TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/8 W156 2218588-2

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Veröffentlicht am 08.01.2020
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Entscheidungsdatum

08.01.2020

Norm

ASVG §252
ASVG §410
AVG §69
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W156 2218588-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde von M XXXX S XXXX gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), Landesstelle Niederösterreich vom 18.04.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Mit Bescheid der PVA vom 21.11.2014, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 26.08.2014 auf Gewährung der Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus nach seiner am 25.11.2011 verstorbenen Mutter E XXXX S XXXX abgelehnt.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Kindseigenschaft auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres bestehe, wenn und solange das Kind seit der Vollendung des 18. Lebensjahres oder seit dem Ablauf der Schul- oder Berufsausbildung bzw. der Teilnahme am Freiwilligen Sozialjahr, Freiwilligen Umweltschutzjahr, Gedenkdienst oder am Friedens- und Sozialdienst in Ausland infolge Krankheit oder Gebrechens erwerbsunfähig sei. Nach dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchung sei Erwerbsunfähigkeit im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung nicht gegeben.

Dieser Bescheid wurde nicht bekämpft und ist daher in Rechtskraft erwachsen.

I.2. Am 11.05.2016 langte ein Antrag des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein, der wie folgt lautet:

"Als Sachwalter von Herrn S XXXX M XXXX stelle ich aufgrund neu hervorgekommener Tatsachen (Ergebnis der Stellungskommission NÖ aus dem Jahr 2005) erneut den Antrag auf Waisenpension nach der verstorbenen Mutter E XXXX S XXXX [...]."

Beigelegt wurden das Ergebnis der Stellungskommission NÖ aus dem Jahr 2005, eine Bestätigung über den Bezug von Rehabilitationsgeld der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 04.01.2016, ein fachärztliches Sachverständigengutachten 2013, die Berufungsvorentscheidung zur erhöhten Familienbeihilfe und die Urkunde über die Sachwalterbestellung.

I.3. Mit Schreiben vom 13.06.2016 wurde dem Beschwerdeführer das Ergebnis des Verfahrens zur Kenntnis gebracht und ihm eine Frist von vier Wochen zur Stellungnahme eingeräumt.

I.4. Am 11.07.2016 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, in der er darauf hinweist, dass in dem Verfahren betreffend die erhöhte Familienbeihilfe ein Gutachten erstellt wurde, wonach die Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres eingetreten sei. Demzufolge würden die Voraussetzungen für die Gewährung einer Waisenpension zum Stichtag 01.12.2011 vorliegen, da die Kindseigenschaft gegeben gewesen sei. Dieser Stellungnahme ist das Gutachten betreffend erhöhte Familienbeihilfe vom 05.06.2016 angefügt.

I.4. Mit Aktenvermerk des chefärztlichen Dienstes vom 02.08.2016 wurde folgendes festgehalten:

"Aus dem Vorverfahren ist zu entnehmen, dass der AS nicht mit dem Vollbild des Leidens in das 1. DVH eingetreten ist, stattdessen wurde eine IV/BU-Pension zuerkannt, offensichtlich, weil der Versicherungsfall erst nach dem 18.Lj. eingetreten ist. Daher ergibt sich auch aus den neuen Unterlagen keine Änderung der Entscheidung aus medizinscher Sicht."

