TE Lvwg Erkenntnis 2019/12/19 VGW-031/085/14975/2019

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Veröffentlicht am 19.12.2019
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Entscheidungsdatum

19.12.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §49 Abs1
ZustG §7
ZustG §11 Abs1
ZustG §26 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin MMag. Dr. Salamun über die Beschwerde der Frau A. B. gegen den Zurückweisungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 25.6.2019, Zl. ..., mit welchem der Einspruch gegen die Strafverfügung vom 15.4.2019, selbe Zahl, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Kraftfahrgesetz – KFG gemäß § 49 Abs.1 VStG als verspätet zurückgewiesen wurde,

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Einspruch gegen die Strafverfügung vom 15.4.2019, mit welcher über die Beschwerdeführerin als Beschuldigte wegen einer Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG gemäß § 134 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von € 128,-- sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag 6 Stunden verhängt worden war, gemäß § 49 Abs. 1 VStG als verspätet zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Strafverfügung sei am 15.4.2019 dem Zustellprozess übergeben worden und beginne die dreitägige Zustellfrist (inkl. Samstag) analog zu § 26 Abs. 2 ZustellG. Die Zustellung gelte daher am 18.4.2019 als bewirkt. Das Rechtsmittel sei jedoch erst am 19.5.2019 und somit nach Ablauf der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist eingebracht worden. Die Beschwerdeführerin habe im Zuge des Verspätungsvorhaltes vorgebracht, der Brief sei am 19.5.2019 normal mit der Post gekommen.

II.

Gegen diesen Bescheid richtet sich vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin im Wesentlichen zusammengefasst vorbringt, sie habe die Strafverfügung vom 15.4.2019 erst am 19.5.2019 (nach Rückkehr von einer Kurzreise) aus dem Briefkasten entnommen.

III.

Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.

IV. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

IV.1. Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 49 Abs. 1 VStG 1991 kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

Nur wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird, ist gemäß § 49 Abs. 2 VStG das ordentliche Verfahren einzuleiten. Somit kann nur bei Rechtzeitigkeit des Einspruchs auch über diesen entschieden werden.

Gemäß § 49 Abs. 3 VStG ist die Strafverfügung zu vollstrecken, wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben wird.

Gemäß § 11 Abs. 1 ZustG sind Zustellungen im Ausland sind nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

Gemäß Art. 10 Abs. 1 des Vertrages der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. 526/1990, sind Schriftstücke unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Rechtsvorschriften zu übermitteln. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen „Eigenhändig“ und „Rückschein“ zu versenden. Ebenso sieht Art. 5 Abs. 1 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der EU, BGBl. III 55/2005, vor, dass jeder Mitgliedstaat Personen, die sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhalten, für sie bestimmte Verfahrensurkunden unmittelbar durch die Post übersendet.

Gemäß § 26 Abs. 1 ZustG wird in dem Fall, dass die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet wurde, das Dokument zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird. Gemäß § 26 Abs. 2 ZustG gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

IV.2. Sachverhalt:

Aufgrund des Aktes der belangten Behörde sowie des gegenständlichen Aktes des Verwaltungsgerichtes Wien wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Die Strafverfügung wurde am 15.4.2019 mittels Fensterkuvert dem Zustelldienst übergeben und ohne die Verwendung eines internationalen Rückscheines an die Postadresse der Beschwerdeführerin in Deutschland versendet. Wann die Strafverfügung der Beschwerdeführerin zugestellt wurde, konnte mangels Vorliegens eines Zustellnachweises nicht festgestellt werden. Nach den Angaben der Beschwerdeführerin wurde die in Rede stehende Strafverfügung dieser am 19.5.2019 zugestellt. Aufgrund der vorliegenden Beweislage konnte eine frühere Zustellung an die Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen werden.

Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Erwägungen:

Die Feststellungen basieren auf dem unbedenklichen Akt der belangten Behörde.

IV.3. Rechtliche Beurteilung:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ordnet § 11 Abs. 1 ZustG an, dass Zustellungen im Ausland nach den dort verwiesenen Bestimmungen vorzunehmen sind. Daraus ist zu entnehmen, dass der - einen Teil des Abschnittes 1. "Allgemeine Bestimmungen" bildende - § 11 Abs. 1 ZustG Abweichungen von den Anordnungen des zweiten Abschnittes des ZustG hinsichtlich der "physischen Zustellung" für den Fall anordnet, dass die "physische" Zustellung eben nicht im Inland, sondern im Ausland vorzunehmen ist. Damit ist auf solche Zustellungen zwar nicht der dem zweiten Abschnitt des Zustellgesetzes zugehörige § 26, jedoch der die Heilung von Zustellmängeln betreffende, zum ersten Abschnitt zählende § 7 ZustG anzuwenden (vgl. VwGH 2.5.2016, Ra 2015/08/0142 mwH).

Bei Zustellungen ohne Zustellnachweis gemäß § 26 Abs. 1 ZustG hat aber die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden. Die Behörde muss also bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folgen dafür auf sich nehmen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann (vgl. etwa VwGH 20.9.2006, 2004/08/0087).

Gemäß Art. 10 Abs. 1 des Vertrages der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. 526/1990, sind Schriftstücke unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Rechtsvorschriften zu übermitteln. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen „Eigenhändig“ und „Rückschein“ zu versenden.

In gegenständlicher Angelegenheit wurde die Strafverfügung vom 15.4.2019 von der belangten Behörde am selben Tag zur Post übergeben. Wie in obzitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes festgestellt wurde, kann die Vermutung der Zustellung am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan gemäß § 26 ZustG auf Zustellungen ins Ausland – wie in gegenständlicher Angelegenheit – keine Anwendung finden.

Da es sich gegenständlich um eine „physische Zustellung“ ohne Zustellnachweis handelte, gibt es auch keinen Zustellnachweis betreffend des Zeitpunktes der tatsächlichen Zustellung; der Behauptung der Partei, die Zustellung sei erst am 19.5.2019 erfolgt, kann somit seitens der belangten Behörde nicht wirksam entgegengetreten werden und sind die Angaben der Partei als richtig anzunehmen (vgl. in diesem Sinne etwa VwGH 15.5.2013, 2013/08/0032).

Der Behauptung der Beschwerdeführerin, die Zustellung sei erst am 19.5.2019 erfolgt, wurde von der belangten Behörde nicht in substantiierter Form entgegengetreten, sondern lediglich auf die verspätete Übermittlung des Einspruchs hingewiesen. Eine amtswegige Feststellung des tatsächlichen Zeitpunktes der Zustellung ist mangels Vorliegens eines Zustellnachweises nicht möglich. Somit muss entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur die Behauptung der Beschwerdeführerin als richtig angenommen werden.

Die zweiwöchige Frist zur Einbringung des Einspruchs war damit am 19.5.2019 noch gewahrt, sodass der Einspruch rechtzeitig war.

Es war somit das angefochtene Straferkenntnis zu beheben.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 52 Abs. 8 VwGVG.

IV.4. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Strafverfügung; Einspruch; Rechtzeitigkeit; physische Zustellung; Zustellung ohne Zustellnachweis; Zustellung im Ausland

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.031.085.14975.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.04.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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