TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/23 W171 2227641-1

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Veröffentlicht am 23.01.2020
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Entscheidungsdatum

23.01.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W171 2227641-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Tunesien, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst, ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Über den BF wurde am 23.10.2017 ein Einreiseverbot für Italien verhängt. In weiterer Folge wurde ihm die Ausreise von Österreich nach Deutschland verweigert und stellte er am 30.10.2017 in Österreich seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Das diesbezügliche Verfahren wurde am 15.11.2017 eingestellt, da der BF unbekannten Aufenthalts war. Er befand sich bereits davor offenbar in Deutschland, da er dort am 06.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2. Am 08.02.2018 bestätigte die tunesische Vertretungsbehörde die Identität des BF. Am 04.06.2018 wurde der BF im Rahmen des Dublinübereinkommens von Deutschland nach Österreich rücküberstellt und tauchte in Österreich unter.

Der BF stellte abermals (am 18.10.2018) in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde Österreich daher mit Schreiben vom 06.11.2018 von Deutschland neuerlich um die Rückübernahme ersucht. In weiterer Folge wurde bekannt gegeben, dass sich der BF in Deutschland einer Rücküberstellung nach Österreich durch Untertauchen entzogen habe.

1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) vom 26.02.2019 wurde über den BF eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot verhängt. Der Bescheid wurde am 01.04.2019 rechtskräftig.

Am 04.12.2019 erfolgte die nunmehr zweite Rücküberstellung des BF aus Deutschland. Mit selben Tage stellte der BF einen Folgeantrag auf internationalen Schutz in Österreich. In der darauffolgenden Einvernahme vom 04.12.2019 führte der BF im Wesentlichen aus, dass er gesund sei und in Österreich keine Familienangehörigen habe. Auch gäbe es in Österreich keine Personen mit denen ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestehen würde. Er sei in Deutschland gewesen und habe dort um Asyl angesucht. Er sei weiters in der Schweiz, in Frankreich und in Luxemburg gewesen. Er gehe in Österreich keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach, da er keine Arbeitserlaubnis besitze.

1.4. Mit mündlich verkündeten Bescheid des BFA vom XXXX wurde im Rahmen des Asylfolgeantragsverfahrens der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Aufgrund eines Festnahmeauftrages wurde der BF festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum überstellt. Am selben Tage wurde über den BF die gegenständliche Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Im Bescheid wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF aufgrund seines Vorverhaltens die Kriterien der Fluchtgefahr im § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 4, 5, 8 und 9 FPG erfüllt habe, und die Verhängung der Schubhaft auch verhältnismäßig sei. Die privaten Interessen an der Schonung der persönlichen Freiheit hätten dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen. Die Verhängung eines gelinderen Mittels käme aufgrund des bisherigen Verhaltens nicht in Frage, da dies zur Sicherung der Ausreise nicht ausreichen würde. Die gegenständliche Verhängung der Schubhaft sei daher rechtmäßig erfolgt.

1.5. Mit Beschluss des BVwG vom 19.12.2019 wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm § 22 Abs. 10 AsylG sowie § 22 BFA-VG für rechtmäßig erklärt.

1.6. Mit Beschwerdeschriftsatz vom 17.01.2020 erhob der BF durch seine Rechtsvertretung die verfahrensgegenständliche Beschwerde § 22a BFA-VG. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Schubhaftbescheid und die Anhaltung bis zum 20.12.2019 bzw. bis zum 23.12.2019 rechtswidrig gewesen seien. Der BF sei sofort nach Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG in Schubhaft genommen worden. Dabei wurde nicht berücksichtigt, dass nach der zitierten Judikatur mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der Verwaltungsakten beim BVwG zugewartet werden hätten müssen. Dem BF sei daher jedenfalls noch bis zum 20.12.2019 ein Bleiberecht im Sinne des Art. 3 der Aufnahme-RL zugekommen. Der BF hätte daher nur unter den Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG in Haft genommen werden dürfen.

Darüber hinaus sei die Begründung der Fluchtgefahr im Bescheid mangelhaft, da die belangte Behörde insbesondere die Tatsache, dass der BF unmittelbar vor der Inschubhaftnahme mehreren Ladungen Folge geleistet hatte und er Anspruch auf Grundversorgung habe nicht berücksichtigt worden. Der BF verfüge über eine gesicherte Unterkunft im Rahmen der Grundversorgung und sei auch seine Kooperationsbereitschaft nicht überprüft worden. Fluchtgefahr sei daher nicht gegeben und die Schubhaft sohin rechtswidrig.

