CIA - Central Intelligence Agency (15.1.2019): The World Factbook

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India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 23.1.2019

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DS - Der Standard (1.1.2019): Was 2019 außenpolitisch bringt. Die US-Demokraten übernehmen die Mehrheit im Repräsentantenhaus, Großbritannien plant den Brexit - und in Indien, der größten Demokratie der Welt, sind Wahlen, https://www.derstandard.de/story/2000094950433/was-2019-aussenpolitisch-bringt, Zugriff 28.1.2019

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 11.10.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 23.1.2019

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (3.2018b): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, https://www.liportal.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 23.1.2019

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018

2. Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven, die sich oft in kommunal begrenzten Ausschreitungen entladen (GIZ 3.2018a). Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 in Mumbai, September 2011 in New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 in Chennai und Dezember 2014 in Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Aber auch im Rest des Landes gab es Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des "Islamischen Staates" (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017).

Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 3.2018a). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 18.9.2018).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 898 Todesopfer durch terrorismus-relevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 803 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 wurden 935 Menschen durch Terrorakte getötet. Bis zum 13.1.2019 wurden 12 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 13.1.2019).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie. Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2018).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 18.9.2018).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 11.2018b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BBC 23.1.2018).

Nach dem friedlichen Unabhängigkeitskampf gegen die britische Kolonialherrschaft zeigte bereits die blutige Teilung Britisch-Indiens, die mit einer Massenflucht, schweren Gewaltausbrüchen und Pogromen einherging, wie schwierig es sein wird, die ethnisch, religiös, sprachlich und sozioökonomisch extrem heterogene Gesellschaft in einem Nationalstaat zusammenzuhalten. Die inter-religiöse Gewalt setzte sich auch nach der Teilung zwischen Indien und Pakistan fort (BPB 12.12.2017).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und ein terroristischer Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs im September 2016 hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Gemäß Regierungserklärung reagierte Indien auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. Immer wieder kommt es zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 11.2018b).

Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist 2016 zum Stillstand gekommen. Aktuell sind die Beziehungen auf sehr niedrigem Niveau stabil (AA 11.2018b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (11.2018b): Indien, Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206046, Zugriff 23.1.2019

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BBC - British Broadcasting Corporation (23.1.2018): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 29.1.2019

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BPB - Bundeszentrale für Politische Bildung (12.12.2017):

Innerstaatliche Konflikte - Indien, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/215390/indien, Zugriff 23.10.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 11.10.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

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SATP - South Asia Terrorism Portal (13.1.2019): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2019,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 23.1.2019

2.1. Regionale Problemzone Jammu und Kaschmir

Jammu und Kaschmir sind weiterhin stark militarisiert und am stärksten von Terrorismus betroffen (BPB 20.11.2017; vgl. USDOS 9.2018). Separatistische und dschihadistische Kämpfer führen weiterhin eine anhaltende Erhebung gegen die Regierung aus (FH 27.1.2018). Militante Gruppen in Jammu und Kaschmir kämpfen weiterhin gegen Sicherheitskräfte, kaschmirische Einrichtungen und lokale Politiker, die sie für "Statthalter" und "Kollaborateure" der indischen Zentralregierung halten. Überläufer zur Regierungsseite und deren Familien werden besonders grausam "bestraft". Die Zahl der als terroristisch eingestuften Vorfälle in Jammu und Kaschmir hat nach einem rückläufigen Trend im Jahr 2015 in den Jahren 2016 und 2017 zugenommen (AA 18.9.2018).

In Indien bleibt das zentrale Ziel islamistischer Fundamentalisten die Abspaltung Kaschmirs. Im Einklang mit der Dschihad-Ideologie sehen sich viele islamistische Gruppierungen zudem im Krieg gegen alle Ungläubigen und streben die gewaltsame Islamisierung des gesamten Subkontinents an. Befördert wird der Konflikt durch die anhaltende wirtschaftliche Benachteiligung und Diskriminierung vieler Muslime (BPB 12.12.2017).

Im Juni 2018 prangerte das UN-Menschenrechtsbüro die Situation in Kaschmir an. Durch übermäßige Gewaltanwendung der indischen Sicherheitskräfte wurden im Zeitraum zwischen Juli 2016 und April 2018 zahlreiche Zivilisten getötet. Von der indischen Regierung wurde der Bericht zurückgewiesen (ONHCR 14.6.2018; vgl. HRW 17.1.2019).

Es gab wiederholt Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen durch Regierungskräfte in Jammu und Kaschmir während der durchgeführten Sicherheitsoperationen. Im Jahr 2018 kam es zu einer Zunahme der Gewalt gegen militante Personen, welche von vielen auf politisches Versagen bei der Sicherstellung der Rechenschaftspflicht für Missbräuche zurückgeführt wurde (HRW, 17.1.2019). In den ersten zehn Monaten des Jahres 2017 wurden 42 militante Angriffe im Staat Jammu und Kaschmir gemeldet, bei denen 184 Menschen getötet wurden, darunter 44 Sicherheitskräfte. Mehrere Personen wurden getötet oder verletzt, als die Regierung versuchte, gewalttätige Proteste einzudämmen (HRW 18.1.2018).

Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, verübten zahlreiche Morde und Bombenanschläge in den Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 20.4.2018). An der umstrittenen Grenze zwischen Indien und Pakistan kommt es immer wieder zu kleineren Feuergefechten mit Todesopfern unter der Zivilbevölkerung und dem Militär. Insbesondere nach dem Angriff von Uri verschärfte sich in Indien die anti-pakistanische Rhetorik (BPB 20.11.2017). Seither wird die Provinz Kaschmir von einer Spirale der Gewalt beherrscht. Die derzeitige Menschenrechtslage in Kaschmir ist alarmierend und wird zunehmend kritisch gesehen. Bewaffnete Gruppen stehen im Verdacht, Menschen in Jammu und Kaschmir getötet zu haben (GIZ 3.2018a; vgl. AI 22.2.218).

Von Pakistan aus haben aufständische Gruppierungen in Jammu und Kaschmir Entführungen, Erpressungen und andere Formen der Einschüchterung durchgeführt. Nach mehreren Jahren relativer Stabilität verschlechterte sich die Situation im Staat 2016 nach der Ermordung eines populären, militanten separatistischen Führers deutlich. Die Situation verschlimmerte sich 2017, als mehr als 300 Zivilisten, Sicherheitskräfte und Militante durch militärische Gewalt getötet wurden. Indischen Sicherheitskräften werden häufig Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, von denen nur wenige bestraft werden. Bürgerliche Freiheiten werden, insbesondere in Zeiten der Unruhe eingeschränkt (FH 4.1.2018). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 267 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 354 Personen durch Terrorakte getötet und im Jahr 2018 sind 457 Todesopfer durch terroristische Gewalt registriert worden. Per 13.1.2019 sind insgesamt 17 Todesfälle durch terroristische Gewaltanwendungen aufgezeichnet [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 13.1.2019).

Im indischen Teil Kaschmirs bleibt weiterhin der Armed Forces (Special Powers) Act (AFSPA) in Kraft (USDOS 20.4.2018; vgl. BPB 20.11.2017). Unter diesem Sonderermächtigungsgesetz kam es wiederholt zu außergerichtlichen Tötungen, Vergewaltigungen und Folter durch Angehörige der Sicherheitskräfte. Bei der Unterdrückung von Protesten starben über 90 Menschen und Tausende wurden verletzt (BPB 20.11.2017). Die 1997 eingesetzte staatliche Menschenrechtskommission von Jammu und Kaschmir hat kaum Wirkungen entfaltet. Insbesondere hat sie keine Möglichkeit, Übergriffe von Armee und paramilitärischen Kräften zu untersuchen (ÖB 12.2018). Nach einer langsamen Normalisierung der Beziehungen haben sich seit 2014 die Positionen auf beiden Seiten wieder verhärtet (BPB 20.11.2017)

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394309.html, Zugriff 6.11.2018

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BPB - Bundeszentrale für Politische Bildung (20.11.2017):

Innstaatliche Konflikte - Kaschmir, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54616/kaschmir, Zugriff 23.10.2018

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FH - Freedom House (4.1.2018): Freedom in the World 2018 - Indian Kashmir,

https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/indian-kashmir, Zugriff 22.10.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 11.10.2018

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HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - India, ttps://www.ecoi.net/de/dokument/2002249.html, Zugriff 23.1.2019

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HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422455.html, Zugriff 23.10.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

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ONHCR - Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (14.6.2018): Report on the Situation of Human Rights in Kashmir: Developments in the Indian State of Jammu and Kashmir from June 2016 to April 2018, and General Human Rights Concerns in Azad Jammu and Kashmir and Gilgit-Baltistan, https://www.ohchr.org/Documents/Countries/IN/DevelopmentsInKashmirJune2016ToApril2018.pdf, Zugriff 23.1.2019

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SATP - South Asia Terrorism Portal (13.1.2019): Datasheet - Jammu & Kashmir, Data View,

http://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/fatalities/india-jammukashmir, Zugriff 23.1.2019

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USDOS - US Department of State (9.2018): Country Report on Terrorism 2017 - Chapter 1 - India, https://www.state.gov/documents/organization/283100.pdf, Zugriff 23.10.2018

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018

2.2. Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2018).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne des pakistanischen Geheimdienstes, Inter-Services-Intelligence (ISI) bekannt, welcher gemeinsam mit der in Indien verbotenen Sikh-Gruppierung Babbar Khalasa International (BKI) und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2018). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 20.4.2018; vgl. BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2018).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2018).

Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar (USDOS 20.4.2018).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. Die Sikhs, 60 Prozent der Bevölkerung des

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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