I.5. Mit Bescheid vom 01.09.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 11.05.2016 auf Zuerkennung der Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus zurückgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass mit Bescheid vom 24.11.2014 der Antrag vom 26.08.2014 auf Zuerkennung der Waisenpension rechtskräftig abgelehnt worden sei. Der Antrag vom 11.05.2016 habe erneut die sachliche Behandlung der bereits mit Bescheid vom 24.11.2014 entschiedenen Sache zum Gegenstand. Es sei keine Änderung in den für die Beurteilung als maßgeblich erachteten Umständen oder in der maßgeblichen Rechtslage eingetreten. Der für die Gewährung der Waisenpension heranzuziehende Stichtag sei der Todestag der Mutter des Beschwerdeführers, nämlich der 01.12.2011. Einer neuerlichen Sachentscheidung stehe daher die Rechtskraft des Bescheides vom 24.11.2014 entgegen. Auch das in der Stellungnahme vom 13.06.2016 vorgebrachte Argument, der Beschwerdeführer sei laut einem Gutachten bezüglich des Antrags auf erhöhte Familienbeihilfe unfähig, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, sei nicht geeignet, eine andere Sachentscheidung herbeizuführen, da diese Tatsache bereits für die Gewährung der Invaliditätspension bzw. das Rehabilitationsgeld berücksichtigt worden sei.

I.6. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde und führte aus, dass entgegen der Bescheidbegründung durch das vorgelegte Sachverständigengutachten eine Änderung in den für die Beurteilung als maßgeblich erachteten Umständen eingetreten sei, insbesondere hinsichtlich der Kindeseigenschaft. Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers habe sich auch nicht verbessert, sodass die Erwerbsunfähigkeit andauern werde. Er beantragte die Abänderung des angefochtenen Bescheides, als dass dem am 11.05.2016 gestellten Antrag auf Waisenpension vollinhaltlich stattgegeben werde und in eventu die Wiederaufnahme des durch den Bescheid abgeschlossenen Verfahrens aufgrund neu hervorgekommener Tatsachen und Beweismittel.

I.7. Mit Erkenntnis vom 28.12.2018, W126 2138880-1/6E wurde die Beschwerde abgewiesen und hinsichtlich des Wiederaufnahmeantrages festgestellt, dass die belangte Behörde im weiteren Verfahren über diesen zu entscheiden habe.

I.8. Mit Bescheid vom 18.04.2019, Zl. XXXX , wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen.

I. 9. Dagegen erhob der BF fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte begründend aus, dass er bereits vor seinem 18. Lebensjahr psychisch krank gewesen sei. Aufgrund verschiedener Aufenthalte und Befunde könne bewiesen werden, dass bereits im Kindesalter ADHS aufgetreten sei. Er beantrage daher, den angefochtenen Bescheid außer Kraft zu setzen und ihm gemäß dem ursprünglichen Antrag die Waisenpension zuzusprechen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren und hat das 18. Lebensjahr am XXXX vollendet.

Der Beschwerdeführer hat durch seinen Sachwalter am 26.08.2014 einen Antrag auf Zuerkennung einer Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus nach seiner verstorbenen Mutter gestellt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 24.11.2014, Zl. XXXX , abgelehnt, weil Kindeseigenschaft wegen Erwerbsunfähigkeit infolge Krankheit oder Gebrechens seit Vollendung des 18. Lebensjahres nicht vorgelegen hat. Dieser Bescheid erwuchs mangels Klagserhebung in Rechtskraft. Am 11.05.2016 wurde ein erneuter Antrag auf Gewährung einer Waisenpension nach der verstorbenen Mutter des Beschwerdeführers gestellt.

Zum Zeitpunkt der neuerlichen Antragstellung hat sich der wesentliche Sachverhalt nicht geändert und auch das neue Parteibegehren deckt sich mit dem früheren. Vorgelegt wurden lediglich zusätzliche Beweismittel, unter anderem ein neues Sachverständigengutachten des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt.

Hinsichtlich der strittigen Frage, ob es durch das neue Sachverständigengutachten des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen zu einer entscheidungsrelevanten Änderung des Sachverhalts gekommen ist, dem Vorbringen der belangten Behörde zu folgen.

Den vorgelegten Gutachten sind keine neuen Tatsachen zu entnehmen, sondern wurde im Gutachten des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen lediglich eine neue Schlussfolgerung getroffen.

Im Übrigen handelt es sich im gegenständlichen Fall um eine Beurteilung einer Rechtsfrage.

Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die hier maßgebliche Bestimmung des § 69 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), in der geltenden Fassung BGBl. I. Nr. 33/2013 lautet wie folgt:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat."

Am 26.8.2014 wurde vom Beschwerdeführers ein Antrag auf Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus nach der am 25.11.2011 verstorbenen E XXXX S XXXX gestellt.

Aufgrund dieses Antrages wurde von der belangten Behörde ein fachärztliches Sachverständigengutachten zur Beurteilung des Vorliegens von Erwerbsunfähigkeit über das 18. Lebensjahr hinaus eingeholt.

Nach dem Ergebnis dieses ärztlichen Sachverständigengutachtens ist der Beschwerdeführer nicht seit Vollendung des 18. Lebensjahres bzw. seit Ablauf der Schul- oder Berufsausbildung infolge Krankheit oder Gebrechens erwerbsunfähig.

Auf Basis dieser fachärztlichen Entscheidung wurde der Antrag auf Waisenpension vom 26.8.2014 daher mit Bescheid vom 24.11.2014 abgelehnt, weil die Kindeseigenschaft gemäß § 252 Abs 2 ASVG wegen Erwerbsunfähigkeit infolge Krankheit oder Gebrechens seit Vollendung des 18. Lebensjahres (bzw. seit Vollendung des 27. Lebensjahres bei Schul- oder Berufsausbildung) nicht gegeben war.

Dieser - die Gewährung der Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus ablehnende - Bescheid vom 24.11.2014 ist - mangels zeitgerechter Erhebung eines Rechtsmittels - in Rechtskraft erwachsen.

Am 29.9.2016 wurde unter Berufung auf das Sachverständigengutachten zur erhöhten Familienbeihilfe, betreffend die Begutachtung am 2.6.2016, die Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 24.11.2014 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens beantragt.

In seinem Vorbringen beruft sich der Beschwerdeführer zusammengefasst darauf, dass das im Zuge des Antrages auf Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe eingeholte Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesens vom 02.06.2016 einen neuen Sachverhalt hervorgebracht hätte, der zur Wiederaufnahme des Verfahren betreffend Zuerkennung der Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus berechtige. Diese Ansicht teilt das Bundesverwaltungsgericht nicht.

Gutachten von Sachverständigen, die erst nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides eingeholt wurden, sind nicht neu hervorgekommen, sondern neu entstanden und können damit auch nicht als neue Beweismittel Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens sein (VwGH vom 10.05.1996, 94/02/0449; VwGH vom 21.04.1999, 99/03/0097; VwGH vom 02.07.2007, 2006/12/0043). Nur wenn ein Sachverständiger Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden, erst nach Rechtskraft des Bescheides "feststellt" oder wenn ihm solche Daten erst später zur Kenntnis kommen, können diese bzw. die daraus resultierenden neuen Befundergebnisse, die sich auf die zuvor bestandenen Tatsachen beziehen, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - wie insbesondere des mangelnden Verschuldens - als neue Tatsachen einen Grund für eine Wiederaufnahme darstellen (VwGH vom 18.01.1989, 88/03/0188; VwGH vom 04.08.2004, 2002/08/0074; VwGH vom 25.07.2007, 2006/11/0147). Einen Wiederaufnahmegrund kann aber nicht auch ein Irrtum des Sachverständigen darstellen (VwGH vom 07.09.2005, 2003/08/0093; VwGH vom 16.10.2007, 2004/18/0376). Daher liegt kein Wiederaufnahmegrund vor, wenn der bereits im Verfahren bestellte Sachverständige später erklärt, dass ihm bei den Schlussfolgerungen Fehler unterlaufen seien und er nunmehr zu anderen Schlussfolgerungen komme. Das gilt auch für den Fall, dass ein anderer bisher im Verfahren nicht vernommener Gutachter auf dem Boden einer unveränderten Sachverhaltsgrundlage nunmehr zu anderen Schlüssen kommt als der dem Verwaltungsverfahren beigezogene Sachverständige (VwGH vom 08.04.2004, 2002/08/0074; VwGH vom ß7.09.2005, 2003/08/0093; VwGH vom 02.07.2007, 2006/12/0043). [vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, § 69 Rz 33].