Weiters wurde moniert, dass ein gelinderes Mittel nicht zur Anwendung gekommen sei. Die angeordnete Unterkunftnahme oder eine periodische Meldeverpflichtung seinen ausreichend, um die Sicherung der Abschiebung des BF zu gewährleisten. Der BF sei unbescholten und sei darüberhinaus die verhängte Schubhaft daher auch unverhältnismäßig.

Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie der Ersatz der gebührenden Verfahrenskosten.

1.7. Das BFA legte am 20.01.2020 die Verfahrensakten vor und erstattete eine Stellungnahme. Darin wurde ausgeführt, dass im gegenständlichen Bescheid das Vorverhalten des BF ausführlich geschildert worden sei und die getroffene Maßnahme sohin für rechtmäßig erachtet werde. Aufgrund der zitierten Judikatur des VwGH sei zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides nicht mehr die Aufnahmerichtlinie, sondern die Rückführungsrichtlinie einschlägig gewesen. Die Abschiebung für den BF sei für den XXXX terminisiert und werde die laufenden Schubhaft daher bald beendet sein. Die Fluchtgefahr sei im Bescheid jedenfalls ausführlich begründet worden und habe man sich im Rahmen der Ausführungen eindringlich mit der Nichtanwendung des gelinderen Mittels befasst.

Beantragt werde die gegenständliche Schubhaftbeschwerde kostenpflichtig abzuweisen und der Behörde gemäß der Aufwandersatzverordnung die Kosten zuzusprechen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person und zum Verfahren:

1.1. Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein und ist tunesischer Staatsangehöriger. Er ist jedenfalls Fremder i.S.d. Diktion des FPG.

1.2. Er stellte bisher zweimal in Deutschland und am 30.10.2017 und 04.12.2019 je einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Bisher hat der BF keinen gültigen dauerhaften Aufenthaltstitel in Österreich erhalten und wurden eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot gegen ihn erlassen.

1.3. Der BF ist gesund, haftfähig und in Österreich unbescholten.

1.4. In Italien besteht gegen den BF seit dem 23.10.2017 ein Einreiseverbot.

Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Mit Bescheid des BFA vom 26.02.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 30.10.2017 abgewiesen, dem BF auch kein anderer Aufenthaltstitel gewährt und gegen den BF sowohl ein Einreiseverbot, als auch eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen. Der Bescheid erwuchs am 01.04.2019 in Rechtskraft.

2.2. Die tunesische Botschaft teilte bereits mit Verbalnote vom 08.02.2018 mit, dass eine Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF möglich wäre. Für den BF wurde bereits für den XXXX ein Rückflug gebucht.

2.3. Der BF ist haftfähig.

Zum Sicherungsbedarf:

3.1. Gegen den BF liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.2. Der faktische Abschiebeschutz aufgrund der Folgeantragstellung wurde rechtmäßig aufgehoben.

3.3. Er ist nicht vertrauenswürdig und nicht rückkehrwillig.

3.4. Der BF ist im Inland nach Stellung seines ersten Asylantrages im November 2017 untergetaucht und wurde das Verfahren in weiterer Folge eingestellt.

3.5. Der BF ist bisher überwiegend unkooperativ gewesen.

3.6. Der BF hat in Deutschland insgesamt zwei Asylanträge gestellt und musste demgemäß zweimal nach Österreich überstellt werden. Ein Überstellungsversuch im November 2018 scheiterte, da sich der BF auch den deutschen Behörden durch Untertauchen entzogen hatte.

Nach seiner ersten Rücküberstellung aus Deutschland ist er in Österreich erneut für die Behörden unerreichbar abgetaucht und hat sich abermals ins Ausland (Deutschland, zweiter Asylantrag) abgesetzt.

3.7. Der BF ist als höchst mobil einzustufen. Er bereiste neben Österreich und Deutschland auch Frankreich, Italien, die Schweiz und Luxemburg.

Zur familiären/sozialen Komponente:

4.1. Der BF ist in Österreich nicht relevant integriert und konnte keine sozialen beruflichen oder aber familiären Bezugspunkte in Österreich darlegen oder gar nachweisen.

4.2. Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und ist daher nicht selbsterhaltungsfähig.

