TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/12 95/08/0227

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Veröffentlicht am 12.05.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;
66/03 Sonstiges Sozialversicherungsrecht;

Norm

BetriebshilfeG 1982 §5;
BSVG §16;
BSVG §2 Abs1 Z1 idF 1991/678;
BSVG §243;
BSVG §39 Abs1;
BSVGNov 16te;
B-VG Art140;
B-VG Art7 Abs1;
Novellen BGBl1991/678 Art3 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien, vertreten durch D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13. Juni 1995, Zl. SV (SanR)-601/4-1995-Tr/Ha, betreffend Beitragspflicht nach dem Betriebshilfegesetz (mitbeteiligte Partei: E in L, vertreten durch D, D und D, Rechtsanwälte in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als darin für den Zeitraum nach dem 31. Dezember 1991 und vor dem 1. März 1995 in Stattgebung des von der mitbeteiligten Partei erhobenen Einspruches ausgesprochen wurde, sie sei nicht verpflichtet, Beiträge nach dem Betriebshilfegesetz zu entrichten, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem (in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthaltenen) Bescheid vom 4. April 1995, zugestellt am 6. April 1995, sprach die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt nach dem insoweit unstrittigen Sachverhalt gegenüber der Mitbeteiligten aus, sie habe "ab 1. Jänner 1990 bis laufend Beiträge nach dem Betriebshilfegesetz zu entrichten". Diese Entscheidung gründete sich - nach den Ausführungen in der Beschwerde - auf die durch die 4. Novelle, BGBl. Nr. 646/1989, veränderte Fassung des Betriebshilfegesetzes, durch die auch weibliche Personen, die gemäß § 2 Abs. 1 BSVG der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung (grundsätzlich) unterlagen, hievon aber gemäß § 5 Abs. 2 Z. 3 BSVG (im besonderen wegen einer Pflichtversicherung in der Krankenversicherung aufgrund anderer bundesgesetzlicher Vorschriften) ausgenommen waren, mit Wirkung ab 1. Jänner 1990 in den Kreis der nach dem Betriebshilfegesetz anspruchsberechtigten Personen einbezogen wurden, sofern sie in der Krankenversicherung nach anderer bundesgesetzlicher Vorschrift vom Leistungsanspruch auf Wochengeld ausgeschlossen waren (§ 1 Abs. 2 Z. 5 BHG in der Fassung BGBl. Nr. 646/1989). Gemäß § 5 Abs. 1 und 2 BHG in der Fassung BGBl. Nr. 646/1989 hatte dies auch die Beitragspflicht dieser Personen nach dem Betriebshilfegesetz zur Folge. In bezug auf die Mitbeteiligte wurde von der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt angenommen, sie sei einerseits Alleineigentümerin von 13,3840 ha land(forst)wirtschaftlichen Besitzes mit einem Einheitswert von S 27.000,-- und andererseits als Bezieherin einer Erwerbsunfähigkeitspension aufgrund einer Krankenversicherung nach dem GSVG von der Krankenversicherung nach dem BSVG ausgenommen, wobei sich aus der anderweitigen Krankenversicherung aber kein Anspruch auf Wochengeld ergebe.

In ihrem (gleichfalls nicht vorliegenden) Einspruch verwies die Beschwerdeführerin u.a. auf ihr Alter von damals 67 Jahren, weshalb es zu einem Bezug von Leistungen aus Anlaß einer Mutterschaft bei ihr nicht mehr kommen könne, sowie darauf, daß sie auf den Flächen, deren Alleineigentümerin sie sei, keinen landwirtschaftlichen Betrieb betreibe.

In ihrer Stellungnahme zum Einspruch hob die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt u.a. hervor, die Mitbeteiligte sei "Eigentümerin von 0,8140 ha landwirtschaftlich genutzten und 12,57 ha forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken" mit einem Einheitswert von S 27.000,--.