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss es sich bei den im

§ 69 Abs 1 Z 2 AVG bezeichneten "Tatsachen und Beweismitteln" um neu hervorgekommene, d.h. um solche handeln, die bereits im Zeitpunkt des Verfahrens bestanden haben, aber erst später, nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens bekannt wurden. Mit "Tatsachen" sind Geschehnisse im Seinsbereich, mit "Beweismitteln" Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen gemeint.

Ausgehend von dieser Umschreibung des Wiederaufnahmegrundes gemäß § 69 Abs 1 Z 2 AVG können weder ein einem Sachverständigen in seinem Gutachten unterlaufener Irrtum noch neue Schlussfolgerungen eines dem Verwaltungsverfahren nicht beigezogenen Sachverständigen einen solchen Wiederaufnahmegrund darstellen (VwGH 24.04.2007, 2005/11/0127 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Es muss sich um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" bzw. "nova causa superveniens" - vgl. Bundesverwaltungsgericht 02.01.2015, W147 1426493-4 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

In seinem Erkenntnis vom 02.07.2007, Zl, 2006/12/0043, führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass, sollte ein Sachverständiger Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden, erst nach Rechtskraft des Bescheides feststellen oder sollten solche Tatsachen einem Sachverständigen erst später zur Kenntnis kommen, so könnten solche neuen Befundergebnisse - die sich auf seinerzeit bestandene Tatsachen beziehen müssen - durchaus einen Wiederaufnahmegrund darstellen, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG gegeben sind (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze Band I2, unter E 181 zu § 69 AVG wiedergegebene Rechtsprechung des VwGH). Anders steht es mit den vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen. Es stellt weder einen Wiederaufnahmegrund dar, wenn der bereits im Hauptverfahren vernommene Sachverständige später erklären sollte, sich bei seinen Schlussfolgerungen geirrt zu haben und nunmehr zu neuen Schlussfolgerungen zu kommen. Noch stellt es einen Wiederaufnahmegrund dar, wenn ein im Verfahren nicht vernommener Sachverständiger auf Grund unveränderter Sachverhaltsgrundlage nunmehr zu anderen Schlüssen kommen sollte als der im Verfahren vernommene Sachverständige (vgl. die in Walter/Thienel, aaO, unter E 182 zu § 69 AVG wiedergegebene Rechtsprechung). Daher können nur neue Befundergebnisse (die konkreten sachverständigen Tatsachenfeststellungen) in einem Gutachten und nicht auch die sachverständigen Schlussfolgerungen (das Gutachten im engeren Sinn) einen Wiederaufnahmegrund bilden (vgl. die in Walter/Thienel, aaO, unter E 183 zu § 69 AVG wiedergegebene Rechtsprechung, insbesondere etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1994, Zl. 93/09/0226, mwN).

Auf den gegenständlichen Fall bezogen bedeutet dies, dass die vom Beschwerdeführer beigebrachten Sachverständigengutachten bzw. Entlassungsberichte nur insofern Relevanz zukommen, als diese selbst in ihren Befundteilen neue Tatsachen feststellen oder solche anderweitig neu hervorgekommenen Tatsachen verwerten. Dagegen sind neue, daher von den Amtssachverständigen abweichende Schlussfolgerungen, die auf Tatsachen fußen, die auch schon die Amtssachverständigen zu Grunde gelegt hatten, kein Wiederaufnahmegrund.