4.3. Er verfügt über kein Vermögen im Inland.

4.4. Er verfügt mit Ausnahme der Zuweisung im Rahmen der Grundversorgung nicht über einen gesicherten Wohnsitz.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person und zum Verfahrensgang (1.1.-1.4.):

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zur Person des BF sowie zum Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung ergeben sich im Wesentlichen aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes (1.1., 1.2. und 1.4.). Der BF ist nach eigenen Angaben in der Einvernahme vom 04.12.2019 gesund und aufgrund der Angaben im Strafregister in Österreich unbescholten. Die Feststellung hinsichtlich der Haftfähigkeit des BF begründen sich darauf, dass keine Anhaltspunkte für das Fehlen einer Haftfähigkeit vorliegen und auch keine entgegensprechenden Einträge in der Anhaltedatei vorgefunden werden konnten (1.3.).

2.2. Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.3.):

Die Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und wurde seitens des BF auch in keiner Weise in Zweifel gezogen. Die behördliche Rückkehrentscheidung ist den Angaben nach am 01.04.2019 in Rechtskraft erwachsen und sohin durchsetzbar (2.1.). Die Feststellung zu 2.2. ergibt sich im Wesentlichen aus der im Akt einliegenden Verbalnote der tunesischen Botschaft vom 08.02.2018.

Hinsichtlich der Feststellung zu 2.3. darf auf die Ausführungen zu

1.3. verwiesen werden.

2.3. Zum Sicherungsbedarf (3.1.-3.7.):

Das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme ergibt sich, wie bereits erwähnt, aus den Angaben im vorliegenden Akt. Hiezu darf auf die Ausführungen zu 2.1. verwiesen werden (3.1.).

Aufgrund der einen Aktenbestandteil darstellenden Niederschrift vom XXXX ergibt sich, dass der faktische Abschiebeschutz aufgrund der Folgeantragsstellung bescheidmäßig (mündlich verkündet) aufgehoben wurde. Das BVwG hat innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes mit Beschluss bestätigt (3.2.).

Die unter 3.3. festgestellte Vertrauensunwürdigkeit des BF ergibt sich aufgrund einer Gesamtbetrachtung des bisherigen Vorverhaltens des BF. Daraus war klar erkennbar, dass der BF seit seiner Antragstellung in Österreich am 30.10.2017 unzweifelhaft das Ziel verfolgte, sich im speziellen in Deutschland aufzuhalten um dort eine Möglichkeit zu finden, sich niederlassen zu dürfen. Sein Verhalten zeigt klar, dass ihn dafür jegliches Mittel recht war, um seinen Aufenthalt in Deutschland weiterführen zu können. Das Gericht geht daher in weiterer Folge auch nicht davon aus, dass der Beschwerdeführer tatsächlich in irgendeiner Form die Absicht hegen würde, freiwillig nach Tunesien zurückzukehren. Sein Verhalten zeigte bisher nur Gegenteiliges (3.3.).

Aufgrund der Aktenlage ergibt sich, dass der BF unmittelbar nach seiner ersten Asylantragstellung im November 2017 untergetaucht ist und sohin das Verfahren mit Aktenvermerk vom 15.11.2017 eingestellt werden musste (3.4.).

Die Feststellung zu 3.5. ergibt sich im Wesentlichen ebenso aus einer Gesamtsicht des bisherigen Verhaltens des BF. An dieser Stelle darf wiederholt werden, dass der BF in Österreich mehrfach untergetaucht ist und sich daher dem jeweils laufendem Verfahren erfolgreich entzogen hatte. Aus der Anhaltedatei ergibt sich zudem, dass der BF in jüngster Zeit durch die Abhaltung eines Hungerstreikes versucht hatte, Haftunfähigkeit zu erreichen um entlassen zu werden. Darüber hinaus verweigerte der BF auch die Unterschrift auf einer Übernahmebestätigung eines behördlichen Dokumentes. Der BF ist daher, entgegen dem Vorbringen in der Beschwerdeschrift, jedenfalls nicht in der Weise als kooperativ anzusehen, dass er im Rahmen einer Zukunftsprognose als vertrauenswürdig und ausreichend kooperativ bezeichnet werden könnte (3.5.).

Die Feststellung zu 3.6. ergibt sich aus den Angaben im Akt. Daraus war ersichtlich, dass der BF sich auch in Deutschland seiner Rücküberstellung nach Österreich durch Untertauchen entzogen hatte. Wie bereits erwähnt hat der BF in Deutschland auch zwei Asylanträge gestellt.