In einer vor der belangten Behörde aufgenommenen Niederschrift vom 2. Juni 1995 gab die Mitbeteiligte dazu folgendes an:

"Zu dem Vorbringen der Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 10.5.1995 führe ich an, daß auf meinem land- und forstwirtschaftlichen Grund in der Gemeinde Königswiesen schon seit 1979 keinerlei Tätigkeit entfaltet wird. Dies weder im Wald noch auf der Wiese. Eine Besichtigung kann jederzeit durchgeführt werden. Diese würde ergeben, daß der Grund total verwildert ist. Ich habe auch überhaupt keine Geräte für eine Bewirtschaftung. Ich lasse auch durch niemand anderen irgendeine Tätigkeit auf meinen Gründen entfalten. Von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt wurde ich deshalb auch schon aufgefordert, den Wald von Schadholz bzw. von Käfern befallenen Bäumen zu befreien. Dieses Schreiben werde ich dem Amt der o. ö. Landesregierung übermitteln. Weiters lege ich eine Bestätigung des Marktgemeindeamtes Königswiesen vor, wonach auf meinem Grund keine Tätigkeit ausgeübt wird. Ich ersuche daher meinem Einspruch Folge zu geben."

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch Folge. Sie sprach aus, die Mitbeteiligte sei nicht verpflichtet, ab 1. Jänner 1990 bis laufend Beiträge nach dem Betriebshilfegesetz zu entrichten.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Umstand, daß bei der Mitbeteiligten aufgrund ihres Alters nicht mehr mit einer Mutterschaft zu rechnen sei, stehe ihrer Einbeziehung in die Riskengemeinschaft nicht entgegen und mache diese auch nicht - unter dem Gesichtspunkt, daß die Beschwerdeführerin nicht leistungsberechtigt werden könne - verfassungswidrig. Grundvoraussetzung ihrer Beitragspflicht nach dem Betriebshilfegesetz sei jedoch (abgesehen vom Vorliegen des Ausnahmetatbestandes nach § 5 Abs. 2 Z. 3 BSVG) der Bestand der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem BSVG. Eine solche sei (gemeint: nach dem ersten Satz des § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG) nur gegeben, wenn die Mitbeteiligte auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb führe oder ein solcher Betrieb auf ihre Rechnung und Gefahr geführt werde. Es sei daher zu prüfen, ob der forstwirtschaftliche Besitz der Mitbeteiligten einen Betrieb darstelle. Hiefür sei es entscheidend, ob Handlungen gesetzt worden seien, die sich als eine forstwirtschaftliche Nutzung des Waldes darstellten oder zumindest die Prognose rechtfertigten, daß die Mitbeteiligte aus Erträgen dieses Waldes künftig Nutzen ziehen werde.

Schadensbeseitigungsvorgänge im Rahmen forstrechtlicher Verpflichtungen ohne Absicht einer forstwirtschaftlichen Nutzung seien hiebei nicht ausreichend. Die Mitbeteiligte habe schon anläßlich einer Vorsprache bei der Sozialversicherungsanstalt am 30. März 1995 vorgebracht, es liege Waldbrache vor und die Gründe würden nicht bewirtschaftet. Durch ihre niederschriftlichen Angaben vor der belangten Behörde und die von der Mitbeteiligten dazu vorgelegten Urkunden sei dies bestätigt worden. Aus den Unterlagen gehe hervor, daß trotz bescheidmäßiger Aufforderungen hiezu nicht einmal der Schneedruckschaden von 1979 aufgearbeitet worden sei. Die belangte Behörde sehe es daher als erwiesen an, daß hinsichtlich der land- und forstwirtschaftlichen Gründe der Mitbeteiligten Brache vorliege und somit kein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb auf Rechnung und Gefahr der Mitbeteiligten geführt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat Aktenteile vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist vor dem Hintergrund der durch die 4. Novelle, BGBl. Nr. 646/1989, zum Betriebshilfegesetz geschaffenen Rechtslage nur strittig, ob die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung zu Recht davon ausgehen durfte, im Falle der Mitbeteiligten sei das Nichtvorliegen eines auf ihre Rechnung und Gefahr geführten Betriebes erwiesen.