Wie bereits von der belangten Behörde zu Recht ausgeführt, liegt im gegenständlichen Fall daher eine solche unveränderte Sachverhaltsgrundlage vor. Im eingeholten Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesens vom 02.06.2015 wird lediglich die Schlussfolgerung getroffen, dass die Unfähigkeit, sich den Lebensunterhalt selbst zu beschaffen vor dem vollendeten 18. Lebensjahr eingetreten ist.

Diese Schlussfolgerung stützt sich aber auf dieselben anamnestischen Tatsachen, die bereits dem Gutachten der belangten Behörde vom 31.10.2014 zugrunde lagen. Somit kann keine Rede davon sein, dass nunmehr erst nachträglich neue Umstände oder Daten zur Kenntnis gelangt seien.

Bereits im Rahmen der Begutachtung am 31.10.2014 wurde eine ausführliche Anamnese erhoben, in der der chronologische Krankheitsverlauf des Beschwerdeführers umfassend dargestellt wurde.

Ebenso wurde zum damaligen Zeitpunkt die berufliche Laufbahn des Beschwerdeführers erhoben und wurde in der damaligen Beurteilung ebenso berücksichtigt, wie der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer seit 2011 in nervenfachärztlicher Behandlung befand.

Im Hinblick auf die bereits im Jahr 2014 umfassend erhobene Krankheits- und Berufsanamnese können dem Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom 5.6.2016 keine neuen Tatsachen iSd § 69 Abs 1 Z 2 AVG entnommen werden.

Alleine der Umstand, dass nach der Einschätzung des Sachverständigengutachtens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen die Unfähigkeit des Beschwerdeführers, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten ist, ist nicht dazu geeignet, eine - die Wiederaufnahme rechtfertigende - neu hervorgekommene Tatsache darstellen, da gemäß § 69 Abs 1 Z 2 AVG weder ein einem Sachverständigen in seinem Gutachten unterlaufener Irrtum noch neue Schlussfolgerungen eines dem Verwaltungsverfahren nicht beigezogenen Sachverständigen einen Wiederaufnahmegrund darstellen können (vgl VwGH 19.04.1994, 90/07/0124).

Demnach wird der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens lediglich auf neue Schlussfolgerungen in einem nach Verfahrensabschluss in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten gestützt, nicht aber auf neue Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden haben, aber erst im Zuge der Befundaufnahme des späteren Sachverständigengutachtens hervorgekommen sind.

Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde ist daher von einer unveränderten Sachverhaltsgrundlage auszugehen. Da somit keine neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, scheidet der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG aus.

Gegenständlich wurde zudem zur Begründung der Wiederaufnahme auf das im Verfahren wegen Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe eingeholte Sachverständigengutachten vom 5.6.2016 verwiesen, somit auf ein Beweismittel, welches erst ca. 2 Jahre nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens entstanden ist.

Es handelt sich daher nicht um ein Beweismittel, welches bei Abschluss des rechtskräftigen Verfahrens bereits vorhanden war und ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnte, sondern um ein erst nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens neu entstandenes Beweismittel (vgl. Bundesverwaltungsgericht 14.03.2018, W134 2139006-2/2E).

Zudem ist festzustellen, dass keine Änderung der Rechtslage eingetreten ist. Die entscheidungsrelevante Bestimmung ist § 252 ASVG, der in der nach wie vor geltenden Fassung mit 01.07.2014 in Kraft getreten ist.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Entscheidungsfindung im gegenständlichen Fall war nicht von der Lösung einer

Rechtsfrage von über den konkreten Einzelfall hinausgehender Bedeutung abhängig (vgl. ua. VwGH 24.04.2014, Ra 2014/01/0010), sie erging in Anlehnung an die in der Begründung zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur "entschiedenen Sache" nach § 68 AVG. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich auf eine klare Rechtslage stützen.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Altersgrenze, Erwerbsfähigkeit, Sachverständigengutachten,
Waisenrente, Wiederaufnahmeantrag, Wiederaufnahmegrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2218588.2.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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