Nach den glaubwürdigen Angaben des BF im Rahmen der Einvernahme vom 04.12.2019 ergibt sich, dass der BF aufgrund der von ihm angegeben bereisten europäischen Staaten als höchst mobil einzustufen war.

2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.4.):

Hinweise für das Bestehen von relevanten Bindungen auf sozialer, beruflicher oder familiärer Ebene in Österreich waren dem Verfahren nicht zu entnehmen. Darüber hinausgehendes Vorbringen findet sich auch in der Beschwerdeschrift nicht. Richtig ist jedoch, dass der BF aufgrund der Asylfolgeantragstellung im Rahmen der Grundversorgung ein Quartier hätte. Aufgrund der Unsicherheit des Ausgangs des offenen Asylverfahrens kann jedoch diesbezüglich nicht von einem gesicherten Wohnsitz im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG ausgegangen werden.

2.5. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen.

Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Zur Judikatur:

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig"(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

3.1.3. Aufgrund des gerichtlichen Beweisverfahrens sieht das Gericht im vorliegendem Fall Sicherungsbedarf für gegeben an. Der BF hält sich nicht rechtmäßig in Österreich auf und es besteht gegen den BF seit geraumer Zeit eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung sowie ein Einreiseverbot. Der BF ist nach den gerichtlichen Feststellungen aktuell nicht als rückkehrwillig einzustufen und wurde der faktische Abschiebeschutz aufgrund der Folgeantragstellung rechtmäßig aufgehoben. Aufgrund des erkennbaren Bestrebens des BF, sich in Deutschland aufzuhalten kann nicht von einer Rückkehrwilligkeit des BF ausgegangen werden. Das Gesamtverhalten des BF (Untertauchen, die Stellung mehrerer Asylanträge, Weiterreise in mehrere europäische Staaten, etc.) haben dem Gericht gegenüber keinen Glauben an die Vertrauenswürdigkeit des BF aufkommen lassen.

Der BF ist im Rahmen seines Aufenthaltes in Europa sowohl in Deutschland, als auch in Österreich während laufender Verfahren untergetaucht und hat diese daher zumindest erheblich verzögert. Konkret in Deutschland hat er durch das rechtzeitige Untertauchen eine neuerliche Überstellung und sohin auch eine Abschiebung nach Österreich verhindert bzw. erschwert. Auch aufgrund dieser Handlungen des BF kann dieser nach Ansicht des Gerichtes auch nicht als kooperativ angesehen werden.

Nach eigenen glaubwürdigen Angaben hat der BF zumindest sechs europäische Staaten bereist und sohin seine hohe Mobilität bereits unter Beweis gestellt.

Das Beweisverfahren hat in keiner Weise ergeben, dass der BF in Österreich weder familiär, noch sozial oder auch beruflich eine Verankerung erfahren hat. Auch ist der BF im Inland nicht erwerbstätig und daher auch nicht selbsterhaltungsfähig. Das Verfahren hat zudem keinen konkreten gesicherten Wohnsitz ergeben und sieht daher das Gericht im Gleichklang mit der Behörde, Sicherungsbedarf im Sinne der Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3, 4, 5, 8 und 9 FPG für gegeben an.

3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer im Ergebnis so gut wie keine familiäre/sozialen Kontakte im Inland hat. Der BF hat gegen verwaltungsrechtliche Bestimmungen verstoßen, ist in Europa herumgereist und hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das im Inland bestehende Rechtssystem beabsichtigt. Er hat in Österreich zumindest einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz gestellt und wurde über ihn eine Rückkehrentscheidung und auch ein Einreiseverbot verhängt. Die Republik Österreich hat damit nach Ansicht des Gerichts nunmehr ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib des BF im Inland nicht wahrscheinlich ist und sohin auch ein erhöhtes Interesse an einer Außerlandesbringung des BF kundgetan. Die in der Beschwerdeschrift erwähnte Unbescholtenheit und die wohl bestehenden allgemeinen persönlichen Interessen des BF am Verbleib auf freiem Fuße konnten die Position des BF nicht ausreichend stärken um ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der gesicherten Außerlandesbringung des BF und eines geordneten Fremdenwesens erfolgreich herabzumindern. Das Gericht geht daher - wie oben angeführt - von der Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus, zumal die Bemühungen des BFA eine baldige Abschiebung durchführen zu können, im Rahmen des Verfahrens deutlich hervorgekommen sind. Der BF hat sich in der Vergangenheit gar nicht ausreisewillig (im Hinblick auf Tunesien) gezeigt und ist stattdessen innerhalb Europas weitergereist. Auch dies war bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft ebenso als evidentes Interesse der Allgemeinheit und der Europäischen Gemeinschaft, den BF Außerlandes zu bringen, zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind keine weiteren Gründe für eine mögliche Unverhältnismäßigkeit der Haft im gerichtlichen Verfahren hervorgekommen.