Die nach Ansicht der belangten Behörde im Falle der Mitbeteiligten nicht gegebene Voraussetzung ihrer Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem BSVG ist - soweit hier maßgeblich - in § 2 Abs. 1 Z. 1 dieses Gesetzes geregelt. Diese Bestimmung lautete am 1. Jänner 1990 wie folgt:

"§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:

1. Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird;"

Mit der 16. Novelle zum BSVG, Art. I des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 678/1991, wurden dem § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG folgende Sätze angefügt:

"Dabei wird vermutet, daß Grundstücke, die als forstwirtschaftliches Vermögen nach dem Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148, bewertet sind oder Teil einer als solches bewerteten wirtschaftlichen Einheit sind, in der einem forstwirtschaftlichen Betrieb entsprechenden Weise auf Rechnung und Gefahr der dazu im eigenen Namen Berechtigten bewirtschaftet werden. Der Gegenbeweis ist für Zeiten, die länger als einen Monat von der Meldung (§ 16) des der Vermutung widersprechenden Sachverhaltes zurückliegen, unzulässig;"

Dieses Gesetz wurde am 27. Dezember 1991 im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Nach dem ersten Absatz des durch dieselbe Novelle eingefügten § 243 BSVG trat die Neufassung des § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG am 1. Jänner 1992 in Kraft. Art. III des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 678/1991 enthielt folgende Übergangsbestimmung:

"(1) Die Vermutung des § 2 Abs. 1 Z. 1 zweiter Satz des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes in der Fassung des Art. I Z. 2 gilt nicht, wenn der der Vermutung widersprechende Sachverhalt bereits vor dem 1. Jänner 1992 gemeldet wurde."

Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, die belangte Behörde habe ihr zum Inhalt der Niederschrift vom 2. Juni 1995 und zu den von der Mitbeteiligten vorgelegten Unterlagen kein Gehör eingeräumt. Die Beschwerdeführerin würde sonst darauf hingewiesen haben, daß die Mitbeteiligte 1993 eine Unfallsanzeige erstattet habe, wonach sie 1992 "einen Arbeitsunfall bei Besichtigung ihres forstwirtschaftlichen Betriebes aus Anlaß von Sturmschäden erlitten" habe. Dem hält die belangte Behörde in der Gegenschrift entgegen, die Behauptung der Brache sei schon am 30. März 1995 gegenüber der Beschwerdeführerin erhoben worden und dieser daher bekannt gewesen, im Anschluß an die Beweisaufnahmen im Einspruchsverfahren sei mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Beschwerdeführerin darüber telefoniert worden und die Unfallsanzeige sei nach den maßgeblichen, schon im angefochtenen Bescheid dargestellten Kriterien für das Vorliegen eines forstwirtschaftlichen Betriebes angesichts ihres Inhaltes nicht von Bedeutung. Auf letzteres stützt sich auch die Mitbeteiligte in ihrer Gegenschrift.

Unter dem Gesichtspunkt der - vom Verwaltungsgerichtshof vorrangig wahrzunehmenden - inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides macht die Beschwerdeführerin aber auch geltend, die belangte Behörde habe gegen § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG (in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Geltung stehenden Fassung) verstoßen, weil sie den danach unzulässigen Gegenbeweis der Nichtbewirtschaftung für die Zeiträume, die der erstmaligen Behauptung der Brache am 30. März 1995 um mehr als einen Monat vorangegangen seien, zugelassen und ihrer Entscheidung zugrunde gelegt habe.

