TE Vwgh Erkenntnis 2007/10/16 2004/18/0376

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Veröffentlicht am 16.10.2007
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §69 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des ZK, geboren 1982, vertreten durch Dr. Herwig Fuchs, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 6. Oktober 2004, Zl. III 4033-28/04, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 6. Oktober 2004 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 27. September 2004 auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Aufhebung des (unbefristeten) Aufenthaltsverbots der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 7. Mai 2003 gemäß § 69 Abs. 1 AVG abgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag auf ein Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie vom August 2004 gestützt und ausgeführt, der Facharzt wäre zu dem Ergebnis gekommen, dass durch den Beschwerdeführer "keine Gefährlichkeit für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit besteht, sollte es Ihnen gelingen, sich mit fachärztlicher Hilfe von diesem (Suchtgift-)Milieu fern zu halten (wozu Sie derzeit sehr motiviert sind) und Ihre Vergangenheit mit therapeutischer Hilfe aufzuarbeiten". Ein nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens eingeholtes Gutachten - so die belangte Behörde weiter - bilde keinen Wiederaufnahmegrund im Sinn des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG und ein im Verfahren unterlassener Beweisantrag könne nicht durch einen Wiederaufnahmeantrag nachgeholt werden.

(Aus dem im vorgelegten Verwaltungsakt erliegenden Bescheid der belangten Behörde vom 2. Juni 2004, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers vom 15. Jänner 2004 auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots abgewiesen worden ist, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer diesen Antrag u.a. damit begründet hat, er habe eine sehr schwere Kindheit durchlebt und sei daher in das Suchtgiftmilieu abgeglitten. In den Gerichtsverfahren sei kein Gutachten eines Facharztes aus der Drogenmedizin eingeholt worden. Seine Eltern seien bereit, ihm eine ausreichende medizinische und therapeutische Behandlung zu finanzieren. Zum Beweis seines Vorbringens hat der Beschwerdeführer u.a. "ein Gutachten eines Facharzt für Drogenkrankheiten; ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten eines Sachverständigen" beantragt. Zu diesen Anträgen führte die belangte Behörde in der Begründung des den Aufhebungsantrag abweisenden Bescheides aus, der endgültige positive Ausgang therapeutischer oder medizinischer Behandlungen von dem Suchtgiftmilieu zugehörigen Menschen sei erfahrungsgemäß ungewiss und die Rückfallquote hoch. Auf die beantragten Beweise werde wegen Unnotwendigkeit verzichtet. - In seinem ebenfalls im Verwaltungsakt einliegenden Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens brachte der Beschwerdeführer u.a. vor, seine Eltern hätten ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben, weil die belangte Behörde alle Beweisanträge zur Widerlegung der Prognoseentscheidung abgelehnt habe. Der Facharzt für Psychiatrie, Herr Dr. Michael Sch., habe nach einer persönlichen Unterredung und Untersuchung des Beschwerdeführers am 3. August und am 5. August 2004 ein Gutachten erstattet, in dem insbesondere Folgendes ausgeführt worden sei:

"Sollte es dem Probanden gelingen, sich mit fachärztlicher Hilfe von diesem Milieu fernzuhalten (wozu der Proband derzeit sehr motiviert ist) und seine Vergangenheit mit therapeutischer Hilfe aufzuarbeiten, besteht keine Gefährlichkeit für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit.")

2. Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 6. Oktober 2004 richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bilden weder ein einem Sachverständigen in seinem Gutachten unterlaufener Irrtum noch neue Schlussfolgerungen eines dem Verwaltungsverfahren nicht beigezogenen Sachverständigen einen Wiederaufnahmegrund (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2005, Zl. 2003/08/0093, mwN).

2. Der Beschwerdeführer stützt sich nur auf neue Schlussfolgerungen des von ihm nach Verfahrensabschluss in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens, nicht aber auf neue Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden haben, aber erst im Zuge der Befundaufnahme des späteren Sachverständigengutachtens hervorgekommen wären. Sein Wiederaufnahmeantrag zielt im Ergebnis darauf ab, einen (behaupteten) Verfahrensmangel des wiederaufzunehmenden Verfahrens zu sanieren, was jedoch keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juli 2001, Zl. 2001/07/0017). Schließlich ist vorliegend auch die bereits erwähnte weitere Voraussetzung des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG, dass die neuen Tatsachen oder Beweismittel voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, nicht erfüllt, weil die Frage, ob die sich in einem Fehlverhalten des Fremden manifestierende Gefährlichkeit für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit als in rechtserheblichem Ausmaß gemindert anzusehen ist, vorwiegend daran zu messen ist, ob sich der Fremde tatsächlich bereits über einen relevanten Zeitraum wohlverhalten hat. Ein bloß behaupteter oder von einem Sachverständigen angenommener Gesinnungswandel, der nicht seine Entsprechung in einem einen relevanten Zeitraum umfassenden Wohlverhalten gefunden hat, reicht nicht aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2007, Zl. 2007/18/0340).

3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 16. Oktober 2007

Schlagworte

SachverständigengutachtenNeu hervorgekommene entstandene Beweise und Tatsachen nova reperta nova productaVerschulden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004180376.X00

Im RIS seit

22.11.2007

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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