Die Verhältnismäßigkeit der verhängten Schubhaft ist daher gegeben.

3.1.5. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit einer konkreter werdenden Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt "Sicherungsbedarf" erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass der BF in keiner Weise vertrauenswürdig ist und über keine privaten Kontakte im Inland verfügt, die ihn im Rahmen eines gelinderen Mittels tatkräftig unterstützen könnten. Eine jederzeitige Erreichbarkeit des Beschwerdeführers, auch an einem von der Behörde bestimmten Ort, ist daher nach Ansicht des Gerichts aufgrund des bisherigen Verhaltens des BF nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet, zumal der BF bereits mehrfach seine Betreuungsstelle ungemeldet verlassen hat und untergetaucht ist. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, der ein evidentes Interesse daran hat, dass er im Inland (bzw. in Europa) verbleiben kann, sich einer zu erwartenden Abschiebung in seinen Herkunftsstaat nunmehr freiwillig stellt und für die Behörde tatsächlich erreichbar bleiben würde. Auch eine familiäre Bindung, die unter Umständen Halt bieten könnte, ist in der Form nicht vorhanden. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann. Darüber hinaus darf auf die ungewohnt ausführliche Begründung des BFA im angefochtenen Bescheid verwiesen werden.

3.1.6. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als "ultima ratio" und wird die Schubhaft auch bis zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates und der darauffolgenden Abschiebung weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der "ultima ratio" im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.

3.1.7. Die Behörde hat im gegenständlichen bekämpfen Schubhaftbescheid die Beweggründe für die Erforderlichkeit der Verhängung der Haft erkennbar aufgezeigt und sich mit der konkreten Situation des BF auseinandergesetzt. Wie oben näher ausgeführt wird, gelangt die gerichtliche Überprüfung der laufenden Schubhaft nicht zu einer Unrechtmäßigkeit der bescheidmäßigen Verhängung.

3.1.8. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten abschließend ermittelt und beurteilt werden und wurde in der Beschwerdeschrift auch nicht über die bekannten Standardformulierungen hinaus fallbezogen näher dargelegt, weshalb die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung im konkreten Fall notwendig sein sollte. Das Gericht weicht nicht von der Beweiswürdigung der Behörde ab und hat sich bereits aus dem vorliegenden Akteninhalt klar für das Gericht ausreichend dargestellt, dass von einer für die Abschiebung ausreichenden Kooperation des BF nicht ausgegangen werden konnte. Gründe für die zwingende Abhaltung einer mündlichen Verhandlung lagen daher nicht vor.

3.1.9. Nach dem Vorbringen in der Beschwerdeschrift unter Pkt. 2 hätte der bekämpfte Schubhaftbescheid im Zeitpunkt seiner Erlassung aufgrund der erwähnten Judikatur (bsp. VwGH 16.05.2019, Ra 2018/21/0177) nicht auf § 76/2 Zi. 2 FPG gestützt werden dürfen, da zu diesem Zeitpunkt für den BF als Asylwerber die Bestimmungen der Aufnahmerichtlinie galten und für ihn nicht die Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie anzuwenden gewesen wären, zumal zu diesem Zeitpunkt noch keine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes seitens des BVwG vorlag.

Hiezu vertrat das BFA unter Hinweis auf VwGH 03.07.2018, Ra 2018/21/0025 die Rechtsansicht, dass der BF aufgrund der bescheidmäßigen Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ab der mündlichen Verkündung nicht mehr die Aufnahmerichtlinie, sondern die Rückführungsrichtlinie unterlag und sohin die für den Schubhaftbescheid gewählte Rechtsgrundlage (§ 76/2 Zi. 2 FPG) richtig herangezogen worden sei.