Dem hält die belangte Behörde in der Gegenschrift entgegen, es sei erwiesen, daß die Mitbeteiligte "zumindest seit 1979 nicht einmal Schneedruckschäden aufgearbeitet" habe. Der der Vermutung des § 2 Abs. 1 Z. 1 zweiter Satz BSVG (in der Fassung der 16. Novelle, BGBl. Nr. 678/1991) widersprechende Sachverhalt habe lange vor dem 1. Jänner 1992 und nach dem 1. Jänner 1992 weiter bestanden. Da die Beschwerdeführerin in bezug auf die Mitbeteiligte "eine Einbeziehung in die Beitragspflicht nach dem Betriebshilfegesetz" zwischen dem 1. Jänner 1990 (Inkrafttreten der 4. Novelle zum Betriebshilfegesetz) und dem 1. Jänner 1992 (Inkrafttreten des § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG in der Fassung der 16. Novelle und nach der Übergangsbestimmung in Art. III des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 678/1991 maßgeblicher Zeitpunkt) "nicht durchgeführt" habe, habe die Mitbeteiligte während dieses Zeitraumes "keine Veranlassung" zur Meldung der Brache gehabt. Es sei ihr aber auch "nicht zumutbar" gewesen, "nach dem 1. Jänner 1992 trotz Weiterbestandes des seit 1979 unveränderten Sachverhaltes eine diesbezügliche Meldung zu erstatten". Die Anwendung der Vermutungsregel (gemeint, angesichts des als erbracht angesehenen Nachweises: § 2 Abs. 1 Z. 1 dritter Satz BSVG, wonach ein Gegenbeweis unzulässig ist) für die bereits seit 1979 unverändert bestehenden Verhältnisse sei "nach ha. Meinung nicht angebracht".

Die Mitbeteiligte verweist in ihrer Gegenschrift auf das Verstreichen von mehr als vier Jahren zwischen dem Eintritt der Beitragspflicht (unter der Voraussetzung des Vorliegens eines auf Rechnung und Gefahr der Mitbeteiligten geführten Betriebes) und der Bescheiderlassung durch die Beschwerdeführerin. § 2 Abs. 1 Z. 1 zweiter (gemeint wohl: und dritter) Satz BSVG werde "durch den Sachverhalt im gegenständlichen Fall ad absurdum geführt".

Bei der Beurteilung der Rechtsfrage, ob die belangte Behörde durch § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG in der Fassung BGBl. Nr. 678/1991 daran gehindert war, den von ihr als erbracht angesehenen Beweis der Brache zu berücksichtigen, ist zwischen drei verschiedenen Zeiträumen zu unterscheiden:

Hinsichtlich des Zeitraumes ab einem Monat vor der Meldung der Brache am 30. März 1995 konnte die erwähnte Bestimmung der Berücksichtigung des Nachweises nicht entgegenstehen. War der Nachweis als erbracht anzusehen, so wäre die Bestätigung des "offenen Abspruches" der Beschwerdeführerin rechtswidrig gewesen. Die belangte Behörde hätte - wenn sie sich an der Berücksichtigung des Nachweises im übrigen als gehindert erachtet hätte - in ihre Entscheidung einen konkreten Abspruch über den Endzeitpunkt der Beitragspflicht aufnehmen müssen.

Im übrigen ist zwischen dem Zeitraum vor und demjenigen nach dem Inkrafttreten des § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG in der Fassung der 16. BSVG-Novelle am 1. Jänner 1992 zu unterscheiden: Die Rückwirkung nicht nur des Ausschlusses eines Gegenbeweises (§ 2 Abs. 1 Z. 1 dritter Satz), sondern auch der durch die Vermutung im zweiten Satz der Bestimmung bewirkten Beweislastumkehr auf Zeiträume vor dem 1. Jänner 1992 hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. Juni 1997, G 364/96, aus Anlaß eines Falles, in dem es um den Bestand einer Versicherungspflicht vom 1. Jänner 1974 bis zum 10. März 1993 ging, für verfassungswidrig erklärt. Er hat dabei andererseits hervorgehoben, bei einer Interpretation des § 2 Abs. 1 Z. 1 "letzter Satz" BSVG, wonach diese Bestimmung nur auf Sachverhalte anzuwenden sei, die nach ihrem Inkrafttreten verwirklicht worden seien, bestünden "ob der Verfassungsmäßigkeit der Norm keine verfassungsrechtlichen Bedenken".

Für den vorliegenden Fall folgt daraus, daß der belangten Behörde die Berücksichtigung des von ihr als erbracht angesehenen Nachweises für den Zeitraum vom 1. Jänner 1992 bis einen Monat vor der erstmaligen Meldung der Brache im Sinne des von der Beschwerdeführerin vertretenen Standpunktes verwehrt war. Die am 1. Jänner 1992 in Kraft getretene Rechtslage bedeutete für die Mitbeteiligte nichts anderes als ihre von der Bewirtschaftung ihrer als forstwirtschaftliches Vermögen bewerteten Grundstücke unabhängige, im vorliegenden Fall zur Beitragspflicht nach dem Betriebshilfegesetz führende Einbeziehung in den Kreis der nach dem BSVG pflichtversicherten Personen vom Inkrafttreten der Neuregelung bis zu einem Monat vor der Meldung des der Vermutung widersprechenden Sachverhaltes. Es lag an der Mitbeteiligten, auf die geänderte Rechtslage zu reagieren, die Brache - wenn sie schon vorher bestand: im ersten Monat des Jahres 1992 - zu melden und damit von Anfang an (oder im Falle einer späteren Meldung: nachträglich) aus dem Anwendungsbereich der im Gesetz verankerten Fiktion einer Bewirtschaftung auszuscheiden. Dies setzte zwar die Kenntnis der geänderten Rechtslage voraus, was aber keine verfassungsrechtlichen Bedenken erweckt. Was dem Verfassungsgerichtshof - auch in bezug auf eine bloße Beweislastumkehr - bedenklich erschien und die Gesetzesprüfung auslöste, war der Umstand, daß ab der Kundmachung und dem Inkrafttreten der Übergangsbestimmung in Art. III des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 678/1991 am 27. Dezember 1991 nur vier Tage zur Verfügung standen, um die für die Abwehr einer unter Umständen mehrere Jahre zurückwirkenden Umverteilung der Beweislast erforderliche Meldung zu erstatten. Auf Auswirkungen des Unterbleibens der durch die Neuregelung erforderlich gewordenen Meldung nicht auf vergangene Zeiträume, sondern auf denjenigen Zeitraum, in dem die Meldung nach dem Verstreichen einer Zeit von einem Monat (und vier Tagen) nach der Kundmachung der Neuregelung weiterhin unterblieb, vermag auch der Verwaltungsgerichtshof diese Bedenken nicht zu übertragen.