Hiezu hat das Gericht erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof stellt in seinem oben zitierten Judikat vom 16.05.2019 klar, dass als Zeitpunkt des Wechsels zwischen der Anwendbarkeit der Aufnahmerichtlinie und der Rückführungsrichtlinie im Falle des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung gem. § 18/1 Zi. 2 BFA-VG (bei Vorliegen aller weiterer Voraussetzungen) die Erlassung der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung anzusehen ist. Haft gegen Asylwerber in dieser Konstellation kommt daher nur nach den Kriterien der Aufnahmerichtlinie in Frage. Sonst aber kommt die Rückführungsrichtlinie zu Anwendung. Dem Beschwerdeführer kommt daher bis zur Entscheidung des BVwG (und nicht etwa nur bis zum Ablauf der siebentägigen Entscheidungsfrist des BVwG) ein Bleiberecht zu. Diesfalls ist daher eine Schubhaft nur zur Sicherung des Verfahrens nach § 76/2 Zi. 1 FPG (bei Vorliegen aller weiterer Voraussetzungen) möglich.

Demgegenüber sprach der VwGH in einer ähnlichen Konstellation in Ra 2018/21/0025 zuvor bereits klar aus, dass im Zusammenhang mit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a/2 AsylG die Aufnahmerichtlinie bis zur bescheidmäßigen Erlassung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes Anwendung zu finden hat. Sollte ein derartiger Bescheid nicht bis zu Entscheidung des Verwaltungsgerichtes über die Schubhaft ergehen, so gilt für den Fremden weiterhin die Aufnahmerichtlinie.

Nach Ansicht des Gerichts ist dabei Folgendes zu beachten:

Während im Falle der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (§ 18/1 Zi. 2 BFA-VG) diese erst mit der Entscheidung des BVwG rechtlich bindend wird, tritt die Verbindlichkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nach dem Wortlaut des § 22/2 BFA-VG bereits mit der Erlassung des Bescheides ein. Es wird lediglich ein "faktisches Zuwarten" mit der Abschiebung bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen des Aktes beim BVwG gesetzlich normiert.

Nach Rechtsansicht des Gerichtes ist daher im vorliegenden Fall das Judikat des VwGH vom 03.07.2018, Ra 2018/21/0025 einschlägig und davon auszugehen, dass aufgrund der vorherigen Erlassung des Aufhebungsbescheides (§ 12a/2 AsylG), der gegenständliche Schubhaftbescheid zur Recht auf § 76/2 Zi. 2 FPG gestützt wurde.

Zu Spruchpunkt II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Zu Spruchpunkt III u. IV. (Kostenanträge):

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Sowohl der BF als auch das BFA haben einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt. Da die Beschwerde abgewiesen wurde, ist das BFA die obsiegende Partei. Ihm gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV Kostenersatz in der Höhe von EUR 426,20. Der beschwerdeführenden Partei gebührt kein Kostenersatz.

Zu Spruchpunkt B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Das erkennende Gericht bezieht sich in der Entscheidung auf die im Unterpunkt 3.1.9 näher erörterte Judikatur des VwGH bzw. des EuGH. Dabei wurde einerseits entschieden, dass eine vor der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung verhängte Schubhaft unter die Aufnahmerichtlinie und sohin unter § 76 Abs. 2 Z 1 FPG zu subsumieren ist und erst nach der Entscheidung des BVwG über die Rechtmäßigkeit der Aberkennung die Rückführungsrichtlinie und sohin § 76 Abs. 2 Z 2 FPG als Rechtsgrundlage in Frage kommt.

Im Zusammenhang mit einer Fallkonstellation mit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes (§ 12a Abs. 2 AsylG) besteht einschlägige Judikatur darüber, dass Asylanträge, die als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, kein volles Bleiberecht, sondern nur ein "faktisches" Innehalten in Bezug auf die Durchführung der Abschiebung für die gesetzlich normierte Frist bedeutet. Nach dieser Judikatur ist für die Unterscheidung der Anwendbarkeit zwischen Z 1 und Z 2 des § 76/2 FPG ausschlaggebend, ob dem BF zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung bzw. der Entscheidung des BVwG, der faktische Abschiebeschutz des BF bereits bescheidmäßig aufgehoben war, oder nicht.

In Hinblick darauf, dass beide Fallkonstellationen durchaus Ähnlichkeiten aufweisen, eine diesbezüglich klärende gefestigte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs jedoch nicht vorliegt, war die Revision daher gemäß Art. 33 Abs. 4 B-VG zuzulassen.

Schlagworte

Ausreisewilligkeit, Einreiseverbot, Fluchtgefahr, Folgeantrag,
Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Revision zulässig,
Richtlinie, Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf,
Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2227641.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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