Daß die Mitbeteiligte, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift hervorhebt, bis zum 1. Jänner 1992 keinen Anlaß zur Meldung der Brache hatte, trifft zu und stimmt mit dem Ausgangspunkt der Überlegungen, aus denen der Verfassungsgerichtshof eine Rückwirkung der Regelung als gleichheitswidrig erachtete, überein. Dem Standpunkt der belangten Behörde, der Mitbeteiligten sei es nach dem 1. Jänner 1992 "nicht zumutbar" gewesen, "trotz Weiterbestandes des seit 1979 unveränderten Sachverhaltes eine diesbezügliche Meldung zu erstatten", ist hingegen schon im Ansatz nicht zu folgen. Er setzt - verallgemeinert - voraus, zumutbare Meldepflichten könnten sich nicht auf schon bei ihrer Einführung bestehende Sachverhalte beziehen, wofür kein Grund ersichtlich ist. Daß es der belangten Behörde nicht freistand, eine Gesetzesvorschrift zu mißachten, weil ihr deren Anwendung "nicht angebracht" erschien, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Entgegen der Meinung der Mitbeteiligten ist es aber auch nicht von Bedeutung, daß die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt erst 1995 einen Bescheid über die Beitragspflicht nach dem Betriebshilfegesetz erließ. Wie spät der Sozialversicherungsträger auf die Beitragspflicht begründende Sachverhalte noch mit einer Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen reagieren kann, ist eine Frage der Verjährungsbestimmungen, gegen die der Bescheid der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt in bezug auf die Beitragszeiträume nach dem 1. Jänner 1992 auch bei Heranziehung der dreijährigen und nicht der fünfjährigen Verjährungsfrist nach § 39 Abs. 1 BSVG (in Verbindung mit § 33 Abs. 1 BSVG und § 5 Abs. 1 und 2 sowie § 6 Abs. 3 BHG) nicht verstieß. Für die Annahme, die Vermutung nach dem zweiten Satz und der Ausschluß des Gegenbeweises nach dem dritten Satz des § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG gelte nur für Zeiten nach dem Vorliegen bescheidmäßiger Erledigungen über die Versicherungs- oder Beitragspflicht, bietet das Gesetz jedoch keine Grundlage. Die Erfüllung der Voraussetzungen für das Wirksamwerden der erwähnten Vermutung führt nicht anders als die tatsächliche Aufnahme des Betriebes nach dem ersten Satz des § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG zum Eintritt der Versicherungs- und Beitragspflicht nach dem BSVG (im vorliegenden Fall: der Beitragspflicht nach dem Betriebshilfegesetz; vgl. allgemein das Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 93/08/0188). Eine frühere Bescheiderlassung hätte im Fall der Mitbeteiligten zu deren früherer Aufklärung über die geänderte Rechtslage geführt. Daß es dazu nicht kam, steht dem Eintritt der vom Gesetzgeber der 16. BSVG-Novelle vorgesehenen Rechtsfolge eines Unterbleibens der Meldung des der Vermutung widersprechenden Sachverhaltes aber nicht entgegen.

Eine Rückwirkung dieser Gesetzesänderung auf Zeiträume vor dem 1. Jänner 1992 widersprach nach der vom Verfassungsgerichtshof seinem Erkenntnis zugrunde gelegten, vom Verwaltungsgerichtshof geteilten Auffassung dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot. Im Gesetzesprüfungsverfahren war auch nur strittig, ob eine solche Rückwirkung vom Gesetzgeber überhaupt angeordnet worden war. Die im vorliegenden Verfahren beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt, die dies in der Beschwerde ausdrücklich bejaht, vertrat in ihrer (späteren) Stellungnahme gegenüber dem Verfassungsgerichtshof, ebenso wie die Bundesregierung, den gegenteiligen Standpunkt. Der Verfassungsgerichtshof folgte dem nicht und meinte, einer verfassungskonformen Auslegung, wonach die Inkrafttretensbestimmung des § 243 Abs. 1 BSVG auch den zeitlichen Bedingungsbereich der Neufassung des § 2 Abs. 1 Z. 1 dieses Gesetzes festlege, stünde zwar keine ausdrückliche Anordnung einer Rückwirkung, wohl aber der Zusammenhalt eines aus der Übergangsbestimmung in Art. III Abs. 1 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 678/1991 zu ziehenden Umkehrschlusses einerseits und der aus den Gesetzesmaterialien ableitbaren Absicht des historischen Gesetzgebers andererseits entgegen. Die - für den vorliegenden Fall nicht wirksame - Aufhebung der Übergangsbestimmung (kundgemacht in BGBl. I Nr. 81/1997) schien dem Verfassungsgerichtshof unter diesen Umständen notwendig, aber auch hinreichend, um eine verfassungskonforme Auslegung zu ermöglichen.

Daß damit einem aus dem Gesetzeswortlaut nur durch einen Umkehrschluß ableitbaren Auslegungsergebnis der Vorrang vor einer verfassungskonformen Interpretation gegeben wurde, braucht für die Zwecke des vorliegenden Erkenntnisses, in dem von der unbereinigten Rechtslage auszugehen ist, nicht hinterfragt zu werden. Der Verfassungsgerichtshof ließ nämlich ausdrücklich offen, ob der zur Annahme einer Rückwirkung führende Umkehrschluß nur auf den (in Art. III Abs. 1 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 678/1991 erwähnten) zweiten oder auch auf den (dort nicht erwähnten) dritten Satz der Neufassung des § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG zu beziehen sei. Schon die von ihm angenommene Rückwirkung der im zweiten Satz der Bestimmung angeordneten Beweislastumkehr erschien dem Verfassungsgerichtshof als gleichheitswidrig und führte zur Aufhebung der Übergangsbestimmung.

Der Verwaltungsgerichtshof meint, daß eine die Annahme einer Rückwirkung ausschließende verfassungskonforme Auslegung zumindest in dem vom Verfassungsgerichtshof offen gelassenen Umfang, nämlich hinsichtlich des im dritten Satz der Regelung enthaltenen Ausschlusses des Gegenbeweises, möglich und notwendig ist. Im vorliegenden Fall reicht dies zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Ergebnisses aus, wenn die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, daß der Mitbeteiligten der Beweis der Nichtbewirtschaftung während des vor dem 1. Jänner 1992 gelegenen Bescheidzeitraumes gelungen ist.

In diesem Zusammenhang und für den Zeitraum ab dem Wirksamwerden der Meldung vom 30. März 1995 ist auf die Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin einzugehen, wonach die belangte Behörde nur unter Verletzung des Parteiengehörs der Beschwerdeführerin zu der Annahme gelangte, der erwähnte Beweis sei gelungen. Diese Verfahrensrüge ist zu verwerfen, weil die Beschwerdeführerin mit dem Hinweis auf den von der Mitbeteiligten gemeldeten Unfall aus den in den Gegenschriften zutreffend aufgezeigten, bereits erwähnten Gründen nicht ausreichend dargetan hat, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der ihr vorgeworfenen Verletzung von Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Hatte die Beschwerdeführerin nicht rechtzeitig Maßnahmen gesetzt, durch die die Verjährung ihres Rechtes auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen unterbrochen worden war, so wäre ihr Bescheid vom 4. April 1995 in bezug auf vor dem 1. Jänner 1992 gelegene Bescheidzeiträume aber auch aus diesem Grund rechtswidrig gewesen. Einer Heranziehung der fünfjährigen statt der dreijährigen Verjährungsfrist des § 39 Abs. 1 BSVG stünde nämlich entgegen, daß das Unterbleiben der Meldung einer von der Beitragspflicht befreienden Tatsache den nach der genannten Bestimmung zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist führenden Meldeverstößen nicht gleichzuhalten wäre.

Schon aus dem zuvor Gesagten ergibt sich jedoch, daß der angefochtene Bescheid in bezug auf die Zeiträume vom 1. Jänner 1990 bis zum 31. Dezember 1991 dem Gesetz entspricht, während ihn die belangte Behörde durch die Mißachtung der im § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG in der Fassung der 16. Novelle verankerten, einen Gegenbeweis ausschließenden Fiktion für den daran anschließenden Zeitraum bis zum Zeitpunkt einen Monat vor der erstmaligen Meldung der Nichtbewirtschaftung mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet hat.

Konnte die Meldung vom 30. März 1995 einen Monat zurückwirken, so entfiel die Beitragspflicht der Mitbeteiligten nach § 32 Abs. 1 BSVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 3 BHG erstmals im Monat März 1995.

Der angefochtene Bescheid war daher insoweit, als er sich auf den Zeitraum nach dem 31. Dezember 1991 und vor dem 1. März 1995 bezog, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995080227.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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